— 1 — B R E M I S C H E B Ü R G E R S C H A F T Landtag 19. Wahlperiode Drucksache 19 / 1557 Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 22. Januar 2018 Rechtsextreme als ehrenamtlicher Vormund? Die Identitäre Bewegung (IB) hat ihre Mitglieder dazu aufgerufen, Vormundschaften von minderjährigen Geflüchteten zu übernehmen. Dem Aufruf der verfassungsfeindlichen Gruppierung nach soll damit „nicht länger Pseudohumanisten und Weltverbesserern das Feld bei der Flüchtlingsvormundschaft“ überlassen werden. Die Vormundschaft solle auch dazu genutzt werden, mit den Flüchtlingen über „vorhandene falsche Erwartungen an ihr Gastland“ ebenso zu sprechen, wie „über eine Zusammenführung mit ihrer Familie in ihrer Heimat“. Die IB verkennt dabei vollständig die eigentliche Aufgabe von Vormündern gegenüber ihren Mündeln und stellt sich auch in dieser Frage somit außerhalb der Gesetze. Auch wenn die IB weder personell noch inhaltlich in der Lage scheint, dieses Vorhaben in die Realität umzusetzen, und dieser Aufruf eher einem Heischen nach Aufmerksamkeit gleicht als einer konzertierten Aktion, kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich Mitglieder oder Sympathisantinnen und Sympathisanten von dieser menschenverachtenden Ideologie angespornt fühlen und in Einzelfällen ehrenamtliche Vormundschaften anstreben. Wir fragen daher den Senat: 1. Über wie viele Mitglieder verfügt die Identitäre Bewegung Bremen derzeit, und wie schätzt der Senat ihren Mobilisierungsgrad ein? 2. Ist dem Senat der Aufruf der Identitären Bewegung Hamburg zur Übernahme von Vormundschaften für minderjährige Flüchtlinge bekannt, und wenn ja, wie bewertet er diesen? 3. Sind dem Senat Fälle bekannt, in denen Mitglieder der Identitären Bewegung Bremen oder Mitglieder anderer fremdenfeindlicher Gruppierungen/Parteien ehrenamtliche Vormundschaften für minderjährige Flüchtlinge angestrebt haben? 4. Wie stellt der Senat sicher, dass Mitglieder der Identitären Bewegung Bremen oder anderer fremdenfeindlicher Gruppierungen/Parteien keine Vormundschaft für minderjährige Flüchtlinge erlangen? 5. Welche Möglichkeiten bestehen, derartige Vormundschaften zu beenden, wenn der rechtsextreme bzw. fremdenfeindliche Hintergrund des Vormunds erst nachträglich erkannt wird? Björn Fecker, Sahhanim Görgü-Philipp, Dr. Maike Schaefer und Fraktion Bündnis 90/Die Grünen D a z u Antwort des Senats vom 27. Februar 2018 1. Über wie viele Mitglieder verfügt die Identitäre Bewegung Bremen derzeit, und wie schätzt der Senat ihren Mobilisierungsgrad ein? Der Identitären Bewegung Bremen kann derzeit ein Personenpotenzial im untersten zweistelligen Bereich zugeordnet werden. Diese Zahl entspricht dem Mobilisierungspotenzial der Gruppe, beispielsweise bei Plakataktionen oder — 2 — Flyerverteilungen. Im Internet geht das Mobilisierungspotenzial deutlich darüber hinaus. 2. Ist dem Senat der Aufruf der Identitären Bewegung Hamburg zur Übernahme von Vormundschaften für minderjährige Flüchtlinge bekannt, und wenn ja, wie bewertet er diesen? Der Aufruf ist dem Senat bekannt und wird ernst genommen. Auswirkungen auf Bremen sind bislang nicht festzustellen. Auch in Bremerhaven liegen zur Übernahme von Vormundschaften durch Mitglieder der Identitären Bewegung keine Erkenntnisse vor. 3. Sind dem Senat Fälle bekannt, in denen Mitglieder der Identitären Bewegung Bremen oder Mitglieder anderer fremdenfeindlicher Gruppierungen/Parteien ehrenamtliche Vormundschaften für minderjährige Flüchtlinge angestrebt haben? Aktuell sind in der Vermittlungsarbeit von Vormundschaften keine Fälle bekannt. 4. Wie stellt der Senat sicher, dass Mitglieder der Identitären Bewegung Bremen oder anderer fremdenfeindlicher Gruppierungen/Parteien keine Vormundschaft für minderjährige Flüchtlinge erlangen? Grundsätzlich werden Informationen, die die Arbeit der Vormundschaften betreffen , an die zuständigen Ämter und Träger weitergeleitet, die in der Vermittlungsarbeit tätig sind. Im Fall der Identitären Bewegung Hamburg wurde der rechtsextreme Aufruf verbunden mit einer warnenden Erklärung seitens der Behörde kurzfristig an die genannten Stellen weitergeleitet. Diese haben daraufhin die Informationen an ihre Netzwerke gegeben. Die Informationsweitergabe und Aufklärung ist in solchen Fällen ein entscheidendes Mittel, um zu sensibilisieren und politischen Extremismus zu erkennen. Im Verfahren der Gewinnung und Vermittlung von Vormündern wird bereits im Rahmen ausführlicher Vorabgespräche, gegebenenfalls in Zusammenarbeit mit Psychologinnen und Psychologen, die Eignung der Vormünder geprüft. Dazu ist das erweiterte polizeiliche Führungszeugnis vorzulegen. Bevor der Vormund bestellt wird, trifft dieser u. a. im Rahmen von Fach- oder Informationsveranstaltungen auf pädagogische Fachkräfte, sodass durch den Austausch eine Nichteignung, z. B. aufgrund von Rechtsextremismus, sichtbar werden dürfte. Um diesen Prozess zu unterstützen und gegebenenfalls negative Entwicklungen zu erkennen, soll der Kontakt zu den Vormündern intensiv begleitet werden. In Beratungsgesprächen werden zudem die jungen Geflüchteten für derartige Verhaltensweisen sensibilisiert und nachdrücklich ermuntert, diese bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der zuständigen Stellen zu melden. 5. Welche Möglichkeiten bestehen, derartige Vormundschaften zu beenden, wenn der rechtsextreme bzw. fremdenfeindliche Hintergrund des Vormunds erst nachträglich erkannt wird? Zweck der Vormundschaft ist die Wahrnehmung grundsätzlich aller persönlichen und vermögensrechtlichen Angelegenheiten des Mündels. Der Vormund hat die Pflege und Erziehung des Mündels persönlich zu fördern. Das zuständige Familiengericht entscheidet über die Bestellung des Vormunds nach Anhörung des Jugendamts (§§ 1779 Abs. 1, 1789 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]). Auswahlkriterien für die Eignung der Person sind u. a. die persönlichen Verhältnisse, die Vermögenslage sowie sonstige Umstände zur Führung der Vormundschaft (§ 1779 Abs. 2 BGB). Das Familiengericht hat über die gesamte Tätigkeit des Vormunds die Aufsicht zu führen und gegen Pflichtwidrigkeiten durch geeignete Gebote und Verbote einzuschreiten (§ 1837 Abs. 2 BGB). Für den Vormund gilt, dass er hinsichtlich seiner gesamten Tätigkeit unter der dauernden Aufsicht des Familiengerichts steht, dem gegenüber er regelmäßig, mindestens jährlich über die Führung der Vormundschaft und die persönlichen Verhältnisse des Mündels Auskunft zu erteilen hat (§§ 1839, 1830 BGB). Das Familiengericht kann zudem jederzeit Auskunft über die Führung der Vormundschaft verlangen (§ 1839 BGB). Schließlich hat das Familiengericht den Einzelvormund zu entlassen, — 3 — wenn die Fortführung des Amts, insbesondere wegen pflichtwidrigen Verhaltens des Vormunds, das Interesse des Mündels gefährden würde (§ 1886 BGB) oder wenn sich nachträglich die Auswahlentscheidung des Vormunds nach § 1779 BGB als fehlerhaft erwiesen hat, weil der Vormund sich nunmehr als ungeeignet erweist. Wenn ein Vormund im Sinne des Aufrufs der Identitären Bewegung die Vormundschaft aus fremdenfeindlichen Erwägungen übernommen hat, dürfte das Familiengericht eine Ungeeignetheit des Vormunds und eine Gefährdung des Interesses des Mündels feststellen mit der Folge der Entlassung des Vormunds. Druck: Anker-Druck Bremen