BREMISCHE BÜRGERSCHAFT Drucksache 19/1558 Landtag 19. Wahlperiode 27.02.18 Antwort des Senats auf die Kleine Anfrage der Fraktion der CDU Haftbedingungen für Mütter, Väter und ihre Kinder in den Justizvollzugsanstalten des Landes Bremen Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft Antwort des Senats auf die Kleine Anfrage der Fraktion der CDU vom 23.01.2018 „Haftbedingungen für Mütter, Väter und ihre Kinder in den Justizvollzugsanstalten des Landes Bremen“ Die Fraktion der CDU hat folgende Kleine Anfrage an den Senat gerichtet. Dass viele Häftlinge auch Väter bzw. Mütter sind, spielte in deutschen Gefängnissen jahrzehntelang keine Rolle. Erst seit kurzem steht das Schicksal der bundesweit etwa 100.000 Jungen und Mädchen, deren Eltern einsitzen, stärker im Fokus. Kinder inhaftierter Eltern stellen eine Hochrisikogruppe dar. Die Verhaftung des Vaters bzw. der Mutter verunsichert Jungen und Mädchen aufs Tiefste und erzeugt bei manchen sogar Schuldgefühle. Im Knast die emotionale Bindung zur Familie zu halten, ist dabei immens schwierig. Dem Kind, das von einem oder beiden Elternteilen getrennt ist, sollte es daher möglich sein, regelmäßige persönliche Beziehungen und unmittelbare Kontakte zu beiden Elternteilen zu halten, soweit dies nicht dem Wohl des Kindes widerspricht. Die Berücksichtigung des Kindeswohls in sämtlichen Stadien, von der Verhaftung, über die Verurteilung eines Elternteils bis zum Besuch in der Haftanstalt , ist eine besondere Herausforderung für staatliche Stellen. Das Kind muss vor allen Formen der Diskriminierung geschützt werden. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: 1. Wie viele der Häftlinge in der JVA Bremen Oslebshausen und der JVA Bremerhaven haben Kinder (jeweils aufgeführt für Bremen und Bremerhaven)? 2. Wie viele schwangere Frauen befinden sich derzeit in den Bremer Haftanstalten und wie hat sich diese Zahl in den letzten 5 Jahren in Bremen und Bremerhaven entwickelt? Wie viele Kinder wurden in den vergangenen Jahren in Bremen und Bremerhaven geboren, während die Mutter in Haft war? 3. Wie viele Kinder leben derzeit mit ihren Müttern in der JVA und wie viele waren es in den letzten 5 Jahren (ausgeschlüsselt nach Jahren und einzeln für Bremen und Bremerhaven)? 4. Bis zu welchem Alter können die Kinder bei ihren Müttern in der JVA bleiben? 5. Wie wird mit schwangeren Inhaftierten oder frisch gebackenen Müttern in der JVA umgegangen? 6. Wie stellt sich die Unterbringungssituation für Kinder in der JVA dar? 7. Welche Bedingungen gelten für Kinder, die ihre Eltern in der JVA besuchen? Gibt es Sonderregelungen im Unterschied zu den Besuchsregelungen für Erwachsene (Dauer der Besuche, Häufigkeit der Besuche etc.)? Gibt es Einschränkungen des Besuchsrechts abhängig von der Straftat? Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft - 2 - 8. Welche Räumlichkeiten stehen für diese familiäre Zusammenführung zur Verfügung und wie sind diese ausgestattet? 9. Inwiefern gibt es in den Bremer JVAs sozialpädagogisches Personal, das z.B. Besuche der Kinder mitgestaltet? 10. Wie viele inhaftierte Minderjährige sind Väter oder Mütter? 11. Gibt es Möglichkeiten für Familienunterbringungen, wenn beide Elternteile in den Justizvollzugsanstalten Bremen und Bremerhaven eine Haftstrafe verbüßen? (bitte getrennt für Bremen und Bremerhaven angeben). 12. Welche Beratungsstellen gibt es für Familienangehörige von Inhaftierten in Bremen oder Bremerhaven und sieht der Senat bei dem Angebot noch Verbesserungsbedarf ? 13. Inwiefern wird Vätern in Haft, denen der Umgang mit ihren minderjährigen Kindern z.B. aufgrund der Ablehnung durch die Kindesmutter erschwert oder nicht möglich gemacht wird, geholfen, damit sie ihre Kinder regelmäßig sehen können? 14. Wie bewertet der Senat die COPING-Studie, wonach etwa 75 Prozent der Kinder von Inhaftierten psychische Störungen entwickeln und ca. 70 Prozent aller Jungen später wie ihre Väter im Gefängnis landen und was möchte der Senat zur Vorbeugung dagegen tun? 15. Wie wird das Projekt „Ich lese für dich – Gute-Nacht-Geschichten aus dem Gefängnis “ in der JVA Bremen-Oslebshausen von den Insassen angenommen und inwieweit hilft es den Inhaftierten dabei die Bindung zu ihren Kindern aufrechtzuerhalten ? Der Senat beantwortet die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie viele der Häftlinge in der JVA Bremen Oslebshausen und der JVA Bremerhaven haben Kinder (jeweils aufgeführt für Bremen und Bremer-haven)? Am 30.01.2018 befanden sich insgesamt 290 Gefangene in der Justizvollzugsanstalt Bremen, die angaben, dass sie Kinder haben. Am 30.01.2018 befanden sich hiervon 38 Gefangene in der Abteilung Bremerhaven, die angaben, dass sie Kinder haben. 2. Wie viele schwangere Frauen befinden sich derzeit in den Bremer Haftanstalten und wie hat sich diese Zahl in den letzten 5 Jahren in Bremen und Bremerhaven entwickelt? Wie viele Kinder wurden in den vergangenen Jahren in Bremen und Bremerhaven geboren, während die Mutter in Haft war? Nach Auskunft des Ärztlichen Dienstes der Justizvollzugsanstalt Bremen befinden sich derzeit keine schwangeren Gefangenen in der JVA Bremen. Eine gesonderte Statistik über schwangere Gefangene wird nicht geführt. Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft - 3 - 3. Wie viele Kinder leben derzeit mit ihren Müttern in der JVA und wie viele waren es in den letzten 5 Jahren (ausgeschlüsselt nach Jahren und einzeln für Bremen und Bremerhaven)? Das Land Bremen hält keine eigene Einrichtung für Mütter mit Kindern vor. In der Mutter-Kind-Abteilung der Justizvollzugsanstalt für Frauen in Vechta kann – in den gegebenen seltenen Einzelfällen – eine kindgerechte Unterbringung von Müttern mit ihren Kindern erfolgen, wenn eine gemeinsame Unterbringung angezeigt ist. Eine gesonderte Statistik über diese Fälle wird nicht geführt. Nach Erinnerung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Frauenvollzuges der Justizvollzugsanstalt Bremen hat es in den vergangenen Jahrzehnten ganz vereinzelt Aufnahmen inhaftierter Bremer Mütter mit ihren Kindern in der Mutter-Kind-Abteilung der Justizvollzugsanstalt für Frauen in Vechta gegeben. 4. Bis zu welchem Alter können die Kinder bei ihren Müttern in der JVA bleiben ? Siehe Antwort 3. 5. Wie wird mit schwangeren Inhaftierten oder frisch gebackenen Müttern in der JVA umgegangen? Die medizinische Versorgung der inhaftierten Mütter wird durch niedergelassene Gynäkologen sowie durch die Krankenhäuser in Bremen sichergestellt. Im Frauenvollzug der Justizvollzugsanstalt Bremen ist sowohl ein psychologischer als auch sozialpädagogischer Fachdienst eingerichtet, der auch auf spezifische Belange der schwangeren Inhaftierten oder Mütter eingeht. Gegebenenfalls erfolgt in Absprache mit der Jugendhilfebehörde eine Verlegung in die Mutter-Kind-Abteilung der Justizvollzugsanstalt für Frauen in Vechta. Oder aber es wird bereits im Vorfeld über die Jugendhilfebehörde die Inobhutnahme des neu geborenen Kindes angeregt. 6. Wie stellt sich die Unterbringungssituation für Kinder in der JVA dar? Siehe Antwort 3. 7. Welche Bedingungen gelten für Kinder, die ihre Eltern in der JVA besuchen ? Gibt es Sonderregelungen im Unterschied zu den Besuchsregelungen für Erwachsene (Dauer der Besuche, Häufigkeit der Besuche etc.)? Gibt es Einschränkungen des Besuchsrechts abhängig von der Straftat ? Der Eltern-Kind-Kontakt wird insbesondere durch umfangreiche Besuchsregelungen gefördert. Die Regelungen ergeben sich aus dem Gesetz. Beispielsweise erhöht sich bei Besuchen von Kindern unter 14 Jahren die Gesamtdauer für Besuche um eine weitere Stunde (§ 26 Absatz 2 BremStVollzG). Die Anstaltsleitung kann darüber hinausgehend Langzeitbesuche zulassen, wenn dies zur Pflege der familiären Kontakte des Gefangenen geboten erscheint und die Gefangenen hierfür geeignet sind (§ 26 Absatz 4 BremStVollzG). Bei Untersuchungsgefangenen erhöht sich die bei Besu- Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft - 4 - chen von Kindern unter 14 Jahren die Gesamtdauer für Besuche auf vier Stunden (§ 33 Absatz 1 BremUVollzG). 8. Welche Räumlichkeiten stehen für diese familiäre Zusammenführung zur Verfügung und wie sind diese ausgestattet? Für die familiäre Zusammenführung steht neben dem Besuchsraum in der Besuchsabteilung auch ein Außenbereich zur Verfügung. Der Besuchsraum sowie der Außenbereich sind kindgerecht ausgestaltet. Für Strafgefangene stehen bei Vorliegen der Eignungsvoraussetzungen (§ 26 Absatz 4 BremJVollzG) auch die Räumlichkeiten für den Langzeitbesuch in der Justizvollzugsanstalt Bremen zur Verfügung. Dies ist ein größerer Raum, in dem eine Couch, ein Tisch, Stühle und eine Kitchenette untergebracht sind. 9. Inwiefern gibt es in den Bremer JVAs sozialpädagogisches Personal, das z.B. Besuche der Kinder mitgestaltet? Sofern angezeigt, führt der sozialpädagogische Fachdienst vorbereitende Kontaktgespräche , z. B. im Hinblick auf die Zulassung zum Langzeitbesuch, § 26 Absatz 4 BremStVollzG. 10. Wie viele inhaftierte Minderjährige sind Väter oder Mütter? Derzeit ist kein minderjähriger Vater oder Mutter in der Justizvollzugsanstalt Bremen inhaftiert. 11. Gibt es Möglichkeiten für Familienunterbringungen, wenn beide Elternteile in den Justizvollzugsanstalten Bremen und Bremerhaven eine Haftstrafe verbüßen? (bitte getrennt für Bremen und Bremerhaven angeben): Männliche und weibliche Gefangene werden in der Justizvollzugsanstalt Bremen und somit auch in der Abteilung Bremerhaven gemäß § 10 BremStVollzG getrennt untergebracht . 12. Welche Beratungsstellen gibt es für Familienangehörige von Inhaftierten in Bremen oder Bremerhaven und sieht der Senat bei dem Angebot noch Verbesserungsbedarf ? Der Verein Bremische Straffälligenbetreuung bietet im „Eltern-Kind-Projekt“ Beratung und Hilfe für inhaftierte Väter und Mütter, deren Angehörige und Kinder an. In Bremerhaven steht für Familienangehörige von Inhaftierten das Beratungsangebot der Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Familien sowie die Erziehungs-beratung der freien Träger der Jugendhilfe zur Verfügung. Die spezifischen Bedarfe von Inhaftierten mit Kindern werden durch den Senator für Justiz und Verfassung sowie der Justizvollzugsanstalt Bremen beständig geprüft. Über Möglichkeiten und Grenzen des familienfreundlichen bremischen Strafvollzugs hat sich beispielsweise die Justizvollzugsanstalt Bremen im Rahmen einer vom Verein Bremische Straffälligenbetreuung initiierten Fachtagung „Mitbestraft - Beratung und Unterstützung von Angehörigen von Inhaftierten“ am 25. November 2015 mit Wissenschaftlern und Fachkräften der freien Träger der Jugendhilfe ausgetauscht. Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft - 5 - Mittlerweile wurde auf Initiative der Hochschule Bremen und des Vereins für Straffälligenbetreuung die sogenannte „Zukunftswerkstadt Mitbestraft“ begründet. Ein Projekt der Zukunftswerkstadt ist neben der Elternberatung auch das Elterntraining. Im offenen Vollzug der Justizvollzugsanstalt Bremen wird bereits ein Elterntraining für inhaftierte Väter angeboten. 13. Inwiefern wird Vätern in Haft, denen der Umgang mit ihren minderjährigen Kindern z.B. aufgrund der Ablehnung durch die Kindesmutter erschwert oder nicht möglich gemacht wird, geholfen, damit sie ihre Kinder regelmäßig sehen können? Widerspricht es nicht dem Kindeswohl, wird der Eltern-Kind-Kontakt gefördert. Ggfl. wird mit dem Jugendamt bzw. mit Erziehungsberatungsstellen zusammengearbeitet. 14. Wie bewertet der Senat die COPING-Studie, wonach etwa 75 Prozent der Kinder von Inhaftierten psychische Störungen entwickeln und ca. 70 Prozent aller Jungen später wie ihre Väter im Gefängnis landen und was möchte der Senat zur Vorbeugung dagegen tun? Das in Antwort 12 erwähnte „Eltern-Kind-Projekt“ des Verein Bremische Straffälligenbetreuung setzt sich unter anderem zum Ziel, Kinder inhaftierter Väter oder Mütter zu stärken. Die Ergebnisse der europäischen Coping-Studie wurden auch bei der in Antwort 12 erwähnten Fachtagung mit Blick auf eine Weiterentwicklung bestehender Angebote bzw. Etablierung neuer Angebote mit Fachkräften der Kriminalprävention erörtert. Der Kriminologische Dienst des Senators für Justiz und Verfassung unterstützt derzeit auch ein europäisches Forschungsprojekt der Universität Southampton. Die Studie „Wie geht es weiter für mich?“ geht dabei der Frage nach, wie sich verschiedene Familiensituationen, z. B. ein Elternteil im Gefängnis, auf das Bewältigungsverhalten junger Menschen auswirkt. Die Studie ist ein Beitrag zur Resilienzforschung; es geht dabei um Ressourcen bei der Bewältigung von problematischen Ausgangslagen in Kindheit und früher Jugend. Die Ergebnisse der Studie sollen mit Blick auf kriminalpräventive Maßnahmen berücksichtigt werden. 15. Wie wird das Projekt „Ich lese für dich – Gute-Nacht-Geschichten aus dem Gefängnis“ in der JVA Bremen-Oslebshausen von den Insassen angenommen und inwieweit hilft es den Inhaftierten dabei die Bindung zu ihren Kindern aufrechtzuerhalten? Das seit 2011 in der JVA Bremen angebotene Projekt „Ich lese für dich – Gute- Nacht-Geschichten aus dem Gefängnis“ wird laut Auskunft der Justizvollzugsanstalt Bremen von Gefangenen und ihren Angehörigen gut angenommen. Ob bzw. inwieweit sich die Teilnahme am Projekt Bindungswirkung erzielt, wird vom Projektträger nicht explizit evaluiert. Im Länderbericht des Europäischen Sozialfonds findet das mit ESF-Mitteln geförderte Projekt positive Erwähnung. Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft Drs-19-1558 VB Haftbedingungen für Mütter, Väter und ihre Kinder in den Justizvollzugsanstalten des Landes Bremen 20180227_KA_Haftbedingungen