BREMISCHE BÜRGERSCHAFT Drucksache 19/1565 Landtag 19. Wahlperiode 06.03.18 Antwort des Senats auf die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD Glücksspiel im Videospiel – Wie suchtgefährdend sind Loot Boxes? Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 1 Antwort des Senats auf die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD vom 25.01.2018 „Glücksspiel im Videospiel – Wie suchtgefährdend sind Loot Boxes?“ Die Fraktion der SPD hat folgende Kleine Anfrage an den Senat gerichtet: Nach dem Glücksspielstaatsvertrag liegt ein Glücksspiel dann vor, „wenn im Rahmen eines Spiels für den Erwerb einer Gewinnchance ein Entgelt verlangt wird und die Entscheidung über den Gewinn ganz oder überwiegend vom Zufall abhängt. Die Entscheidung über den Gewinn hängt in jedem Fall vom Zufall ab, wenn dafür der ungewisse Eintritt oder Ausgang zukünftiger Ereignisse maßgeblich ist.“ Unter diese Definition fallen auch so genannte „Loot Boxes“. Videospiel-Produzenten bauen diese zunehmend in ihre Videospiele ein. Darunter versteht man virtuelle „Wundertüten“, die den Spielern gegen Entgelt die Chance versprechen, größeren Spielerfolg zu haben, wenn sie in einer nach dem Zufalls- und Losprinzip zusammengestellten Loot Boxes die richtigen Werkzeuge oder Waffen geliefert bekommen. Mit diesem Geschäftsmodell setzen mittlerweile auch Vollpreisspiele auf zusätzliche Einnahmen. Gleichartige „Wundertüten“ gibt es auch z.B. als „Schatztruhen“ in Browser Games und Mobile Games für Smartphones und Tablets. Aus Gründen des Jugendschutzes ist zu überprüfen, inwieweit Loot Boxes aufgrund ihrer Suchtgefahr als Glücksspielelemente in Computerspielen mit der Altersfreigabe „ab 18“ versehen werden müssen. Auch die USK - Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle -, die zuständige Stelle für die Prüfung und Altersfreigabe von Computer- und Videospielen in Deutschland, sieht Loot Boxes als nicht unproblematisch an. Das Angebot von Spielerfolg gegen Geld (pay2win) forciere das Suchtpotenzial. Zugleich verweist die USK aber auf die gegenwärtige Rechtslage, nach der Loot Boxes „Ausspielungen“ seien , „bei denen der Gewinn in geringwertigen Gegenständen besteht“ und deshalb nicht unter die strenge Glücksspielregulierung fielen. Apple hat diesbezüglich eine Entscheidung zumindest für die Spiele getroffen, die über mobile Geräte gespielt und im App Store heruntergeladen werden können. Das Unternehmen hat die Regeln für Entwickler in iOS-Spielen jüngst angepasst und verlangt diese Angaben. "Wenn Lootboxen oder ähnliche Mechanismen in einer App angeboten werden, um zufällig generierte virtuelle Gegenstände zu kaufen, dann muss den Kunden vor dem Kauf deutlich gemacht werden, wie hoch die Chance ist, den jeweiligen Gegenstand zu erhalten." So steht es geschrieben und so soll es auch zukünftig angewendet und kontrolliert werden. Bisher war dies nur in China so vorgeschrieben. Die Frage ob es sich um Glücksspiel handelt, haben verschiedene Länder unterschiedlich beantwortet. England sah und sieht eine Gefährdung für Kinder und Jugendliche, weil die Grenzen zwischen Glücksspiel und Videospielen somit immer mehr verwischen . Es handele sich aber nicht um reines Glücksspiel. Anders wird es in Australien gesehen. Dort sind Spiele mit Elementen des Zufalls, die mit echtem Geld zu bezahlen sind, erst ab 18 freigeben, wie eben echtes Glücksspiel auch. Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 2 Wir fragen den Senat: 1. Wie steht der Senat zum zunehmenden Einsatz von offensichtlichen Glücksspielelementen in Computer- und Videospielen, Browser und Mobile Games? 2. Wie bewertet der Senat Loot Boxes im Hinblick auf den Jugendschutz und sieht er eine konkrete Suchtgefährdungen von Kindern und Jugendlichen? 3. Wie bewertet der Senat virtuelle Casinos, Roulette-, Poker- oder ähnliche Spiele, die in andere Computerspiele integriert sind und erst während des Spielverlaufs entdeckt werden? Welche konkrete Suchtgefährdung geht von diesen „Spielen im Spiel“ aus? 4. Sieht der Senat eine gesetzgeberische Handhabe bezüglich Handlungsmöglichkeiten und Handlungsaufträgen mit Blick auf das Jugendschutzgesetz, auf die Leitlinien für die Prüfung und Altersfreigabe durch die Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) und die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) und mit Blick auf den Glücksspiel-Staatsvertrag (GlüStV)? Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 3 Der Senat beantwortet die vorgenannte Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie steht der Senat zum zunehmenden Einsatz von offensichtlichen Glücksspielelementen in Computer- und Videospielen, Browser und Mobile Games? Digitale Spiele, insbesondere auch mit glücksspielähnlichen Elementen, sind unter Kindern und Jugendlichen weit verbreitet. Für den Jugendmedienschutz und die Glücksspielaufsicht ist es deshalb eine wichtige Aufgabe, die Entwicklung in diesem Bereich zu beobachten und eine etwaige Zunahme problematischer Inhalte zu überwachen. In den vergangenen Jahren wurden bei Computerspielen und anderen digitalen Inhalten eine Vielzahl von neuen Kosten- und Erlösmodellen sowie Bezahlsystemen entwickelt. Aus der Perspektive des Jugendschutzes sind vor allem Spiele, die sich speziell an Kinder richten von besonderer Bedeutung, da hier neben den inhaltlichen Problemen (Gewalt, Erotik usw.) auch Kaufappelle, ungekennzeichnete Werbung oder Datenschutzverstöße zu beachten sind. Geschäftsmodelle wie In-Game-Käufe, also auch Lootboxen, sind undurchsichtig, können erhebliche Kosten verursachen und sind daher für Kinder und Jugendliche problematisch. 2. Wie bewertet der Senat Loot Boxes im Hinblick auf den Jugendschutz und sieht er eine konkrete Suchtgefährdungen von Kindern und Jugendlichen? Ob von Lootboxen eine konkrete Suchtgefahr insbesondere für Jugendliche ausgeht, ist derzeit Gegenstand einer Vielzahl von Studien und Forschungsvorhaben. Gleichwohl kommen gerade bei einigen online-basierten Spielformen Spielmechanismen zum Einsatz, die ein Abhängigkeitspotential bzw. exzessives Spielverhalten bei Nutzenden durchaus befördern könnten. Zu nennen sind hier stetige Entwicklungsmöglichkeiten von eigenen virtuellen Charakteren, eine persistente Spielwelt oder die emotionale Bindung an die Spieler-Gruppe. Aber auch der ökonomische Rahmen von Online -Spielen ist in die jugendschutzrechtliche Bewertung mit einzubeziehen. Neben einer zeitgemäßen Überprüfung und Anpassung der Beurteilungskriterien für Online-Spiele gilt es außerdem durch die Förderung von Medienkompetenz pädagogische Fachkräfte sowie Eltern, Kinder und Jugendliche für die neuen Risiken in Online- Spielen zu sensibilisieren. 3. Wie bewertet der Senat virtuelle Casinos, Roulette-, Poker- oder ähnliche Spiele, die in andere Computerspiele integriert sind und erst während des Spielverlaufs entdeckt werden? Welche konkrete Suchtgefährdung geht von diesen „Spielen im Spiel“ aus? Virtuelle Casinos, Roulette-, Poker- oder ähnliche Spiele, die in andere Computerspiele integriert sind, sind grundsätzlich als Glücksspiel einzuordnen, wenn ein Einsatz getätigt wird. Selbst wenn diese Elemente nur einen kleinen Teil des gesamten Spiels ausmachen , ist bei der Verbreitung auf die Vorgaben des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags (JMStV) zu achten. Etwaige Glücksspielelemente sind bei der Bewertung und Einstufung des Spiels von der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) und der Kommision für Jugendmedienschutz (KJM) zu berücksichtigen. Erfüllt ein Spiel die Norm des Glücksspiels, erhält es im Rahmen der allgemeinen Rechtsordnung bei der USK keine Jugendfreigabe. Studienergebnisse zeigen Zusammenhänge zwischen der Nutzung simulierter Glücksspiele und der Nachfrage nach echten Glücksspielen bzw. einem problematischen Glücksspielverhalten. Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 4 Die Studie „Social Gambling im Jugendalter: Nutzungsmuster und Risikofaktoren“ von 2017, die in Bremen, Hamburg und Lübeck mit 1.905 Teilnehmenden (Geschlechterverteilung : 50,9% Mädchen und 49,1% Jungen) durchgeführt wurde, ergab, dass die 12- Monats-Prävalenz (Häufigkeit des Auftretens eines bestimmten Verhaltens) der Teilnahme an irgendeinem simulierten Glücksspiel (von zuhause oder unterwegs) unter allen Schülern 50,3% beträgt. Die herausstechende Bedeutung von Spaß, Ablenkung und Erreichbarkeit bei den Spielmotiven erklärt die Bevorzugung von Spielmöglichkeiten , die (wie Loot Boxes) in andere Angebote eingebettet und folglich ohne Barrieren nutzbar sind. Bei Schülerinnen und Schülern, die an simulierten Glücksspielen in Videospielen von unterwegs teilgenommen hatten, erhöhte bereits eine seltene Teilnahme an dieser Spielform das Risiko auf einen Glücksspieleinstieg um etwa das Dreifache , bei einer sehr häufigen Teilnahme um etwa das Sechsfache. Generell zeigt sich, dass die Teilnahmeprävalenzen von Jungen bei allen Formen simulierten Glücksspiels sowohl von zuhause als auch von unterwegs höher liegen als bei Mädchen. Bei simulierten Glücksspielen innerhalb von Videospielen sind diese Unterschiede besonders auffällig. 4. Sieht der Senat eine gesetzgeberische Handhabe bezüglich Handlungsmöglichkeiten und Handlungsaufträgen mit Blick auf das Jugendschutzgesetz, auf die Leitlinien für die Prüfung und Altersfreigabe durch die Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) und die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) und mit Blick auf den Glücksspiel-Staatsvertrag (GlüStV)? Digitale Glückspiele oder Glücksspiele innerhalb digitaler Spiele werden in Deutschland nicht im Rahmen einer Jugendschutzvorgabe geregelt, sondern sind gesetzlich durch den Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV) erfasst und für Kinder und Jugendliche verboten. Handlungsgrundlage für den Jugendschutz ist der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV), der in den Paragrafen 4 bis 6 bestimmt, welche Inhalte im Internet nicht oder nur eingeschränkt verbreitet werden dürfen. Allerdings sind die neuen – durch Interaktionsmöglichkeiten , ökonomische Rahmenbedingungen und Anreize zu exzessivem Spielverhalten – entstehenden Herausforderungen derzeit noch nicht ausreichend durch den bundesgesetzlichen Jugendmedienschutz erfasst. Im Dezember 2017 hat die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) als zuständiges Organ der Medienaufsicht im Rundfunk und in den Telemedien eine wissenschaftliche Expertise zu direkten Kaufappellen in Apps und anderen Social Media Anwendungen in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse werden voraussichtlich im Mai 2018 vorliegen. Auf dieser Basis wird die KJM im Frühsommer 2018 mit fundierten Zahlen und Fakten zum Thema direkte Kaufappelle arbeiten können, um diese zukünftig in die jugendschutzrechtliche Prüfung im Hinblick auf entwicklungsbeeinträchtigende Angebote nach § 5 JMStV einbeziehen zu können. Im Hinbick auf glücksspielrechtliche Handlungsmöglichkeiten gehen die Glücksspielaufsichtsbehörden derzeit davon aus, dass es sich bei den Lootboxen nicht um Glücksspiel im Sinne des Glücksspielstaatsvertrag handelt. Insbesondere fehlt es an der Entgeltlichkeit für den Erwerb einer Gewinnchance. Mit dem Begriff der „Gewinnchance“ geht begriffsnotwendig immer die Möglichkeit eines Verlustes einher. Bei den Lootboxen ist jedoch das Verlustelement fraglich, da man bei jedem Kauf eine vorher feststehende Anzahl an virtuellen Gegenständen erwirbt. Zwar mag man die Tatsache, beim Kauf einer Lootbox nicht die gewünschten virtuellen Gegenstände bekommen zu haben, als persönlichen Verlust empfinden. Damit liegt jedoch wohl noch kein Verlust im glücksspielrechtlichen Sinne vor. Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft Drs-19-1565 VB Glücksspiel im Videospiel – Wie suchtgefährdend sind Loot Boxes? 20180306_KA_Lootboxes