– 1 – B R E M I S C H E B Ü R G E R S C H A F T Drucksache 19 / 1688 Landtag 29.05.18 19. Wahlperiode Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE vom 24. April 2018 Aufarbeitung des Völkermordes an den Armeniern und anderen Minderheiten „Am 24. April jährt sich zum 103. Mal die Verhaftungswelle im damaligen Konstantinopel , die den Beginn des Genozids an Armeniern, Aramäern, Assyrern, Chaldäern und Pontos-Griechen im Osmanischen Reich markiert. Armenierinnen /Armenier begehen den Gedenktag der ‚Aghet‘ (Katastrophe), Aramäerinnen /Aramäern sprechen von ‚Seyfo‘ (Schwert). Der deutsche Bundestag hat sich 2016 endlich fraktionsübergreifend zur Mitschuld des deutschen Kaiserreichs am Genozid bekannt und in der gebotenen Klarheit von einem Völkermord gesprochen. Der Beschluss des Bundestages enthält auch eine Empfehlung an die für Bildung und Wissenschaft zuständigen Ressorts der Länder: „Heute kommt schulischer , universitärer und politischer Bildung in Deutschland die Aufgabe zu, die Aufarbeitung der Vertreibung und Vernichtung der Armenier als Teil der Aufarbeitung der Geschichte ethnischer Konflikte im 20. Jahrhundert in den Lehrplänen und Materialien aufzugreifen und nachfolgenden Generationen zu vermitteln. Dabei kommt insbesondere den Bundesländern eine wichtige Rolle zu" (Bundestags-Drucksache 18/8613). Wir fragen den Senat: 1. Inwiefern sehen die Rahmenlehrpläne für die bremischen Schulen eine Aufarbeitung des Völkermords an den Armeniern und anderen religiösen und ethnischen Minderheiten im Osmanischen Reich unter Beteiligung des deutschen Kaiserreichs vor? 2. Falls die Rahmenlehrpläne keine explizite Thematisierung im Sinne von Kompetenzerwerb und Lernzielen vorsehen: Welche konkreten Aussagen kann der Senat zur Thematisierung des Völkermords von 1915 in den entsprechenden Fächern an bremischen Schulen treffen? 3. Inwieweit ist die Auseinandersetzung mit dem Völkermord an den Armeniern und anderer religiöser und ethnischer Minderheiten im Osmanischen Reich unter Beteiligung des deutschen Kaiserreichs Teil des Curriculums im Lehramtsstudium an der Universität Bremen oder inhaltlicher Bestandteil weiterer Studiengänge? 4. Welche Seminare, Projekte oder Informationsmaterialien werden vom Landesinstitut für Schule (LIS) im Rahmen der Aus- und Fortbildung für Lehrkräfte zu dieser Thematik selbst realisiert oder in Zusammenarbeit mit Partnern angeboten? 5. Bietet die Landeszentrale für politische Bildung entsprechende Angebote im Rahmen ihres Tätigkeitsfeldes an? 6. Welche weiteren Veranstaltungen, Materialien und Informationsangebote zur Aufarbeitung des Völkermords planen die Senatsressorts für die Zukunft , etwa anlässlich des jährlichen Gedenktages im April?“ Cindi Tuncel, Kristina Vogt und Fraktion DIE LINKE – 2 – D a z u Antwort des Senats vom 29. Mai 2018 Der Senat beantwortet die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Inwiefern sehen die Rahmenlehrpläne für die bremischen Schulen eine Aufarbeitung des Völkermords an den Armeniern und anderen religiösen und ethnischen Minderheiten im Osmanischen Reich unter Beteiligung des deutschen Kaiserreichs vor? Die Bremer Bildungspläne sehen eine Aufarbeitung des Völkermords an den Armeniern und anderen religiösen und ethnischen Minderheiten im Osmanischen Reich unter Beteiligung des deutschen Kaiserreichs nicht explizit vor. Mit den Bildungsplänen werden durch die Standards die Voraussetzungen geschaffen, ein klares Anspruchsniveau an der Einzelschule und den Schulen der Freien Hansestadt Bremen zu schaffen. Inhalte oder thematische Schwerpunkte werden nicht gesetzt. Dadurch erhalten die Schulen Freiräume zur Vertiefung und Erweiterung der zu behandelnden Unterrichtsinhalte und damit zur thematischen Profilbildung, indem die Vorgaben der Bildungspläne sich auf die zentralen Kompetenzen beschränken. Angesichts der historischen Erfahrungen stehen Aspekte mit mittel- und unmittelbarem Bezug zur deutschen und europäischen Geschichte im Vordergrund der Auseinandersetzung. Die Themen werden aus internationaler Perspektive unterrichtet. Auch das Quellenstudium biografischer Texte gehört zum modernen Geschichts- oder Politikunterricht. 2. Falls die Rahmenlehrpläne keine explizite Thematisierung im Sinne von Kompetenzerwerb und Lernzielen vorsehen: Welche konkreten Aussagen kann der Senat zur Thematisierung des Völkermords von 1915 in den entsprechenden Fächern an bremischen Schulen treffen? Es erfolgt keine spezifische Erhebung zu den behandelten Unterrichtsinhalten in den Bremer Schulen. Eine konkrete Aussage kann daher nicht getroffen werden. 3. Inwieweit ist die Auseinandersetzung mit dem Völkermord an den Armeniern und anderer religiöser und ethnischer Minderheiten im Osmanischen Reich unter Beteiligung des deutschen Kaiserreichs Teil des Curriculums im Lehramtsstudium an der Universität Bremen oder inhaltlicher Bestandteil weiterer Studiengänge? Der Völkermord an den Armeniern und anderen Minderheiten im Osmanischen Reich ist wiederkehrender Bestandteil der Lehramtsstudiengänge – insbesondere der Fächer Geschichte und Politikwissenschaft – an der Universität Bremen. Im Rahmen der ländergemeinsamen inhaltlichen Anforderungen für die Fachwissenschaften und Fachdidaktiken in der Lehrerbildung (Beschluss der KMK) werden historische Entwicklung, Folgen und erinnerungspolitische Fragen thematisiert, dies geschieht selbstverständlich unter Einbezug der Rolle des Deutschen Kaiserreiches. In der Regel wird der Völkermord an den Armeniern nicht in gesonderten Lehrveranstaltungen oder Modulen aufgegriffen, sondern ist Bestandteil übergreifender Module etwa zur Geschichte des Ersten Weltkrieges/der Zwischenkriegszeit , zur Nationalismus-Forschung oder zu ethnischen Konflikten . Außerhalb der Lehrerbildung wird der Völkermord etwa in den Studiengängen der Geschichte, der Politikwissenschaft und insbesondere der Integrierten Europastudien aufgegriffen, hier ist er fester Bestandteil des Moduls „Europäische Kulturgeschichte“ (Modul IES M1). 4. Welche Seminare, Projekte oder Informationsmaterialien werden vom Landesinstitut für Schule (LIS) im Rahmen der Aus- und Fortbildung für Lehrkräfte zu dieser Thematik selbst realisiert oder in Zusammenarbeit mit Partnern angeboten? – 3 – Das Landesinstitut bietet wiederkehrend Fortbildungen zu Aspekten gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit im Allgemeinen an. Völkermorde, insbesondere mit Blick auf Armenien, stehen dort zwar nicht explizit im Mittelpunkt, bilden aber wichtige inhaltliche Bezugspunkte. Die Intensität der Auseinandersetzung hängt wesentlich vom Bedarf der teilnehmenden Lehrpersonen ab und ist entsprechend unterschiedlich ausgeprägt. Auch im Bereich der Ausbildung wird ein explizit auf den Genozid ausgerichtetes Format nicht vorgehalten, findet aber Eingang in der Auseinandersetzung zur Vorbeugung von grundsätzlicher Menschenfeindlichkeit, die völker- oder gruppenbezogen existiert/e. 5. Bietet die Landeszentrale für politische Bildung entsprechende Angebote im Rahmen ihres Tätigkeitsfeldes an? Ein explizit auf die Frage des Genozids an den Armeniern ausgerichtetes Angebot der Landeszentrale für politische Bildung wird aktuell nicht vorgehalten . Im Rahmen der verschiedenen Formate zur allgemeinen politischen Bildung im präventiven Bereich der Vorbeugung zu gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit wird die zugrunde liegende Problematik des Themas allerdings mehrfach bearbeitet. Zudem ist sie immer wieder Bestandteil in laufenden Projekten, die von der Landeszentrale betreut werden, wie „Schule ohne Rassismus/Schule mit Courage“ oder das jährliche Erinnerungs - und Gedenkprogramm zum 27. Januar. 6. Welche weiteren Veranstaltungen, Materialien und Informationsangebote zur Aufarbeitung des Völkermords planen die Senatsressorts für die Zukunft , etwa anlässlich des jährlichen Gedenktages im April? Konkrete Planungen liegen im Bereich der Senatorin für Kinder und Bildung mit Verweis auf die Eigenständigkeit der Schulen nicht vor. Differenzierte Abhandlungen und aktualisiertes Material zum Völkermord an den Armeniern finden Schülerinnen und Schüler sowie Lehrerinnen und Lehrer in den Publikationen der Bundeszentrale beziehungsweise der Landeszentrale für politische Bildung in Bremen. Diese Materialien sind den Lehrkräften sowie Schülerinnen und Schülern leicht und kostenlos zugänglich . Wie schon in der Antwort auf Frage 3 beschrieben, ist der Völkermord an den Armeniern und anderen Minderheiten im Osmanischen Reich regelmäßiger Gegenstand in den Studienprogrammen der Universität Bremen. Dies gilt auch für zukünftige Planungen. Bremische Bürgerschaft Drucksache 19 / 1688 Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE vom 24. April 2018 Aufarbeitung des Völkermordes an den Armeniern und anderen Minderheiten