1 Bremische Bürgerschaft Drucksache 19/1748 Landtag 03.07.18 19. Wahlperiode Antwort des Senats auf die Kleine Anfrage der Fraktion der CDU vom 29. Mai 2018 „Sind die Haftanstalten in Bremen an der Kapazitätsgrenze?“ Die Fraktion der CDU hat folgende Kleine Anfrage an den Senat gerichtet: „Viele deutsche Gefängnisse haben ihre maximale Kapazitätsgrenze erreicht. Ob in Sachsen, Baden-Württemberg, Berlin oder Rheinland-Pfalz, überall sitzen in den einzelnen Justizvollzugsanstalten derzeit mehr Häftlinge als ursprünglich vorge-sehen, wie eine Umfrage der Deutschen Presseagentur ergab. Hafträume müssen deshalb doppelt belegt oder Gefangene in Haftanstalten anderer Bundesländer verlegt werden. Jeden Monat bekommen die Mitglieder des Rechtsausschusses einen Bericht über die derzeitige Belegung der Justizvollzugsanstalten in Bremen und Bremerhaven. Es wurde monatlich berichtet, dass die Haftanstalten ausgelastet, teilweise sogar überbelegt sind. In Bremen ist es bereits so, dass Gefährder oder Häftlinge mit lebenslanger Strafe mit anschließender Sicherheitsverwahrung nach §66 StGB nicht in den Justizvollzugsanstalten des Landes Bremen untergebracht werden. Gefährder sitzen in der Regel im Polizeipräsidium Bremen ein und Sicherheitsverwahrte werden in die JVA Rosdorf überstellt. Es zeigt sich in den letzten Jahren, dass es einen kontinuierlichen Anstieg von Eingängen von Strafsachen bei der Staatsanwaltschaft Bremen gibt und somit auch bei den Gerichten. Darunter befinden sich immer mehr Haftsachen, das heißt die Beschuldigten müssen bereits vor der Verurteilung zur Untersuchungshaft bis zu 6 Monate in der JVA untergebracht werden. All diese Umstände stellen die Leitungen der Justizvollzugsanstalten im Land Bremen und insbesondere die Justizvollzugsangestellten vor eine große Aufgabe. Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 2 Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: 1. Wie hoch ist die derzeitige Auslastung der JVAs in Bremen und Bremerhaven in Prozent? 2. Wie viele Plätze sind derzeit noch frei in den JVAs Bremen und Bremerhaven (Stichtag 01.05.2018) 3. Wie viele Justizvollzugsbeamte arbeiten zurzeit in den Justizvollzugsanstalten in Bremen und Bremerhaven? 4. Inwieweit sind alle Planstellen der Justizvollzugsbeamten in den Haftanstalten besetzt? 5. Wie haben sich die Zahlen der Einstellungen, Beförderungen und Pensionierungen bei den Justizvollzugsbeamten in den Jahren 2013 bis 2018 entwickelt? 6. Welche Ergebnisse haben sich aus der Mitarbeiterbefragung der JVA Bremen zur Arbeitszufriedenheit ergeben? 7. Wie hat sich der Krankheitsstand der Justizvollzugsbeamten in den Justizvollzugsanstalten in Bremen und Bremerhaven von 2013 bis 2018 entwickelt? 8. Inwieweit hält der Senat es für notwendig mehr Personal für den Justizvollzugsdienst einzustellen und wie will er diese ggf. rekrutieren? 9. Wie viele der Justizvollzugsbeamten werden durchschnittlich täglich bei den Gerichten für die Betreuung der Untersuchungshäftlinge, Vorführungen und Begleitung von Hauptverhandlungen benötigt? 10. Wie viel Prozent der Insassen der JVAs arbeiten derzeit und wie werden sie dabei betreut? 11. Wie lange dauert es durchschnittlich von der Verurteilung eines Angeklagten, bis er zu seiner Haftstrafe antreten muss/kann? Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 3 12. Inwieweit gibt es Verzögerungen bei der Aufforderung zum Haftantritt aufgrund von Überbelegung der Haftanstalten? 13. Welche Pläne hat der Senat, um das Kapazitätenproblem in den Justizvollzugsanstalten in Bremen und Bremerhaven zu lösen? 14. Wie viel Personal ist zusätzlich in den Justizvollzugsanstalten Bremen und Bremerhaven angestellt, außer den Justizvollzugsangestellten (Köche, Therapeuten, Gärtner, etc.)? 15. Wie hat sich der Krankheitsstand bei den Justizvollzugsbeamten in den Jahren 2013 bis 2018 entwickelt? 16. Inwiefern ist genügend Personal vorhanden, um die Häftlinge bei Lockerungen wie Ausgängen zu begleiten? 17. Welche Möglichkeiten sieht der Senat, um der Auslastung bzw. Überbelegung der Gefängnisse entgegenzuwirken? 18. Inwieweit plant der Senat die derzeitigen Haftanstalten räumlich zu erweitern bzw. eine zusätzliche Haftanstalt zu bauen? 19. Welche sonstigen Möglichkeiten sieht der Senat bei Ausschöpfung der Kapazitäten vor? Inwieweit kommt bspw. eine Verlegung in andere Bundesländer in Betracht?“ Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 4 Der Senat beantwortet die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie hoch ist die derzeitige Auslastung der JVAs in Bremen und Bremerhaven in Prozent? Die Belegungsfähigkeit der JVA Bremen ist seit dem 01.01.2016 auf 666 Haftplätze festgesetzt. Aufgrund steigender Gefangenenzahlen wurde die Belegungsfähigkeit zum 01.04.2018 durch Wiederinbetriebnahme einer Station in Haus III um 51 Haftplätze erhöht. Am 01.06.18 war die JVA Bremen mit 670 Gefangenen belegt, das entsprach einer Auslastung von 93 %. Von den 670 Gefangenen waren am 01.06.18 83 Gefangene in der Abteilung Bremerhaven untergebracht, das entsprach einer Auslastung von 82 %. 2. Wie viele Plätze sind derzeit noch frei in den JVAs Bremen und Bremerhaven (Stichtag 01.05.2018) Am 01.05.18 war die JVA Bremen mit 671 Gefangenen belegt. Es waren min. noch 46 Haftplätze frei, siehe Antwort zu Frage 1. 3. Wie viele Justizvollzugsbeamte arbeiten zurzeit in den Justizvollzugsanstalten in Bremen und Bremerhaven? Es sind zum Stichtag 13.06.2018 insgesamt 418 Mitarbeiter/-innen (Beamte und Angestellte) mit einem Volumen von 356,758 VZÄ in der JVA Bremen (inklusive Bremerhaven) beschäftigt. Davon ausgehend, dass sich die Anfrage jedoch ausschließlich auf den Allgemeinen Vollzugsdienst (AVD) beschränkt, handelt es sich um 243 Beamtinnen und Beamte mit 199,725 VZÄ (AVD und Ausbildung). 4. Inwieweit sind alle Planstellen der Justizvollzugsbeamten in den Haftanstalten besetzt? Planstellen haben in Bremen keine steuerungsrelevante Bedeutung mehr. Deshalb können wir nur den derzeitigen Personalstand übermitteln (siehe vorherige Frage). Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 5 5. Wie haben sich die Zahlen der Einstellungen, Beförderungen und Pensionierungen bei den Justizvollzugsbeamten in den Jahren 2013 bis 2018 entwickelt? Stand: 13.06.2018 2013 2014 2015 2016 2017 2018 Einstellungen Angestellte im JVD 1 1 0 2 13 5 Angestellte im Werkdienst 0 0 0 1 9 3 Einstellungen AVD 16 0 11 21 1 26 Pensionierungen inkl. Versetzung in den Ruhestand 1 3 2 1 1 0 Beförderungen AVD 17 10 5 8 3 10 6. Welche Ergebnisse haben sich aus der Mitarbeiterbefragung der JVA Bremen zur Arbeitszufriedenheit ergeben? Die Auswertungen der Mitarbeiterbefragung in der JVA Bremen laufen derzeit noch. Die sich daraus ergebenden Vorschläge und Empfehlungen werden voraussichtlich bis Ende d. J. vorliegen. 7. Wie hat sich der Krankenstand der Justizvollzugsbeamten in den Justizvollzugsanstalten in Bremen und Bremerhaven von 2013 bis 2018 entwickelt? Für das Jahr 2018 stehen die Daten noch nicht zur Verfügung. Auch kann nur eine dienststellenbezogene Auswertung für die gesamte JVA Bremen vorgenommen werden. Eine Unterscheidung zwischen Bremen und Bremerhaven ist nicht möglich. Die Angaben enthalten jedoch neben den Justizvollzugsbeamten auch Verwaltungsbeamte sowie Angestellte. Die nachfolgenden Daten wurden dem Mitarbeiterportal (MIP) entnommen. Durchschnitt in Tagen 2013 29,61 Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 6 2014 28,54 2015 31,96 2016 30,67 2017 34,39 8. Inwieweit hält der Senat es für notwendig mehr Personal für den Justizvollzugsdienst einzustellen und wie will er diese ggf. rekrutieren? Die Situation in der JVA Bremen ist geprägt von einem erheblichen Anstieg des Gefangenenbestandes in den vergangenen Jahren. Gleichzeitig ist der Justizvollzug angesichts der aktuellen Sicherheitslage im Zusammenhang mit der Unterbringung extremistischer Gefangener, insbesondere aus dem radikal-islamistischen Umfeld vor besondere Herausforderungen gestellt. Festzustellen ist, dass das Gefangenenklientel sich in Bezug auf verschiedene Merkmale wie psychischer Auffälligkeit und mangelnde Deutschkenntnisse in einer für das Personal belastenden Weise entwickelt hat. Vor diesem Hintergrund wird die Personalausstattung der JVA neu zu überprüfen sein. Eine effektive Nachwuchsgewinnung ist dabei von besonderer Bedeutung. Angesichts der zuletzt zurückgehenden Bewerberzahlen insbesondere für die Ausbildung im Allgemeinen Vollzugsdienst sollen potentielle Bewerberinnen und Bewerber durch öffentlichkeits-wirksame Maßnahmen gezielt angesprochen werden. 9. Wie viele der Justizvollzugsbeamten werden durchschnittlich täglich bei den Gerichten für die Betreuung der Untersuchungshäftlinge, Vorführungen und Begleitung von Hauptverhandlungen benötigt? Für die Betreuung werden täglich 3 Justizvollzugsbeamte in der Vorführabteilung benötigt. Vorführungen und Begleitungen werden durch Justizwachtmeister durchgeführt. Ferner werden zusätzlich 2 Justizvollzugsbeamte für den Transport zur Vorführabteilung und anschließend zur JVA benötigt. Außerdem müssen kurzfristig 2 Justizvollzugsbeamte die Gefangenen vor und nach dem Tarnsport revidieren. 10. Wie viel Prozent der Insassen der JVAs arbeiten derzeit und wie werden sie dabei betreut? Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 7 Etwa 60% der Gefangenen (2015: 63,48%, 2016: 61,43%, 2017: 59,11%) wurde eine Arbeit in den Betrieben oder der Schule der JVA oder in einem freien Beschäftigungsverhältnis (Berufsfreigang) zugewiesen. In den Betrieben und der Schule werden sie von den eingesetzten Werkmeistern bzw. Bediensteten und Lehrern betreut. Diese weisen ihnen Arbeiten zu, leiten sie an, beaufsichtigen sie und kontrollieren die Arbeiten. Berufsfreigänger und die Firmen, in denen sie arbeiten, werden von den Bediensteten des offenen Vollzuges betreut. 11. Wie lange dauert es durchschnittlich von der Verurteilung eines Angeklagten, bis er zu seiner Haftstrafe antreten muss/kann? Befindet sich der Verurteilte bei Eintritt der Rechtskraft in Untersuchungshaft, so verlegt die Justizvollzugsanstalt den Verurteilten auf der Grundlage eines Aufnahmeersuchens der Staatsanwaltschaft unmittelbar von der Untersuchungshaft in den Strafvollzug. Befindet sich der Verurteilte bei Eintritt der Rechtskraft auf freiem Fuß, so leitet die Staatsanwaltschaft die Vollstreckung ein und lädt den Verurteilten mit einer Frist von einer Woche zum Strafantritt. Vom Eintritt der Rechtskraft bis zur Ladung dauert es in der Regel ca. ein bis zwei Monate. Nach dem Widerruf einer Bewährung kann ebenfalls von einem durchschnittlichen Zeitraum von ein bis zwei Monaten zwischen Eintritt der Rechtskraft des Widerrufsbeschlusses und der Ladung zum Strafantritt ausgegangen werden. 12. Inwieweit gibt es Verzögerungen bei der Aufforderung zum Haftantritt aufgrund von Überbelegung der Haftanstalten? Die Justizvollzugsanstalt ist derzeit nicht überbelegt, siehe auch Antwort 1 und 2. 13. Welche Pläne hat der Senat, um das Kapazitätenproblem in den Justizvollzugsanstalten in Bremen und Bremerhaven zu lösen? Siehe Antwort 17-19. Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 8 14. Wie viel Personal ist zusätzlich in den Justizvollzugsanstalten Bremen und Bremerhaven angestellt, außer den Justizvollzugsangestellten (Köche, Therapeuten, Gärtner, etc.)? Bereiche Beamte Angestellte Bau 4 3 Fachdienste (Pädagogen, Sozialarbeiter, Psychologen, etc.) 19 15 PR, freigestellter Vorsitz. 1 0 Verwaltung 10 24 Vollzug 23 2 Werkdienst 12 23 AVD 243 (inkl. 39 Auszubildende) 27 15. Wie hat sich der Krankheitsstand bei den Justizvollzugsbeamten in den Jahren 2013 bis 2018 entwickelt? siehe Antwort 7. 16. Inwiefern ist genügend Personal vorhanden, um die Häftlinge bei Lockerungen wie Ausgängen zu begleiten? Die Anstalt ist gem. § 95 BremStVollzG mit dem für die Erreichung des Vollzugsziels und die Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Personal ausgestattet. 17. Welche Möglichkeiten sieht der Senat, um der Auslastung bzw. Überbelegung der Gefängnisse entgegenzuwirken? Die Haftvermeidungsprogramme werden intensiviert. Sofern eine Inhaftierung erfolgt, wird die Resozialisierungswirkung von Vollzug mit Blick auf eine – sofern verantwortbar - vorzeitige Entlassung und Vermeidung von Wiederinhaftierung im Rahmen der Haftvermeidungsprogramme laufend erhöht. 18. Inwieweit plant der Senat die derzeitigen Haftanstalten räumlich zu erweitern bzw. eine zusätzliche Haftanstalt zu bauen? Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 9 Seit Beginn der Sanierung der JVA Bremen, d.h., für einen Zeitraum von rund 10 Jahren, konnte diese stets im laufenden Vollzugsbetrieb und ohne die Nutzung von zusätzlichen Ersatzflächen durchgeführt werden. Das war möglich, da die Arbeiten abschnittsweise durchgeführt wurden und die JVA nicht voll belegt war, so dass die erforderlichen Ersatzflächen innerhalb des Bestandes verfügbar waren. Auch die Planungen für das jetzt zur Sanierung anstehende Hafthauses 2 sahen vor, die dort untergebrachten 145 Gefangenen in andere Anstaltsgebäude, nämlich in das Hafthaus 3 mit den dort verfügbaren 120 Haftplätzen zu verlegen und die weiteren Gefangenen unter Berücksichtigung vollzuglicher Gesichtspunkte in anderen Vollzugsabteilungen unterzubringen. Aufgrund der seit 2015 rapide gestiegenen Gefangenenzahlen erscheint diese Planung nunmehr fraglich. Gegenwärtig angestrebt wird daher, zur Unterbringung von Gefangenen ein Gebäude aus besonderen Containern aufzustellen, um die Häuser 1 und 2 wie vorgesehen sanieren zu können. Damit kann die aktuelle Insassenzahl auch während der Sanierung untergebracht werden. Nach Abschluss der Sanierung ist zu entscheiden, ob auf Haus 3 wie vorgesehen verzichtet werden kann. 19. Welche sonstigen Möglichkeiten sieht der Senat bei Ausschöpfung der Kapazitäten vor? Inwieweit kommt bspw. eine Verlegung in andere Bundesländer in Betracht? Sofern die geplanten Maßnahmen erwartungswidrig nicht greifen sollten, wird eine Verlegung in andere Bundesländer in Betracht gezogen. Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft