1 BREMISCHE BÜRGERSCHAFT Drs. 19/1757 Landtag (zu Drs. 19/1736) 19. Wahlperiode 31.07.18 Mitteilung des Senats an die Bremische Bürgerschaft (Landtag) vom 31. Juli 2018 Wie beurteilt der Senat die derzeitige Situation im Strafvollzug in Bremen? (Große Anfrage der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/DIE GRÜNEN) Die Fraktionen der SPD / Bündnis 90 / DIE GRÜNEN haben folgende Große Anfrage an den Senat gerichtet: „Das Bremische Strafvollzugsgesetz benennt das Ziel des Strafvollzugs in Paragraf 2 klar: Die Gefangenen sollen befähigt werden, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen. Darüber hinaus soll er dem Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten dienen. Strafvollzug erfolgt in Justizvollzugsanstalten (JVA). Entfernt von Familie und Freunden und dem gewohnten räumlichen Umfeld stellt das dortige Leben für die Insassinnen und Insassen in aller Regel einen Ausnahmezustand dar. Dennoch soll der Alltag dort den allgemeinen Lebensverhältnissen so weit wie möglich angeglichen werden und von Beginn an auf die Eingliederung der Gefangenen in das Leben in Freiheit hinwirken. Schädlichen Folgen des Freiheitsentzuges ist entgegenzuwirken. All das lässt sich dem Gesetz entnehmen. Doch wie gestaltet sich die Haft in Bremen und Bremerhaven tatsächlich? Die Ansprüche an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Justizvollzug sind hoch. und die Herausforderungen in den letzten Jahren weiter gestiegen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Justizvollzuges müssen einerseits die Sicherheit und Ordnung in der JVA gewährleisten und andererseits eine Arbeitsbeziehung zu den Gefangenen aufbauen, um sie im Interesse ihrer Resozialisierung zu der nötigen Selbstreflexion zu motivieren. Notwendig sind kulturelle und Bildungsangebote ebenso wie solche für Beschäftigung und Therapie. Die Gefangenenpopulation ist vielfältiger geworden, die Bandbreite der zu verbüßenden Freiheitsstrafen und die daraus resultierenden spezifischen Anforderungen an die Ausgestaltung als Behandlungsvollzug ebenso. Die Justizvollzugsanstalten im Land Bremen leisten hier gute Arbeit bei der Verwirklichung des Ziels des Strafvollzuges, Menschen dazu zu befähigen, ihre Potentiale für ein straffreies und sinnerfülltes Leben zu entwickeln und zu nutzen. Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 2 Wir fragen den Senat: I. Haftplätze: Zahlen – Entwicklung – Gebäude 1. Wie viele Haftplätze stehen in den Teilanstalten in Bremen und Bremerhaven zur Verfügung und wie hat sich die Auslastung in den Teilanstalten im Strafvollzug und in der Untersuchungshaft in den letzten vier Jahren verändert? 2. Wie viele Strafgefangene verbüßen eine Ersatzfreiheitsstrafe, wie hat sich diese Zahl und ihr prozentualer Anteil in den letzten vier Jahren verändert, und wie bewertet der Senat diese Entwicklung? Bitte getrennt nach Männer-, Frauen- und Jugendvollzug angeben. 3. Wie viele Gefangene sind in ihren Hafträumen einzeln, wie viele Gefangene sind gemeinschaftlich untergebracht? Bitte getrennt nach Haftbereichen und Zahl der je Haftraum gemeinschaftlich Untergebrachten angeben. 4. Wie viele Quadratmeter Grundfläche stehen den Gefangenen im Haftraum durchschnittlich sowie im schlechtesten Fall zur Verfügung und inwieweit beurteilt der Senat dies als ausreichend? Bitte differenziert nach Haftbereich angeben. 5. Wie hoch ist der Anteil der Gefangenen, die sich im offenen Vollzug befinden, und inwieweit besteht in Bremen die Möglichkeit, Haftstrafen direkt im offenen Vollzug anzutreten? Welche Erkenntnisse hat der Senat über die entsprechende Handhabung in anderen Bundesländern und wie bewertet der Senat etwaige Unterschiede? 6. Wie viele Eltern-Kind-Haftplätze stehen in den verschiedenen Haftbereichen zur Verfügung und wie stellt sich die Auslastung sowie deren Entwicklung dar? 7. Wie hoch belaufen sich derzeit die durchschnittlichen Kosten für einen Haftplatz und wie haben sich diese in den letzten Jahren verändert? 8. Wie hoch sind und waren nach Kenntnis des Senats diese Haftkosten in den anderen Bundesländern? Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 3 9. Welche Veränderungen haben sich nach Auffassung des Senats aufgrund der bereits vor einigen Jahren erfolgten Aufkündigung der Vollzugsgemeinschaft mit anderen Bundesländern ergeben? 10. Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit den Justizvollzugsanstalten in den anderen Bundesländern bei eventuell notwendig werdenden Verlegungen von Gefangenen (Abweichung vom Vollstreckungsplan)? 11. Sieht der Senat die Notwendigkeit, aufgrund der Entwicklung der Gefangenenzahlen mit anderen Bundesländern erneut Gespräche über eine Vollzugsgemeinschaft aufzunehmen? 12. Wie hat sich die Zahl Gefangener, die als so genannte Gefährder eingestuft werden oder extremistisches Gedankengut haben und weitergeben, entwickelt und wie werden sie im Vollzug betreut und welchen Einschränkungen unterliegen sie? 13. In welcher Form erfolgt hier eine Zusammenarbeit mit anderen Bundesländern, auf europäischer und internationaler Ebene? 14. Welche Anstrengungen unternimmt der Senat bei den Strafgefangenen zur Prävention von Radikalisierung und zur Deradikalisierung? 15. Wie weit sind die vor einigen Jahren in den bremischen Justizvollzugsanstalten begonnenen Sanierungs- und Umbauarbeiten fortgeschritten und welche Sanierungs- und Umbauarbeiten stehen für die nächsten Jahren noch aus? 16. Welche Vorteile ergeben sich aus den modernisierten Hafträumen für die Unterbringung und für die Betreuung der Strafgefangenen? 17. Wie viele Suizide und Suizidversuche gab es in den vergangenen fünf Jahren und welche generellen und personenspezifischen Maßnahmen zur Suizidprävention werden ergriffen? Welche Erkenntnisse hat der Senat über Vergleichszahlen aus anderen Bundesländern? 18. Wie viele Ausbruchsversuche, Ausbrüche und Entweichungen gab es in den letzten Jahren und wie lang dauerte die jeweilige Zeitspanne bis zu Wiederergreifung? Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 4 II. Vollzugsplanung – Haftbedingungen – Schule – Ausbildung – Arbeit 19. Welches Verfahren in Hinblick auf den zeitlichen und inhaltlichen Ablauf und die Zuständigkeit innerhalb der Anstalt wird bei der Vollzugsplanung zugrunde gelegt? 20. Wie beurteilt der Senat die Bedeutung der Erlangung von Alltagskompetenzen im Umgang mit digitalen Medien sowie dem Internet, und inwieweit erhalten Gefangene die Möglichkeit, diesen Umgang zu erlernen, beispielsweise über das Projekt „elis“ (E-Learning im Strafvollzug)? 21. Wie beurteilt der Senat die Bedeutung des Erhalts von Außenbeziehungen, insbesondere den Kontakt zur Familie, und inwieweit wird dem durch Besuchsregelungen, Vollzugslockerungen und der Ermöglichung von elektronischer Kommunikation, insbesondere E-Mail und Videotelefonie, Rechnung getragen? 22. Welche Vorgaben und Regelungen gelten für die Verpflegung der Gefangenen und inwieweit wird hierbei auf spezielle Bedürfnisse (ethische und religiöse Überzeugungen, Nahrungsunverträglichkeiten) und allgemeine Wünsche von Gefangenen Rücksicht genommen? 23. In welcher Häufigkeit kommt es in den verschiedenen Haftbereichen zu vorzeitigen Einschlüssen bzw. zu späteren oder gänzlich unterbleibenden Aufschlüssen, was sind die Ursachen hierfür und wie bewertet der Senat diese Umstände? 24. Zu welchen Besuchen der Länderkommission der „Nationalen Stelle zur Verhütung von Folter“ kam es bisher, welche Feststellungen und Empfehlungen wurden gemacht und welche Konsequenzen wurden daraus gezogen? 25. Welche Möglichkeiten bestehen für die Gefangenen, an schulischen Weiterbildungsmaßnahmen teilzunehmen bzw. einen Schulabschluss zu erlangen und wie werden diese angenommen? 26. Wie beurteilt der Senat die Beschäftigungssituation der Gefangenen in den Anstalten im Hinblick auf ausreichend Ausbildungs- und Arbeitsplätze? 27. Wie stellen sich die externe Beschäftigung von Gefangenen und die Bereitschaft von Unternehmen, Strafgefangene des offenen Vollzuges zu beschäftigen, dar? Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 5 28. Welche Möglichkeiten sieht der Senat, Unternehmen zu bewegen, Gefangene des offenen Vollzuges zu beschäftigen? 29. Wie hat sich die Anzahl der so genannten Vollzugslockerungen (Urlaub, Ausgang) entwickelt? 30. Wie werden Gefangene bei Haftantritt bei bestehenden Schulden oder in Anbetracht weiterlaufender Verträge und weiter entstehender Verbindlichkeiten (Wohnungsmiete, Handyverträge usw.) dabei unterstützt, nicht in die Schuldenfalle zu geraten? 31. Wie sieht Entlassungsvorbereitung konkret für die Gefangenen aus? Wie werden Inhaftierte beispielsweise bei der Wohnungs- und Arbeitsplatzsuche unterstützt und sieht der Senat hierbei noch Verbesserungsmöglichkeiten? 32. Welche Hilfestellungen werden den zu entlassenden Gefangenen im Rahmen des Übergangsmanagements gegeben, auch im Hinblick auf etwa weiter notwendige (sucht-)therapeutische oder sozialpädagogische Begleitung oder Schuldnerberatung? Welche Akteure innerhalb und außerhalb der JVA arbeiten in diesem Rahmen zusammen und wie sieht diese Zusammenarbeit aus? 33. Inwieweit sollten nach Ansicht des Senats Strafgefangene und Sicherungsverwahrte in die gesetzliche Rentenversicherung einbezogen werden? III. Delinquenz – Insassen – Therapie 34. Wie hat sich der Anteil von Gefangenen mit Migrationshintergrund und einer anderen als der deutschen Staatsangehörigkeit entwickelt und ergeben sich hieraus besondere Fragestellungen und Aufgaben? 35. Wie viele Strafgefangene im Seniorenalter gibt es in den bremischen Justizvollzuganstalten und gibt es Sonderbedarfe für diese, denen nachgekommen wird? 36. Wie hat sich die Altersstruktur der Gefangenen in den vergangenen Jahren entwickelt und von welcher Entwicklung geht der Senat in den nächsten Jahren aus? Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 6 37. Gibt es Strafgefangene mit besonderen Beeinträchtigungen und welche Möglichkeiten zur Unterstützung werden diesen gewährt? 38. Welche besonderen Anforderungen z. B. im Hinblick auf spezifische soziale und psychische Probleme bestehen im Frauenvollzug und wie wird diesen begegnet? 39. Welche Maßnahmen trifft der Senat, um zu verhindern, dass es in der JVA Bremen, samt der Abteilung in Bremerhaven, ähnlich wie jüngst in der JVA Torgau dazu kommt, dass etwa Pokerturniere mit Geldgewinnen offiziell ausgerichtet werden und durch welche Mechanismen werden gerade Inhaftierte mit (Spiel- )Suchtvergangenheit geschützt? 40. Wie hat sich die Zahl der von Gefangenen begangenen Übergriffe gegen Gefangene und Bedienstete in den verschiedenen Haftbereichen entwickelt? 41. Welche Subkulturen und Hierarchien unter den Gefangenen bestehen nach Erkenntnissen des Senats und welche Auswirkungen hat dies auf den Vollzugsalltag? IV. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der JVA 42. Wie hat sich die Anzahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Teilanstalten in Bremen und Bremerhaven in den letzten vier Jahren entwickelt, sind Aufstockungen erfolgt und in welchem Bereich sind diese erfolgt? 43. Gibt es hierzu Vergleichsdaten aus anderen Bundesländern? 44. Auf welche Gehalts- und Berufsgruppen verteilen sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter? 45. Welche Aus- und Fortbildungsangebote werden den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des bremischen Justizvollzuges angeboten und wie werden diese angenommen? 46. Wie beurteilt der Senat die Entwicklung des Krankenstandes unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des bremischen Justizvollzuges und inwieweit gibt es hierbei signifikante Unterschiede zwischen den Haftbereichen? Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 7 47. Wie beurteilt der Senat die Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des bremischen Justizvollzuges? 48. Inwieweit sind ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im bremischen Justizvollzug eingebunden?“ Der Senat beantwortet die Große Anfrage wie folgt: I. Haftplätze: Zahlen-Entwicklung-Gebäude Frage 1: 1. Wie viele Haftplätze stehen in den Teilanstalten in Bremen und Bremerhaven zur Verfügung und wie hat sich die Auslastung in den Teilanstalten im Strafvollzug und in der Untersuchungshaft in den letzten vier Jahren verändert? Zu Frage 1: Das Land Bremen verfügt über eine Justizvollzugsanstalt. In Bremerhaven steht eine Vollzugsabteilung der JVA Bremen zur Verfügung. Seit der Inbetriebnahme von Haus III im April 2018 stehen 717 Haftplätze zur Nutzung bereit. Die JVA-Belegungsquote kann der folgenden Tabelle entnommen werden: Jahr JVA Bremen Untersuchungshaft Abteilung Bremerhaven* Belegung Belegungsquote Belegung 2014 537 81 % 69 2015 512 77 % 85 2016 573 86 % 110 2017 631 95 % 126 4/2018 668 100 % 144 92** 93 % 6/2018 668 93 % 149 94 93 % *Wiederinbetriebnahme der Abteilung Bremerhaven ab 2. Quartal 2017. **Jahresdurchschnittsbelegung 2.-4 Quartal 2017. Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 8 Frage 2: Wie viele Strafgefangene verbüßen eine Ersatzfreiheitsstrafe, wie hat sich diese Zahl und ihr prozentualer Anteil in den letzten vier Jahren verändert, und wie bewertet der Senat diese Entwicklung? Bitte getrennt nach Männer-, Frauen- und Jugendvollzug angeben. Zu Frage 2: Hinsichtlich der EFS-Verbüßer im Land Bremen gibt es unterschiedliche Erhebungen. Zum einen wird monatlich an einem Stichtag erhoben, wie viele Gefangene sich aktuell in der Vollstreckung befinden. Darin enthalten sind Untersuchungsgefangene, die in Unterbrechung der U-Haft eine Ersatzfreiheitsstrafe verbüßen und Gefangene, die bereits Freiheitsstrafen verbüßt haben und am Ende dieser Haftzeit noch eine Ersatzfreiheitsstrafe verbüßen. Zudem werden die Zugänge pro Jahr an „reinen“ Ersatzfreiheitsstrafenverbüßer erhoben. Bei den „reinen“ EFS-Gefangenen liegt der durchschnittliche Anteil der Frauen bei ca. 10 %. Im JGG gibt es keine Ersatzfreiheitsstrafen, Ersatzfreiheitsstrafen werden nach § 43 StGB verhängt. Die Zahl der EFS-Gefangenen sowie die Belegungsquote bezogen auf EFS-Verbüßer kann der folgenden Tabelle entnommen werden: Jahr mtlg. Stichtagserhebung Belegungsquote Zugänge pro Jahr davon Frauen 2014 45,7 8,5 % 432 43 2015 46,2 9,0 % 442 50 2016 45,2 7,9 % 420 37 2017 49,0 7,8 % 433 45 6/2018 53,0 7,9 % 250 24 Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 9 Frage 3: Wie viele Gefangene sind in ihren Hafträumen einzeln, wie viele Gefangene sind gemeinschaftlich untergebracht? Bitte getrennt nach Haftbereichen und Zahl der je Haftraum gemeinschaftlich Untergebrachten angeben. Zu Frage 3: Am 04.07.2018 waren 655 Gefangene in der JVA Bremen inhaftiert, davon waren 30 Gefangene auf ausgewiesenen Doppelhafträumen untergebracht. Im Zentralgebäude sind sieben Doppelhafträume belegt, im Haus I zwei Doppelhafträume, in Haus II vier Doppelhafträume und in der Vollzugsabteilung 27 zwei Doppelhafträume. Frage 4: Wie viele Quadratmeter Grundfläche stehen den Gefangenen im Haftraum durchschnittlich sowie im schlechtesten Fall zur Verfügung und inwieweit beurteilt der Senat dies als ausreichend? Bitte differenziert nach Haftbereich angeben. Zu Frage 4: Die Nutzflächenberechnung kann der folgenden Tabelle entnommen werden: Abteilung Durchschnittliche Nutzfläche Kleinste Nutzfläche VA 21 (Untersuchungshaft) 9.49 m² 9.10 m² VA 22 (geschlossenen Strafhaft Männer) 8.96 m² 8,61 m² VA 23 (geschlossenen Strafhaft Männer) 9.00 m² 8.53 m² VA 24 (geschlossenen Strafhaft Männer) 9.10 m² 8.96 m² VA 25 (geschlossenen Strafhaft Männer) 10 m² 8.97 m² Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 10 VA 26 (geschlossenen Strafhaft Männer) 11.00 m² 10.0 m² VA 27 Frauen Vollzug, offener Vollzug 10.0 m² 10.0 m² FA 28 (Sozialtherapie) 10.01 m² 10.01 m² TA 4 (Jugendvollzug) 11.04 m² 10.99 m² Krankenstation 9.49 m² 9.10 m² Die Unterbringungssituation ist ausreichend (vgl. auch Antwort auf Frage 16). Frage 5: Wie hoch ist der Anteil der Gefangenen, die sich im offenen Vollzug befinden, und inwieweit besteht in Bremen die Möglichkeit, Haftstrafen direkt im offenen Vollzug anzutreten? Welche Erkenntnisse hat der Senat über die entsprechende Handhabung in anderen Bundesländern und wie bewertet der Senat etwaige Unterschiede? Zu Frage 5: Die Belegungsquote im offenen Vollzug kann der folgenden Tabelle entnommen werden: Jahr Belegungsquote im Vergleich zur Gesamtbelegung 2014 14 % 2015 15 % 2016 15 % 2017 15 % 6/2018 13 % In Bremen besteht die Möglichkeit, Haftstrafen direkt im offenen Vollzug anzutreten. Das Direkteinweisungsverfahren ist in einer Allgemeinen Verfügung des Senators für Justiz und Verfassung geregelt (AV vom 24.04.2015 – 4533). Eine Direktaufnahme erfolgt bei Selbststellern nach Prüfung durch die JVA Bremen auf ihre Geeignetheit zur Unterbringung im offenen Vollzug. Die Prüfung der Frage, ob ein auf freiem Fuß befindlicher und in den Erwerbsprozess gut integrierter Verurteilter für den offenen Vollzug geeignet ist, erfolgt vor Strafantritt. Die Vorprüfung umfasst eine sorgfältige Prüfung des Einzelfalles, wobei die Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 11 Einholung der Stellungnahme der Vollstreckungsbehörde obligatorisch ist. Gemäß Allgemeiner Verfügung des Senators für Justiz und Verfassung ist festgelegt, bei welchem Personenkreis besonders gründlich zu prüfen ist. Das Verfahren folgt denselben Standards wie das Verfahren der Behandlungsuntersuchung (Diagnostikverfahren) und Vollzugsplanaufstellung im geschlossenen Vollzug (siehe Antwort auf Frage 19). Für Selbststeller bleibt bei einer direkt im offenen Vollzug anzutretenden Haftstrafe als Freigänger ihr Arbeitsplatz draußen erhalten. Die Vorprüfung der Frage, ob ein auf freiem Fuß befindlicher Verurteilter für den offenen Vollzug geeignet ist, stellt sicher, dass der Vollzug unter Vollzugsgesichtspunkten (vgl. dazu §§ 7 f., 23 BremStVollzG) erfolgt. Vor einer Direktaufnahme im bremischen offenen Vollzug sind alle Sicherheits- und Behandlungsgesichtspunkte sorgfältig zu prüfen. In anderen Bundesländern gibt es vergleichbare Konzeptionen für die unmittelbare Einweisung der auf freiem Fuß befindlichen Verurteilten im offenen Vollzug. In der Praxis sehen die Länder jeweils unterschiedliche Kriterien vor. Im Bundesland Nordrhein-Westfalen ist der offene Vollzug – unabhängig von der Verbüßungsdauer – für alle Verurteilte zuständig, die sich auf freiem Fuß befinden. Im Bundesland Berlin werden erwachsene männliche Verurteilte, die sich nach Beendigung des erkennenden Verfahrens auf freiem Fuß befinden, von der Vollstreckungsbehörde in den offenen Vollzug geladen. In Hessen ist die Direktladung in den offenen Vollzug und seine Voraussetzungen gesetzlich geregelt (§ 13 Abs. 1 S. 2 i. V. m. § 71 HStVollzG). Im Bundesland Hamburg erfolgt die Aufnahme des Strafgefangenen grundsätzlich in Anstalten des geschlossenen Vollzugs. Oder aber es gibt eine Eignungsprüfung vor bzw. nach Strafantritt. Frage 6: Wie viele Eltern-Kind-Haftplätze stehen in den verschiedenen Haftbereichen zur Verfügung und wie stellt sich die Auslastung sowie deren Entwicklung dar? Zu Frage 6: Im Justizvollzug des Landes Bremen werden keine Eltern-Kind-Haftplätze vorgehalten. Bei Bedarf wird mit den Frauenhaftanstalten in Vechta und Hamburg Kontakt aufgenommen und kooperiert. Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 12 Frage 7: Wie hoch belaufen sich derzeit die durchschnittlichen Kosten für einen Haftplatz und wie haben sich diese in den letzten Jahren verändert? zu Frage 7: Angaben zur durchschnittlichen Kosten für einen Haftplatz können der folgenden Tabelle entnommen werden: 2013 111,69 € 2014 128,63 € 2015 140,75 € 2016 126,62 € 2017 124,59 € Frage 8: Wie hoch sind und waren nach Kenntnis des Senats diese Haftkosten in den anderen Bundesländern? Zu Frage 8: Im Vergleich zu anderen Stadtstaaten (hier: Hamburg) sowie zum Land Niedersachsen ist der Tageshaftkostensatz günstiger: Hamburg Jahr Tageshaftkostensatz 2013 158,95 € 2014 170,77 € 2015 173,84 € 2016 164,30 € Niedersachsen Jahr Tageshaftkostensatz 2013 128,03 € 2014 140,32 € 2015 143,08 € 2016 145,53 € Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 13 Frage 9: Welche Veränderungen haben sich nach Auffassung des Senats aufgrund der bereits vor einigen Jahren erfolgten Aufkündigung der Vollzugsgemeinschaft mit anderen Bundesländern ergeben? Zu Frage 9: Mit der Aufkündigung der Vollzugsgemeinschaft stellen sich neue vollzugliche Aufgaben im Langstrafenvollzug, auf die sich die Vollzugsplanung und Vollzugsgestaltung fachlich einstellen muss (vgl. auch Antworten auf Frage 19, 26, 35, 37). Seit dem 01.01.2013 regelt die Verwaltungsvereinbarung über die Bildung einer Vollzugsgemeinschaft zwischen der Freien Hansestadt Bremen und dem Land Niedersachsen die Verfahrensweise zur Unterbringung der bremischen Gefangenen und die Abrechnung der zu erbringende Leistungen. Das Abrechnungsverfahren orientiert sich seitdem nicht mehr an dem sogenannten Hafttageausgleich, sondern basiert auf den Ergebnissen der niedersächsischen Kosten- und Leistungsrechnung. Die danach ermittelten Haftkosten werden dem Land Bremen in Rechnung gestellt. Dies gilt umgekehrt auch für niedersächsische Gefangene, die sich in Bremen befinden. Neu an dieser Regelung ist darüber hinaus, dass die vorverauslagten Kosten einer stationären Unterbringung in einem Krankenhaus von dem jeweils originär zuständigen Land zusätzlich zu erstatten sind. Eine Übersicht der Ausgaben, die in den Jahren 2014 bis 2017 angefallen sind, kann der nachfolgenden Übersicht entnommen werden: 2014 1.619.28,66 € 2015 1.931.294,10 € 2016 1.745.221,60 € 2017 1.905.417,12 € Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 14 Frage 10: Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit den Justizvollzugsanstalten in den anderen Bundesländern bei eventuell notwendig werdenden Verlegungen von Gefangenen (Abweichung vom Vollstreckungsplan)? Zu Frage 10: Die Zusammenarbeit mit den Landejustizvollzugsanstalten der anderen Bundesländer ist unproblematisch. Die Anträge der Gefangenen werden geprüft und entschieden. Grundlage hierfür ist § 26 StVollstrO, wenn mit einer Verlegung abweichend vom Vollstreckungsplan die Behandlung des Gefangenen, die Aufrechterhaltung familiärer Kontakte (vgl. auch Antwort auf Frage 21) oder seine Eingliederung nach der Entlassung (vgl. auch Antwort auf Frage 31 und 32) hierdurch gefördert wird. Frage 11: Sieht der Senat die Notwendigkeit, aufgrund der Entwicklung der Gefangenenzahlen mit anderen Bundesländern erneut Gespräche über eine Vollzugsgemeinschaft aufzunehmen? Zu Frage 11: Die Frage der Unterbringung von Gefangenen in anderen Bundesländern stellt sich im Hinblick auf die Schließung von Haus II bei Sanierungsbeginn, sofern die vorhandenen Haftplätze – gegebenenfalls unter Einbeziehung von speziellen Haftcontainern – nicht ausreichen sollten. Dies ist abhängig von der Entwicklung des Gefangenenbestandes. Die Notwendigkeit für Gespräche über eine Vollzugsgemeinschaft mit anderen Bundesländern wird in diesem Zusammenhang nicht gesehen. Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 15 Frage 12: Wie hat sich die Zahl Gefangener, die als so genannte Gefährder eingestuft werden oder extremistisches Gedankengut haben und weitergeben, entwickelt und wie werden sie im Vollzug betreut und welchen Einschränkungen unterliegen sie? Zu 12: Sofern sich die Frage auf sogenannte „radikalisierte Islamisten“ bezieht, ist anzumerken, dass der Begriff „radikale Islamisten“ nicht einheitlich definiert ist. Knüpft man an Inhaftierungen nach einer einschlägigen Verurteilung gemäß § 89a StGB – Vorbereitung schwerer staatsgefährdender Gewalttat – an, befinden sich keine Gefangene in der JVA Bremen. Zu Fragen der Diagnostik, Vollzugsgestaltung und Übergangsmanagement/Wiedereingliederung sowie zur Prävention von Radikalisierung siehe die Antworten zu den Fragen 13, 14 und 19. Frage 13: In welcher Form erfolgt hier eine Zusammenarbeit mit anderen Bundesländern, auf europäischer und internationaler Ebene? Zu Frage 13: Über Länderumfragen und Expertengespräche zur vollzuglichen Betreuung von inhaftierten Gefährdern bzw. Gefangenen mit extremistischem Gedankengut hinaus nimmt Bremen an einem Programm des Bundes, dem Distanzierungsprojekt „Demokratie leben!“ teil. Europaweit ist das Land Bremen im Projekt „The prevention of juvenile radicalisation: Promoting the use of alternatives to detention through judicial training” sowie im Projekt „Strengthening Juvenile Justice Systems in the counter-terrorism context: Capacity-building and peer-learning among stakeholders” eingebunden. Beide Projekt werden durch das „International Juvenile Justice Observatory“ in Brüssel koordiniert und durch das „Criminal Justice Programme“ der Europäischen Union gefördert. Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 16 Die Kooperation mit internationalen Organisationen, wie z.B. der European Organisation of Prison and Correctional Services (EUROPRIS), The European Penitentiary Training Academies (EPTA), sowie der European Union Agency for Law Enforcement Training (CEPOL) dient auch regelmäßig dem Wissenstransfer. Durch die Nutzung von Hospitationsmöglichkeiten für Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Bremer Strafvollzugs, beispielsweise im schwedischen Strafvollzug, werden bewährte internationale Vollzugspraktiken praktisch erfahren und wenn möglich im Bremer Strafvollzug adaptiert. Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Sozialen Diensten der Justiz wurde auch der Zugang zu Europäischen Trainingsseminaren mit dem Schwerpunkt Extremismus und De-radikalisierung ermöglicht. Aktuell erfolgt die Unterstützung beim Aufbau von Kontakten zum Netzwerk „Confederation of European Probation“ (CEP) und anderen geeigneten Netzwerken der europäischen Bewährungshilfe-Kooperation. Im September richtet Bremen eine Konferenz zum Thema Radikalisierung und Justizvollzug in der Landesvertretung in Berlin aus. Eingeladen sind hochkarätige Vortragende und Partner aus anderen Bundesländern, von der EU- und Bundesebene sowie aus dem Internationalen Feld (UN-Ebene, Jordanischer Justizvollzug). Die Abteilung 4 beim Senator für Justiz und Verfassung ist hier eng vernetzt und übernimmt eine führende Rolle beispielsweise im Radicalisation Awareness Network (RAN) der EU-Kommission. Die Zusammenarbeit mit anderen Bundesländern, auf europäischer und internationaler Ebene wird genutzt, um das Sicherheitskonzept der Justizvollzugsanstalt Bremen fortzuschreiben. Darüber hinaus wird auf die Sensibilisierung und Fortbildung der Bediensteten der JVA Bremen zum Thema der extremistischen Gefangenen gesetzt, wobei Erkenntnisse und Fördermittel der vorerwähnten Projekte genutzt werden. Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 17 Frage 14: Welche Anstrengungen unternimmt der Senat bei den Strafgefangenen zur Prävention von Radikalisierung und zur Deradikalisierung? Zu Frage 14: Neben strukturellen Aspekten wie der Ausbildung des Vollzugspersonals kommt der Vollzugsgestaltung eine zentrale Rolle zu (Form der Unterbringung, Erfahrungen der Inhaftierten, Rolle der Gefängnisseelsorge). Ein nicht diskriminierendes Vollzugsklima, eine auf den Einzelnen und seine Bedürfnisse zugeschnittene Vollzugsplanung, ggf. seelsorgerische Angebote sowie Angebote von Sozialarbeitern und Psychologen, der fachliche Austausch mit den Sicherheitsbehörden und eine beständige Fortschreibung des Sicherheitskonzepts der JVA Bremen im Austausch mit nationalen und internationalen Partnern und anhand der neuesten Erkenntnisse in Wissenschaft und Forschung sowie ein gutes Übergangsmanagement können hier nach Ansicht des Senats Radikalisierungsprozesse während der Inhaftierung vermeiden. Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der JVA Bremen nehmen im Rahmen des EU finanzierten Projekts „Database and Assessment of Risk of Violent Extremists“ an einem Ausbildungsprogramm mit dem Schwerpunkt „strukturierte, professionelle Risikobeurteilungen idiographischer Art“ teil. In diesem Programm werden Mitarbeiter befähigt, dass Instrument zur Risikoeinschätzung „Violent Extremism Risk Assessment 2“ (VERA 2) als Anwender zu nutzen. Diese Art der Risikobeurteilung zielt weniger auf eine Prognose ab, sondern dient der gut informierten Entscheidung, welche Behandlung bzw. Betreuung, sowie welche Risikozuordnung (niedrig, mittel, hoch) für eine inhaftierte Person die passende ist. Über das Übergangsmanagement hinaus, werden aktuell für die Sozialen Dienste der Justiz Fortbildungsinhalte zum Umgang mit politisch und/oder religiös motivierten Straftätern in der Bewährungshilfe/Führungsaufsicht generiert. Handlungsempfehlungen zur Spezialisierung von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen in der Bewährungshilfe zur Betreuung von politisch und/oder religiös motivierten Straftätern für die Sozialen Dienste der Justiz im Lande Bremen werden aktuell ebenfalls erarbeitet. Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 18 Frage 15: Wie weit sind die vor einigen Jahren in den bremischen Justizvollzugsanstalten begonnenen Sanierungs- und Umbauarbeiten fortgeschritten und welche Sanierungsund Umbauarbeiten stehen für die nächsten Jahren noch aus? Zu Frage 15: Im Rahmen der Sanierung der JVA Bremen sind folgende Maßnahmen fertiggestellt: - Neubau eines Zentralgebäudes mit neuer Pforte und 100 Haftplätzen - teilweiser Neubau der Außenmauer samt Innenzaun und Sicherheitstechnik - Neubau Sozialtherapeutische Abteilung (SothA) - Sanierung Werkhof-Küche und Sanierung Werkhof-Dach - Sanierung Sporthalle - Sanierung Haus 4 - Jugendvollzug - Sanierung der JVA in Bremerhaven. Parallel wird jeweils die Infrastruktur für Fernwärme, Wasser, Elektro und EDV den modernen Anforderungen angepasst. Die aktuelle Sanierungsmaßnahme befasst sich mit den Hafthäusern I und II. Die Entwurfsunterlage-Bau (EW-Bau) ist erstellt und abgestimmt. Mit baulichen Vorabmaßnahmen wird nach den Ferien begonnen. Weiter wird derzeit durch IB AöR die Sanierung der Bestandsbauten Altes Lazarett und Bäckerei/Alte Küche in Dach und Fach geprüft. Ebenso wird aktuell untersucht, ob die alte historische Bestandsmauer wirtschaftlich saniert werden kann oder aber baulich nicht zu behebende statische Defizite eine Neuerrichtung nötig machen. Für die Offene Anstalt am Fuchsberg wird in 2019 durch IB AöR eine Wirtschaftlichkeitsberechnung erstellt, um zu ermitteln, ob eine Sanierung oder ein Neubau wirtschaftlicher ist. Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 19 Frage 16: Welche Vorteile ergeben sich aus den modernisierten Hafträumen für die Unterbringung und für die Betreuung der Strafgefangenen? Zu Frage 16: Ein Haftraum muss „wohnlich“ und zweckentsprechend sein. Die Fenster müssen den Blick ins Freie gestatten. Die bauliche Abtrennung der Nasszelle entspricht im Vergleich zu den „alten“ Hafträumen nicht nur den vollzuglichen Gestaltungsgrundsätzen, sondern auch dem Aspekt der Wahrung von Menschenwürde. Die Möbel sowie die weitere Haftraumaus-stattung sind modern, freundlich und funktional gestaltet, wobei auch der Aspekt der Übersichtlichkeit und Durchsuchbarkeit des Haftraums (vgl. § 75 Abs. 1 BremStVollzG) bedeutsam ist. Es gibt Gefangenentelefonie auf dem Haftraum bzw. auf den Fluren der Vollzugsabteilung, so dass der Kontakt zur Familie (siehe dazu auch Antwort auf Frage 21) leichter aufrechterhalten werden kann. Eine Durchsanierung der Gesamtanstalt stellt auch sicher, dass es zu keinen erheblichen Ungleichheit bei der materiellen Ausstattung kommt; Neid und Missgunst unter den Gefangenen bezogen auf die Unterbringungssituation wird somit entgegengewirkt. Frage 17: Wie viele Suizide und Suizidversuche gab es in den vergangenen fünf Jahren und welche generellen und personenspezifischen Maßnahmen zur Suizidprävention werden ergriffen? Welche Erkenntnisse hat der Senat über Vergleichszahlen aus anderen Bundesländern? Zu Frage 17: Angaben zu Suiziden und Suizidversuchen in den vergangenen fünf Jahren können der nachfolgenden Übersicht entnommen werden: Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 20 Suizide Suizidversuche 2014 2 2015 1 2 2016 2 2017 1 2 2018 1 2 Inhaftierte haben laut epidemiologischer Befunde ein erhöhtes Suizidrisiko gegenüber der Allgemeinbevölkerung. Maßnahmen der Suizidprävention sind folgende: 1. Screening aller Zugänge im Zugangsverfahren, 2. Diagnostik und Behandlung bei akuter bzw. latenter Suizidalität bzw. psychischen Erkrankungen, ggf. stationäre Krankenhausunterbringung, 3. gemeinsame Unterbringung, Peer-Maßnahmen, 4. besondere Sicherungsmaßnahmen, bspw. Unterbringung im besonders gesicherten Haftraum oder im Beobachtungshaftraum, 5. bauliche Maßnahmen, 6. Nachsorge, 7. laufende Personalschulungen. Suizidprävention ist als ein kontinuierlicher Prozess zu gestalten, der u.a. Gesundheitsförderung, Krisenintervention und Nachsorge umfasst. Das Land Bremen ist mit der Beauftragten für Suizidprävention in der JVA Bremen in der Bundesarbeitsgemeinschaft Suizidprävention im Justizvollzug vertreten. Der Kriminologische Dienst des Bildungsinstituts im niedersächsischen Justizvollzug erhebt die Daten von allen Gefangenen, die sich seit dem Jahr 2000 das Leben genommen haben. Bundesweit gab es im Zeitraum 2000 bis 2016 insgesamt 1.265 Suizide im Gefängnis. Im gleichen Zeitraum gab es im Bremer Justizvollzug 6 Suizide. Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 21 Frage 18: Wie viele Ausbruchsversuche, Ausbrüche und Entweichungen gab es in den letzten Jahren und wie lang dauerte die jeweilige Zeitspanne bis zu Wiederergreifung? Zu Frage 18: Seit 2014 gab es sieben Entweichungen, davon vier Entweichungen aus dem offenen Vollzug und drei Entweichungen aus der Abteilung Bremerhaven. In den Fällen erfolgte eine Selbststellung innerhalb von 1-2 Tagen. zwei Festnahmen erfolgten innerhalb eines Tages sowie jeweils zwei nach ca. 3 Wochen bzw. 3,5 Monaten. II. Vollzugsplanung – Haftbedingungen – Schule – Ausbildung - Arbeit Frage 19: Welches Verfahren in Hinblick auf den zeitlichen und inhaltlichen Ablauf und die Zuständigkeit innerhalb der Anstalt wird bei der Vollzugsplanung zugrunde gelegt? Zu Frage 19: Die gesetzlich vorgeschriebene Behandlungsuntersuchung (Diagnoseverfahren) und Vollzugs- bzw. Eingliederungsplanung ist kriminologisch fundiert. Zur Anwendung kommt das sogenannte MIVEA-Verfahren (Methode der idealtypisch vergleichenden Einzelfallanalyse). Dabei handelt es sich um eine Diagnostik des Lebenslaufes (Analyse des Sozialverhaltens im Lebenslängsschnitt und im Lebensquerschnitt sowie das Herausarbeiten von Relevanzbezügen und Wertorientierungen). Die Zusammenhänge der Tat mit der Biographie und den für einen Täter relevanten Bezügen lassen für die Interventionsprognose wichtige Hinweise erwarten. Falls erforderlich werden fachwissenschaftliche, ggfls. auch psychiatrische Expertisen mit einbezogen. Bei (versuchten oder vollendeten) Tötungsdelikten, Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung sowie bei Straftaten gemäß §§ 129a, 323a StGB erfolgt die Diagnostik zur Vollzugsplanung durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des psychologischen Fachdienstes. Mit Blick auf die kriminologische Einschätzung extremistischer Gewalt wird auch das Instrument VERA-2, ein Instrument zur Gefährlichkeitseinschätzung, eingeführt. Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 22 Der individuelle Vollzugsplan bezeichnet nach den Ergebnissen des Diagnoseverfahrens die vollzuglichen Maßnahmen, die zur Erreichung des Vollzugsziels erforderlich sind (vgl. § 9 Abs. 2 BremStVollzG). Der Vollzugsplan wird gemäß § 8 Abs. 1 BremStVollzG innerhalb von drei Monaten aufgestellt und spätestens alle sechs Monate fortgeschrieben. Der Vollzugsplan ist im Jugendvollzug gem. § 11 BremJVollzG innerhalb der ersten sechs Wochen aufzustellen. Frage 20: Wie beurteilt der Senat die Bedeutung der Erlangung von Alltagskompetenzen im Umgang mit digitalen Medien sowie dem Internet, und inwieweit erhalten Gefangene die Möglichkeit, diesen Umgang zu erlernen, beispielsweise über das Projekt „elis“ (E- Learning im Strafvollzug)? Zu Frage 20: Die Gestaltungsgrundsätze des § 3 BremStVollzG konkretisieren das in § 2 BremStVollzG genannte Vollzugsziel. Zum Gestaltungsgrundsatz „Das Leben im Vollzug ist den allgemeinen Lebensverhältnissen soweit wie möglich anzugleichen“, § 3 Abs. 4 BremStVollzG, gehört auch die Förderung von Alltagskompetenzen, hier beispielsweise der Einsatz und die Befriedigung im Leistungsbereich. Die eLis-Plattform bietet hier ein breites Spektrum an Möglichkeiten: Von Sprachprogrammen über Bewerbungstrainings bis hin zur methodisch-didaktischen Unterstützung im Schulunterricht (siehe dazu Antwort auf Frage 25). Im dreimonatigen EDV-Kurs werden neben den arbeitsweltbezogenen Anwenderprogrammen auch Medienkompetenzen vermittelt. Der Kurs schließt mit einem zertifizierten Computerführerschein ab. Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 23 Frage 21: Wie beurteilt der Senat die Bedeutung des Erhalts von Außenbeziehungen, insbesondere den Kontakt zur Familie, und inwieweit wird dem durch Besuchsregelungen, Vollzugslockerungen und der Ermöglichung von elektronischer Kommunikation, insbesondere E-Mail und Videotelefonie, Rechnung getragen? Zu Frage 21: Dass der Kontakt speziell mit den Angehörigen besonders förderungswürdig ist, lässt sich bereits aus der in Art. 6 Abs. 1 GG niedergelegten Schutzaufgabe des Staates gegenüber Ehe und Familie entnehmen und wird in begünstigenden Einzelregelungen des BremStVollzG, BremJStVollG sowie dem BremJStVollzG zum Besuchsverkehr umgesetzt. Telefone sind auf den Hafträumen oder auf den Fluren vorhanden (siehe Antwort auf Frage 16). Das Justizressort hat sich im Sinne des Grundsatzes, dass die Verhältnisse im Justizvollzug soweit wie möglich den allgemeinen Lebensverhältnissen angeglichen werden sollen, bei privaten Anbietern jüngst erfolgreich für eine Senkung der Telefontarife bei der Gefangenentelefonie eingesetzt. Gemessen an den durchschnittlich anfallenden Telefonaten konnte eine Kostensenkung um etwa 1/3 erzielt werden. Frage 22: Welche Vorgaben und Regelungen gelten für die Verpflegung der Gefangenen und inwieweit wird hierbei auf spezielle Bedürfnisse (ethische und religiöse Überzeugungen, Nahrungsunverträglichkeiten) und allgemeine Wünsche von Gefangenen Rücksicht genommen? Zu Frage 22: § 53 BremStVollzG geht davon aus, dass die Gefangenen grundsätzlich in vollem Umfang und ausgewogen von der Anstalt verpflegt werden. Das Gesetz schließt eine Selbstverpflegung durch den Gefangenen nicht aus. Die Anstalt ermöglicht es, bei der Verpflegung religiöse Speisegebote zu beachten (§ 53 Abs. 1 S. 3 BremStVollzG). Auf der Grundlage ärztlicher Verordnung wird Sonderverpflegung gewährt. Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 24 Frage 23: In welcher Häufigkeit kommt es in den verschiedenen Haftbereichen zu vorzeitigen Einschlüssen bzw. zu späteren oder gänzlich unterbleibenden Aufschlüssen, was sind die Ursachen hierfür und wie bewertet der Senat diese Umstände? Zu Frage 23: Gem. § 11 BremStVollzG werden Gefangene während der Ruhezeit (Einschluss) grundsämtlich allein untergebracht (zu Regelausnahmen vom Grundsatz im Falle von Hilfsbedürftigkeit oder Selbstgefährdung eines Gefangene oder auch Raumengpässen siehe § 11 Abs. 2 und 3 BremStVollzG, § 95 Abs. 2 und 3 BremStVollzG). Im Rahmen der allgemeinen Aufschlusszeiten (§ 12 BremStVollzG) gibt es Möglichkeiten der Freizeitgestaltung (§ 54 BremStVollzG). Einschränkungen der Zeiten für die Freizeitaktivitäten können insbesondere aus Gründen der Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung (§ 12 Abs. 2 BremStVollzG) erforderlich sein, beispielsweise aufgrund nicht planbarer Ereignisse wie Ausführungen, Krankenhausbewachungen, kurzfristiger Krankmeldungen oder besonderer Vorkommnisse, die einen Anstaltsalarm nach sich ziehen. Die Alltagserfahrung der JVA Bremen zeigt, dass derartige Vorkommnisse nicht der Regelfall sind, sondern der Einzelfall. Die gesetzlichen Vorgaben werden umgesetzt. Frage 24: Zu welchen Besuchen der Länderkommission der „Nationalen Stelle zur Verhütung von Folter“ kam es bisher, welche Feststellungen und Empfehlungen wurden gemacht und welche Konsequenzen wurden daraus gezogen? Zu Frage 24: Die Nationalen Stelle zur Verhütung von Folter besuchte die JVA Bremen am 9. Dezember 2016 und berichtete dem Justizressort mit Schreiben vom 1. August 2017 ihre Feststellungen 1. zur Videoüberwachung im besonders gesicherten Haftraum, 2. zur Dokumentation der Unterbringung im besonders gesicherten Haftraum, 3. zur Durchsuchung und Entkleidung bei Zugang in die JVA Bremen 4. sowie zur Gefangenenmitverantwortung und Ernährung. Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 25 Zu 1: Es wurden die Videoüberwachung des besonders gesicherten Haftraums sowie der damit im Zusammenhang stehende Schutz des Intimbereichs der Gefangenen angesprochen. Darauf wurde dergestalt reagiert, dass auf dem Überwachungsmonitor der Toilettenbereich überklebt wurde. Die kameraunterstützte Sicht in diesen Teil des Haftraums ist wie bei einer Verpixelung nur noch schemenhaft möglich. Den rechtlichen Vorgaben entsprechend sind bei Gefahr im Verzug (z. B. akute Suizidgefahr) entsprechend begründete und dokumentierte Entscheidungen denkbar, bei denen ohne die vorgenannte Einschränkung überwacht wird. Da in der Sicherheitszentrale der JVA Bremen Bilder sowohl aus dem Frauen- als auch aus dem Männervollzug auflaufen, kann eine Videoüberwachung ausschließlich durch Personen des gleichen Geschlechts nicht gewährleistet werden. Zu 2: Entsprechend der Empfehlung der Nationalen Stelle zur Verhütung von Folter wurde die Dokumentation der Unterbringung im besonders gesicherten Haftraum dahingehend überarbeitet, dass der Gesamtprozess nach dem Ende des Vorgangs in der Gefangenenpersonalakte abgelegt wird und dort nachvollzogen werden kann. Zu 3: Die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter hat zu Personendurchsuchungen folgendes festgestellt: „Die Länderkommission empfiehlt, die derzeitige Praxis der Durchsuchung mit Entkleidung zu überprüfen. Es sollte sichergestellt werden, dass Anordnungen zur Durchsuchung mit Entkleidung immer einen Ermessensspielraum im Einzelfall bezüglich der Notwendigkeit der Entkleidung eröffnen und die Bediensteten hierfür sensibilisiert werden. Ist im Einzelfall die Notwendigkeit für eine Durchsuchung mit Entkleidung gegeben, ist sicherzustellen, dass das Schamgefühl der jeweiligen Gefangenen geschont wird. Des Weiteren sollte die beschriebene Vorgehensweise der Durchsuchung mittels Spiegel abgestellt werden.“ Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 26 In der Folge wurde die hierzu einschlägige Anstaltsverfügung abgeändert. Um auch Einzelfällen gerecht zu werden, bei denen bei Insassen kein Anlass zu der Vermutung von Kontakten zum Drogenhandel oder –konsum besteht, soll den entscheidenden Mitarbeitern ermöglicht werden, von einer körperlichen Durchsuchung mit Entkleidung abzusehen, wenn aufgrund besonderer Umstände eine Gefahr für die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt fernliegend erscheint. Zudem wurde den Gefangenen freigestellt, ob ein Spiegel zum Zwecke der Durchsuchung genutzt wird. Die Anstaltsverfügung 4434 SV 31 über die körperliche Durchsuchung von Gefangenen des geschlossenen Vollzuges mit Entkleidung, die aus Vollzugslockerungen zurückkehren vom 02.11.2017 lautet: „Für den geschlossenen Vollzug der JVA Bremen wird aus Gründen der Sicherheit und Ordnung zur Verhinderung des Einbringens von Drogen auf der Grundlage des § 75 BremStVollzG angeordnet, dass alle Gefangenen, die aus eigenständigen Lockerungen oder Strafunterbrechungen zurückkehren, mit Entkleidung durchsucht werden. Sofern bei Gefangenen kein Anlass zur Vermutung von Kontakten zum Drogenhandel oder –konsum besteht, kann von einer körperlichen Durchsuchung abgesehen werden, wenn aufgrund besonderer Umstände eine Gefahr für die Sicherheit und Ordnung der Anstalt fernliegend erscheint. Um den Durchsuchungseingriff in die Intimsphäre so gering wie möglich zu halten, soll dabei so weit wie möglich auf Berührungen verzichtet werden. Zu diesem Zwecke stehen in den Revisionsräumen auf dem Boden liegende waagerechte Spiegel zur Verfügung. Gefangene können wählen, ob der Spiegel zur Anwendung kommen soll oder eine manuelle Durchsuchung erfolgen soll.“ Zu 4: Auf die weiteren Vorschläge der Nationalen Stelle zur Verhütung von Folter zur Gefangenenmitverantwortung und zur Ernährung ist auszuführen, dass im April 2017 eine Wahl zur Sprecherin der Gefangenen durchgeführt wurde. Der Ernährungsplan der Justizvollzugsanstalt wird zwischen der Anstaltsküche und dem ärztlichen Dienst der Anstalt mit dem Ziel abgestimmt, eine ausreichende und gesunde Ernährung zu gewährleisten. Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 27 Frage 25: Welche Möglichkeiten bestehen für die Gefangenen, an schulischen Weiterbildungsmaßnahmen teilzunehmen bzw. einen Schulabschluss zu erlangen und wie werden diese angenommen? Zu Frage 25: Der pädagogische Dienst der JVA Bremen bietet Gefangenen die Möglichkeit, je nach Bedarf an Kursen auf unterschiedlichem Niveau teilzunehmen. Angeboten werden ein Alphabetisierungskurs, ein Integrationskurs (Spracherwerb Deutsch), Grundbildungskurse, ein EDV-Kurs (siehe Antwort auf Frage 21) sowie schulabschlussbezogene Klassen, in denen die einfache und erweiterte Berufsbildungsreife sowie der mittlere Schulabschluss erreicht werden kann. Darüber hinaus wird im Frauenvollzug ein sogenannter Kombi-Kurs angeboten, in dem Schülerinnen verschiedener Lernniveaus in einer Lerngruppe zusammenarbeiten. Die pädagogische Diagnostik und Bildungsplanung in der JVA Bremen ist Teil der individuellen Vollzugsplanung. Jeder Schüler wird vor dem Schulbesuch pädagogisch getestet, um sie passgenau zuzuweisen. Das Kurssystem ist modular aufgebaut. Beispielsweise kann ein Gefangener ohne bzw. mit unzureichenden Deutschkenntnissen im Integrationskurs Deutsch lernen, anschließend den Grundbildungskurs besuchen und schließlich in der Abschlussklasse einen Schulabschluss erwerben. Gefangene mit entsprechenden Vollzugslockerungen können als Freigänger das Abitur bei der Erwachsenenschule Bremen machen. Die vorgenannten Angebote werden seitens der Gefangenen sehr gut angenommen, die Kurse sind nahezu vollständig ausgebucht. Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 28 Frage 26: Wie beurteilt der Senat die Beschäftigungssituation der Gefangenen in den Anstalten im Hinblick auf ausreichend Ausbildungs- und Arbeitsplätze? Zu Frage 26: Nicht jedem Strafgefangenen kann gleich ein Arbeitsplatz im Vollzug zugewiesen werden, obwohl Arbeitspflicht besteht (§ 9 Abs. 2 BremStVollzG). Die dem Gefangenen zugewiesene Arbeit muss seinen Fähigkeiten angemessen sein. Die berufliche Ausbildung ist mit der Arbeit – im Hinblick auf die Resozialisierungsförderung – gleichgestellt (vgl. § 9 Abs. 2 BremStVollzG). Eine Vollausbildung wird in der JVA Bremen nicht angeboten, wohl aber eine Teilqualifikation (Qualifikationsbausteine). Diese Bausteine werden aktuell in den Betrieben Tischlerei, Schlosserei, Schneiderei, Gebäudereinigung, Elektrowerkstatt und Bäckerei im Zusammenwirken mit der Handwerkskammer Bremen durchgeführt. In Vorbereitung sind weitere Qualifizierungsbausteine im Bistro der JVA Bremen (Kooperation mit der Industrie- und Handwerkskammer Bremen) sowie bei den Jugendlichen (Kooperation mit der Landwirtschaftskammer Bremen). Mit Blick auf eine Vollausbildung in der JVA Bremen ist vor allem der Zeitbedarf beruflicher Maßnahmen zu berücksichtigen. In vielen Fällen ist die Zeit der Inhaftierung für eine Vollausbildung ungenügend. Schulabschlüsse, die Voraussetzung für berufliche Maßnahmen sind, sind oftmals nicht vorhanden und müssen nachgeholt werden. Darüber hinaus fehlt es den Gefangenen vielfach an der Motivation und dem notwendigen Durchhaltevermögen zur beruflichen Bildung; hier ist die Bereitschaft zur Mitwirkung am Vollzugsziel zu wecken und zu fördern (vgl. § 4 Abs. 3 BremStVollzG). Die Beschäftigungsquote in der JVA Bremen lag in den letzten Jahren trotz steigender Gefangenenzahlen relativ konstant bei ca. 61 % und damit im Bundesdurchschnitt. Aktuell liegt sie bei 59,11 %. Der Weg des beständigen Ausbaus an Beschäftigungsmöglichkeiten soll fortgesetzt werden. Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 29 Frage 27: Wie stellen sich die externe Beschäftigung von Gefangenen und die Bereitschaft von Unternehmen, Strafgefangene des offenen Vollzuges zu beschäftigen, dar? Zu Frage 27: Bei einem freien Beschäftigungsverhältnis gem. § 38 Abs. 1 Nr. 4 BremStVollzG geht der Gefangene als Freigänger auf der Grundlage eines privatwirtschaftlichen Vertrages einer Arbeit außerhalb der Anstalt nach. Von den gegenwärtig im offenen Frauen- und Männervollzug befindlichen Gefangenen sind 55 Gefangene auf dem ersten Arbeitsmarkt integriert, was einer Quote von 85% entspricht. Die momentane Arbeitsmarktlage stellt laut Auskunft der JVA Bremen positiv dar. Freigänger der JVA Bremen sind bei der Arbeitsplatzsuche oftmals bereits nach kurzer Zeit erfolgreich. Das wird darauf zurückgeführt, dass es in Bremen und Bremerhaven als große Logistikstandorte einen großen Bedarf an Arbeitskräften für einfache Arbeiten gibt. Der Arbeitsmarkt wird zumeist durch Zeitarbeitsfirmen bedient. Schulische bzw. berufliche Qualifikationen spielen dabei keine zentrale Rolle. Stattdessen wird Durchhaltevermögen und Teamfähigkeit am Arbeitsplatz gefordert. Beruflich qualifizierte Gefangene schaffen es bei Vorliegen der Voraussetzungen zum Freigang zumeist direkt bei Unternehmen eine Anstellung zu finden. Die Zusammenarbeit mit dem Zeitarbeitsfirmen und Unternehmen ist laut Auskunft der JVA Bremen unproblematisch. Vor allem die enge Begleitung der JVA Bremen im Berufsfreigang wird von den Arbeitgebern geschätzt. Frage 28: Welche Möglichkeiten sieht der Senat, Unternehmen zu bewegen, Gefangene des offenen Vollzuges zu beschäftigen? Zu Frage 28: Hierzu gibt es derzeit keinen Handlungsbedarf, siehe Antwort auf Frage 27. Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 30 Frage 29: Wie hat sich die Anzahl der so genannten Vollzugslockerungen (Urlaub, Ausgang) entwickelt? Zu Frage 29 Die Entwicklung der so genannten Vollzugslockerungen (§ 38 BremStVollzG) ergibt sich aus der nachfolgenden Übersicht: 2014 3683 Urlaube und 6104 Ausgänge 2015 3132 Urlaube und 6853 Ausgänge 2016 3215 Urlaube und 8295 Ausgänge 2017 3691 Urlaube und 8616 Ausgänge *Nicht enthalten ist das tägliche Verlassen der Anstalt im Rahmen des Freigangs, siehe auch Antwort auf Frage 27. Frage 30: Wie werden Gefangene bei Haftantritt bei bestehenden Schulden oder in Anbetracht weiterlaufender Verträge und weiter entstehender Verbindlichkeiten (Wohnungsmiete, Handyverträge usw.) dabei unterstützt, nicht in die Schuldenfalle zu geraten? Zu Frage 30 Die Mehrzahl der Gefangenen haben Schulden aus Unterhaltsverpflichtungen, Gerichts- und Anwaltskosten, Konsumentenkrediten, Wohnungsmieten oder Handyverträgen. Die individuellen Vollzug- und Eingliederungspläne der Gefangenen enthalten Angaben zur Schuldnerberatung, Schuldenregulierung und zur Erfüllung von Unterhaltsverpflichtungen. Die Gefangenen werden in derartigen Fragen aktiv unterstützt. Die Schuldnerberatung der Bremischen Straffälligenbetreuung e. V. hält regelmäßig Sprechstunden innerhalb der JVA Bremen ab. Einzelne Schuldenregulierungen finden ebenso durch den Sozialdienst der JVA Bremen statt. Dabei handelt es sich meist um Vereinbarungen über Ratenzahlungen oder Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 31 Anträge auf Stundungen. Die Miete für externen Wohnraum wird ebenfalls, sofern Aussicht auf Erfolg besteht, durch den Sozialdienst der JVA Bremen geregelt. Dabei besteht die Möglichkeit, einen Antrag bei den wirtschaftlichen Hilfen der Sozialämter auf Mietkostenübernahme zu stellen. Eine Mietkostenübernahme kann bis zu einer Dauer von 6 Monaten von den Sozialämtern übernommen werden. Zudem wird bei SGB II-Bezug das örtlich zuständige Job-Center informiert, um Rückforderungen von ALG 2-Leistungen zu vermeiden. Frage 31: Wie sieht Entlassungsvorbereitung konkret für die Gefangenen aus? Wie werden Inhaftierte beispielsweise bei der Wohnungs- und Arbeitsplatzsuche unterstützt und sieht der Senat hierbei noch Verbesserungsmöglichkeiten? Zu Frage 31: Die Entlassungsvorbereitung in der JVA Bremen ist integraler Bestandteil des Übergangsmanagements (siehe dazu Antwort auf Frage 32). Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf der Sicherung des Aufenthaltsbereiches (Unterkunftssicherung) und Arbeitsmarktintegration sowie – sofern angezeigt – auf der gesundheitsbezogenen Nachsorge. Gemäß vollzuglicher Gestaltungsprinzipien wirkt der Vollzug „von Beginn an“ auf die Eingliederung der Gefangenen in das Leben in die Freiheit hin (vgl. § 3 Abs. 2 BremStVollzG). Spätestens ein Jahr vor dem voraussichtlichen Entlassungszeitpunkt hat die Planung zur Vorbereitung der Eingliederung zu beginnen, § 9 Abs. 3 BremStVollzG. Es werden ambulante bzw. stationäre Hilfebedarfe ermittelt, die Umsetzung wird über den sogenannten EVB-Pool eingeleitet. Die im EVB-Pool tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der „Hoppenbank e. V.“ und der „Bremischen Straffälligenbetreuung e. V.“ begleiten und unterstützen die Gefangenen beim Übergang in die Freiheit (siehe dazu auch Antwort auf Frage 32). Ein Problemfeld in der täglichen Arbeit der Entlassungsvorbereitung ist die Sicherstellung der Unterkunft nach der Haftentlassung. Hierzu gibt es eine regelmäßige Kooperation mit der Zentralen Fachstelle Wohnen des Amtes für Soziale Dienste. Es gibt laut Bericht der JVA Bremen darüber hinaus nicht ausreichend gesicherte Nachsorgeeinrichtungen für ehemals Inhaftierte mit sogenannten Doppeldiagnosen (Suchterkrankung und Psychose). Hinzu kommen leistungsrechtliche Problemstellungen, wenn es darum geht, die Anschlussbetreuung Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 32 gem. SGB abzusichern. Das Justizressort befindet sich in einem beständigen Austausch mit den Freien Trägern der Straffälligenhilfe, um diesen Herausforderungen gerecht zu werden. Frage 32: Welche Hilfestellungen werden den zu entlassenden Gefangenen im Rahmen des Übergangsmanagements gegeben, auch im Hinblick auf etwa weiter notwendige (sucht- )therapeutische oder sozialpädagogische Begleitung oder Schuldnerberatung? Welche Akteure innerhalb und außerhalb der JVA arbeiten in diesem Rahmen zusammen und wie sieht diese Zusammenarbeit aus? Zu Frage 32 Seit Anfang der 1980-er Jahre sind in Bremen, in Kooperation zwischen den behördlichen Institutionen und den Trägern der Freien Straffälligenhilfe, Übergangs- und Nachsorgestrukturen entwickelt und aufgebaut worden. Das Übergangsmanagement gehört im Rahmen der Entlassungsvorbereitung aber auch zu den Aufgaben des Strafvollzugs. Das Übergangsmanagement stellt vor allem auf die berufliche Wiedereingliederung ab. Es sind aber weitere Problemlagen, die sich auf die Beschäftigungsfähigkeit sowie auf den Wiedereingliederungsprozess auswirken, zu bearbeiten. Das Übergangsmanagement ist also nicht allein berufsorientiert, sondern insgesamt stärker sozialintegrativ. Dazu gehören auch Maßnahmen der Ausstiegshilfe im Bereich extremistische Gewalt (Deradikalisierung, vgl. Antwort auf Frage 14). Zu den am Übergangsmanagement beteiligten Akteuren wird auf die Antwort auf Frage 31 verwiesen. Zur Vorbereitung und Umsetzung der einzelnen Eingliederungsschritte finden monatliche Konferenzen der Kooperationspartner (EVB-Pool, Soziale Dienste der Justiz, WieNeT und JVA) statt. Zudem werden in der Vollzugsabteilung 25, die schwerpunktmäßig für die Entlassungsvorbereitung zuständig ist, monatliche Sprechstunden des Jobcenters sowie der Berufshilfe der „Hoppenbank e. V.“ angeboten. Die fallbezogene sowie die strukturelle Zusammenarbeit der Beteiligten sind gut. Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 33 Frage 33: Inwieweit sollten nach Ansicht des Senats Strafgefangene und Sicherungsverwahrte in die gesetzliche Rentenversicherung einbezogen werden? Zu Frage 33: Mit Blick auf die mit der Haft verbundene Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage der Gefangenen wurde auf der Frühjahrskonferenz der Justizministerinnen und Justizminister vom 6.und 7. Juni 2018 beschlossen: TOP II.26: Einbeziehung der Strafgefangenen und Sicherungsverwahrten in die gesetzliche Rentenversicherung: 1. Die Justizministerinnen und Justizminister haben sich mit der Einbeziehung von Gefangenen und Sicherungsverwahrten in die gesetzliche Rentenversicherung befasst und halten die Einbeziehung grundsätzlich für sinnvoll. 2. Die Justizministerinnen und Justizminister bitten die Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz, sich bei dem Bundesminister für Arbeit und Soziales für eine entsprechende Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) einzusetzen, die im Hinblick auf die zu erwartenden Einsparungen für den Bundeshaushalt bei der Grundsicherung im Alter keine zusätzliche Belastung der Länderhaushalte verursacht.“ Der Senat erachtet diesen Beschluss für richtig und zielführend. III. Delinquenz – Insassen – Therapie Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 34 Frage 34: Wie hat sich der Anteil von Gefangenen mit Migrationshintergrund und einer anderen als der deutschen Staatsangehörigkeit entwickelt und ergeben sich hieraus besondere Fragestellungen und Aufgaben? Zu Frage 34 Es liegen Angaben über die Staatsangehörigkeit vor. Der Ausländeranteil an der Gesamtbelegung hat sich danach wie folgt entwickelt: 2014 25,8 % 2015 31,3 % 2016 35,3 % 2017 40,6 % 2018 40,7 % Zum Migrationshintergrund können anhand der Vollzugsstatistik keine Angaben gemacht werden. Im Jugendvollzug werden aber seit März 2015 die Daten aller unbegleiteten minderjährigen und heranwachsenden Ausländer, die mehrheitlich aus den Maghreb-Staaten stammen, erhoben. Von zunächst 4 unbegleiteten minderjährigen Ausländern 2015 stieg deren Anzahl bis zum Jahresende 2015 auf insgesamt 15 unbegleitete minderjährige und heranwachsende Ausländer im bremischen Jugendvollzug. Im Jahr 2016 erhöhte sich deren Anzahl auf zwischenzeitlich 21 Personen. In 2017 stagnierte die Entwicklung auf dem erreichten Niveau. In 2018 liegt die Anzahl der im Jugendvollzug untergebrachten unbegleiteten Minderjährigen und Heranwachsenden bei bis zu 26 Flüchtlingen, was einen Belegungsanteil von 50 % ausmacht. Besondere Herausforderungen im Vollzugsalltag sind neben Sprachschwierigkeiten die kulturelle Verschiedenheit, was auch in der Alltagsmentalität zum Ausdruck kommt. Für die Bediensteten macht dies besondere Anstrengungen erforderlich. Durch Personalverstärkungen und bauliche Maßnahmen wie eine Feinvergitterung konnte die Betreuung der inhaftierten jugendlichen und heranwachsenden Gefangenen und der Umgang mit diesen inzwischen deutlich verbessert werden. Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 35 Im Falle einer möglichen Abschiebung bedarf es der frühzeitigen Klärung, inwiefern eine auf Erziehung (Jugendvollzug) und Resozialisierung in Bremer Strukturen ausgerichtete Vollzugsplanung zielführend ist. Frage 35: Wie viele Strafgefangene im Seniorenalter gibt es in den bremischen Justizvollzuganstalten und gibt es Sonderbedarfe für diese, denen nachgekommen wird? Zu Frage 35: Am 4. Juli 18 waren 13 Gefangene inhaftiert, die älter als 65 Jahre sind. Der älteste Gefangene ist 82,5 Jahre alt. Aufgrund von Pflegebedürftigkeit gibt es pflegerische Sonderbedarfe, die fallbezogen im Rahmen der Gesundheitsfürsorge sichergestellt werden. Frage 36: Wie hat sich die Altersstruktur der Gefangenen in den vergangenen Jahren entwickelt und von welcher Entwicklung geht der Senat in den nächsten Jahren aus? Zu Frage 36: Angaben zur Altersstruktur der Gefangenen in den vergangenen Jahren können der folgenden Tabelle entnommen werden: 2014 2015 2016 2017 2018 14-18 10 8 20 19 14 19-21 20 25 19 26 34 22-25 63 54 61 62 62 26-40 300 296 323 365 377 41-60 150 132 147 146 161 über 61 14 16 20 16 17 Gesamt 557 531 590 634 665 * Altersstufen Stichtagserhebung jeweils zu 31.03. eines Jahres Die Prognose der Altersstruktur der Gefangenen ist von verschiedenen Variablen, die neben der Bevölkerungsentwicklung in entsprechende Prognosen mit einbezogen werden müssen (Gesetzesänderungen, Rechtsprechung, Vollstreckungsentscheidungen), abhängig. Auf der Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 36 Grundlage der vorhandenen Daten können keine abschließenden Aussagen gemacht werden, die Entwicklung ist weiter zu beobachten. Frage 37: Gibt es Strafgefangene mit besonderen Beeinträchtigungen und welche Möglichkeiten zur Unterstützung werden diesen gewährt? Zu Frage 37: Eine Strafgefangene im Alter 82 Jahren ist pflegebedürftig. Ein externer Pflegedienst wurde beauftragt. Problematisch sind besonders die psychisch auffälligen Gefangenen, für die im Justizvollzug die bedarfsgerechte Gesundheitsfürsorge sichergestellt werden muss. Frage 38: Welche besonderen Anforderungen z. B. im Hinblick auf spezifische soziale und psychische Probleme bestehen im Frauenvollzug und wie wird diesen begegnet? Zu Frage 38: Straffälligkeit von Frauen weist häufig eine andere Verankerung in sozialen Strukturen auf, als dies üblicherweise bei Männern der Fall ist. Es gibt Verläufe, bei denen die betreffenden Frauen – bei äußerst problematischen Verhältnissen im Elternhaus und häufig Erfahrungen mit Gewalt und sexuellen Übergriffen – früh auffällig werden, weshalb beispielsweise Hilfe zur Erziehung angeordnet wird. Die biographische Entwicklung nähert sich so einer Entwicklung an, wie dies üblicherweise bei Männern der Fall ist. Die bei Männern gefundenen Verhaltensstrukturen und Risikofaktoren lassen sich dann zwar modifiziert, dann aber durchaus auf das Verhalten straffälliger Frauen übertragen. Eine Art Gegenpol zu den früh auffälligen Straftäterinnen bilden jene, die bei unauffälliger Kindheit und Jugend alle anderen Sozialbereiche dem Leistungsbereich unterordnen. Zu Straftaten kommt es häufig, wenn die Erfüllung der eigenen oder familiären Bedürfnisse mit Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 37 den vorhandenen finanziellen Mitteln nicht mehr möglich erscheint. Dies führt zu Straftaten, meist in Form von Betrügereien. Erst infolge des Bekanntwerdens der Straftaten und deren Sanktionierung kann es zu einem – teilweise deutlichen – sozialen Abstieg mit entsprechenden sozial auffälligen Verhaltensweisen kommen. In anderen Fällen kommt es zu einem Zusammenbruch oder auch zu „Lebenskrisen“ durch persönliche oder familiäre „Schicksalsschläge“, wie bspw. Scheidung, Tod des Partners oder Arbeitslosigkeit, mit denen der Verlust der Einkommensquelle sowie die soziale Einbettung verbunden ist. Im Rahmen der Diagnostik (siehe Antwort auf Frage 19) gilt bei straffälligen Frauen nichts anderes als für Migranten oder aber Männer aus besonderen Sozialmilieus: in ihren besonderen Lebenslagen lässt sich das Verhalten der Menschen mit der Methode der idealtypisch-vergleichenden Einzelfallanalyse (siehe dazu Antwort auf Frage 19) erfassen. Sofern es Anhaltpunkte für psychopathologisch relevante Störungen gibt, die sich im Kontaktbereich (u.a. Bindungsstörungen) zeigen oder besondere Aspekte des Einzelfalles zu berücksichtigen sind (bspw. Depressionen, Somatisierungsstörungen, Suizidneigung), ist psychologische Beurteilungskompetenz gefragt. In Bezug auf die psychischen Problemlagen können die Frauen Einzelgespräche mit dem Psychologischen Dienst wahrnehmen und unterstützende Medikation durch den Medizinischen Dienst erhalten. Darüber hinaus finden regelmäßige Gruppensitzungen zur Förderung der sozialen Kompetenz statt. Für suchtkranke inhaftierte Frauen kommt das Suchtkrankenhilfeangebot, welches Substitution, Förderung der Abstinenzmotivation und Therapievermittlung umfasst, in Frage. Ergänzt werden diese Angebote durch eine bedarfsorientierte Entlassungsvorbereitung und Freizeitangebote zur Förderung eines sinnvollen und kompetenzerweiternden Freizeitverhaltens. Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 38 Frage 39: Welche Maßnahmen trifft der Senat, um zu verhindern, dass es in der JVA Bremen, samt der Abteilung in Bremerhaven, ähnlich wie jüngst in der JVA Torgau dazu kommt, dass etwa Pokerturniere mit Geldgewinnen offiziell ausgerichtet werden und durch welche Mechanismen werden gerade Inhaftierte mit (Spiel-)Suchtvergangenheit geschützt? Zu Frage 39: Turniere sind von der Abteilungsleitung bzw. Anstaltsleitung zu genehmigen. Hierbei wird darauf geachtet, dass keine Turniere zugelassen werden, die einen Glücksspielcharakter in sich tragen. Ausgenommen sind alte traditionell hergebrachte Kartenspiele (Skat ist ein Glücksspiel, da zwei Karten verdeckt sind), jedoch werden keine Geldpreise ausgelobt, sondern lediglich Preise, die den Wert des § 47 Abs. 2 BremStVollzG nicht übersteigen. Soweit "illegale" Spiele unter Gefangenen stattfinden, werden disziplinarische und auch vollzugliche Maßnahmen verhängt. Frage 40: Wie hat sich die Zahl der von Gefangenen begangenen Übergriffe gegen Gefangene und Bedienstete in den verschiedenen Haftbereichen entwickelt? Zu Frage 40: Die Entwicklung der Anzahl der Übergriffe (Körperverletzungshandlungen) auf Mitgefangene und Vollzugsbedienstete, die der Fachaufsicht gemeldet wurde, kann der nachfolgenden Übersicht entnommen werden: Jahr Übergriffe gegen Gefangene 2014 39 2015 36 2016 31 2017 32 6/2018 18 Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 39 Seit 2014 gab es pro Jahr 1 bis 3 Vorkommnisse, bei denen Tätlichkeiten gegen Bedienstete begangen wurden. Insgesamt waren es bis Juni 2018 acht Vorkommnisse, bei denen 3 Bedienstete betroffen waren. Frage 41: Welche Subkulturen und Hierarchien unter den Gefangenen bestehen nach Erkenntnissen des Senats und welche Auswirkungen hat dies auf den Vollzugsalltag? Zu Frage 41: Im Allgemeinen wird unter Gefangenensubkultur eine Gegenkultur in der „Gefängnisgesellschaft “ verstanden, die ein sogenanntes Unterleben in der Anstalt ermöglicht. Im Detail variiert diese Gefangenensubkultur, in Anpassung an gesellschaftliche Veränderungen in der Freiheit, je nach Insassenpopulation (bspw. „Aussiedler-Subkultur“) und alterstypischen Merkmalen. Mit Blick auf die aktuelle Situation wird insbesondere die Gruppe der Drogenabhängigen besonders beachtet, da sich zum Teil rivalisierende Situationen ergeben und auch - aufgrund von Schulden - Druck erzeugt wird. Durch Verlegungen einzelner Gefangener in andere Abteilungen, bei Notwendigkeit auch in andere Anstalten, wird versucht, im Sinne der Binnendifferenzierung die Strukturen zu durchbrechen bzw. zu stören. Auf körperliche Auseinandersetzungen beispielsweise wird auch mit Disziplinarmaßnahmen (z. B. Arrest z. B.) reagiert. Es erfolgt auch stets eine Strafanzeige. II. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der JVA Frage 42: Wie hat sich die Anzahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Teilanstalten in Bremen und Bremerhaven in den letzten vier Jahren entwickelt, sind Aufstockungen erfolgt und in welchem Bereich sind diese erfolgt? Zu Frage 42: Die Anzahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der JVA Bremen bzw. in der Abteilung Bremerhaven kann der nachfolgenden Übersicht entnommen werden: Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 40 Stichtag AVD Fachdienst Verwaltung Vollzug Werkdienst 30.06.2018 229 35 34 24 41 31.12.2017 230 34 35 26 42 31.12.2016 205 35 34 28 40 31.12.2015 205 31 35 31 42 31.12.2014 194 30 39 32 42 *Unberücksichtigt sind folgende Bereiche: 2 freigestellten PR-Mitglieder, 9 aktuelle VDU (vollzugsdienstuntaugliche) Mitarbeiter, 1 abwesende Person, 38 Auszubildende (Obersekretäranwärter) Frage 43: Gibt es hierzu Vergleichsdaten aus anderen Bundesländern? Zu Frage 43: Ein Vergleich mit anderen Bundesländern findet nicht statt. Frage 44: Auf welche Gehalts- und Berufsgruppen verteilen sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter? Die Verteilung der Gehalts- und Bezugsgruppen kann der nachfolgenden Übersicht entnommen werden: Bes.-Grp. AVD Bau Fachdienst Verwaltung Vollzug Werkdienst 6-9 (S, S + Z, E) 203 ≤ 4 ≤ 4 6 ≤ 4 11 10-13 (13, 13 E) 0 ≤ 4 15 ≤ 4 17 ≤ 4 14-15, R2 0 0 ≤ 4 ≤ 4 ≤ 4 0 Entg.-Grp. AVD Bau Fachdienst Verwaltung Vollzug Werkdienst 4 – 9 (9 V, 9) 27 ≤ 4 ≤ 4 19 0 20 10-13 (13, 13 U) 0 0 13 17 ≤ 4 ≤ 4 TVÄ 2 0 0 ≤ 4 0 0 0 Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 41 Eine weitere Differenzierung der Besoldungs- und Entgeltgruppen ist aus Gründen des Datenschutzes nicht geboten, da anderenfalls wegen der geringen Zahlen der Schluss auf einzelne Personen möglich wäre. Frage 45: Welche Aus- und Fortbildungsangebote werden den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des bremischen Justizvollzuges angeboten und wie werden diese angenommen? Zu Frage 45: Den Bediensteten steht das Angebot des AFZ zur Verfügung. Daneben werden innerhalb der JVA diverse Fortbildungen angeboten, die gut angenommen werden, weil sie u.a. auf Wunsch der Bediensteten initiiert werden, z. B.: Fortbildungen zu den Themen: - Islamismus, Salafismus - Reichsbürger - Selbstbehauptung - Beamte als Opfer von Gewalt und diesbezügliche Bewältigungsstrategien - Ikö - Erwerb von interkultureller Kompetenz - Pädophilie - Suizidprävention - Umgang mit psychisch auffälligen Gefangenen - Behandlungsprogramm für Sexualstraftäter - Drogen – neue psychoaktive Substanzen - Legato zu Deradikalisierung (alle 14 Tage über einen Zeitraum von 1 Jahr) - Ausländerrecht - Dokumentenfälschung - elearning im Strafvollzug - Erste Hilfe - Feuerlöschtraining - Führungsfortbildung für Gruppenleiter_innen - SbE-Bausteine I + II für das Kriseninterventionsteam - Arbeitsschutz - Fahrsicherheitstraining für die Transportabteilung - Zusatzausbildung für Bedienstete der Sozialtherapie (beteiligt sind vier Bundesländer) Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 42 - Zusatzausbildung für Bedienstete des Jugendvollzugs (beteiligt sind vier Bundesländer) - regelmäßige Teamseminare, und -fortbildungen sowie Supervisionen. - Dienstsport und Sonderlagentraining (Deeskalationstraining) Frage 46: Wie beurteilt der Senat die Entwicklung des Krankenstandes unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des bremischen Justizvollzuges und inwieweit gibt es hierbei signifikante Unterschiede zwischen den Haftbereichen? Für das Jahr 2018 stehen die Daten noch nicht zur Verfügung. Auch kann nur eine dienststellenbezogene Auswertung für die gesamte JVA Bremen vorgenommen werden. Eine Unterscheidung zwischen Bremen und Bremerhaven ist nicht möglich. Die Angaben enthalten jedoch neben den Justizvollzugsbeamten auch Verwaltungsbeamte sowie Angestellte. Eine Unterscheidung zwischen den Haftbereichen ist ebenfalls nicht möglich. Die nachfolgenden Daten wurden dem Mitarbeiterportal (MIP) entnommen. 2013 29,61 2014 28,54 2015 31,96 2016 30,67 2017 34,39 Ursachen und Gründe des Krankenstandes sollen auf Grundlage der Mitarbeiterbefragung in der JVA Bremen näher untersucht und darauf aufbauend dann Lösungskonzepte entwickelt werden. Frage 47: Wie beurteilt der Senat die Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des bremischen Justizvollzuges? Die Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im bremischen Justizvollzug ist vor dem Hintergrund der Arbeitsplatzbelastungen sowie mit Blick auf das Gesundheitsverhalten von zentraler Bedeutung. Die Auswertung der Mitarbeiterbefragung in der JVA Bremen läuft derzeit noch. Die sich daraus ergebenden Vorschläge und Empfehlungen zur Erhöhung der Arbeitszufriedenheit werden voraussichtlich Ende des Jahres vorliegen. Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 43 Frage 48: Inwieweit sind ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im bremischen Justizvollzug eingebunden? Neben den sogenannten Anstaltsbeiräten, die ehrenamtlich an der Gestaltung des Vollzuges mitwirken, Ansprechpartner von Anstaltsleitung, Bediensteten und Gefangenen sind und auch Wünsche, Anregungen und Beschwerden von Gefangenen entgegennehmen, wurde u.a. in der JVA Bremen das Konstrukt der Vollzugshelfer eingeführt. Dabei handelt es sich um lebenserfahrene ehrenamtlich Tätige, die den Gefangenen durch die Haft begleiten und insbesondere im Rahmen der Entlassungsvorbereitung im Einzelfall tätig sind. Dies erstreckt sich von der Beratung in behördlichen Angelegenheiten bis hin zur Begleitung bei der Wohnungssuche. Bei einzelnen Vollzugshelferinnen und Vollzugshelfern wird die Betreuung auch nach der Haft fortgesetzt. Gegenwärtig sind zehn Vollzugshelferinnen und Vollzugshelfer tätig, hier wird zukünftig durch verstärkte Bemühungen der JVA Bremen versucht, einen größeren Kreis ehrenamtlich tätiger Menschen zu gewinnen. Daneben sind insbesondere im Rahmen von Gesprächs- und Betroffenengruppen weitere Ehrenamtliche tätig. Namentlich ist das Schwarze Kreuz als Gefangenenhilfsorganisation der evangelischen Kirche zu benennen. Im Durchschnitt wird von ca. acht ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern wöchentlich ein Gesprächskreis für Gefangene angeboten. Auch sind Ehrenamtliche im Bereich der Überwindung der Alkoholsucht (AA-Gruppe) tätig. Allgemein sei hinzugefügt, dass noch in den siebziger und achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts von den Parteien z.B. politische Gesprächsgruppen angeboten wurden. Auch existierte ein ehrenamtlicher Freundeskreis der Gefangenenzeitung Diskus 70, der sich regelmäßig innerhalb der JVA traf. Durch interessierte Ehrenamtliche wurden Freizeitmaßnahmen wie Musik- oder Spielgruppen gestaltet. Die gesellschaftliche Bereitschaft bzgl. des Ehrenamtes ist nach Einschätzung der Vollzugspraxis tendenziell rückläufig, diese Entwicklung ist auch in der JVA Bremen zu registrieren. So sind gegenwärtig keine Ehrenamtlichen mehr im Bereich der Freizeitaktivitäten, trotz Ausschreibung der Stellen bei der Freiwilligen-Agentur, tätig. Daher bedarf es zukünftig weiterer Bemühungen, um auch hier weiterhin das Ehrenamt innerhalb des Vollzuges darstellen zu können. Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft