Bremische Bürgerschaft Drucksache 19/1956 Landtag (zu Drs. 19/1894) 19. Wahlperiode 11.12.18 Mitteilung des Senats an die Bremische Bürgerschaft (Landtag) vom 11. Dezember 2018 Die Fraktionen Bündnis 90/DIE GRÜNEN und SPD haben folgende Große Anfrage an den Senat gerichtet: "Von Dortmund lernen und die Potentiale von Freier Software im Land Bremen systematisch untersuchen“ „Der Verwaltungsvorstand der Stadt Dortmund hat in seiner Sitzung vom 10. April 2018 beschlossen, innerhalb ihres „Masterplan Digitale Stadtverwaltung“ die Potentiale von Freier Software und Offenen Standards im Bereich der städtischen Informations- und Telekommunikationstechnik zu untersuchen. Die Verwaltung wird den politischen Gremien Ende 2019 einen Ergebnisbericht dieser Untersuchung vorlegen. Dortmund ist damit die erste Großstadt in Nordrhein-Westfalen, die systematisch die Potentiale Freier Software und Offener Standards für ihre Verwaltung untersucht und evaluiert. Laut der Stadt Dortmund könne dies die zunehmende Digitalisierung in der Stadtverwaltung in organisatorischen sowie gesellschaftlichen Aspekten unterstützen. Angestrebt wird unter anderem, mehr Flexibilität in Bezug auf Softwareeinsatz und eine Reduzierung der Herstellerabhängigkeit. Dazu gehört ebenfalls der Aspekt der Transparenz als Voraussetzung für eine datenschutzfreundliche Technik sowie die Optimierung des Ressourcenverbrauchs durch „Green IT“. So stellte das Umweltbundesamt bereits 2014 fest, dass Freie Software aufgrund geringerer Hardwareanforderungen und längerer Lebenszyklen Ressourcen schonen könnte und somit nachhaltiger ist. Auch könnte eine flexiblere Anbieterwahl die Verhandlungsposition gegenüber Anbietern proprietärer Software stärken. Wir fragen den Senat: 1. Welche Programme und Konzepte sind dem Senat zur Einführung Freier Software auf kommunaler Ebene in Bremen und Bremerhaven bekannt? 2. Vorausgesetzt derartige Programme und Konzepte sind bekannt, durch welche konkreten Maßnahmen unterstützt der Senat die Erstellung dieser Programme und Konzepte? 3. Beabsichtigt der Senat eine Untersuchung der Potentiale des Einsatzes von Freier Software und Offenen Standards in seinem eigenen Zuständigkeitsbereich? Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 2 4. Wie bewertet der Senat die Potentiale von Freier Software und Offenen Standards in seinem eigenen Zuständigkeitsbereich? 5. Inwiefern fördert der Senat einen interkommunalen Datenaustausch, der auf Offenen Standards basiert? 6. Wie bewertet der Senat das Potential einer Untersuchung bzw. Einführung Freier Software in Bezug auf Arbeitsplätze am Standort Bremen? 7. Sieht der Senat Möglichkeiten, die Hochschulen im Land Bremen bei der Entwicklung, Untersuchung und Implementierung von Freier Software in der Bremischen Verwaltung einzubinden? 8. Kann aus Sicht des Senats durch Freie Software Menschen mit eingeschränkten finanziellen Mitteln der Zugang zu Software erleichtert werden? 9. Wie bewertet der Senat das Potential zur Optimierung der digitalen Kommunikation zwischen Bürger/-in und Stadtverwaltung durch Freie Software und Offene Standards?“ Der Senat beantwortet die Große Anfrage wie folgt: 1. Welche Programme und Konzepte sind dem Senat zur Einführung Freier Software auf kommunaler Ebene in Bremen und Bremerhaven bekannt? Der Senat hat mit seinem Beschluss vom 01.11.2016 die Voraussetzungen für eine Entscheidung über die Neubeschaffung der MS-Office-Lizenzen oder den Umstieg auf alternative Produkte (Open Source, andere Office-Produkte) getroffen. Der Beschluss beinhaltet die Kündigung der Software-Assurance für Microsoft Office für Bremen. Damit läuft der Support spätestens in 2025 aus. Die Prüfung zum Einsatz alternativer Produkte soll in 2019 erfolgen, um genügend Zeit für die Vorbereitung des Umstieges zu haben. Die Maßnahme erfolgt in enger Abstimmung mit Schleswig-Holstein, das diese Prüfung ebenfalls beschlossen hat, und Dataport. Bezogen auf den Betrieb von Fachverfahren in den Rechenzentren prüft Dataport bereits seit längerem immer auch den Einsatz freier Software. Der Senat verfolgt damit für die Freie Hansestadt Bremen auch das Ziel der (Rück-)Gewinnung digitaler Souveränität und hat dies in seiner Verwaltung 4.1- Strategie 2018 festgeschrieben. Bremerhaven wird sich an der Prüfung zum Einsatz alternativer Produkte beteiligen, um wie Bremen ebenfalls Ende 2019 eine Empfehlung zum Einsatz Freier Software bzw. Open Source Produkten aussprechen zu können. Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 3 2. Vorausgesetzt derartige Programme und Konzepte sind bekannt, durch welche konkreten Maßnahmen unterstützt der Senat die Erstellung dieser Programme und Konzepte? Mit dem unter 1. aufgeführten Beschluss vom 01.11.20161 hat der Senat die Prüfung von Alternativen unterstützt. Er hat ebenfalls beschlossen, die voraussichtlich ab 2022 erforderlichen Mittel für die Vorbereitung des Umstieges und die Implementation einer Nachfolge- bzw. Alternativversion als Vorabdotierung im Rahmen der Finanzplanung 2022f zu berücksichtigen. 3. Beabsichtigt der Senat eine Untersuchung der Potentiale des Einsatzes von Freier Software und Offenen Standards in seinem eigenen Zuständigkeitsbereich? Der Senat geht davon aus, dass mit der Prüfbitte an die Senatorin für Finanzen für die Neubeschaffung von Office-Produkten auf allen Arbeitsplätzen in einem ersten Schritt die Potentiale für den Einsatz von Freier Software im Office- Bereich untersucht werden. Vom Ergebnis dieser Prüfung hängt ab, ob die Untersuchung auf Betriebssysteme und weitere (Fach-)Anwendungen ausgeweitet werden soll. 4. Wie bewertet der Senat die Potentiale von Freier Software und Offenen Standards in seinem eigenen Zuständigkeitsbereich? Die Potentiale liegen aus Sicht des Senats vor allem in der Stärkung der digitalen Souveränität. Es geht darum, sich als Freie Hansestadt Bremen unabhängiger von einzelnen Herstellern zu machen. Der Senat erwartet die Ergebnisse der Prüfung alternativer Produkte für alle Arbeitsplätze und eine entsprechende Empfehlung Ende 2019 und geht davon aus, dass neben den Potentialen auch die Risiken und die wirtschaftlichen Auswirkungen auf den gesamten IT-Betrieb berücksichtigt werden. 1 1. Der Senat beschließt entsprechend der Vorlage 888/19, das Enterprise Agreement ohne Software Assurance für OfficePro zu verlängern. 2. (…) 3. Der Senat bittet die Senatorin für Finanzen, die voraussichtlich in 2022 erforderlichen investiven Mittel (insgesamt 2,33 Mio. Euro) für die Beschaffung einer Nachfolgesoftware und 541 Tsd. Euro konsumtiv (…) ab 2023 bei der Fortschreibung der Finanzplanung 2022f vorrangig anzumelden. Gemäß Bericht der Freien Hansestadt Bremen vom September 2016 zur Umsetzung des Sanierungsprogramms 2012/2016 sind ab 2021 Handlungsoptionen zu prüfen. Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 4 5. Inwiefern fördert der Senat einen interkommunalen Datenaustausch, der auf Offenen Standards basiert? Zur effizienten Aufgabenerfüllung ist es erforderlich, dass die Fachverfahren untereinander kommunizieren und Daten austauschen. Das kann sowohl innerhalb eines Fachbereichs als auch fachübergreifend erforderlich sein. Um das in einer heterogenen Landschaft von Infrastrukturen und Anwendungen in Bund, Ländern und Kommunen möglich zu machen, sind zahlreiche Schnittstellen erforderlich. Der Senat ist der Überzeugung, dass durch offene und frei verfügbare Standards Schnittstellen vereinheitlicht und somit reduziert werden können. Neben einer zuverlässigen und sicheren Kommunikationsinfrastruktur für alle öffentlichen Stellen sind einheitliche Standards somit für den Datenaustausch von und mit Behörden die Grundlage für die kostengünstige Realisierung durchgängiger, elektronisch unterstützter und medienbruchfreier Verwaltungsprozesse über alle Verwaltungsebenen hinweg. Der Senat fördert daher die Arbeit der Koordinierungsstelle für IT-Standards (KoSIT) als gemeinsam finanzierte Stelle von Bund und Ländern, die organisatorisch bei der Senatorin für Finanzen angebunden ist. Die KoSIT hat die Aufgabe, die Entwicklung und den Betrieb von IT-Standards für den Datenaustausch in der öffentlichen Verwaltung zu koordinieren. Diese XÖV2-Standards inklusive ihrer technischen Bestandteile sind, wie die zu ihrer Erstellung zu nutzenden Werkzeuge und Bausteine, offene und lizenzkostenfreie Standards, die allen Interessierten frei zugänglich zur Verfügung stehen und vor allem im kommunalen Bereich angewendet werden. 6. Wie bewertet der Senat das Potential einer Untersuchung bzw. Einführung Freier Software in Bezug auf Arbeitsplätze am Standort Bremen? Siehe Antwort zu Frage 4. 7. Sieht der Senat Möglichkeiten, die Hochschulen im Land Bremen bei der Entwicklung, Untersuchung und Implementierung von Freier Software in der Bremischen Verwaltung einzubinden? Neben der Kooperation mit Schleswig-Holstein und Bremerhaven sowie der Unterstützung durch den zentralen Dienstleister Dataport wird der Senat sich insbesondere für die Phase der Prüfung/Untersuchung des flächendeckenden Einsatzes Freier Software an den Arbeitsplätzen und im Bereich der Fachverfahren auch mit den Hochschulen in Verbindung setzen, um ggf. Synergien zu erreichen bzw. die Kompetenzen der Hochschulen zu nutzen. Die Entwicklung eigener Software ist nicht sinnvoll. Die Implementierung erfolgt durch den zentralen Dienstleister Dataport. 2 XÖV steht für XML (eXtensible Markup Language) in der öffentlichen Verwaltung. Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 5 8. Kann aus Sicht des Senats durch Freie Software Menschen mit eingeschränkten finanziellen Mitteln der Zugang zu Software erleichtert werden? Der Zugang zu freier und kostenloser Software ist allen Bürgerinnen und Bürgern schon jetzt unabhängig von der in der Verwaltung eingesetzten Software möglich. Die von Seiten der Verwaltung eingesetzten Kommunikationswege erfordern auf Seiten der Bürgerinnen und Bürger i.d.R. keine gesonderten finanziellen Aufwände. Ausnahmen, die aber in Bremen nur in Einzelfällen angeboten und kaum genutzt wurden, sind Online-Dienstleistungen, die den Einsatz eines Kartenlesers für die qualifizierte elektronische Signatur erfordern. 9. Wie bewertet der Senat das Potential zur Optimierung der digitalen Kommunikation zwischen Bürger/-in und Stadtverwaltung durch Freie Software und Offene Standards? Der Senat setzt sich bereits seit Jahren dafür ein, dass bei der digitalen Kommunikation mit Bürgerinnen und Bürgern keine Hürden durch die dabei eingesetzte Software aufgebaut werden. Es werden unterschiedliche Wege angeboten, die auch von den Anforderungen an Sicherheit, Datenschutz oder gesetzlichen Vorgaben für die Nachvollziehbarkeit, Authentisierung und ein Schriftformerfordernis bestimmt werden. Die Kommunikation über E-Mail erfolgt nur, wenn Bürgerinnen und Bürger diesen Weg aktiv von sich aus eröffnen. Der in Vorbereitung befindliche Weg der sicheren und nachvollziehbaren Kommunikation über den GovernikusMultiMessenger (GMM), eine Portalsoftware auf Basis offener Standards, soll die Wahlfreiheit noch verbessern. Der GMM erfordert auf Seiten der Bürgerinnen und Bürger sowie für Unternehmen keine gesonderten finanziellen Aufwände. Es werden je nach Wunsch unterschiedliche Kommunikationswege (u.a. E-Mail, De-Mail, E-Post) möglich sein. Das Angebot digitaler Dienstleistungen, das in den nächsten Jahren u.a. aufgrund der gesetzlichen Vorgaben durch das Online Zugangsgesetz ausgebaut werden muss, wird auf webbasierten Verfahren beruhen und auch den Einsatz mobiler Geräte auf Seiten der Bürgerinnen Bürger ermöglichen. Zur Authentifizierung und im Falle eines Schriftformerfordernisses soll vor allem der „Neue“ Personalausweis, den mittlerweile fast alle Bürgerinnen und Bürger besitzen, bzw. der elektronische Aufenthaltstitel (eAT) für Ausländer eingesetzt werden. Bremerhaven unterstützt diesen Weg ebenfalls und plant z.B., die Bereitstellung kommunaler Gremiendaten (Sitzungsdienst) als offene Daten über eine gemeinsame Datenstruktur nach dem OParl-Standard zur Verfügung zu stellen. Mit der Freigabe der Informationen des Sitzungsdienstes über diese Schnittstelle erhalten Entwickler die Möglichkeit, Informationen neu darzustellen und so Bürgerinnen und Bürger besser einzubinden. Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft