– 1 – B R E M I S C H E B Ü R G E R S C H A F T Drucksache 19 / 1997 Landtag 19. Wahlperiode Kleine Anfrage der Fraktion der SPD vom 10. Dezember 2018 Dachausbau beziehungsweise Dachaufstockung als geringen und abrundenden Zusatzbeitrag im Wohnungsbau nutzen? „Die steigenden Wohnkosten werden für einen immer größer werdenden Teil der Bevölkerung zur existenziellen Belastung. Der Angebotsmangel an Wohnungen lässt vor allem in den Ballungsgebieten die Mieten und Kaufpreise ansteigen . Bereits heute fehlen laut einer Studie des Pestel-Instituts über eine Million Wohnungen in ganz Deutschland. Diese Angebotslücke muss dringend geschlossen werden, damit Wohnen wieder für alle bezahlbar wird. Neben der Nutzung von Baulücken und der Ausweisung von neuen Gebieten bietet auch der Dachausbau beziehungsweise die Dachaufstockung ein geringes, abrundendes beziehungsweise ergänzendes Potenzial. Eine Studie der Technischen Universität (TU) Darmstadt bezifferte 2015 das Potenzial von Dachaufstockungen in Regionen mit erhöhtem Wohnbedarf auf 1,1 Millionen Wohnungen mit 84,2 Millionen Quadratmeter zusätzlicher Wohnfläche (Tichelmann/Groß/Günther 2015 S. 4). Werden Gebäude mit Baujahren vor 1950 und im Besitz von Wohneigentümergemeinschaften miteinbezogen, läge das Potenzial sogar bei 1,5 Millionen Wohnungen. Holzschnittartig und schematisch betrachtet, ergäbe sich hieraus für das Land Bremen ein rechnerisches Potenzial von 11 000 Wohnungen. Dieses rechentheoretische Potenzial hat natürlich keine lebensweltliche und tatsächliche Entsprechung, sodass nur von einem Potenzialbruchteil auszugehen ist. Fraglich ist aber, ob der Umfang des bisherigen Dachausbaus nicht steigerbar ist. Eine Studie des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) identifizierte Hemmnisse für den Dachausbau durch rechtliche Vorgaben: Schaffung von Ausgleichsmaßnahmen, Einhaltung von Abstandsfla ̈chen, erhöhte Anforderungen durch Änderung der Geba ̈udeklasse, Wegfall des Bestandsschutzes , Einhaltung der Energieeinsparverordnung für Neubauten und die Pflicht zum Einbau eines Aufzugs (BBSR 2016 S. 34ff). Das BBSR benennt in der Studie jedoch nicht nur die Hindernisse, sondern zeigt auch Lösungsmöglichkeiten durch entsprechende Änderungen des Bauplanungs- und Bauordnungsrechts auf. Eine Umsetzung dieser Vorschläge könnte den Dachausbau von einer exotischen Nischenlösung zu einem geringen und abrundenden Beitrag zur Schaffung bezahlbaren Wohnraums machen. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: 1. Wie beurteilt der Senat die Vorschläge des Bundesinstituts für Bau-, Stadtund Raumforschung zur Anreizbildung beziehungsweise zum Hemmschwellenabbau für den Dachausbau? 2. Für wie viele Dachausbauten beziehungsweise Dachaufstockungen sind in Bremen beziehungsweise Bremerhaven von 2015 bis jetzt Baugenehmigungen erteilt worden, beziehungsweise wie viele konnten genehmigungsfrei ausgebaut werden? Wie viele Wohnungen aus Dachausbauten beziehungsweise Dachaufstockungen sind in dieser Zeit dem Wohnungsmarkt neu zugeführt worden? – 2 – 3. Was hat der Senat seit 2015 unternommen, um Dachausbauten beziehungsweise Dachaufstockungen zu erleichtern? 4. Für wie groß schätzt der Senat das unter Marktbedingungen realisierbare Potenzial zur Schaffung von Wohnraum durch Dachausbauten beziehungsweise Dachaufstockungen bei (a) unveränderten rechtlichen Bedingungen , (b) bei flächendeckenden Anpassungen geltender Bebauungspläne , (c) bei der vollständigen Umsetzung der BBSR-Vorschläge im Landes - und Kommunalrecht Bremens und Bremerhavens? 5. Welche rechtlichen Änderungen gedenkt der Senat herbeizuführen, um das geringe und abrundende Wohnraumpotenzial von Dachausbauten beziehungsweise Dachaufstockungen zu heben?“ Jürgen Pohlmann, Björn Tschöpe und Fraktion der SPD D a z u Antwort des Senats vom 15. Januar 2019 1. Wie beurteilt der Senat die Vorschläge des Bundesinstituts für Bau-, Stadtund Raumforschung zur Anreizbildung beziehungsweise zum Hemmschwellenabbau für den Dachausbau? Die BBSR Studie stützt sich hinsichtlich der dargestellten quantitativen Potenziale bei verschiedenen Bautypen im Wesentlichen auf die Studie des Pestel Instituts und der TU Darmstadt. Diese Studie wurde schon im Jahr 2016 in Beantwortung einer Kleinen Anfrage hinsichtlich der Übertragbarkeit auf Bremen geprüft (Drucksache 19/323 S). Es stellte sich heraus, dass die unter anderem im Frankfurter Raum gewonnenen Erkenntnisse zu Potenzialen aufgrund einer Reihe von Sachverhalten nicht unmittelbar für Bremen hochgerechnet werden können. Schon in der oben genannten Studie wurde dargestellt, dass Dachausbauten beziehungsweise Dachaufstockungen , die zu neuen abgeschlossenen Wohneinheiten führen, in der Regel sehr teuer sind. Das hat zur Folge, dass nur bei sehr hohen Grundstückspreisen mit einer weitgehenden Ausschöpfung des theoretischen Potenzials gerechnet werden kann. In der Beantwortung auf die oben genannte Anfrage wurde auch detailliert dargestellt, dass in Bremen durchaus nennenswerte Bestände des besonders angesprochenen Bautyps bestehen, viele jedoch schon relativ frühzeitig, auch hinsichtlich der Dächer , energetisch saniert wurden. Somit entfällt in vielen Fällen der vom BBSR dargestellte Doppelnutzen einer Dachsanierung einerseits und der Wohnraumbeschaffung andererseits. Hinzu kommt, dass andere auch geeignete Bautypen in Bremen in einem höheren Maße im privaten Eigentum befindlich sind als in anderen Städten und von daher eine zeitliche Perspektive der Umsetzung entsprechender Maßnahmen schwierig zu kalkulieren ist. 2. Für wie viele Dachausbauten beziehungsweise Dachaufstockungen sind in Bremen beziehungsweise Bremerhaven von 2015 bis jetzt Baugenehmigungen erteilt worden, beziehungsweise wie viele konnten genehmigungsfrei ausgebaut werden? Wie viele Wohnungen aus Dachausbauten beziehungsweise Dachaufstockungen sind in dieser Zeit dem Wohnungsmarkt neu zugeführt worden? Da Dachausbauten häufig im Zuge allgemeiner Umbaumaßnahmen erfolgen und das Merkmal Dachausbau nicht im Bauordnungssystem gesondert erfasst wird, kann nur eine Abschätzung vorgenommen werden. Danach sind im Bereich der Stadtgemeinde Bremen seit Anfang 2015 bis November 2018 bei circa 110 Umbauvorhaben mit Dachausbau rund 220 zusätzliche Wohneinheiten genehmigt worden. In Bremerhaven wurden im gleichen Zeitraum insgesamt 29 Genehmigungen/Genehmigungsfreistellungen für Dachgeschossausbauten erteilt. Damit wurden circa 20 Wohnungen neu geschaffen. Sowohl in Bremen als auch in Bremerhaven – 3 – handelte es sich im Übrigen um Wohnraumerweiterungen bei denen keine zusätzlichen Wohneinheiten entstehen. 3. Was hat der Senat seit 2015 unternommen, um Dachausbauten beziehungsweise Dachaufstockungen zu erleichtern? Mit der Novelle zur Bremischen Landesbauordnung 2018 ist für das „Bremer Haus“ unter bestimmten Rahmenbedingungen eine Privilegierung hinsichtlich der Gebäudeklasse und damit auch der Brandschutzanforderungen eingeführt worden. In der Konstellation ist dann auch der Dachgeschossausbau und die Genehmigung einer zweiten Wohneinheit erleichtert möglich. In sehr vielen Einzelfällen ist es gelungen, zusammen mit den Bauherrn konstruktive Wege zu finden, um Dachausbauten zu ermöglichen . Zudem sind in Bremen schon vor 2015 zu diversen Anforderungen rechtliche Erleichterungen eingeführt worden, die in den Studien noch als Hindernisse benannt werden. Zum Beispiel sieht das Stellplatz-Ortsgesetz von 2012 vor, dass Änderungen im Bestand erst dann zu einer Stellplatzpflicht führen, wenn der zusätzliche Bedarf rechnerisch mehr als drei Stellplätze beträgt. Im Wohnungsbau können also vier Wohneinheiten – etwa durch Dachgeschossausbau – realisiert werden, ohne dass Stellplätze nachzuweisen wären. Ebenso begünstigen bestehende Abstandsregelungen den Dachausbau oder die Dachaufstockung. Schon das allgemeine Abstandsmaß wurde vor einigen Jahren auf 0,4 H (Gebäudehöhe) deutlich reduziert . Zusätzlich begrenzt die BremLBO – anders als die Musterbauordnung – die nachbarschützende Wirkung auf dreiviertel der eigentlich erforderlichen Tiefe der Abstandsfläche. Dieser Spielraum wird in der Praxis insbesondere auch genutzt, um Aufstockungen im Bestand zu ermöglichen . Hinzu kommt, dass zum Beispiel auch die Verpflichtung zum Einbau eines Aufzuges nicht gilt, wenn nachträglich oberste Geschosse ausgebaut werden, soweit das Gebäude schon vor dem 1. Januar 1996 errichtet war. 4. Für wie groß schätzt der Senat das unter Marktbedingungen realisierbare Potenzial zur Schaffung von Wohnraum durch Dachausbauten beziehungsweise Dachaufstockungen bei (a) unveränderten rechtlichen Bedingungen , (b) bei flächendeckenden Anpassungen geltender Bebauungspläne , (c) bei der vollständigen Umsetzung der BBSR-Vorschläge im Landes - und Kommunalrecht Bremens und Bremerhavens? 5. Welche rechtlichen Änderungen gedenkt der Senat herbeizuführen, um das geringe und abrundende Wohnraumpotenzial von Dachausbauten beziehungsweise Dachaufstockungen zu heben? Die Fragen 4 und 5 werden gemeinsam beantwortet. Vor dem Hintergrund der erst 2018 verabschiedeten neuen Landesbauordnung erscheint es sinnvoll, erst die Erfahrungen zu den relevanten Regelungsbereichen abzuwarten. Die Vorschläge des BBSR zur Anpassung der Stellplatzverordnung, zu Ausnahmen von Abstandsregelungen et cetera sind bereits – wie dargelegt – weitgehend berücksichtigt. Eine flächendeckende Anpassung geltender Bebauungspläne wird derzeit nicht verfolgt und ist auch nicht erforderlich, weil die meisten Maßnahmen im Rahmen des geltenden Planungsrechts mit ergänzenden Befreiungen, die für Dachausbauten und Dachaufstockungen zahlreich erteilt werden, realisiert werden können. Sie sind Teil der Innenentwicklungsstrategie des Senats. – 4 – Davon abgesehen wird selbstverständlich bei der Entwicklung von Konzepten , wie einer Fortentwicklung der Neuen Vahr, die Frage des Dachausbaus neben anderen Möglichkeiten zur Innenentwicklung mit geprüft. Angesichts der ausgesprochen vielfältigen Einflussfaktoren kann das konkrete Potenzial für Bremen, das auf absehbare Zeit realisiert werden kann, nicht realistisch eingeschätzt werden. Es zeichnet sich aber ab, dass die für die Jahre 2015 bis 2018 beobachtete Entwicklung für den Dachausbau auch in den nächsten Jahren andauern dürfte. Bremische Bürgerschaft Drucksache 19 / 1997 Kleine Anfrage der Fraktion der SPD vom 10. Dezember 2018 Dachausbau beziehungsweise Dachaufstockung als geringen und abrundenden Zusatzbeitrag im Wohnungsbau nutzen?