– 1 – B R E M I S C H E B Ü R G E R S C H A F T Drucksache 19 / 2066 Landtag 19. Wahlperiode Kleine Anfrage der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen vom 9. Januar 2019 Beratung von Schwangeren mit einem genetisch erkrankten Kind stärken „Wird eine Frau schwanger, gilt die erste Sorge der Gesundheit des ungeborenen Kindes. Die Entwicklung von Mutter und Kind wird durch Frauenärztinnen und Frauenärzte eng begleitet und die Gesundheit beider wird überwacht. Werden Hinweise auf gesundheitliche Einschränkungen oder genetische Auffälligkeiten des Kindes im Mutterleib festgestellt, wird die sogenannte Pränataldiagnostik angeboten. Nach einer solchen Untersuchung kann ein pathologischer Befund, also die Feststellung einer Krankheit oder Fehlbildung des ungeborenen Kindes, das Ergebnis sein. Ein derartiger Befund ist für die werdenden Eltern meist ein Schock und nicht selten stellen sie sich die Frage, ob die Schwangerschaft abgebrochen werden soll. Das Paar, die Schwangere, werden nach einem auffälligen Pränatalbefund nicht alleine gelassen. Nach dem bundesweit geltenden Schwangerschaftskonfliktgesetz steht ihnen ein Rechtsanspruch zu, neben medizinischen und psychischen Beratungsaspekten, auch auf weitere Beratung durch psychosoziale Beratungsstellen (unter anderem Humangenetikerinnen und Humangenetiker ). Bei der Entscheidung über die Fortführung oder Beendigung der Schwangerschaft soll entsprechend des Schwangerschaftskonfliktgesetzes die Beratung unter Hinzuziehung von Ärztinnen und Ärzten, die mit dieser Gesundheitsschädigung bei geborenen Kindern Erfahrung haben, erfolgen. Hierbei können Kinderärztinnen und -ärzte einbezogen werden, die in einer kinderklinischen Fachabteilung oder in einem Sozialpädiatrischen Zentrum (SPZ) arbeiten. Insbesondere die SPZ bieten ergänzend zu den Praxen niedergelassener Ärztinnen und Ärzte und Therapeutinnen und Therapeuten interdisziplinär Hilfe und Unterstützung für Kinder, Erwachsene und Familien mit Entwicklungsstörungen , psychischen Erkrankungen und Behinderungen beziehungsweise von Behinderung bedrohten Kindern an. Die Zentren stehen fachlich und medizinisch unter ständiger ärztlicher Aufsicht. Die Beratung in einem SPZ soll den werdenden Eltern Auskunft über die Perspektiven des Kindes vermitteln. Nicht selten können durch das Aufzeigen eines möglichen Lebens eines Kindes mit einer Krankheit oder Behinderung den Eltern Ängste genommen werden. Es wird deutlich, was alles möglich ist und die Einschränkungen können in den Hintergrund rücken. Die Inanspruchnahme von Beratungsleistungen durch Schwangere nach einem pathologischen pränataldiagnostischen Befund von hinzugezogenen Ärztinnen und Ärzten, die mit der Gesundheitsschädigung bei neugeborenen Kindern Erfahrung haben, sind im System der GKV nicht abrechnungsfähig, da alle Beratungen , die im Zusammenhang mit einem möglichen Schwangerschaftsabbruch stehen, im Grundsatz dem Regelungskreis des Schwangerschaftskonfliktgesetzes unterfallen. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: – 2 – 1. Wie ist die ärztliche Aufklärungs- und Beratungspraxis von Schwangeren im Rahmen einer Pränataldiagnostik unter Hinzuziehung von Ärztinnen und Ärzte, die mit der diagnostizierten Gesundheitsschädigung bei geborenen Kindern Erfahrung haben, im Land Bremen? Wie hoch ist die Nachfrage für die Inanspruchnahme einer derartigen „hinzugezogenen Beratungsleistung“? 2. Wie sind die gesetzlichen Rahmenbedingungen einer derartigen „hinzugezogenen Beratungsleistung“? 3. Wie gestalten sich für eine derartige „hinzugezogene Beratungsleistung“ die Vergütung und Abrechnung dieser Leistung? 4. Wie bewertet der Senat diese „Beratungssituation“ im Hinblick auf a) die Beratung suchende Schwangere und b) die/der zur Beratung hinzugezogenen Ärztinnen und Ärzte? 5. Welche Rechtsänderungen wären gebenenfalls vorzunehmen, um eine Berechnungsfähigkeit und Finanzierung einer derartigen Beratungsleistung sicherzustellen? 6. Soweit sich diese Beratungsleistung durch bundespolitische Initiativen nicht in den Leistungskatalog der GKV einfügen lässt, wie hoch schätzt der Senat die Kosten für ein derartiges, dann durch das Land Bremen getragenes , Beratungsangebot? Wäre der Senat bereit, ein derartiges Beratungsangebot zu finanzieren?“ Stephanie Dehne, Björn Tschöpe und Fraktion der SPD Nima Pirooznia, Björn Fecker, Dr. Maike Schaefer und Fraktion Bündnis 90/Die Grünen D a z u Antwort des Senats vom 26. Februar 2019 1. Wie ist die ärztliche Aufklärungs- und Beratungspraxis von Schwangeren im Rahmen einer Pränataldiagnostik unter Hinzuziehung von Ärztinnen und Ärzten, die mit der diagnostizierten Gesundheitsschädigung bei geborenen Kindern Erfahrung haben, im Land Bremen? Wie hoch ist die Nachfrage für die Inanspruchnahme einer derartigen „hinzugezogenen Beratungsleistung“? In der Versorgungspraxis ist es häufig so, dass ein auffälliger Befund bei einer Routine - Schwangerenvorsorgeuntersuchung zu einer weiterführenden Untersuchung durch einen Gynäkolginnen/Gynäkologen mit Schwerpunkt Pränataldiagnostik führt. Die gesetzliche Vorgabe des § 2a Absatz1 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes (SChKG) nennt als Beratungsanlass „dringende Gründe für die Annahme, dass die körperliche oder geistige Gesundheit des Kindes geschädigt ist“. Demnach sind die dringenden Gründe der Auslöser für das Beratungsgespräch des Arztes/der Ärztin, der der Schwangeren die Diagnose mitteilt, und für die Hinzuziehung von anderen Fachärzten, die mit der diagnostizierten Gesundheitsschädigung bei geborenen Kindern Erfahrung haben. Im Land Bremen haben drei gynäkologische Arztpraxen den Schwerpunkt pränataldiagnostischer Diagnostik und Beratung und besitzen die dafür notwendige Zertifizierung in weiterführender sonographischer Diagnostik gemäß der Deutschen Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin e. V. (DEGUM-Stufe II oder III.) Zwei dieser Arztpraxen sind Mitglieder im „Bremer Netzwerk Pränataldiagnostik ", welches ein Zusammenschluss von Spezialistinnen/Spezialisten – 3 – aus der Humangenetik, Pränatalmedizin, der Psychiatrie, der Schwangerenberatungsstellen , drei Bremer Klinika, und des Sozialpädiatrischen Instituts ist (Treffen zwei- bis dreimal pro Jahr). Das Netzwerk auch „Bremer Weg“ genannt, bündelt Ansprechpartnerinnen/Ansprechpartner aus den genannten Institutionen und vermittelt den betroffenen Frauen/Paaren gezielte Beratung für ihre spezifische Problematik bei pathologischem Befund nach Pränataldiagnostik. Hierzu wurden eine Internetseite entwickelt und zusätzlich Materialien, wie zum Beispiel Informationsflyer, erstellt, die den Schwangeren zur Verfügung stehen Laut Aussage dieser Arztpraxen mit Schwerpunkt Pränatalmedizin wird in einem Umfang von circa 150 bis 180 Fällen pro Jahr beraten. Hierbei sind vornehmlich ärztliche Beratungen des Kinderzentrums von Neonatologen, Kinderkardiologen, Kinderchirurgen erforderlich gewesen. Diese Beratungen nehmen jeweils einen Zeitraum zwischen 30 und 60 Minuten in Anspruch . 2. Wie sind die gesetzlichen Rahmenbedingungen einer derartigen „hinzugezogenen Beratungsleistung“? Die ärztliche Aufklärung und Beratung schwangerer Frauen im Zusammenhang mit vorausgegangener pränataler Untersuchung mit pathologischen Befund ist in § 2a Absatz 1 Schwangerschaftskonfliktgesetz (SchKG) geregelt. Wegen unzureichender ärztlicher Aufklärungs und Beratungspraxis im Zusammenhang mit der Pränataldiagnostik und medizinisch indizierten Schwangerschaftsabbrüchen, wurde das SchKG im Jahr 2010 reformiert. Es wurden insbesondere Untersuchungen berücksichtigt, die nicht unter das Gendiagnostikgesetz fallen, wie zum Beispiel, Ultraschalluntersuchungen zur Entwicklungsüberprüfung oder Untersuchungen zur Abklärung potenzieller Erkrankungen des Ungeborenen. Das Gesetz wurde um vertiefende psychosoziale Beratung und Kontaktvermittlung zu Fachärzten, Beratungsstellen und zu Selbsthilfegruppen und Behindertenverbänden ergänzt. 3. Wie gestalten sich für eine derartige „hinzugezogene Beratungsleistung“ die Vergütung und Abrechnung dieser Leistung? Die Beratungsleistung nach § 2a SchKG ist als Gesprächsleistung in der Grundpauschale im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) der KV abgebildet . Diese arztgruppenspezifische Grundpauschale kann einmal im Quartal abgerechnet werden, wenn die Patientin die Praxis besucht. Die Beratungsleistung eines hinzugezogenen Pädiaters oder anderen Spezialisten ist laut Kassenärztlicher Vereinigung nicht abrechnungsfähig. 4. Wie bewertet der Senat diese „Beratungssituation“ im Hinblick auf a) die Beratung suchende Schwangere und b) die/der zur Beratung hinzugezogenen Ärztinnen und Ärzte? Zu a: Erfahrungen zeigen, dass bei pathologischem Befund nach Pränataldiagnostik es für die schwangere Frau/das Paar besonders wichtig ist, dass Fachärztinnen/Fachärzte hinzugezogen werden, die besondere Kenntnisse und Erfahrungen bezogen auf den erhobenen pathologischen Befund vorweisen können zum Beispiel beim Herzfehler den Kinderkardiologen, die Kinderkardiologin oder beim Down-Syndrom den Pädiater oder die Pädiaterin . Zu b: Obwohl im Land Bremen über den Bremer Weg eine Lösung gefunden wurde, den betroffenen Frauen/Paaren ein Beratungsangebot machen zu können, besteht große Unzufriedenheit bei den Ärztinnen/Ärzten und Institutionen , da sie für ihre Beratungsleistung kein angemessenes Honorar erhalten. – 4 – Der Senat erkennt Handlungsbedarf insbesondere bei der fehlenden Abrechnungsmöglichkeit hinzugezogener Ärztinnen und Ärzten. 5. Welche Rechtsänderungen wären gegebenenfalls vorzunehmen, um eine Berechnungsfähigkeit und Finanzierung einer derartigen Beratungsleistung sicherzustellen? Laut Aussage der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), muss der sogenannte Bewertungsausschuss der KV, Regelungen zur Vergütung für die Beratungsleistung treffen. Der Bewertungsausschuss hat den Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) innerhalb von sechs Monaten nach Inkrafttreten eines Beschlusses des Gemeinsamen Bundesausschusses anzupassen. Rechtsänderungen sind bis heute nicht getroffen worden, somit liegt laut Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) „ein Systemversagen vor, das zu einem entsprechenden Kostenersatzanspruch für die Beratungsleistung eines hinzugezogenen Kinderarztes gemäß § 13 Absatz 3 SGB V führt“. Die beratenden Ärzte in Bremen könnten diesen Kostenersatzanspruch geltend machen, allerdings ist dies keine grundsätzliche Lösung des Problems . 6. Soweit sich diese Beratungsleistung durch bundespolitische Initiativen nicht in den Leistungskatalog der GKV einfügen lässt, wie hoch schätzt der Senat die Kosten für ein derartiges, dann durch das Land Bremen getragenes , Beratungsangebot? Wäre der Senat bereit, ein derartiges Beratungsangebot zu finanzieren? Laut Angaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung wären pro zehn Minuten Gesprächsleistung zehn Euro abrechenbar. Bei einer Anzahl von 180 ärztlichen Beratungen pro 60 Minuten im Jahr, fällt eine Summe von circa 10 800 Euro an. Der Senat ist der Auffassung, dass eine Finanzierung der ärztlichen Beratungsleistung durch eine Anpassung des EBM durch die KBV sinnvoll ist. Auf Bestreben der Senatorin für Wissenschaft, Gesundheit und Verbraucherschutz , wurde die Abrechnungsproblematik in der Arbeitsgemeinschaft der Obersten Landesgesundheitsbehörden (AOLG) der Gesundheitsministerkonferenz erörtert. Im Ergebnis soll die Gesundheitsministerkonferenz den Spitzenverband der Krankenkassen und die Kassenärztlichen Bundesvereinigung dazu auffordern, dass zeitnah der Bewertungsausschuss mit der Abrechnungsproblematik befasst wird und eine Lösung im Sinne der Schwangeren auf Bundesebene erwirkt wird. Bremische Bürgerschaft Drucksache 19 / 2066 Kleine Anfrage der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen vom 9. Januar 2019 Beratung von Schwangeren mit einem genetisch erkrankten Kind stärken