– 1 – B R E M I S C H E B Ü R G E R S C H A F T Drucksache 19 / 2071 Landtag 19. Wahlperiode Kleine Anfrage der Fraktion der Bündnis 90/ Die Grünen vom 28. Januar 2019 Drogenkonsumraum für Bremen? Der Bundesgesetzgeber legalisierte im Jahr 2000 mit dem neu geschaffenen § 10a des Betäubungsmittelgesetzes den Betrieb von Drogenkonsumräumen. Anders als in anderen Großstädten wurde in Bremen von dieser Möglichkeit bisher jedoch kein Gebrauch gemacht, weil insbesondere aufgrund der Haushaltsnotlage eine politische Mehrheit für ein solches Vorhaben fehlte. Zu den „Eckpunkten für ein Sicherheitsprogramm Bremer Hauptbahnhof“, denen der Senat in seiner Sitzung am 18. September 2018 zugestimmt hat, zählt nun auch die Prüfung der Möglichkeit, inwieweit die Einrichtung eines Drogenkonsumraums als niedrigschwelliges Angebot der Suchthilfe die Situation verbessern könnte. Wir fragen den Senat: 1. Was genau müsste zur Einrichtung eines Drogenkonsumraums geschehen, und welche Stellen wären dabei einzubinden? 2. Wie schnell ließe sich ein solches Vorhaben umsetzen? 3. Mit welchen ungefähren Kosten wären die Einrichtung und der Betrieb eines Drogenkonsumraums nach Einschätzung des Senats verbunden? 4. Inwieweit unterscheiden sich nach Kenntnis des Senats die Konzepte und Zielgruppen der Druckräume beziehungsweise Konsumräume in anderen deutschen Städten? 5. Welche Positionen vertreten die Suchthilfe- und Drogenberatungsstellen in Bremen zur Einrichtung eines Drogenkonsumraums? 6. Wie bewertet der Senat die Einrichtung eines Drogenkonsumraums in der Stadt Bremen? Nima Pirooznia, Dr. Maike Schaefer und Fraktion Bündnis 90/Die Grünen D a z u Antwort des Senats vom 5. März 2019 1. Was genau müsste zur Einrichtung eines Drogenkonsumraums geschehen und welche Stellen wären dabei einzubinden? Der Begriff „Drogenkonsumraum“ ist in § 10a Absatz 1 Satz 1 Betäubungsmittelgesetz (BtMG) gesetzlich definiert: Dabei handelt es sich um eine Einrichtung, in deren Räumlichkeiten Betäubungsmittelabhängigen eine Gelegenheit zum Verbrauch von mitgeführten, ärztlich nicht verschriebenen Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt wird. Die rechtliche Grundlage für die Erteilung einer Erlaubnis zum Betrieb eines Drogenkonsumraumes ist in § 10a Absatz 1 BtMG geregelt. Danach kann ein Drogenkonsumraum nach Erteilung einer behördlichen Erlaubnis eröffnet und – 2 – betrieben werden. Die behördliche Erlaubnis erteilt die zuständige oberste Landesbehörde. Der Senat hat die zuständige oberste Landesbehörde im Sinne des § 10a Absatz 1 Satz 1 BtMG – bisher nicht durch Rechtsverordnung bestimmt. Nach § 10a Absatz 1 Satz 2 BtMG kann die zuständige oberste Landesbehörde eine Erlaubnis nur erteilen, wenn die Landesregierung die Voraussetzungen für die Erteilung in einer Rechtsverordnung nach Maßgabe des § 10a Absatz 2 BtMG geregelt hat. In § 10a Absatz 2 Satz 2 Nummern 1 bis 10 BtMG sind die Mindestanforderungen an eine solche Verordnung im Einzelnen gesetzlich vorgeschrieben. Der Senat kann in seiner Rechtsverordnung weitere Voraussetzungen festlegen, die der Gesundheit, der Sicherheit und der Kontrolle bei dem geduldeten Verbrauch von mitgeführten , ärztlich nicht verschriebenen Betäubungsmitteln dienen sollen. Das von der zuständigen obersten Landesbehörde zwingend einzuhaltende Erlaubnisverfahren ist in § 10a Absatz 3 BtMG geregelt. Vor dem Hintergrund des Senatsbeschlusses „Sicherheitsprogramm Bremer Hauptbahnhof“ vom 18. September 2018 hat die Senatorin für Wissenschaft , Gesundheit und Verbraucherschutz im November 2018 das Institut für Public Health und Pflegeforschung der Universität Bremen beauftragt , zum Thema „Drogenkonsumraum in Bremen“ eine Machbarkeitsstudie durchzuführen. Hierbei werden folgende wesentliche Ziele verfolgt: Zunächst soll untersucht werden, ob in Bremen ein Drogenkonsumraum (DKR) erforderlich ist. Hierzu werden Expertinnen-Interviews/ Experten-Interviews mit Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten sowie Beschäftigten von ambulanten Drogenhilfeeinrichtungen in Bremen durchgeführt sowie die umfangreichen Daten aus dem vom BMBF geförderten Projekt „Drugs and Urban Security (DRUSEC)“ genutzt. In einem zweiten Schritt geht es um die Prüfung der Frage, welches DKR-Konzept in Bremen geeignet beziehungsweise machbar wäre. Hierzu werden Konzepte bestehender DKR anderer Bundeslänger analysiert. Abschließend werden Vorschläge erarbeitet für konkretere Eckpunkte eines möglichen Drogenkonsumraumes in Bremen. Die Ergebnisse der Studie werden zum 30. Juni 2019 erwartet. Nach einer Entscheidung über die Einrichtung eines DKR wird das Erlaubnisverfahren nach § 10a Absatz 3 BtMG eingeleitet mit dem Ergebnis einer Rechtsverordnung zum Betrieb eines Drogenkonsumraums im Land Bremen und nachfolgenden entsprechenden Konzeptionierungs- und Umsetzungsschritten . Zu beteiligen sind in diesen Prozessen die Senatorin für Wissenschaft, Gesundheit und Verbraucherschutz, der Senator für Inneres, der Senator für Justiz und Verfassung sowie für die konkrete Umsetzung die Träger der Ambulanten Sucht- und Drogenhilfe. 2. Wie schnell ließe sich ein solches Vorhaben umsetzen? Da in Bremen bislang kein DKR eingerichtet worden ist, liegen hierzu keine Erfahrungswerte vor. Es kann auf Basis der Erfahrungen in anderen Bundesländern von einem Umsetzungszeitraum von mindestens einem Jahr ausgegangen werden. Hier sind einige Unwägbarkeiten zu beachten wie beispielsweise das Finden und gegebenenfalls Herrichten einer geeigneten Immobilie. 3. Mit welchen ungefähren Kosten wären die Einrichtung und der Betrieb eines Drogenkonsumraums nach Einschätzung des Senats verbunden? Die Einrichtung von DKR kann auf unterschiedliche Art und Weise umgesetzt werden (siehe Beantwortung der Frage 4). Die Variablen bei der Ausgestaltung von DKR sind vielfältig (zum Beispiel Raummiete, Öffnungszeiten , Konsumplätze, Kontaktbereich). Zur Veranschaulichung kann hier ein DKR in Berlin beschrieben werden: die Kosten für einen DKR in Berlin mit festen Räumlichkeiten, qualifiziertem Personal, mit immer mindestens – 3 – zwei anwesenden Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter, mit einer Öffnungszeit von acht Stunden an sieben Tagen in der Woche, belaufen sich auf rund 750 000 Euro pro anno. In Berlin existieren zwei feste DKR und zwei Drogenkonsum -Mobile. Bei einem Drogenkonsummobil sind Investitionskosten von rund 180 000 Euro anzusetzen, abhängig von den Öffnungszeiten entsprechend ebenfalls Personalkosten (stets mindestens zwei Mitarbeiterinnen /Mitarbeiter gleichzeitig) sowie weitere Betriebskosten. Für Bremen können zum erwartbaren Kostenrahmen momentan keine verbindlichen Aussagen gemacht werden, zum geschätzten Bedarf und der geeigneten Ausgestaltung werden die Ergebnisse der Machbarkeitsstudie konkretere Anhaltspunkte liefern. 4. Inwieweit unterscheiden sich nach Kenntnis des Senats die Konzepte und Zielgruppen der Druckräume beziehungsweise Konsumräume in anderen deutschen Städten? Drogenkonsumräume existieren seit Mitte der 90er-Jahre und haben sich in Berlin, Hamburg, Frankfurt, Hannover, verschiedenen Städten in Nordrhein Westfalen und im Saarland unterschiedlich ausdifferenziert. Die insgesamt 24 (Stand Anfang Februar 2019) DKR lassen sich grob in vier unterschiedliche Modelle unterscheiden: a) DKR ohne sonstige soziale und/oder medizinische Hilfen, sogenannter nackter DKR. Hier sind von den Konsumentinnen/Konsumenten keine Zugangskriterien zu erfüllen. Ihnen wird ausschließlich die Möglichkeit geboten, ihre Drogen zu konsumieren. b) Integrierte Konzepte (wie das in Berlin), bei denen soziale und medizinische Hilfen und Angebote vorgehalten werden. Hierbei unterscheiden sich DKR in Anbindung an einen Kontaktladen (Bereitstellung von Alltagshilfen in Anschluss an einen Cafébetrieb), sowie DKR in Anbindung an einen Kontaktladen mit zusätzlicher Anbindung an ein Drogenberatungsangebot und weiterführende medizinische und soziale Hilfen und Angebote der Tagesstruktur beziehungsweise Arbeit und Beschäftigung. c) Mobile DKR (zum Beispiel in Bussen) als Drogenkonsum-Mobil. Diese werden in zuvor abgestimmten Einsatzorten, meist Brennpunktgebiete der lokalen Drogenszene, eingesetzt. Hier steht nur eine sehr begrenzte Anzahl an Konsumplätzen (drei bis fünf) zur Verfügung und die Effizienz ist geringer, da der Personalaufwand nahezu derselbe ist. d) DKR, die in unterschiedlicher Form mit Wohneinrichtungen/Notschlafplätzen et cetera integriert sind. Die Zugangsvoraussetzungen, die an der Zielgruppe orientiert sind, unterliegen großen Unterschieden. In niedrigschwellig konzipierten DKR gelten die Mindestzulassungskriterien der jeweiligen Rechtsverordnungen: prinzipiell jeder Konsument und jede Konsumentin kann ohne weitere Verfahren den Konsumraum nutzen. Daneben gibt es Konsumräume, die einen Kreis berechtigter Nutzer haben, sodass die Nutzung des Konsumraums nur personenbezogen erlaubt ist. Bedeutsame Unterschiede in den Konzeptionen und den Zielgruppen sind darüber hinaus, ob und unter welchen Voraussetzungen Minderjährigen beziehungsweise Personen unter 16 Jahren der Zugang zu den DKR gestattet werden sollte. Ebenso wird die Frage der Zulassung von Personen, die sich in substitutionsgestützter Behandlung befinden, unterschiedlich geregelt. Weitere verschiedene Kriterien können sein: Möglichkeit des inhalativen, oralen, nasalen oder ausschließlich intravenösen Konsums, Anzahl der Konsumplätze, Zulassung von Erst- und Gelegenheitskonsumentinnen/Gelegenheitskonsumenten , Ausstattung mit Fachpersonal, Hilfskräften und viele mehr. Auch die Öffnungszeiten der DKR in Deutschland variieren stark, beispielsweise – 4 – in Hamburg von 9.00 bis 5.00 Uhr, in Essen 8.00 bis 20.00 Uhr, in Hannover 10.00 bis 18.00 Uhr. Für betroffene Frauen in einer männerdominierten und gewaltgeprägten Szene sollte ein geschützter Bereich gewährleistet sein. Hamburg hat mit ragazza e. V. sehr gute Erfahrungen gemacht. Am 22. März 2019 findet in Bremen ein Fachtag dazu statt. 5. Welche Positionen vertreten die Suchthilfe- und Drogenberatungsstellen in Bremen zur Einrichtung eines Drogenkonsumraums? Zur Beantwortung dieser Frage wurden die Ambulante Suchthilfe Bremen gGmbH, die Comeback GmbH, die Fachambulanz für Suchtprävention und Rehabilitation des Caritasverbandes Bremen und das AMEOS Klinikum Dr. Heines Bremen angefragt. Die befragten Suchthilfe- und Drogenberatungsstellen befürworten die Einrichtung eines Drogenkonsumraums in Bremen. Hierbei werden im Wesentlichen folgende Begründungen gegeben: — Gesundheits- und Überlebensförderung durch Senkung des Infektionsrisikos (Hepatitis, HIV) und des Mortalitätsrisikos (Überdosierung) sowie — die Möglichkeit der Kontaktherstellung mit Angeboten der Drogenberatung und weiterführenden Hilfen und — die Eindämmung des Drogenkonsums in der Öffentlichkeit, Entlastung des Umfeldes der Drogenszene. Bezüglich des Standorts eines Drogenkonsumraums in Bremen formulieren einige der befragten Einrichtungen die Notwendigkeit der engen Verzahnung mit den Angeboten der Sucht- und Drogenhilfe und dem weiterführenden medizinischen (insbesondere die Substitution) und sozialen Hilfesystem . Darüber hinaus wird gefordert, dass es nicht zu einer Absenkung der bestehenden Angebote der kommunalen Sucht- und Drogenhilfe kommen sollte. 6. Wie bewertet der Senat die Einrichtung eines Drogenkonsumraums in der Stadt Bremen? Die Meinungsbildung im Senat ist noch nicht abgeschlossen, da erst aufbauend auf den Ergebnissen der Machbarkeitsstudie der Bedarf für Bremen bewertet werden kann. Mit Vorliegen der Ergebnisse der Studie kann in einem umfassenden Beteiligungsprozess entschieden werden ob, und wenn ja, in welcher Form ein DKR für Bremen notwendig ist. Bremische Bürgerschaft Drucksache 19 / 2071 Kleine Anfrage der Fraktion der Bündnis 90/ Die Grünen vom 28. Januar 2019 Drogenkonsumraum für Bremen?