– 1 – B R E M I S C H E B Ü R G E R S C H A F T Drucksache 19 / 2074 Landtag 19. Wahlperiode Kleine Anfrage der Fraktion der SPD vom 5. Februar 2019 Ist ein landesrechtlicher Mietendeckel für Bremen rechtlich möglich und wohnungswirtschaftlich zweckmäßig? Durch Erlass einer Verordnung kann der Senat für alle Wohnungen im Land Bremen eine Mietobergrenze einführen – so zumindest nach der These von Peter Weber in der Juristen Zeitung (21/2018, 1022 - 1029). Die Idee ist neu, denn sie fußt auf der Annahme, dass Mietsteigerungen nicht notwendigerweise nach Privatrecht geregelt werden müssen. Es soll vielmehr eine Verordnung anhand des Preisgesetzes erlassen werden, dass der Landesregierung die Möglichkeit einräumt, „Preise, Mieten, Pachten, Gebühren und sonstige Entgelte für Güter und Leistungen jeder Artikel“ festzusetzen oder zu genehmigen. § 2 Absatz 1 Preisgesetz (PreisG) könnte als Ermächtigungsgrundlage für den Erlass einer Verordnung zur Höchstpreisfestsetzung durch den Landesgesetzgeber dienen, denn diese Vorschrift hat zum Ziel, dass allgemeine Preisniveau zu stabilisieren und insbesondere unangemessene Preissteigerungen zu verhindern. Nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) sind preisrechtliche Bestimmungen, die aus sozialpolitischen Gründen erlassen werden, vom Grundgesetz grundsätzlich gedeckt. Für den Einsatz sozialpolitischer Instrumente genüge schon die Befürchtung, dass die Mieten weiter steigen und sich die wirtschaftlich schwächeren Teile der Bevölkerung angemessenen Wohnraum nicht mehr leisten können. In die Gesetzgebungskompetenz des Bundes werde nicht eingegriffen, da das Recht des Wohnungswesens seit der Föderalismusreform Ländersache ist. Weiterhin sei ein Mietendeckel mit dem Grundrecht auf Eigentumsgarantie vereinbar, weil es kein Recht auf Rendite durch Miete gebe – laut Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) ist die Miete keine grundsätzlich geschützte Spekulationsrendite. Wir fragen den Senat: 1. Inwieweit teilt der Senat die rechtliche Einschätzung des Autors, insbesondere hält er es für rechtlich möglich, eine Steigerung der Mieten in Bremen durch den Erlass einer Verordnung auf Grundlage des Preisgesetzes zu stoppen? 2. Soweit der Senat die Möglichkeit einer Verordnung verneint, könnte aus seiner Sicht der vorgeblich bestehende landesrechtliche Spielraum zur Mietbegrenzung durch ein Parlamentsgesetz genutzt werden? 3. Hält der Senat den Erlass einer solchen Verordnung auf Grundlage des Preisgesetzes oder eines entsprechenden Parlamentsgesetzes für wohnungswirtschaftlich zweckmäßig? 4. Sieht der Senat bei solchen landesrechtlichen Regelungen die Möglichkeit nach Wohnungssegmenten, wie beispielsweise dem Geschoßwohnungsbau oder Ortsteilen zu differenzieren? – 2 – 5. Sind dem Senat Stellungnahmen oder Einschätzungen anderer Landesregierungen oder Landtage bekannt eine landesrechtliche Mietbegrenzung in Erwägung zu ziehen? Arno Gottschalk, Björn Tschöpe und Fraktion der SPD D a z u Antwort des Senats vom 12. März 2019 1. Inwieweit teilt der Senat die rechtliche Einschätzung des Autors, insbesondere hält er es für rechtlich möglich, eine Steigerung der Mieten in Bremen durch den Erlass einer Verordnung auf Grundlage des Preisgesetzes zu stoppen? Eine Deckelung der Miethöhe durch landesrechtliche Verordnung auf Grundlage des Preisgesetzes ist rechtlich nicht möglich. Nach § 2 Absatz 1 Preisgesetz können die für die Preisbildung zuständigen Stellen (Absatz 2) Anordnungen und Verfügungen erlassen, durch die Preise, Mieten, Pachten, Gebühren und sonstige Entgelte für Güter und Leistungen jeder Artikel, ausgenommen Löhne, festgesetzt oder genehmigt werden, oder durch die der Preisstand aufrechterhalten werden sollen . § 2 PreisG ermächtigt jedoch nur zu solchen Preisgestaltungen, die zur Abwehr ernsthafter, für den gesamten Preisstand relevanter Störungen unerlässlich sind (BVerfG, Beschluss vom 12. November 1958 – 2 BvL 4/56 –, Rn. 142 juris). Es stellt sich insofern die Frage, ob der Anstieg der Mieten für Wohnraum in Bremen eine für den gesamten Preisstand relevante Störung darstellt. Das Preisgesetz wurde vor dem Hintergrund des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg geschaffen. In der Nachkriegszeit waren die Preise fast aller Waren und Leistungen staatlich festgelegt. Eine vergleichbare Wohnraumnotsituation liegt aktuell nicht vor. Das System hat sich seitdem von staatlich festgelegten Preisen zu dem Wettbewerb unterliegender Preisentwicklung gewandelt. In bestimmten einzelnen Bereichen existieren noch staatlich festgesetzte Preise. Diese werden jedoch überwiegend nicht mehr auf das PreisG, sondern auf spezielle Gesetze gestützt. Es ist zudem zu beachten, dass beim Gebrauch der Ermächtigung der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zwischen Zweck und Mittel gewahrt werden muss (vergleiche BVerfG, Urteil vom 20. März 1952 – 1 BvR 267/51 –, juris). Ein Mietendeckel gestützt auf § 2 Absatz 1 PreisG stellt nicht das mildeste Mittel dar, um den Zweck des bezahlbaren Wohnraums zu erreichen. Vielmehr sieht das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) mit den Regelungen in § 556 d Absatz 1 und § 558 Absatz 1 bereits eine Mietpreisbremse beziehungsweise Kappungsgrenze zur Regelung der Miethöhe vor. Eine Ermächtigungsgrundlage für eine landesrechtliche Verordnung zur Regelung der Miethöhe bei neu abgeschlossenen Mietverträgen findet sich in § 556d Absatz 2 Satz 1 BGB und für Bestandsmietverträge in § 558 Absatz 3 Satz 3 BGB. Ein landesrechtlicher Mietendeckel auf der Grundlage des PreisG, der strengere Grenzen zieht als die Vorschriften des BGB im Zusammenhang mit den landesrechtlichen Regelungen basierend auf der Ermächtigungsgrundlage des BGB ist unverhältnismäßig . Eine landesrechtliche Regelung der Miethöhe in Form einer Rechtsverordnung auf Grundlage des § 2 Absatz 1 PreisG würde darüber hinaus auch der Gesetzgebungskompetenz des Bundes zum Mietpreisrecht zuwiderlaufen und durch höherrangiges Bundesrecht gebrochen (Artikel 31 Grundgesetz [GG]) werden. Dies ergibt sich aus der Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages (WD 3 – 3000 – 029/19 vom 5. Februar 2019). – 3 – Im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung haben die Länder gemäß Artikel 72 Absatz 1 GG die Befugnis zur Gesetzgebung, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat. Artikel 74 GG zählt auf, welche Befugnisse der konkurrierenden Gesetzgebung unterliegen. Unter Absatz 1 Nummer 1 wird das bürgerliche Recht genannt. Der Bund hat im Jahre 2015 mit der Einführung von § 556 d Absatz 1 BGB aufgrund des Gesetzes zur Dämpfung des Mietanstiegs auf angespannten Wohnungsmärkten und zur Stärkung des Bestellerprinzips bei der Wohnungsvermittlung (Mietpreisbindungsgesetz ) von seiner Regelungskompetenz umfassend Gebrauch gemacht . Eine eigene landesrechtliche Regelung zur Mietpreisbindung über die Ermächtigungsgrundlage des § 556d Absatz 2 BGB hinaus wäre daher nur noch rechtlich zulässig, soweit sie nicht dem konkurrierenden und vom Bund abschließend genutzten Kompetenztitel des bürgerlichen Rechts unterfiele . Dazu müsste eine entsprechende Regelung schwerpunktmäßig einen – öffentlich -rechtlichen – Regelungsgegenstand haben, welcher der Landeskompetenz unterliegt. In Betracht kommt das Wohnungswesen, welches seit der Föderalismusreform von 2006 gemäß Artikel 70 GG in den Zuständigkeitsbereich der Länder fällt. Der wissenschaftliche Dienst des Bundestages kommt zu dem Ergebnis, dass eine gesetzliche Mietpreisbindung der Länder in den öffentlich-rechtlichen Regelungsbereich des Wohnungswesens einzubinden wäre. Da das Wohnungswesen öffentlich-rechtliche Maßnahmen der Wohnraumbeschaffung und der Wohnraumnutzung umfasst, dürfte nur eine Regelung in Betracht kommen, die den Wohnraum einer öffentlich-rechtlichen Zweckbindung unterwirft, wie im Falle des öffentlich geförderten Wohnraums oder der Wohnraumbewirtschaftung. Für frei am Wohnungsmarkt angebotene Mietwohnungen dürfte hingegen das Mietpreisbindungsgesetz des Bundes eine abschließende gesetzliche Regelung darstellen. Eine lediglich strenger als § 556d BGB gefasste Vorschrift wäre weiterhin dem bürgerlichen Recht zuzuordnen. Neben der bundesrechtlichen Regelung zur Miethöhe können die Länder keine eigene Mietobergrenze für Mietwohnungen, die frei am Markt angeboten werden, erlassen. 2. Soweit der Senat die Möglichkeit einer Verordnung verneint, könnte aus seiner Sicht der vorgeblich bestehende landesrechtliche Spielraum zur Mietbegrenzung durch ein Parlamentsgesetz genutzt werden? Nein, eine Mietenregelung durch oder aufgrund eines Landesgesetzes ist über die bereits bestehenden Regelungen hinaus nicht ersichtlich. Regelungen über die Höhe oder Erhöhungen von Wohnungsmieten sind Gegenstand des allgemeinen Mietrechts als Teil des Bürgerlichen Rechts. Gemäß Artikel 74 Absatz 1 GG ist das gesamte Bürgerliche Recht Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Insofern gilt, dass wenn der Bund von seiner diesbezüglichen Gesetzgebungskompetenz Gebrauch gemacht hat, es den Ländern verwehrt ist, eigene landesrechtliche Regelungen auf demselben Rechtsgebiet zu erlassen (Artikel 72 GG). Dies ist jedoch mit der umfassenden und abschließenden Regelung des Bürgerlichen Gesetzbuches geschehen (vergleiche Antwort zu Frage 1). Ausnahmen gelten nur insoweit, als dass der Bund die Länder spezifisch zum Erlass abweichender Regelungen ermächtigt hat. Eine solche Ausnahme betrifft zum einen die Kappungsgrenze, da Mieterhöhungen in Deutschland nicht unbegrenzt zulässig sind. Nach § 558 BGB sind sie an bestimmte Voraussetzungen gebunden: – 4 – — Die Miete muss bis zum Inkrafttreten der Mieterhöhung mindestens 15 Monate lang unverändert geblieben sein. — Die neue Miete darf nicht höher sein als die ortsübliche Vergleichsmiete . — Die Mieterhöhungen dürfen innerhalb von drei Jahren nicht über 20 Prozent betragen (sogenannte Kappungsgrenze) Durch Rechtsverordnung können die Bundesländer Gebiete ausweisen, in denen sie nur 15 Prozent beträgt (§ 558 Absatz 3 BGB). Dies wird als abgesenkte Kappungsgrenze bezeichnet. Von dieser Ermächtigung hat das Land Bremen durch den Erlass der „Verordnung zur Senkung der Kappungsgrenze “ gemäß § 558 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (Kappungsgrenzen -Verordnung) vom 5. August 2014 (Brem.GBl. 2014, 388) Gebrauch gemacht. Zum anderen eröffnet § 556d Absatz 2 BGB die Ermächtigungsgrundlage, Gebiete mit angespannten Wohnungsmärkten durch Rechtsverordnung für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu bestimmen. In diesen Gebieten darf die Miete zu Beginn des Mietverhältnisses die ortsübliche Vergleichsmiete (§ 558 Absatz 2 BGB) höchstens um zehn Prozent übersteigen. Von dieser Verordnungsermächtigung hat das Land Bremen mit Erlass der Verordnung über die zulässige Miethöhe gemäß § 556d Absatz 2 BGB (Mietenbegrenzungs-Verordnung) vom 17. November 2015 (Brem.GBl. 2015, 512) ebenso Gebrauch gemacht. Weitere bundesrechtliche Ermächtigungsgrundlagen zugunsten der Landesgesetzgeber sind nicht ersichtlich. 3. Hält der Senat den Erlass einer solchen Verordnung auf Grundlage des Preisgesetzes oder eines entsprechenden Parlamentsgesetzes für wohnungswirtschaftlich zweckmäßig? Der Erlass einer bremischen Verordnung auf Grundlage des Preisgesetzes (Mietendeckel) ist rechtlich unzulässig (siehe Antwort zu Fragen 1 und 2). Eine landesrechtliche Regelung wäre auch nicht zweckmäßig. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es in Bremen bereits Regelungen zur Begrenzung des Mietenanstiegs gibt. Das sind — die Kappungsgrenzen-Verordnung zur Beschränkung von Mieterhöhungen in laufenden Mietverhältnissen — und die Mietpreisbremse zur Begrenzung von Neuvermietungsmieten . (Vergleiche Antwort zu Fragen 1 und 2) 4. Sieht der Senat bei solchen landesrechtlichen Regelungen die Möglichkeit nach Wohnungssegmenten, wie beispielsweise dem Geschoßwohnungsbau oder Ortsteilen zu differenzieren? Der Erlass einer bremischen Verordnung auf Grundlage des Preisgesetzes (Mietendeckel) ist rechtlich unzulässig (siehe Antwort zu Fragen 1 und 2). Eine Differenzierung nach Ortsteilen oder nach der Bautypologie wäre auch nicht sinnvoll. Es gibt diesbezüglich zwar unterschiedliche Teilmärkte , in denen das Angebot und die Nachfrage nach Mietwohnungen unterschiedlich sind. Es ist allerdings so, dass in Gebieten beziehungsweise Bautypologien, in denen zurzeit noch ein relativ niedriges Mietenniveau zu verzeichnen ist, kurz- bis mittelfristig Mieterhöhungen nicht auszuschließen sind. Solche Auswirkungen könnten verstärkt auftreten, wenn unterschiedliche Mieterhöhungsmöglichkeiten bestehen würden. 5. Sind dem Senat Stellungnahmen oder Einschätzungen anderer Landesregierungen oder Landtage bekannt eine landesrechtliche Mietbegrenzung in Erwägung zu ziehen? – 5 – In der Hamburgischen Bürgerschaft ist der Mietendeckel auf Antrag der LINKEN in einer aktuellen Stunde am 13. Februar 2019 debattiert worden. Die Forderung nach einer Einführung wurde dort zurückgewiesen. In Berlin und in Thüringen wird die Einführung eines Mietendeckels zurzeit noch geprüft; für diese müssten dann die gleichen Argumente gelten. Bremische Bürgerschaft Drucksache 19 / 2074 Kleine Anfrage der Fraktion der SPD vom 5. Februar 2019 Ist ein landesrechtlicher Mietendeckel für Bremen rechtlich möglich und wohnungswirtschaftlich zweckmäßig?