– 1 – B R E M I S C H E B Ü R G E R S C H A F T Drucksache 19 / 2089 Landtag 19. Wahlperiode Kleine Anfrage der Fraktion der SPD vom 12. Februar 2019 Benebelt im Führerhaus – Häufigere Kontrollen im Lkw-Verkehr notwendig? Lastwagenfahrerinnen/Lastwagenfahrer tragen eine große Verantwortung bei häufig schwierigen Arbeitsbedingungen. Termindruck, überfüllte Autobahnen und Landstraßen, berufsbedingt lange Abwesenheiten von zu Hause und Wochenendfahrverbote führen zudem notgedrungen zu temporären Aufenthalten auf Rastplätzen und anderen unwirtlichen Orten; all das macht den Arbeitsalltag für diese Berufsgruppe zusätzlich schwer. Die EU-Verkehrsminister haben sich daher 2018 auf eine neue EU- Verkehrsgesetzgebung, das sogenannte Mobilitätspaket I, geeinigt. Dazu zählen auch wichtige soziale Reformen, die inakzeptable Vorgehensweisen im Güterverkehr beenden und die Arbeitsbedingungen der Lkw-Fahrer verbessern sollen. Gerade in Phasen erzwungener Untätigkeit fern der Heimat neigen Lastwagenfahrerinnen /Lastwagenfahrer gelegentlich zum Konsum alkoholischer Getränke , manchmal mit fatalen Folgen: Bei landesweiten Kontrollen in Hessen im Januar 2019 waren 16 Prozent der überprüften Lkw-Fahrerinnen/Lkw-Fahrer alkoholisiert. Der Deutsche Verkehrsgerichtstag und die Gewerkschaft der Polizei fordern unisono eine Intensivierung der Kontrollen. Darüber hinaus sollte der Einbau von sogenannten Alkolocks, zumindest bei auffälligen Berufskraftfahrerinnen /Berufskraftfahrer, in Gefahrguttransportern und Schulbussen obligatorisch werden. Denn bei Gefahrguttransporten gilt gemäß § 9 Gefahrgutverordnung Straße und Eisenbahn (GGVSE) in Verbindung mit § 10 Gefahrgutbeförderungsgesetz (GGBefG) eine Promille Grenze von 0,0. Wir fragen den Senat: 1. Wie oft lässt der Senat Überprüfungen – wie im Januar 2019 in Hessen – der Fahrtüchtigkeit bei Berufskraftfahrerinnen/Berufskraftfahrern auf bremischem Gebiet durchführen, und welche Verstöße sind seit 2015 dabei bekannt geworden? 2. Hält der Senat eine häufigere Überprüfung des Alkoholkonsums bei Berufskraftfahrerinnen /Berufskraftfahrern – besonders nach Beendigung der Ruhezeiten am Wochenende – für notwendig und – falls ja – wird der Senat solche Kontrollen forcieren? 3. Hält der Senat die Einführung von Alkolocks für sinnvoll und – falls ja – wird sich der Senat dafür in einer Bundesratsinitiative einsetzen? Rainer Hamann, Heike Sprehe, Björn Tschöpe und Fraktion der SPD – 2 – D a z u Antwort des Senats vom 2. April 2019 Vorbemerkung: Die in der Anfrage angesprochene Überprüfung der Fahrtüchtigkeit bei Berufskraftfahrern und Berufskraftfahrerinnen im Januar 2019 in Hessen erfolgte unter Beteiligung von 250 Polizisten und Polizistinnen unter rein präventiven Aspekten. Die Lkw-Fahrer und -Fahrerinnen wurden bereits vor einem möglichen Fahrtantritt, während ihrer Ruhezeit auf den Raststätten überprüft, sodass die dort festgestellte Beanstandungsquote von 16 Prozent kein valides Bild über eine tatsächlich, unter Alkoholeinfluss vorgenommene Teilnahme am Straßenverkehr liefert. Bei den bundesweit durchgeführten TISPOL (Traffic Information System Police ) Kontrollwochen Alkohol und Drogen bei der nicht nur Lkw und Berufskraftfahrer kontrolliert werden, wurde in Deutschland im Jahr 2018 eine Beanstandungsquote von 3,8 Prozent im tatsächlichen Fließverkehr festgestellt. Bei den TISPOL Kontrollwochen Truck und Bus wurde bei 33 577 kontrollierten Fahrzeugen eine Beanstandungsquote von 0,12 Prozent festgestellt. 1. Wie oft lässt der Senat Überprüfungen – wie im Januar 2019 in Hessen – der Fahrtüchtigkeit bei Berufskraftfahrerinnen/Berufskraftfahrern auf bremischem Gebiet durchführen, und welche Verstöße sind seit 2015 dabei bekannt geworden? Im Rahmen jeder polizeilich durchgeführten Verkehrskontrolle erfolgt eine Überprüfung der Fahrtüchtigkeit des Fahrers. Berufskraftfahrerinnen und Berufskraftfahrer im gewerblichen Güter- und Personenverkehr werden darüber hinaus regelmäßig durch speziell hierfür ausgebildete Verkehrskräfte der Polizei Bremen und der Ortspolizeibehörde Bremerhaven kontrolliert. Auch die Großraum- und Schwertransporte, die Bremen oder Bremerhaven anfahren oder verlassen, werden durch speziell ausgebildete Beamte einer umfassenden Abfahrtskontrolle unterzogen. Neben der technischen Überprüfung der Fahrzeugkombination wird auch die Überprüfung des Fahrenden durchgeführt. Da nicht jede durchgeführte Verkehrskontrolle zur Feststellung eines Verstoßes führt, wird entsprechend nicht jede Verkehrskontrolle in dem polizeilichen Vorgangsbearbeitungssystem erfasst. Aus diesem Grund liegt zu der Anzahl der durchgeführten Verkehrskontrollen der Polizei des Landes Bremen keine valide Datengrundlage vor. Europaweit werden jährlich vier TISPOL-Kontrollwochen mit den Schwerpunkten Lkw/Bus und Alkohol/Drogen durchgeführt, an denen sich die Polizei Bremen und die Ortspolizeibehörde Bremerhaven, sofern die Einsatzlage es zulässt, beteiligen. Im Rahmen dieser jeweils einwöchigen Schwerpunktkontrollen wird unter anderem auch die Fahrtüchtigkeit der Fahrerinnen und Fahrer von Lastkraftwagen überprüft. In den Jahren 2015 bis 2018 wurden während der Kontrollwochen 1 129 Lkw und Busse kontrolliert. Beanstandet wurden sieben Verstöße wegen Alkoholkonsum und acht Verstöße wegen Drogenkonsum. Auch im Jahr 2019 sind wieder vier europaweite TISPOL- Kontrollwochen sowie eine deutschlandweite Schwerpunktkontrolle des gewerblichen Güter - und Personenverkehr geplant, an denen die Polizei im Land Bremen teilnehmen wird. Hinsichtlich der Anzahl erfasster Verstöße von „Berufskraftfahrerinnen und Berufskraftfahrern mit Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit“ wird keine spezielle Statistik geführt und das Kriterium des Berufs wird statistisch nicht erfasst. Das polizeiliche Vorgangsbearbeitungssystem @rtus lässt in Bezug auf das genutzte Fahrzeug keine automatisierte Recherche zu, sodass eine händische Auswertung aller Vorgänge in Zusammenhang – 3 – mit Alkohol- beziehungsweise Drogenbeeinflussung erforderlich wäre. Exemplarisch müssten in der Stadtgemeinde Bremen 312 Vorgänge zu erfassten Verkehrsstraftaten für das Jahr 2018 ausgewertet werden. Dies würde einen Beamten für die Auswertung des Jahres 2018 etwa 52 Stunden binden (geschätzte Bearbeitungszeit von zehn Minuten pro Vorgang ). Aufgrund fehlender Vergleichszahlen oder Erfahrungswerte können auch keine präzisen Schätzungen für die Jahre 2015 bis 2018 abgegeben werden . Eine händische Auswertung der Zahlen für das zweite Halbjahr 2018 hat im Land Bremen zwölf Vorgänge gemäß § 316 Strafgesetzbuch (Trunkenheit im Verkehr) erfasst, bei denen ein Lastkraftwagen als Tatmittel erfasst wurde. Die Erfassung der Verkehrsunfälle mit alkoholisierten und/oder unter Betäubungsmitteleinfluss stehenden Lkw-Fahrenden wird in Bezug auf das geführte Fahrzeug umfangreicher in den polizeilichen Datenbanken erfasst und bietet an dieser Stelle valide Daten. In den Jahren 2015 bis 2018 wurden insgesamt in Bremen elf und in Bremerhaven zwei Verkehrsunfälle registriert, in denen die beteiligten Lkw- Fahrerinnen und Fahrer unter dem Einfluss von Alkohol oder Betäubungsmitteln standen. Im Vergleich zur Gesamtzahl der Verkehrsunfälle im gleichen Zeitraum (8 978), in denen Lkw-Fahrer oder Fahrerinnen als Verursacher erfasst wurden, stellen diese Fälle einen Anteil von unter 0,2 Prozent dar. Für den Bereich der Verkehrsordnungswidrigkeiten gemäß § 24a Straßenverkehrsgesetz (0,5 Promille Grenze) erfolgt in einem gesonderten System eine gesonderte Erfassung, die eine Recherche nach der Fahrzeugart ermöglicht . Das Kriterium Berufskraftfahrer wird jedoch auch an dieser Stelle nicht erfasst. Für das Jahr 2015 wurden im Land Bremen 15 Vorgänge mit der Fahrzeugart Lkw mit und ohne Anhänger sowie Sattelzugmaschine mit und ohne Anhänger gefertigt, 34 für das Jahr 2016, 29 für das Jahr 2017 und 33 Vorgänge im Jahr 2018. 2. Hält der Senat eine häufigere Überprüfung des Alkoholkonsums bei Berufskraftfahrerinnen /Berufskraftfahrern – besonders nach Beendigung der Ruhezeiten am Wochenende – für notwendig und – falls ja – wird der Senat solche Kontrollen forcieren? Das Verkehrsunfalllagebild weist in Bezug auf die Anzahl der Verkehrsunfälle mit alkoholisierten und/oder unter Betäubungsmitteleinfluss stehenden , unfallverursachenden Lkw-Fahrenden einen prozentualen Anteil von unter 0,2 Prozent aus. Die Abfahrtskontrollen der Großraum- und Schwertransporte erfolgten in der Vergangenheit in vielen Fällen, wie in der Anfrage gefordert, nach Beendigung der Ruhezeiten. Bei den durchgeführten Kontrollen gab es in den vergangenen Jahren keine Auffälligkeiten hinsichtlich einer Beeinflussung durch Alkoholkonsum. Vor dem Hintergrund dieser Umstände und der bereits vorhandenen europaweiten Kontrollen im Rahmen der TISPOL-Kontrollwochen, der Kontrolle der Großraum- und Schwertransporte, der durchgeführten Gefahrgutkontrollen sowie der Präsenz der Polizei und des Bundesamtes für Güterverkehr auf den Bundesautobahnen erscheint eine häufigere Überprüfung des Alkoholkonsums bei Berufskraftfahrerinnen/Berufskraftfahrern – besonders nach Beendigung der Ruhezeiten am Wochenende – durch die Polizei im Lande Bremen nicht geboten. – 4 – 3. Hält der Senat die Einführung von Alkolocks für sinnvoll und – falls ja – wird sich der Senat dafür in einer Bundesratsinitiative einsetzen? Verkehrsunfälle mit Beteiligung von Lastkraftwagen haben häufig gravierendere Folgen als unter Beteiligung von Personenkraftwagen und führen mitunter zu zum Teil schwerverletzten beziehungsweise getöteten Personen sowie hohen Sachschäden. Das Thema Alkolock war Gegenstand der Beratungen des 57. Deutschen Verkehrsgerichtstages (VGT) vom 23. bis 25. Januar 2019 in Goslar. Im Ergebnis sprach sich der Arbeitskreis für einen primärpräventiven europaweit verpflichtenden Einbau von Alkohol-Interlock-Geräten im gewerblichen Personen- und Güterverkehrs aus. Auch im Bund-Länder-Fachausschuss „Fahrerlaubnisrecht/Fahrlehrerrecht “ wurde das Thema Alkolock in der Vergangenheit mehrfach intensiv beraten. Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur wird auch weiterhin mit den Bundesländern diese Thematik eingehend erörtern . Die Empfehlungen des VGT bilden eine Grundlage der weiteren Beratungen. Eine bundesweite verpflichtende Einführung setzt jedoch die Schaffung einer rechtlichen Grundlage und somit ein vorgelagertes Rechtsetzungsverfahren voraus. Hierfür sind zuvor grundlegende Fragen des Umfanges und der Ausgestaltung einer möglichen verpflichtenden Einführung zu klären. Hierbei ist insbesondere auch zu berücksichtigen, dass auf die Unternehmen erhebliche Kosten bei einem flächendeckenden Einbau zukommen würden. Zur Verbesserung der Verkehrssicherheit und Verringerung von Unfallzahlen hält der Senat die Einführung von Alkolocks für eine durchaus sinnvolle Ergänzung zur Nutzung der heute bereits zur Verfügung stehenden Fahrassistenzsysteme und wird sich bei den weiteren Beratungen auf Bund-Länder-Ebene dafür einsetzen. Bremische Bürgerschaft Drucksache 19 / 2089 Kleine Anfrage der Fraktion der SPD vom 12. Februar 2019 Benebelt im Führerhaus – Häufigere Kontrollen im Lkw-Verkehr notwendig?