– 1 – B R E M I S C H E B Ü R G E R S C H A F T Drucksache 19 / 2094 Landtag 19. Wahlperiode Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE vom 6. März 2018 Asbesterkrankungen in Bremen Erst 1993 wurde das stark krebserregende Baumaterial Asbest in der EU verboten . Auch in Bremen gab es sehr viele Vorfälle mit Asbest, das genaue Ausmaß lässt sich noch immer nicht überblicken. Asbestbedingte Krebserkrankungen im Lungen- und Kehlkopfbereich brechen teilweise erst 30 Jahre nach Kontamination aus. Für Betroffene ist es schwierig, asbestbedingte Krebserkrankungen als Berufserkrankungen anerkannt zu bekommen. Noch immer liegt die Beweislast bei den Betroffenen. Die Bundesregierung muss das Berufskrankheitsrecht deshalb endlich überarbeiten. Wir fragen den Senat: 1. Wie viele Menschen mit Arbeitsort in Bremen und Bremerhaven haben in den vergangenen zehn Jahren die Anerkennung der Berufskrankheiten 4103 (Asbestose), 4104 (Lungen-/Kehlkopfkrebs) oder 4105 (Mesotheliom) bei der Unfallversicherung beantragt? 2. Wie wurden die Anträge in diesen Jahren entschieden? 3. Inwiefern liegen dem Senat Kenntnisse über Ablehnungsgründe vor? 4. Wie viele Menschen aus Bremen und Bremerhaven sind aktuell auf Grundlage der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Versorgung als asbestexponierte Beschäftigte registriert? 5. Welche Vorfälle mit Asbestkontaminationen in öffentlichen Einrichtungen sind dem Senat seit dem Verbot bekannt geworden? 6. Setzt sich der Senat für die Anerkennung der Berufserkrankung in diesem konkreten Fall ein? Kristina Vogt und Fraktion DIE LINKE D a z u Antwort des Senats vom 16. April 2019 1. Wie viele Menschen mit Arbeitsort in Bremen und Bremerhaven haben in den vergangenen zehn Jahren die Anerkennung der Berufskrankheiten 4103 (Asbestose), 4104 (Lungen/Kehlkopfkrebs) oder 4105 (Mesotheliom) bei der Unfallversicherung beantragt? – 2 – Anzahl der Anzeigen auf Verdacht einer Berufskrankheit Jahr / BK-Nummer 4103 (Asbestose) 4104 (Lungen-, Kehlkopf- und Eierstockkrebs)** 4105 (Mesotheliom) 2009 247 113 60 2010 232 133 69 2011 226 115 61 2012 217 82 63 2013* 180 122 78 2014 198 103 52 2015 203 76 52 2016 263 94 28 2017 161 66 31 2018* 122 74 49 Quelle: gemeldete Fallzahlen nach der BK_DOK durch © DGUV Referat Statistik * 2013 und 2018 sind erfasste Daten des Gesundheitsressorts ** Gemäß Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) beinhaltet die Nummer 4104 neben Lungen- und Kehlkopfkrebs auch Eierstockkrebs. Bei der Beantwortung der Anfrage geht der Senat davon aus, dass seitens des Fragestellers der nicht gesondert erwähnte Eierstockkrebs mit gefragt wurde. 2. Wie wurden die Anträge in diesen Jahren entschieden? Die in der nachfolgenden Tabelle genannte Anzahl der entschiedenen Fälle bezieht sich nicht auf die in einem Jahr angezeigten Verfahren, sondern auf die in diesem Jahr entschiedenen Fälle. Gemeldete Anzeigen aus 2017 können sich noch in der Prüfung befinden. Ebenso kann die Anzahl der entschiedenen Fälle aus 2009 und 2010 geprüfte Anzeigen aus 2007 und 2008 enthalten. Für 2018 liegen noch keine ausgewerteten Zahlen vor. Feststellungen von Berufskrankheiten in den jeweiligen Jahren Jahr* / Anerkennungen Anerkennungen 4103 Anerkennungen 4104 Anerkennungen 4105 2009 156 36 49 2010 177 40 41 2011 162 45 51 2012 152 52 52 2013** 47 22 20 2014 176 42 52 2015 173 43 58 2016 167 54 25 2017 154 33 37 Quelle: gemeldete Fallzahlen nach der BK_DOK durch © DGUV Referat Statistik * Die Anzahl der entschiedenen Fälle in der Tabelle der DGUV bezieht sich auf die in dem jeweiligen Jahr entschiedenen Verfahren, unabhängig vom Zeitpunkt der Verdachtsanzeige; die Anzahl ist deshalb nicht identisch mit der Anzahl der Verdachtsanzeigen in demselben Jahr. ** 2013 sind erfasste Daten des Gesundheitsressorts. – 3 – Betrachtet man die Fallzahlen von 2009 bis 2017 mit dem oben genannten Hintergrund, ergibt sich nachfolgendes Mittel der „Anerkennungsquote“: BK- Nummer Angezeigt Anerkannt Anerkennungsquote Prozent 4103 2 049 1 364 66,57 4104 904 367 40,60 4105 494 385 77,94 3. Inwiefern liegen dem Senat Kenntnisse über Ablehnungsgründe vor? Die Senatorin für Wissenschaft, Gesundheit und Verbraucherschutz wird nach der „Vereinbarung über die Zusammenarbeit im Berufskrankheiten- Feststellungsverfahren“ zwischen den Unfallversicherungsträgern und der im Gesundheitsressort für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stelle nach Beendigung des Feststellungsverfahrens über die Entscheidung mit Übersendung des Bescheides informiert. Im Bescheid sind die Ablehnungsgründe ersichtlich. Primäre Ablehnungsgründe sind das Fehlen von medizinischen oder arbeitstechnischen Voraussetzungen zur Anerkennung einer Berufskrankheit der Nummer 4103, 4104 und 4105. Zum Beispiel können asbestbedingte Erkrankungen nicht nachgewiesen werden oder die geforderte Einwirkung einer kumulativen Asbestfaserstaub- Dosis am Arbeitsplatz von mindestens 25 Faserjahren bei der Berufskrankheit der Nummer 4104 wird nicht erreicht. 4. Wie viele Menschen aus Bremen und Bremerhaven sind aktuell auf Grundlage der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Versorgung als asbestexponierte Beschäftigte registriert? Entsprechende Zahlen liegen dem Gesundheitsressort nicht vor. Die Unfallversicherungsträger organisieren die arbeitsmedizinische Vorsorge von Personen, die während ihrer beruflichen Tätigkeit asbestfaserhaltigem Faserstaub ausgesetzt waren oder gegenwärtig noch Kontakt zu Asbestprodukten haben. Die Gesundheitsvorsorge (GVS) in Augsburg, eine zentrale Dienstleistungseinrichtung für die gesetzlichen Unfallversicherungsträger , organisieren im Auftrag der gesetzlichen Unfallversicherungsträger die arbeitsmedizinische Vorsorge von Personen, die während ihrer beruflichen Tätigkeit silikogenem, asbestfaserhaltigem oder künstlichem mineralischem Faserstaub der Kategorie 1A oder 1B ausgesetzt waren oder gegenwärtig noch sind. Im Rahmen dieser Auftragserfüllung erfasst die GVS gemäß § 204 Absatz 1 Nummer 2 SGB VII unter Beachtung der gesetzlichen Datenvorschriften Angaben dieser Personen. 5. Welche Vorfälle mit Asbestkontaminationen in öffentlichen Einrichtungen sind dem Senat seit dem Verbot bekannt geworden? Immobilien Bremen führt ein Asbestkataster für die von ihr zu verwaltenden öffentlichen Einrichtungen im Land Bremen. Der Wirtschaftsbetrieb Seestadt Immobilien verfügt ebenfalls über ein Asbestkataster der von ihm zu verwaltenden öffentlichen Liegenschaften in Bremerhaven. Vor Beginn von Baumaßnahmen wird in der Regel eine Anfrage gestellt, um die zu beauftragenden Baumaßnahmen ordnungsgemäß in Auftrag geben zu können. Die Sicherstellung der ordnungsgemäßen Sanierungs- oder Baumaßnahmen obliegt dem Bauherrn. Wenn bei Baumaßnahmen eine Kontamination stattfindet, wird dies der zuständigen Berufsgenossenschaft gemeldet. Die Berufsgenossenschaft ermittelt den Vorfall und leitet alle Schutzmaßnahmen gegenüber Personen im Gebäude und den Beschäftigten, welche die Arbeiten ausführen, ein. Eine Meldepflicht gegenüber der für den Arbeitsschutz zuständigen Gewerbeaufsicht des Landes Bremen gibt es nicht. Die Gewerbeaufsicht wird anlassbezogen im Rahmen der Arbeitsschutzüberwachung tätig, – 4 – wenn ihr Hinweise vorliegen oder der Verdacht besteht, dass gegen Arbeitsschutzrecht verstoßen wird. 6. Setzt sich der Senat für die Anerkennung der Berufserkrankung in diesem konkreten Fall ein? Der Senat setzt sich bei Kenntnis eines Verdachts auf eine Berufskrankheit für eine umfassende rechtskonforme Prüfung der Voraussetzungen ein. Die Unfallversicherungsträger prüfen in eigener Zuständigkeit die gesetzlichen Voraussetzungen zur Anerkennung einer Berufskrankheit. Wenn jedoch bei der Prüfung der entscheidungserheblichen Unterlagen durch die Senatorin für Wissenschaft, Gesundheit und Verbraucherschutz im Feststellungsverfahren, unzureichende oder fehlerhafte Ermittlungen oder falsche Schlussfolgerungen der Unfallversicherungsträger festgestellt werden , kann der Senat eine ergänzende Ermittlung einfordern, bevor ein Bescheid der Unfallversicherungsträger ergeht. Auf das Feststellungsergebnis insgesamt hat der Senat keinen Einfluss. Bremische Bürgerschaft Drucksache 19 / 2094 Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE vom 6. März 2018 Asbesterkrankungen in Bremen Antwort des Senats vom 16. April 2019