Bremische Bürgerschaft Drucksache 19/2192 Landtag 14.05.19 19. Wahlperiode Antwort des Senats auf die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP vom 3. April 2019 „Abiturfragen aus dem gemeinsamen Abituraufgabenpool der Länder“ Die Fraktion der FDP hat folgende Kleine Anfrage an den Senat gerichtet: „Professoren, gerade auch der Universität Bremen, klagen über die nachlassenden Vorkenntnisse der Abiturienten aus diesem Bundesland. Die hohe Abbruchquote unter Studierenden aus Bremen erklären sie mit fehlender Vorbereitung auf eine akademische Ausbildung durch das Abitur. Der Erwerb der allgemeinen Hochschulreife ist in diesem Bundesland keine Garantie für eine Studienreife. Auch Arbeitgeber schlagen Alarm, sie nehmen eine Tendenz zum sichtbaren Leistungsunterschieden zwischen Bremer und Niedersächsischen Abiturienten war. Mit diesem Trend des sinkenden Kenntnisstandes von Abiturienten steht Bremen dabei nicht allein. Bundesweit wurde in den vergangenen Jahrzehnten das Niveau des Abiturs abgesenkt um die Abiturientenquote, wie von der OECD gefordert, zu erhöhen. Bremen hat die Chance verpasst hier aufzuholen und das eigene Abitur-Niveau im Bundesvergleich anzuheben. Im Gegenteil: Ein bundesdurchschnittliches Niveau konnte bisher nicht erreicht werden. Eine Anpassung an bundeseinheitliche Standards des Abitur-Niveaus ist dabei gerade für die Bremer Schüler extrem relevant um bei der Vergabe von Studienplätzen und Ausbildungen nicht abgehängt werden. Der Wohnort der Eltern darf nicht entscheidet sein für Bildungserfolg. Um Chancengleichheit für die Bremer Schüler zu garantieren muss ein Abitur aus Bremen muss den selben Wert besitzen wie ein Abitur aus einem anderen Bundesland. Ein nützliches Mittel zur Anhebung des Niveaus ist dabei die bundesweite Vereinheitlichung der Prüfungen. Um eine Vergleichbarkeit der Abiturleistungen bundesweit zu ermöglichen, bietet der Abituraufgabenpool der Länder der von der Kultusministerkonferenz bereitgestellt wird Abiturfragen für die schriftlichen Abschlussprüfungen an. Die Intensität der Nutzung dieser differiert dabei stark zwischen den einzelnen Bundesländern. Wie viele Aufgaben jedes Land in den Fragenkanon aufnimmt, bleibt diesem überlassen. Aufgrund der schlechten Ausgangslage bietet sich für Bremen hier eine Chance durch die einheitlichen Fragen eine Aufwertung des Bremer Abiturs zu erreichen. Dazu ist ein konsequenter Einsatz der Fragen aus dem Abituraufgabenpool der Länder notwendig. Wir fragen den Senat: Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 2 1. Wie viel Prozent der Fragen, die in dem vergangenen drei Schuljahren im schriftlichen Abitur gestellt wurden, entstammen dem gemeinsamen Abituraufgabenpool der Länder? Bitte aufschlüsseln nach Prüfungsfach. 2. Wie bewertet der Senat diese Quote? 3. Wird eine Entwicklung hin zu einer 100% Nutzung der Aufgaben aus dem gemeinsamen Abituraufgabenpool der Länder angestrebt? Bitte begründen. 4. Welche Erkenntnisse liegen über Qualität und Quantität der Beantwortung dieser Fragen im Vergleich zu den Fragen, die nicht diesem gemeinsamen Abituraufgabenpool der Länder entstammen vor und welche Schlüsse und Konsequenzen zieht der Senat daraus? 5. Welche Erkenntnisse liegen dem Senat über die prozentuale Nutzung der Abiturprüfungsfragen aus dem gemeinsamen Abituraufgabenpool der Länder für andere Bundesländer vor? 6. Wie bewertet der Senat diese Nutzung der gemeinsamen Abituraufgaben der anderen Bundesländer und welche Konsequenzen zieht der Senat daraus? 7. Welches Ausbau-Potential sieht der Senat bei Abituraufgabenpool der Länder und zu wann sind weitere Entwicklungen diese geplant? 8. Welche Anpassungen der Lehrpläne sind nach Ansicht des Senats nötig um eine 100 Prozentige Nutzung der Abituraufgabenpool der Länder als Abiturfragen des Landes Bremens zu ermöglichen? Hat es hier bereits Anpassungen gegeben oder sind diese geplant? Bitte begründen.“ Der Senat beantwortet die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung Die vorliegende Anfrage der FDP stellt in ihrem Vortext eine Reihe von Behauptungen über den Bildungsstand und die Kenntnisse von Abiturientinnen und Abiturienten auf. So wird von einem über die Jahre sinkenden Kenntnisstand bei den Abiturientinnen und Abiturienten ausgegangen , der für die Bremer Absolventinnen und Absolventen in besonderem Maße gelte. Auch wird eine Verbindung hergestellt zwischen der Höhe der Quote der Schülerinnen und Schüler, die die Allgemeine Hochschulreife erwerben auf der einen, sowie der Höhe der Quote der Studienabbrecher auf der anderen Seite – dies auch bezogen auf die einzelnen Bundesländer. Dem Senat sind keine Studien bekannt, aus denen sich bundeslandspezifische Abbruchquoten in dem von der FDP hergestellten Zusammenhang ableiten lassen. Auch die im Mai 2018 öffentlich diskutierte Studie der Universität Bremen hat hierzu keine Aussagekraft. Die Analysen des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung zu den Studienabbruchquoten legen einen Hinweis auf den Zusammenhang zwischen Abbruch- und Berechtigungsquote nicht nahe. Im Gegensatz zu den eingangs der Anfrage aufgestellten Behauptungen sind dem Senat keine Belege für einen sinkenden „Kenntnisstand“ der Absolventinnen und Absolventen bekannt. Grundlage für das Handeln des Senats sind in diesem Zusammenhang die Beschlusslagen der Kultusministerkonferenz (KMK) zur Sicherung der Studierfähigkeit. In der KMK haben die Länder 2012 Bildungsstandards für die Allgemeine Hochschulreife in den zentralen Fächern beschlossen. Diese sind für alle Bildungsgänge, die zur Allgemeinen Hochschulreife führen, verbindlich und gelten für alle Schülerinnen und Schüler innerhalb dieser Bildungsgänge. Die Bildungsstandards beschreiben Kompetenzen, über welche Schülerinnen und Schüler am Ende der gymnasialen Oberstufe in der Regel verfügen sollen. Zudem wurden für die betreffenden Fächer die länderübergreifend verbindlichen Vorgaben für die Gestaltung der Abitur- Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 3 prüfungen weiterentwickelt. Diese legen Aufgabenformate fest, die in der Abiturprüfung eingesetzt werden können, geben Richtlinien für die Bewertung der Schülerleistungen vor und beschreiben Rahmenbedingungen der Prüfungen, die eingehalten werden müssen. Die Bildungsstandards für die Allgemeine Hochschulreife gelten ab dem Schuljahr 2016/2017 als verbindliche Grundlage für die Abiturprüfungen. Es werden allgemeine Kriterien für die Gestaltung, Korrektur und Bewertung von standardbasierten Abiturprüfungsaufgaben entwickelt . Bremen arbeitet in einer Gruppe von acht Ländern mit, die bereits vor dem Abitur 2017 gemeinsam entwickelte standardbasierte Aufgaben in den Abiturprüfungen ihrer Länder eingesetzt haben. 1. Wie viel Prozent der Fragen, die in dem vergangenen drei Schuljahren im schriftlichen Abitur gestellt wurden, entstammen dem gemeinsamen Abituraufgabenpool der Länder? Bitte aufschlüsseln nach Prüfungsfach. Mit der Koordination eines Aufgabenpools für Abituraufgaben hat die KMK 2013 das Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) beauftragt. Es werden Aufgaben für die Fächer Deutsch, Mathematik, Englisch und Französisch für den Pool entwickelt . In den bremischen Abiturprüfungen wurde wie folgt auf zentral erstellte Aufgaben zurückgegriffen : Abitur 2016 Abitur 2017 Abitur 2018 Deutsch Leistungskurs 33% 33% 33% Grundkurs - 0 0 Mathematik* Leistungskurs 50% 100% 90% Grundkurs - 90% 70% Englisch Leistungskurs - 50% 75% Grundkurs - 75 % 50% Französisch Leistungskurs - 50% 50% Grundkurs - 50% 50% * Die Angabe bezieht sich auf länderübergreifend erstellte Aufgaben (Pool oder Ländergruppe) Für das Abitur 2016 lagen keine Aufgaben aus dem von der KMK beauftragten Aufgabenpool vor (der Einsatz der Aufgaben begann mit dem Abitur 2017). Für 2016 sind die von acht Ländern gemeinsam entwickelten Aufgaben angeführt, in Deutsch und Mathematik wurden sämtliche entwickelten Aufgaben eingesetzt. Die Aufgabenentwicklung bezog sich nur auf die Prüfungen in den Leistungskursen. Für 2018 war in Mathematik ein höherer Anteil von Aufgaben aus dem Pool vorgesehen, musste jedoch kurzfristig durch landeseigene Aufgaben ersetzt werden, nachdem die Aufgaben in einem anderen Land infolge Diebstahls vorzeitig bekannt geworden waren. 2. Wie bewertet der Senat diese Quote? Alle Aufgaben, die verwendet werden konnten, sind in der Prüfung eingesetzt worden. In den sprachlichen Fächern setzt dies häufig einen direkten Bezug zu literarischen Themen und Werken voraus, wodurch die Anzahl der im Pool befindlichen Aufgaben begrenzt ist. Die im Grundsatz hohe Quote in Bremen belegt die umfassende Nutzung des Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 4 Aufgabenpools und sorgt für eine Vergleichbarkeit der Abiturprüfungen Bremens und denen der anderen teilnehmenden Bundesländer. Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 5 3. Wird eine Entwicklung hin zu einer 100 % Nutzung der Aufgaben aus dem gemeinsamen Abituraufgabenpool der Länder angestrebt? Bitte begründen. Die ausschließliche Verwendung von Aufgaben aus dem Pool ist im Beschluss der KMK zum Konzept für einen Pool von 2013 nicht intendiert, in einigen Bereichen – vor allem in den Fächern, deren Aufgaben einen ausgewiesenen Literaturbezug haben – wird eine Steigerung der Nutzungsrate aber angestrebt. Dazu wird von Ländern, insbesondere den Ländern, die bereits vor dem Einsatz des IQB Aufgabenpools gemeinsame Aufgaben entwickelt haben, eine Weiterentwicklung des Pools betrieben. Thematische Absprachen zwischen den Ländern steigern die Nutzungsmöglichkeiten der Pool-Aufgaben . 4. Welche Erkenntnisse liegen über Qualität und Quantität der Beantwortung dieser Fragen im Vergleich zu den Fragen, die nicht diesem gemeinsamen Abituraufgabenpool der Länder entstammen vor und welche Schlüsse und Konsequenzen zieht der Senat daraus? Im Rahmen der Abiturprüfung 2017 sind für eine Stichprobe Daten über die Lösungshäufigkeiten der Aufgaben in den Fächern erhoben worden. Deutsch Die Bewertungen der Pool-Aufgaben sind im Schnitt 0,3 Punkte besser als die der Bremer Aufgaben, die Pool-Aufgabe ist damit eher als leichter einzuschätzen. Der Unterschied ist statistisch nicht bedeutsam. Mathematik Die Pool-Aufgaben sowie die Bremer Aufgaben haben jeweils eine mittlere Lösungshäufigkeit von 60 % (Grundkurs), für den Leistungskurs liegt die Lösungshäufigkeit bei 54 %. Englisch Die Pool-Aufgaben haben eine mittlere Lösungshäufigkeit von 68 %, die Bremer Aufgaben liegen bei 53 % (Leistungskurs), beim Grundkurs sind die entsprechenden Werte 60 % (Pool) und 53 % (Bremen). Französisch Die Pool-Aufgaben haben eine mittlere Lösungshäufigkeit von 70 %, die Bremer Aufgaben liegen bei 64 % (Leistungskurs). Der Vergleich zwischen den mittleren Lösungshäufigkeiten von Abituraufgaben, die in Bremen erstellt worden sind, mit denen aus dem Pool macht deutlich, dass alle Aufgaben ein gemeinsames Niveau haben und gleichwertige Anforderungen an die Prüflinge stellen. Die länderübergreifende Erarbeitung von Abituraufgaben hat dazu beigetragen, dass die Abituraufgaben gleichwertige Anforderungen stellen. Die Grundlagen für die Bewertung von Abituraufgaben sind in Ziff. 8.4 der „Vereinbarung zur Gestaltung der gymnasialen Oberstufe und der Abiturprüfung“ (Beschluss der KMK von 1972, i.d.F. vom 15.2.2018) festgeschrieben worden, insbesondere ist ein Bewertungsraster sowie die Regelung über den Abzug von bis zu 2 Punkten bei „schwerwiegenden und gehäuften Verstößen gegen die sprachliche Richtigkeit“ vorgegeben. Für 2016 und 2018 liegen keine Daten vor. Der Aufgabenpool stand erstmalig 2017 zur Verfügung (s. Antwort zu Frage 1). Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 6 5. Welche Erkenntnisse liegen dem Senat über die prozentuale Nutzung der Abiturprüfungsfragen aus dem gemeinsamen Abituraufgabenpool der Länder für andere Bundesländer vor? 6. Wie bewertet der Senat diese Nutzung der gemeinsamen Abituraufgaben der anderen Bundesländer und welche Konsequenzen zieht der Senat daraus? Diese Fragen werden zusammen beantwortet: Der Anteil der Aufgaben aus dem Aufgabenpool, der von den Ländern in der Abiturprüfung genutzt worden ist, liegt für das Fach Mathematik vor. Bremen gehört zu den wenigen Ländern, die in den beiden bisherigen Prüfungsdurchgängen seit Bereitstellung der Poolaufgaben eine Nutzungsquote von 80 % und mehr erreicht haben. Eine Bewertung der Nutzung der Aufgaben aus dem Aufgabenpool durch die übrigen Länder ist dem Senat nicht möglich. 7. Welches Ausbau-Potential sieht der Senat bei Abituraufgabenpool der Länder und zu wann sind weitere Entwicklungen diese geplant? Die effektivere Nutzung der Aufgaben aus dem Pool ist insbesondere dann möglich, wenn die Aufgaben einen direkten thematischen oder literarischen Bezug haben. Diese Aufgaben werden häufig von ein oder zwei Ländern verwendet, während übrige Aufgaben auch von einer größeren Gruppe eingesetzt werden. Wie bereits bei Frage 3 ausgeführt , bringen die acht Länder, die bereits vor der Bereitstellung von Poolaufgaben gemeinsame Abituraufgaben eingesetzt haben, ihre Erfahrungen in die Weiterentwicklung des Pools ein. Eine Entscheidung über die Bereitstellung von Abituraufgaben in weiteren Fächern wird die KMK nach Vorlage der zurzeit sich in Erarbeitung befindenden Bildungsstandards für die Fächer Biologie, Chemie und Physik treffen. 8. Welche Anpassungen der Lehrpläne sind nach Ansicht des Senats nötig um eine 100 Prozentige Nutzung der Abituraufgabenpool der Länder als Abiturfragen des Landes Bremens zu ermöglichen? Hat es hier bereits Anpassungen gegeben oder sind diese geplant? Bitte begründen. Wie bereits in Frage 3 angeführt, ist eine hundertprozentige Nutzung des Aufgabenpools durch den KMK-Beschluss von 2013, in dem das Konzept zum Aufgabenpool beschlossen wurde, nicht intendiert. Mit dem Beschluss der KMK-Vereinbarung über die Bildungsstandards für die Fächer Deutsch, Mathematik, Englisch und Französisch für die Allgemeinen Hochschulreife sind die Bildungspläne sowie die Abiturrichtlinien für die entsprechenden Fächer überarbeitet worden. Der Bildungsplan für die fortgeführten modernen Fremdsprachen in der Qualifikationsphase der Gymnasialen Oberstufe wurde neu erarbeitet und ist 2015 erlassen worden. Handlungsbedarf besteht aus Sicht des Senats aktuell nicht, da der Aufgabenpool gerade Aufgaben bereitstellt, die auf Basis der 2012 beschlossenen Bildungsstandards erarbeitet worden sind. Die Bildungsstandards wurden in den vergangenen Jahren in Bremen bereits implementiert. Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft