– 1 – B R E M I S C H E B Ü R G E R S C H A F T Drucksache 19 / 2194 Landtag 19. Wahlperiode Kleine Anfrage der Fraktion der SPD vom 5. April 2019 Zukunft der Zirkusse und ihrer Beschäftigten „Zirkus ist mehr als der traditionelle Zirkus mit Zelt und Manege, der von Stadt zu Stadt reist. Zirkus ist ein Sammelbegriff für eine Fülle von Erscheinungsformen und Ausprägungen einer Kunstform, die tief im kulturellen Leben Deutschlands und Europas verwurzelt ist. Wenn in Bremen in den letzten Jahren überhaupt über Zirkusse gesprochen wurde, dann dominiert die Diskussion und die Proteste gegen Wildtiere in Zirkussen. Das verengte den Blick auf diesen einen Aspekt des Zirkus und ließ andere Aspekte und Probleme außer Acht. Diese Probleme muss man aber in den Blick nehmen, wenn man die Zukunft für Zirkusse und ihre Beschäftigten in verlässliche Bahnen lenken will. Die Europäische Union hat mit Beschluss des Europaparlamentes (Entschließung des Europäischen Parlaments zu neuen Herausforderungen für den Zirkus als Teil der Kultur Europas (2004/2266[INI]) die Mitgliedstaaten bereits 2005 dazu aufgefordert, Zirkus als Teil Europäischer Kultur anzuerkennen. Als Reaktion auf das große Zirkussterben hat man in Frankreich bereits in den Siebzigerjahren Jahren die Zuständigkeit für Zirkus vom Landwirtschaftsministerium auf das Kulturministerium verlegt und in einer interministeriellen Kommission die Grundlagen für eine Erneuerung des Zirkus geschaffen. Zu diesen geschaffenen Grundlagen gehören unter anderem ein reformiertes und sehr differenziertes Ausbildungssystem für Zirkusartisten, Kulturförderung für Zirkusproduktionen, Produktionsorte, Theater und Festivals sowie Regionalzentren mit Beratungsfunktion, Forschung im Bereich Zirkus und eine landesweite Informations- und Verbandsstruktur. Im Laufe der letzten Jahrzehnte haben Länder wie Schweden und Belgien ähnliche Schritte unternommen. In Deutschland liegt die administrative Zuständigkeit für Zirkusangelegenheiten weiterhin als reisegewerbliche Angelegenheiten ausschließlich bei den für Wirtschaft zuständigen Behörden. Unabhängig von der Qualifikation als Gewerbeangelegenheit oder als Kulturgut, ergeben sich für Zirkusbetriebe und Beschäftigte, Zukunftsfragen an die Rahmensetzung ihrer Tätigkeit. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: 1. Welche Außenwerbemöglichkeiten mit Plakaten im öffentlichen Raum für Gastspiele von Zirkussen in Bremen und Bremerhaven stehen in Anbetracht der kommunalen Konzessionsvergaben zur Verfügung? Hält der Senat diese Möglichkeiten in Anbetracht der Besonderheiten der Werbung für reisende Zirkusse für angemessen? Beabsichtigt er bei künftigen Konzessionsvergaben für die Zirkuswerbung Erleichterungen festzuschreiben ? 2. Welche kommunalen und privaten Grundstücke stehen für Zirkusvorstellungen zur Verfügung und welche Vergabe-, Genehmigungs- oder Auflagenpraxis besteht, damit die erforderlichen fliegenden Bauten errichtet werden können? Hält der Senat diese Praxis in Anbetracht der wirtschaftlichen Bedingungen des Zirkusgewerbes für angemessen? Sieht der Senat – 2 – Möglichkeiten, gegebenenfalls auch im Rahmen von Zwischennutzungen, mehr Spielstätten zur Verfügung zu stellen? 3. Wie viele Zirkusgastspiele mit wie vielen Vorstellungen hat es in Bremen und Bremerhaven in den letzten fünf Jahren gegeben? Ist diese „Gastspieldichte “ mit anderen Großstädten vergleichbar oder finden in Bremen und Bremerhaven weniger Gastspiele statt? Wenn weniger Gastspiele stattfinden sollten, welche Gründe sieht der Senat hierfür und wie gedenkt er darauf zu reagieren? Subsumiert der Senat reisende Zirkusse in den Adressatenkreis des Mittelstandsförderungsgesetzes und welche Auswirkungen hat dieses für die Ausgestaltung bestehender steuer- und gewerberechtlicher Verfahren für diese Reisegewerbe? Sieht der Senat hiervon unabhängig Möglichkeiten zum Bürokratieabbau für das Zirkusgewerbe beziehungsweise seine Beschäftigten? 4. Sind dem Senat Strategien zur Gewinnung von darstellenden Zirkusfachkräften in Beziehung auf Ausbildung, Fortbildung und Beratung vergleichbar der Tanz-Transition-Stiftung anderenorts bekannt und in welcher Form unterstützt er solche? 5. Wie gedenkt der Senat im Bundeskontext mit der Aufforderung des Europäischen Parlaments umzugehen, und wie wird er sich auf Bundesebene dafür verwenden, dass Deutschland sich an den Vorbildern Frankreich, Schweden und Belgien orientiert?" Stephanie Dehne, Björn Tschöpe und Fraktion der SPD D a z u Antwort des Senats vom 22. Mai 2019 1. Welche Außenwerbemöglichkeiten mit Plakaten im öffentlichen Raum für Gastspiele von Zirkussen in Bremen und Bremerhaven stehen in Anbetracht der kommunalen Konzessionsvergaben zur Verfügung? Hält der Senat diese Möglichkeiten in Anbetracht der Besonderheiten der Werbung für reisende Zirkusse für angemessen? Beabsichtigt er bei künftigen Konzessionsvergaben für die Zirkuswerbung Erleichterungen festzuschreiben ? Im Rahmen des „Gestattungsvertrages über die Ausübung von Werberechten auf öffentlichen Flächen der Freien Hansestadt Bremen, Stadtgemeinde “ vom 22. Januar 2010 wurde mit dem Vertragspartner, der Deutschen Telekom AG vereinbart, dass Werbung für Zirkusse im öffentlichen Raum für kurze Zeiträume geduldet und nicht als Wildwerbung interpretiert wird. In Bremerhaven besteht ein Vertrag zwischen dem Magistrat und der Deutsche Städte Medien Ströer (DSM). Darüber hinaus besteht die Möglichkeit der Werbung auf privaten Flächen, zum Beispiel an Zäunen. Diese Möglichkeiten der Außenwerbung hält der Senat für angemessen. Erleichterungen sind nicht erforderlich. 2. Welche kommunalen und privaten Grundstücke stehen für Zirkusvorstellungen zur Verfügung und welche Vergabe-, Genehmigungs- oder Auflagenpraxis besteht, damit die erforderlichen fliegenden Bauten errichtet werden können? Hält der Senat diese Praxis in Anbetracht der wirtschaftlichen Bedingungen des Zirkusgewerbes für angemessen? Sieht der Senat Möglichkeiten, gegebenenfalls auch im Rahmen von Zwischennutzungen, mehr Spielstätten zur Verfügung zu stellen? Die großen Zirkusgastspiele in Bremen fanden in der Vergangenheit überwiegend auf der Bürgerweide statt. Die Fläche steht auch weiterhin zur Verfügung. Während des Veranstaltungszeitraumes von Großveranstal- – 3 – tungen auf der Bremer Bürgerweide, wie beispielsweise dem Bremer Freimarkt und der Bremer Osterwiese (inklusive Auf- und Abbauzeiten), bestehen Einschränkungen. Sofern Zirkusgastspiele auf öffentlichen oder privaten Flächen stattfinden sollen, ist eine Sondernutzungserlaubnis beziehungsweise eine Erlaubnis des/der Grundstückseigentümers/-eigentümerin erforderlich. Aktuell wurden mangels vorliegender Anträge keine Sondernutzungserlaubnisse für die Nutzung von öffentlichen Verkehrsflächen für Zirkusse, die keine Grünflächen sind, erteilt. Für Grünflächen gilt, dass mit Ausnahme des Emmaplatzes in Schwachhausen , Zirkusveranstaltungen nicht genehmigt werden, da derartige Veranstaltungen die Anlagen zu sehr beanspruchen und dort Schäden durch Fahrzeuge, Wohnwagengespanne, Tierhaltung et cetera. nicht auszuschließen sind. In der Vergangenheit wurde bei derartigen Anträgen auf öffentliche Freiflächen verwiesen, die nicht als Grünanlage gestaltet sind wie zum Beispiel die Freifläche in Habenhausen hinter der DEKRA aus Richtung Erdbeerbrücke oder Freiflächen in der Überseestadt. Die Stadtgemeinde Bremerhaven stellt grundsätzlich keine öffentlichen Grundstücke für Zirkusse mehr zur Verfügung. Über Anträge auf Nutzung von privaten Flächen liegen dem Senat keine Erkenntnisse vor. Der Aufbau fliegender Bauten, die einer Ausführungsgenehmigung bedürfen , ist der örtlichen Bauaufsicht vom Betreiber anzuzeigen. Die Bauaufsicht kann vor der Inbetriebnahme eine Gebrauchsabnahme durchführen, bei der insbesondere die Betriebs- und Standsicherheit des Fliegenden Baus geprüft werden. Unbedeutende Fliegende Bauten wie Toilettenwagen, Losbuden, Verkaufswagen oder Ähnliches müssen nicht angezeigt werden. Diese Praxis hält der Senat für angemessen. Grundsätzlich ist eine Zwischennutzung von Grundstücken als Veranstaltungsfläche für Zirkusse möglich. Es bedarf jedoch in jedem Einzelfall der Prüfung, ob die konkrete Nutzung in Betracht kommt. 3. Wie viele Zirkusgastspiele mit wie vielen Vorstellungen hat es in Bremen und Bremerhaven in den letzten fünf Jahren gegeben? Ist diese „Gastspieldichte “ mit anderen Großstädten vergleichbar oder finden in Bremen und Bremerhaven weniger Gastspiele statt? Wenn weniger Gastspiele stattfinden sollten, welche Gründe sieht der Senat hierfür und wie gedenkt er darauf zu reagieren? Subsumiert der Senat reisende Zirkusse in den Adressatenkreis des Mittelstandsförderungsgesetzes und welche Auswirkungen hat dieses für die Ausgestaltung bestehender steuer- und gewerberechtlicher Verfahren für diese Reisegewerbe beziehungsweise sieht der Senat hiervon unabhängig Möglichkeiten zum Bürokratieabbau für das Zirkusgewerbe beziehungsweise seine Beschäftigten? Die Zahl der Zirkusgastspiele und der Vorstellungen im Land Bremen wird statistisch nicht erfasst. Das Bremische Gesetz zur Förderung kleinster, kleiner und mittlerer Unternehmen (Mittelstandsförderungsgesetz) dient in erster Linie dazu im Land Bremen eine ausgewogene Wirtschaftsstruktur herzustellen. Insofern sind alle Gewerbebetriebe mit Sitz in Bremen und Bremerhaven in die allgemeine Betrachtung mit einzubeziehen. Eine unmittelbare Wirkung auf die Ausgestaltung bestehender steuer- und gewerberechtlicher Verfahren für das Reisegewerbe sind durch das Mittelstandsförderungsgesetz nicht intendiert. Da sowohl die steuerlichen Mitwirkungspflichten, als auch die materiellen steuerrechtlichen Vorschriften durch Bundesgesetze geregelt werden, kommt dem (Bremischen) Mittelstandsförderungsgesetz insoweit keine Bedeutung zu. Dementsprechend ergeben sich keine Auswirkungen für die Ausgestaltung bestehender steuerrechtlicher Verfahren. Gleiches gilt – 4 – für gewerberechtliche Verfahren, welche sich nach der Gewerbeordnung, ebenfalls einem Bundesgesetz, richten. Seitens des Senats werden Möglichkeiten zum Bürokratieabbau für das Zirkusgewerbe beziehungsweise seine Beschäftigten nicht gesehen. 4. Sind dem Senat Strategien zur Gewinnung von darstellenden Zirkusfachkräften in Beziehung auf Ausbildung, Fortbildung und Beratung vergleichbar der Tanz-Transition-Stiftung anderenorts bekannt und in welcher Form unterstützt er solche? Die Transition-Stiftung vergibt Stipendien an Tanzschaffende im Übergang zu einem neuen Beruf nach der aktiven Tanzkarriere (= Transition). Sie ist in Berlin beheimatet und richtet sich bundesweit an Menschen, die ihre aktive Tanzkarriere beenden müssen. Dem Senat ist diese Stiftung bekannt. Eine vergleichbare Initiative im Land Bremen ist dem Senat nicht bekannt. Zirkusfachkräfte sind keine gesonderte Zielgruppe der Jobcenter, da es bislang keine Nachfragen aus diesem Bereich gab. Auch die vom Senator für Wirtschaft, Arbeit und Häfen finanzierten Weiterbildungsschecks wurden bislang aus der Zielgruppe der Zirkusbeschäftigten nicht nachgefragt. Insofern liegen dem Senat in Bezug auf die Gewinnung von darstellenden Zirkusfachkräfte keine Anfragen auf berufliche Unterstützung vor. 5. Wie gedenkt der Senat im Bundeskontext mit der Aufforderung des Europäischen Parlaments umzugehen und wie wird er sich auf Bundesebene dafür verwenden, dass Deutschland sich an den Vorbildern Frankreich, Schweden und Belgien orientiert? Bremen wird in den für das Reisegewerbe zuständigen Bundesgremien eine Diskussion darüber anregen, ob die besonderen Problemlagen von Zirkussen analog der Regelungen in anderen europäischen Ländern Veränderungen in den steuer- und gewerberechtlichen Rahmensetzungen erfordern könnten. Diese Fragestellungen könnten in Form einer Anhörung bearbeitet werden, in welchen auch anderen Aspekt beispielsweise die sozialrechtliche Absicherung und die Bildungs- und Ausbildungssituation erörtert werden. Bremen begreift Zirkusse nicht als Gegenstand der klassischen Kulturförderung, hat aber ein Interesse daran, dass der Aspekt „Zirkus als Kulturgut“ Berücksichtigung bei den sonstigen Rahmensetzungen für dieses Gewerbe erfährt. Bremische Bürgerschaft Drucksache 19 / 2194 Kleine Anfrage der Fraktion der SPD vom 5. April 2019 Zukunft der Zirkusse und ihrer Beschäftigten