— 1 — B R E M I S C H E B Ü R G E R S C H A F T Landtag 19. Wahlperiode Drucksache 19 / 230 (zu Drs. 19/130) 22. 12. 15 Mitteilung des Senats vom 22. Dezember 2015 Bedeutung und Perspektiven des Landesmindestlohns Die Fraktion DIE LINKE hat unter Drucksache 19/130 eine Große Anfrage zu obigem Thema an den Senat gerichtet. Der Senat beantwortet die vorgenannte Große Anfrage wie folgt: 1. Wie hat sich die Höhe des Landesmindestlohns in den Bundesländern, die ihn eingeführt haben, seit seiner jeweiligen Einführung bis heute entwickelt? Die nachfolgend dargestellten Mindestlohnbestimmungen sind überwiegend vergabespezifisch. Nur einige Bundesländer, wie z. B. Berlin, Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein haben Landesmindestlohnregelungen getroffen, die über den Anwendungsbereich des Vergaberechts hinausgehen. Der nachfolgenden Tabelle1) ist zu entnehmen, dass die Mindestlohnbestimmungen der Länder überwiegend einen mit dem Bundesmindestlohn übereinstimmenden Betrag von 8,50 ‡ vorsehen. Nur fünf Bundesländer geben Mindestlohnbestimmungen vor, die darüber liegen. Im Vergleich der Stadtstaaten gilt in Bremen der höchste Mindestlohnsatz. In den meisten Bundesländern ist der Mindestlohnbetrag seit Einführung der diesbezüglichen Vorgaben unverändert geblieben (sechs Bundesländer). Einführung/Höhe Aktuelle Höhe Bundesland des Mindestlohns des Mindestlohns Baden-Württemberg 1. Juli 2013; 8,50 ‡ 8,50 ‡ Bayern Keine Mindestlohn- — bestimmungen Berlin 22. Juli 2010; 7,50 ‡ 8,50 ‡ seit Juni 2012 Brandenburg 1. Januar 2012; 8,50 ‡ 8,50 ‡ Freie Hansestadt Bremen 1. September 2012; 8,50 ‡ 8,80 ‡ seit dem 1. Oktober 2014 Freie und Hansestadt Hamburg 10. Juni 2013; 8,50 ‡ 8,67 ‡ seit dem 1. Oktober 20152) Hessen Keine eigenständige Mindestlohnbestimmung , Tariftreueregelung verweist auf Bundesmindestlohn Mecklenburg- Vorpommern 16. Juli 2011; 8,50 ‡ 8,50 ‡ Niedersachsen 1. Januar 2014; 8,50 ‡ 8,50 ‡ Nordrhein-Westfalen 1. Mai 2012; 8,62 ‡ 8,85 ‡ seit dem 1. Januar 2015 Rheinland-Pfalz 1. März 2011; 8,50 ‡ 8,90 ‡ seit dem 1. Juli 2014 1) Die Daten der Tabelle stammen, soweit nicht gesondert ausgewiesen, aus folgender Quelle : http://www.boeckler.de/wsi-tarifarchiv_41545.htm, Stand: 11. November 2015. 2) Quelle: http://www.hamburg.de/arbeitsmarktpolitik/3693406/mindestlohn, Stand: 11. November 2015. — 2 — Einführung/Höhe Aktuelle Höhe Bundesland des Mindestlohns des Mindestlohns Saarland 22. März 2013; 8,50 ‡ 8,50 ‡ Sachsen Keine Mindestlohnbestimmung — Sachsen-Anhalt Keine Mindestlohnbestimmung — Schleswig-Holstein 1. August 2013; 9,18 ‡ 9,18 ‡ Thüringen Keine Mindestlohnbestimmung — 2. Wie wird bei der jährlichen Anpassung des bremischen Landesmindestlohns die Anhebung errechnet? Welche Faktoren fließen dabei wie ein? Die Festsetzung des bremischen Landesmindestlohns richtet sich nach § 9 Landesmindestlohngesetz (MindLohnG)3). Danach soll sich die Anpassung an der Lohn- und Einkommensentwicklung sowie an der Preissteigerung orientieren und dem Ziel dienen, einer vollzeitbeschäftigten alleinstehenden Person den Lebensunterhalt durch Arbeitseinkommen zu sichern. 3. Wie ist die Landesmindestlohnkommission in den verschiedenen Bundesländern zusammengesetzt, und wer entscheidet über ihre Zusammensetzung? Soweit in den Bundesländern eine Mindestlohnkommission bzw. eine vergleichbare Einrichtung besteht, ist diese jeweils paritätisch besetzt. In den Einzelheiten der Zusammensetzung und der diesbezüglichen Entscheidung bestehen zum Teil erhebliche Abweichungen, die der nachfolgenden Tabelle zu entnehmen sind. Entscheidung Bundesland Zusammensetzung über die Besetzung Baden-Württemberg – Mindestentgeltkommission – Einrichtung durch das Sozial- – zehn Mitglieder ministerium (§ 4 Abs. 2 Satz 2 – paritätische Besetzung (§ 4 LMTG) Abs. 2 Satz 3 des Landestariftreue und Mindestlohngesetzes , LMTG) Berlin – keine Kommission – Erhöhung gemäß § 2 des Berliner Ausschreibungsund Vergabegesetzes durch Rechtsverordnung des Senats Brandenburg – Mindestlohnkommission – Gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 – neun Mitglieder BbgVergG beruft das für Ar- • zwei abhängig Beschäftigte beit zuständige Mitglied der • zwei Arbeitgebervertreter Landesregierung die Mitglie- • zwei Vertreter der Wissen- der der Kommission. Die schaft oder des Ministeri- Hälfte der einfachen Mitglieums für Wirtschaft und der wird auf Vorschlag des Arbeit für Wirtschaft zuständigen • eine vorsitzende Person Mitglieds der Landesregie- (§ 4 Abs. 2 Brandenburgisches rung berufen. Gesetz über die Mindestanforderungen für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen [BbgVergG]) Freie Hansestadt – Landesmindestlohn- – Errichtung durch den Senat Bremen kommission gemäß § 8 MindLohnG – fünf Mitglieder – Berufung des Vorsitzenden – je zwei Arbeitgeber- und im Benehmen mit den Spitzwei Arbeitnehmervertreter zenorganisationen der Tarifund ein vorsitzendes Mit- parteien glied (§ 8 MindLohnG)3) – Spitzenorganisationen der Tarifparteien schlagen Mitglieder aus dem Kreis der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber vor. 3) Die Abkürzung MindLohnG in diesem Dokument steht für das Mindestlohngesetz für das Land Bremen (Landesmindestlohngesetz), Gesetzblatt der Freien Hansestadt Bremen vom 23. Juli 2012, Nr. 22, Seite 300. — 3 — Entscheidung Bundesland Zusammensetzung über die Besetzung Freie und Hanse- – keine Kommission stadt Hamburg – Erhöhung gemäß § 5 Hamburgisches Mindestlohngesetz durch Rechtsverordnung des Senats Hessen – keine Kommission, da kein eigenständiger Mindestlohn – Mindestlohn entsprechend den nach Bundesrecht geltenden Regelungen gemäß § 6 Hessisches Vergabeund Tariftreuegesetz Mecklenburg- – keine Kommission, keine Vorpommern Regelung Niedersachsen – Mindestentgeltkommission – Einrichtung und Berufung – sechs Mitglieder der Kommission durch das – paritätische Besetzung (§ 2 Fachministerium gemäß § 5 Verordnung über die Reprä- Abs. 2 Satz 3 Niedersächsisentativität von Tarifverträ- sches Tariftreue- und Vergagen und die Mindestengelt- begesetz in Verbindung mit kommission [VoTvMk]) § 2 VoTvMk Nordrhein-Westfalen – keine Kommission – Anpassung der Höhe des Mindeststundenentgeltes durch das für Arbeit zuständige Ministerium durch Rechtsverordnung gemäß § 4 Abs. 3 in Verbindung mit § 21 Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes über die Sicherung von Tariftreue und Sozialstandards sowie fairen Wettbewerb bei der Vergabe öffentlicher Aufträge Rheinland-Pfalz – Mindestentgeltkommission – Einrichtung durch das für – neun Mitglieder Arbeitsrecht zuständige Mi- • drei Arbeitgebervertreter nisterium gemäß § 3 Abs. 2 • drei Arbeitnehmervertreter Satz 1 LTG • drei sachverständige Personen (§ 2 Abs. 2 Landesverordnung zur Durchführung des § 3 Abs. 2 Satz 1 und 2 des Landestariftreuegesetzes [LTG]) Saarland – Mindestlohnkommission – Einrichtung durch das für – sieben Mitglieder Arbeitsrecht zuständige Mi- • drei Arbeitgebervertreter nisterium gemäß § 3 Abs. 5 • drei Arbeitnehmervertreter Satz 1 SSTVG • vorsitzende Person in Ver- – Bestellung auf Vorschlag der tretung des Ministeriums Spitzenorganisationen der für Wirtschaft, Arbeit, Gewerkschaften und der Ar- Energie und Verkehr beitgebervereinigungen § 2 ohne Stimmrecht Satz 2 (VoMl) (§ 3 Abs. 5 Satz 1 Gesetz Nr. 1798 über die Sicherung von Sozialstandards, Tariftreue und Mindestlöhnen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge im Saarland [SSTVG] in Verbindung mit § 2 Abs. 1 und 2 Verordnung zur Einrichtung einer Kommission zur Anpassung des Mindestlohns gemäß § 3 Absatz 5 Satz 1 des Saarländischen Tariftreuegesetzes [VoMl]) — 4 — Entscheidung Bundesland Zusammensetzung über die Besetzung Schleswig-Holstein – keine Kommission – Anpassung der Höhe des Mindestlohnes durch die Landesregierung durch Rechtsverordnung gemäß § 5 Abs. 1 und 2 Mindestlohngesetz für das Land Schleswig- Holstein Im Einzelnen 4. Wie hat sich die Zahl der Aufstockerinnen/Aufstocker im Land Bremen seit Einführung des Landesmindestlohns entwickelt? Seit Einführung des Landesmindestlohns im September 2012 hat die Zahl der erwerbstätigen Leistungsbezieherinnen und Leistungsbezieher (sogenannte Aufstocker ) um minus 42 Personen (- 0,2 %) auf 19 244 Personen abgenommen. Der Anteil der erwerbstätigen Leistungsbezieher an allen erwerbsfähigen Leistungsbeziehern ging um - 1,5-%-Punkte auf 27,3 % zurück. Diese Angaben beziehen sich auf die Berichtsmonate Juni 2015 (aktuellster Wert) und Juni 2012, also unmittelbar vor Einführung des Landesmindestlohns. 5. Wie hat sich die Lohnspreizung im Land Bremen seither entwickelt? Der Begriff der Lohnspreizung wird in der amtlichen Statistik nicht direkt statistisch erfasst. Die Verteilung der Verdienste kann aber auf der Grundlage der Verdienststrukturerhebung detailliert ausgewertet werden. Allerdings wird diese nur alle vier Jahre erhoben, zuletzt für das Jahr 2010. Die Erhebung für das Berichtsjahr 2014 ist zurzeit in Arbeit. Endgültige Ergebnisse werden ab Mitte 2016 erwartet4). Näherungsweise kann eine unterschiedliche Verdienstentwicklung durch Gegenüberstellung der sogenannten Leistungsgruppen der Arbeitnehmer im vierteljährlich berechneten Nominallohnindex betrachtet werden. Er wird fortlaufend berechnet auf der Grundlage der vierteljährlichen Verdiensterhebung5). Die nachfolgende Tabelle bildet auf der oben beschriebenen Grundlage die Entwicklung des Nominallohnindex ab. Tabelle: Arbeitnehmerverdienste im produzierenden Gewerbe und im Dienstleistungsbereich in Prozentpunkten6) Veränderung gegenüber dem 2015 Vorjahreszeitraum 1. Quar- 2. Quar- 3. Quar- 4. Quar- 2010 = 100 2012 2013 2014 tal tal tal tal Arbeitnehmer in leitender Stellung 5,2 - 2,1 2,6 - 0,8 3,6 — — Herausgehobene Fachkräfte 2,4 1,8 1,6 3,3 5,6 — — Fachkräfte 5,0 2,7 2,1 2,5 4,7 — — Angelernte Arbeitnehmer 4,4 1,0 0,7 0,1 5,0 — — Ungelernte Arbeitnehmer 0,1 9,4 1,5 - 2,3 3,3 — — ––––––– 4) Die Verdienststrukturerhebung umfasst bei rd. 900 Betrieben auch die Merkmale Geschlecht, bezahlte Stunden, Einfluss der öffentlichen Hand und Tarifbindung. Ab dem Erhebungsjahr 2014 werden die Angaben auch bei Betrieben unter zehn Beschäftigten erhoben. 5) Die vierteljährliche Verdiensterhebung erhebt die Angaben fortlaufend auf der Basis einer Stichprobe bei rd. 850 Betrieben mit mindestens zehn Beschäftigten. 6) Statistisches Landesamt Bremen (Herausgeber), Statistischer Bericht, NI1 – vj 2/15, Die Arbeitnehmerverdienste im produzierenden Gewerbe und im Dienstleistungsbereich, zweites Quartal 2015, Seite 15. — 5 — 6. Wie hat sich die Höhe des Lohnabstands zwischen Männern und Frauen seither entwickelt? Der Lohnabstand zwischen Männern und Frauen (Gender Pay Gap) wird ermittelt auf Basis der in der Antwort zu Frage 5 erläuterten Verdienststrukturerhebung, also zuletzt für das Jahr 2010. Durch die vierteljährliche Verdiensterhebung erfolgt eine Fortschreibung. Ab Mitte 2016 erfolgt eine Neuberechnung auf Basis der Verdienststrukturerhebung 2014. Nach den daraus hervorgehenden Zahlen hat sich der Lohnabstand zwischen Männern und Frauen in Bremen seit der Einführung des Landesmindestlohns leicht rückläufig entwickelt, ist im Bundesvergleich aber eher als hoch einzuschätzen . Tabelle: Verdienstunterschied zwischen Männern und Frauen7) Geschlechtsspezifischer Verdienstabstand in Prozentangaben nach Bundesländern in absteigender Reihenfolge Fort- Erhe- schrei- Erhebung bung bung Fortschreibung Bundesländer 2006 2009 2010 2011 2012 2013 2014 Niedersachsen 25 22 22 22 20 20 22 Freie Hansestadt Bremen 25 24 24 24 26 25 25 Nordrhein-Westfalen 24 23 23 23 23 22 22 Hessen 23 24 25 24 24 22 24 Rheinland-Pfalz 21 22 22 22 23 22 22 Baden-Württemberg 28 27 27 27 27 27 26 Bayern 23 25 26 25 25 25 24 Saarland 24 25 25 25 25 25 24 Berlin 14 15 14 13 13 11 10 Brandenburg 6 7 7 7 8 7 9 Mecklenburg-Vorpommern 2 3 4 5 5 4 5 Sachsen 9 9 9 10 11 10 11 Sachsen-Anhalt 3 3 4 5 6 7 8 Thüringen 6 6 6 7 6 7 5 Gesamtdeutschland 23 23 22 22 22 22 22 Anmerkung: Bei der Berechnung der Veränderungsraten des durchschnittlichen Bruttoverdienstes für Mecklenburg-Vorpommern konnten für 2006 bis 2009 geringfügig Beschäftigte nicht einbezogen werden. Methodischer Hinweis: Der Gender Pay Gap ist die Differenz des durchschnittlichen Bruttoverdienstes der Männer und Frauen im Verhältnis zum Bruttoverdienst der Männer. Aus dem vorliegenden Datenmaterial kann kein eindeutiger Rückschluss gezogen werden, ob sich die Einführung des Landesmindestlohns auf die Entwicklung des Gender Pay Gap ausgewirkt hat. Aus der nachfolgenden Tabelle ist zum einen erkennbar, dass der Lohnabstand zwischen Männern und Frauen im öffentlichen Dienst als Hauptanwendungsbereich des Landesmindestlohns generell deutlich niedriger ausfällt als in der Privatwirtschaft. Zum anderen entwickelt sich der Gender Pay Gap sowohl im öffentlichen Dienst wie auch in der Privatwirtschaft tendenziell leicht rückläufig. ––––––– 7) Quellen: Statistisches Landesamt Bremen (Herausgeber), Verdienststrukturerhebungen, fortgeschrieben mit Ergebnissen der vierteljährlichen Verdiensterhebung; Stand: November 2015, Seite 17. Für die Freie und Hansestadt Hamburg und Schleswig-Holstein liegen keine Daten vor. Statistisches Landesamt Bremen (Herausgeber), Statistischer Bericht, NI1 – vj 4/14, Die Arbeitnehmerverdienste im produzierenden Gewerbe und im Dienstleistungsbereich, viertes Quartal 2014, Seite 17. — 6 — Tabelle: Verdienstunterschied zwischen Männern und Frauen8) Geschlechtsspezifischer Verdienstabstand in Prozentangaben im öffentlichen Dienst und in der Privatwirtschaft (unbereinigt) in Gesamtdeutschland Fort- Erhe- schrei- Erhebung bung bung Fortschreibung Untergliederung 2006 2009 2010 2011 2012 2013 2014 Öffentlicher Dienst 9 7 7 7 6 6 6 Privatwirtschaft 25 25 25 25 25 24 24 Insgesamt 21 21 21 21 21 20 20 Anmerkung: Öffentlicher Dienst = Wirtschaftsabschnitte O (Öffentliche Verwaltung, Verteidigung und Sozialversicherung) und P (Erziehung und Unterricht) der Klassifikation der Wirtschaftszweige , Ausgabe 2008. Methodischer Hinweis: Der Gender Pay Gap ist die Differenz des durchschnittlichen Bruttoverdienstes der Männer und Frauen im Verhältnis zum Bruttoverdienst der Männer. 7. Wie hat sich die Größe des Niedriglohnsektors im Land Bremen seither entwickelt , d. h. des Beschäftigungssektors in dem Stundenlöhne bezahlt werden, die unterhalb von zwei Dritteln des mittleren Verdienstes (Median) liegen? Der Niedriglohnsektor im Lande Bremen kann fundiert nur auf der Grundlage der Verdienststrukturerhebung für das Land Bremen ermittelt werden (dazu bereits in der Antwort zu Frage 5). Zuletzt verfügbar sind die Angaben von 2006 und 2010. Die Erhebung für das Berichtsjahr 2014 ist noch in Arbeit, Ergebnisse liegen noch nicht vor, sie werden ab Mitte 2016 erwartet. 8. Welche Bereiche des öffentlichen Sektors erfasst der bremische Landesmindestlohn , welche nicht? Gilt er auch für Aktiengesellschaften, an denen Stadt oder Land die Mehrheit halten? Gilt er auch für Gesellschaften, an denen die Stadt eine hohe Beteiligung, aber keine Mehrheit hält? Gemäß § 3 MindLohnG haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Freien Hansestadt Bremen sowie der Stadtgemeinden Bremen und Bremerhaven unmittelbaren Anspruch auf den Landesmindestlohn. Gegenüber juristischen Personen des öffentlichen und privaten Rechts stellen das Land Bremen und die Stadtgemeinden Bremen und Bremerhaven gemäß § 4 MindLohnG im Rahmen ihrer rechtlichen Befugnisse sicher, dass diese ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern den Landesmindestlohn zahlen, wenn das Land oder die Stadtgemeinden • sie einzeln/gemeinsam durch Beteiligung oder auf sonstige Weise überwiegend finanzieren; • über ihre Leitung die Aufsicht ausüben oder • mehr als die Hälfte der Mitglieder eines ihrer zur Geschäftsführung oder zur Aufsicht berufenen Organe bestimmt haben. Aktiengesellschaften an denen Stadt oder Land die Mehrheit halten, fallen danach grundsätzlich in den Anwendungsbereich des § 4 MindLohnG. Für Gesellschaften, an denen die Stadt eine hohe Beteiligung aber keine Mehrheit hält, gilt der Landesmindestlohn nur dann, wenn diese im Übrigen von der Stadt, etwa durch Zuwendungen, überwiegend finanziert werden. 9. Wie viele Altverträge über öffentliche Aufträge bestehen derzeit noch, auf die der Landesmindestlohn keine Anwendung findet? Zur Beantwortung einer Großen Anfrage der Fraktion DIE LINKE im Jahr 2013 hat der Senat bereits eine Erhebung über die Anzahl der öffentlichen Aufträge durchgeführt, auf die der Mindestlohn keine Anwendung findet (Drs. 18/1088). Nach dem Ergebnis dieser Erhebung bestanden im Oktober 2013 noch 32 solcher Altverträge mit einem jährlichen Auftragsvolumen ab 5 000 ‡. ––––––– 8) Quelle: Statistisches Landesamt Bremen, Verdienststrukturerhebungen, fortgeschrieben mit Ergebnissen der vierteljährlichen Verdiensterhebung; Stand: November 2015. — 7 — Bei ca. 40 % dieser Verträge handelte es sich um befristete Verträge, die in den Jahren 2013/2014 ausgelaufen sind und bei Fortbestand des Bedarfs unter Berücksichtigung sowohl des Bremischen Tariftreue- und Vergabegesetzes als auch des MindLohnG neu auszuschreiben waren. Aktuellere Zahlen liegen dem Senat nicht vor. 10. Werden durch den Landesmindestlohn bedingte höhere Arbeitskosten den Zuwendungsempfängern in jedem Fall ersetzt? Nach § 5 Landesmindestlohngesetz werden Zuwendungen im Sinne des § 23 der Landeshaushaltsordnung nur gewährt, wenn sich der Zuwendungsempfänger verpflichtet, seinen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mindestens den Mindestlohn zu zahlen. Die Umsetzung dieser gesetzlichen Forderung erfolgt in der Bremer Verwaltung dezentral, d. h. es ist Aufgabe der jeweiligen zuwendenden Stelle zu prüfen, ob der zu zahlende Mindestlohn möglicherweise zu höheren Zuwendungen führt oder ob aufgrund der Mindestlohnzahlungspflicht andere Anpassungen erforderlich sind. Eine darüber hinausgehende Pflicht zur Ersetzung von Arbeitskosten im Zusammenhang mit dem Landesmindestlohn im Nachhinein bezogen auf den Zeitpunkt der Gewährung der Zuwendung besteht nicht. 11. Wie bewertet der Senat die Möglichkeit, den Landesmindestlohn dadurch festzulegen , dass er die unterste Entgeltgruppe des öffentlichen Dienstes abbildet? 12. Wie bewertet der Senat die Möglichkeit, den Landesmindestlohn durch Zuschläge nach Qualifikation, Beschäftigungsdauer und Branche stärker in die Richtung eines Mindesttarifs weiterzuentwickeln und seine Funktionen dadurch zu stärken ? Wie beurteilt der Senat die Erfahrung anderer europäischer Länder, die derart gestaffelte Mindestlöhne haben? 13. Wie bewertet der Senat die Möglichkeit, zusätzlich zum stundenbezogenen Mindestlohn auch einen monatsbezogenen Mindestlohn einzuführen, der für den öffentlichen Sektor und für die öffentliche Auftragsvergabe im Land Bremen zur Anwendung kommt? 14. Wie bewertet der Senat die Möglichkeit, auch die Jahreslohnsumme stärker in die wirtschaftspolitische Steuerung einzubeziehen, etwa durch Bindung von Wirtschaftsförderung an die Schaffung oder Erhaltung von Arbeitsplätzen mit einer festgelegten Mindestjahreslohnsumme? Wie beurteilt der Senat die Erfahrung anderer Bundesländer, die solche Instrumente haben (z. B. Berlin oder Sachsen-Anhalt)? 15. Wie bewertet der Senat die Möglichkeit, in gleicher Weise auch die Frage der Befristung stärker in die wirtschaftspolitische Steuerung einzubeziehen? Seit dem 1. Januar 2015 gilt in Deutschland (mit Ausnahme der Übergangsregelungen gemäß § 24 MiLoG) flächendeckend und branchenübergreifend ein einheitlicher Mindestlohn von 8,50 ‡. Damit wurde ein lange vom Land Bremen verfolgtes politisches Ziel erreicht und eine große Gerechtigkeitslücke geschlossen . Vor diesem Hintergrund besteht nach Auffassung des Senats kein Bedürfnis für eine Fortentwicklung des Landesmindestlohns (MindLohnG). Ein maßgeblicher Grund für die Verabschiedung des Landesmindestlohngesetzes lag darin, dass auf Bundesebene aufgrund der damaligen Mehrheitsverhältnisse im Bundestag keine Möglichkeit bestand, einen gesetzlichen Mindestlohn einzuführen. Dies lässt sich den Gesetzesmaterialien zum Landesmindestlohngesetz entnehmen (Bremische Bürgerschaft, Drucksache 18/477). Unter Berücksichtigung der Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das Arbeitsrecht schöpfte das Land seine eigenen Handlungsspielräume aus, um Niedrig- und Armutslöhnen entgegenzuwirken . Dem Land blieb es aus Kompetenzgründen jedoch versagt, eine Mindestlohnregelung zu schaffen, die sich unmittelbar auf die Arbeitsverhältnisse auswirkt. Bremen setzte sich daher weiterhin für die Einführung eines bundesweiten gesetzlichen Mindestlohnes ein, um für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ein existenzsicherndes Einkommen zu gewährleisten und damit der Verpflichtung gemäß Artikel 49 Abs. 2 der Bremer Landesverfassung nachzukommen . — 8 — Der Senat strebt nunmehr ohne Abstriche an den erreichten Standards eine Angleichung der Bundes- und Landesmindestlohnregelungen an. Der Senat hält die Fortgeltung unterschiedlichster Landesmindestlohnbestimmungen neben einem Bundesmindestlohn für nicht zielführend. Eine gesetzliche Lohnuntergrenze dient dazu, eine Lohnspirale nach unten zu verhindern (Bremische Bürgerschaft , Drucksache 18/477). Insbesondere eine Anknüpfung des Landesmindestlohns an die unterste Entgeltgruppe des öffentlichen Dienstes würde über eine Existenzsicherung hinausgehen und kommt daher nicht in Betracht. Als gesetzlicher Mindeststandard lässt der Mindestlohn Raum für weitergehende tarif- oder individualvertragliche Regelungen. Diesem Zweck kann ein einheitlicher bundesweit geltender Mindestlohn am besten entsprechen. Der Senat wird einen Gesetzentwurf in die Bürgeschaft (Landtag) einbringen, der eine Aussetzung des Verfahrens zur jährlichen Festsetzung des Landesmindestlohns gemäß § 9 MindLohnG vorsieht. Ergänzend zu Frage 13 Vergaberechtlich ist die Einbeziehung eines monatsbezogenen Mindestlohns in die Auftragsbedingungen kaum möglich. Da Auftragsbedingungen stets unmittelbar mit der Auftragsausführung im Zusammenhang stehen müssen, käme ein solcher Mindestlohn nur in Fällen in Betracht, in denen ein Arbeitnehmer den gesamten Monat ausnahmslos für den öffentlichen Auftraggeber tätig ist. Da aber genau in diesen Fällen der stundenbezogene Mindestlohn und der monatsbezogene Mindestlohn zum selben Ergebnis führen würden, hätte eine entsprechende Erweiterung des Tariftreue- und Vergabegesetzes keine Wirkung. 16. Wie hat sich der Anteil der tarifgebundenen Arbeitsverhältnisse in den letzten zehn Jahren entwickelt – a) in Deutschland, b) im Land Bremen? Abbildung 28: Betriebe und Beschäftigte mit Tarifbindung Quelle: IAB-Betriebspanel Bremen, Befragungswellen 2000 bis 2014. In den letzten zehn Jahren ist in Deutschland wie auch in Bremen ein Rückgang tarifgebundener Beschäftigungsverhältnisse zu verzeichnen, wobei eine Verlangsamung der rückläufigen Entwicklung erkennbar ist. Dies lässt sich anhand nachfolgender Abbildung9) aus dem IAB-Betriebspanel 2014 entnehmen. In der Zusammenfassung der Ergebnisse des IAB-Betriebspanels Bremen (2014) heißt es dazu bezogen auf das Bundesland Bremen wie folgt: „Im Jahr 2014 war nur noch jeder vierte Bremer Betrieb durch einen Branchenoder Haustarifvertrag gebunden. Der in den letzten Jahren beobachtete Abwärtstrend hat sich damit auch im vergangenen Jahr fortgesetzt. Eine ähnliche Entwicklung war auch im Durchschnitt westdeutscher Großstädte und im Bundesdurchschnitt zu beobachten. Die Anteile tarifgebundener Betriebe waren allerdings höher als in Bremen. Der Anteil der von einem Branchen- oder Haustarifvertrag erfassten Beschäftigten betrug im letzten Jahr 58 %. In Bremen waren ––––––– 9) Senator für Wirtschaft, Arbeit und Häfen (Herausgeber): Beschäftigungstrends, Ergebnisse der jährlichen Arbeitgeberbefragung, IAB-Betriebspanel Bremen, Befragungswelle 2014, Bremen 2015. — 9 — damit ähnlich viele Arbeitnehmer tariflich gebunden wie im Durchschnitt westdeutscher Großstädte und im Bundesdurchschnitt.“10) 17. Wie hat sich in Deutschland die Zahl der Allgemeinverbindlichkeitserklärungen von Tarifverträgen in den letzten zehn Jahren entwickelt? Die Anzahl der Allgemeinverbindlicherklärungen von Tarifverträgen hat sich in den letzten zehn Jahren rückläufig entwickelt. Aus dem Verzeichnis der für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS)11) ergibt sich folgende Übersicht: In der Aufstellung des BMAS werden sowohl Ursprungs- wie auch allgemeinverbindliche Änderungs- und Ergänzungsverträge berücksichtigt. Die nachfolgende Darstellung12) gibt einen Überblick über die Anzahl für allgemeinverbindlich erklärter Ursprungstarifverträge: ––––––– 10) Senator für Wirtschaft, Arbeit und Häfen (Herausgeber): Beschäftigungstrends, Ergebnisse der jährlichen Arbeitgeberbefragung IAB-Betriebspanel Bremen, Befragungswelle 2014, Bremen 2015, Seite 10. 11) Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Herausgeber), Verzeichnis der für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge, Stand: 1. Oktober 2015, Seite 7. 12) Hans-Böckler-Stiftung (Herausgeber), Böckler Impuls, Leichter zum allgemeinverbindlichen Tarif, 20/2013, Seite 1. Druck: Anker-Druck Bremen