BREMISCHE BÜRGERSCHAFT Drucksache 19/438 Landtag 19. Wahlperiode 17.05.2016 Antwort des Senats auf die Kleine Anfrage der Fraktion der CDU Pflegebetrug in Bremen und Bremerhaven Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft Antwort des Senats auf die Kleine Anfrage der Fraktion der CDU vom 21. April 2016 "Pflegebetrug in Bremen und Bremerhaven“ Die Fraktion der CDU hat folgende Kleine Anfrage an den Senat gerichtet: „Nach aktuellen Medienberichterstattungen ist es in mehreren deutschen Kommunen zu Pflegebetrug im großangelegten Stil gekommen. Erste staatsanwaltschaftliche Ermittlungen gehen von organisierter Kriminalität im Pflegebereich aus. Russische und osteuropäische Banden sind mutmaßlich daran beteiligt. Zu einem regionalen Schwerpunkt des Betrugs soll es in Bremen und Bremerhaven gekommen sein. Möglicherweise ist dabei ein Schaden im mehrstelligen Millionenbereich entstanden, weil Leistungen für nichtexistierende Patienten und Patientinnen abgerechnet, oder Pflegedokumentationen systematisch gefälscht wurden. Von den Ermittlungen betroffen sind vor allem der ambulante Pflegebereich, sowie Seniorenwohngemeinschaften und betreute Wohnformen. Eine Gefährdung von pflegebedürftigen Menschen ist im Rahmen dieser Betrugsfälle nicht auszuschließen. Auf Grund der hohen Aktualität des Themas und der zu erwartenden finanziellen Auswirkungen fordert die Fragestellerin den Senat auf, die vorliegende Anfrage innerhalb von drei Wochen zu beantworten (§ 29 Abs. 1 Satz 2 GO) Wir fragen den Senat: 1. Wie viele strafrechtliche Ermittlungsverfahren wegen Pflegebetruges mit welchem Ausgang wurden seit 2015 in Bremen und Bremerhaven eingeleitet? Wie viele gerichtliche Verfahren mit welchem Ausgang fanden im gleichen Zeitraum statt? (bitte aufgeschlüsselt nach Stadtgemeinden) 2. Nach welchem Schema liefen die bekannten Betrugsfälle in Bremen und Bremerhaven ab? Welche Einrichtungen im Bereich Pflege waren davon vorrangig betroffen ? Von welchem Schaden für die Kranken- und Pflegekassen sowie die Träger und Einrichtungen geht der Senat derzeit aus? Welche Maßnahmen plant der Senat, um ggf. Gelder zurückzufordern? (bitte aufgeschlüsselt nach Stadtgemeinden) 3. Welche Erkenntnisse hat der Senat darüber, dass es im Rahmen des Pflegebetrugs zu Schädigungen von Patientinnen und Patienten gekommen ist? Wie reagiert der Senat, wenn entsprechende Fälle bekannt werden? Welche Präventionsmaßnahmen bestehen derzeit im Bereich Pflegebetrug? (bitte aufgeschlüsselt nach Stadtgemeinden ) 4. Aus welchen Staaten kommen die Tatverdächtigen, gegen die derzeit Ermittlungsverfahren bzw. Gerichtsverfahren anhängig sind? Wurde seit 2015 auch gegen Träger von Pflegeeinrichtungen ermittelt? Ist in diesem Bereich organisierte Kriminalität bekannt ? (bitte aufgeschlüsselt nach Stadtgemeinden) 5. Welche Maßnahmen hat der Senat getroffen, um Pflegebetrug in Bremen und Bremerhaven zukünftig zu verhindern? Wie werden die Mitarbeiter der Heimaufsicht entsprechend dafür sensibilisiert? Wie soll die Heimaufsicht in Zukunft effizienter gestaltet werden bzw. welche Verbesserungen sind bei der Kooperation mit Kranken- und Pflegekassen ggf. geplant? (bitte aufgeschlüsselt nach Stadtgemeinden)“ Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 1 Der Senat beantwortet die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie viele strafrechtliche Ermittlungsverfahren wegen Pflegebetruges mit welchem Ausgang wurden seit 2015 in Bremen und Bremerhaven eingeleitet? Wie viele gerichtliche Verfahren mit welchem Ausgang fanden im gleichen Zeitraum statt? (bitte aufgeschlüsselt nach Stadtgemeinden) Antwort auf Frage 1: Seit 2015 hat die Staatsanwaltschaft Bremen drei strafrechtliche Ermittlungsverfahren wegen Pflegebetruges eingeleitet. Diese betreffen den Bereich der Stadt Bremen und die Ermittlungen in diesen Verfahren dauern an. Die Zahl der einschlägigen gerichtlichen Verfahren und der Ausgang derselben können mangels statistischer Erfassung nicht mitgeteilt werden. In Bremerhaven wird laut Sozialdezernat zurzeit in einem Fall ermittelt. Ermittlungsund Gerichtsverfahren werden auch hier nicht gesondert ausgewiesen. 2. Nach welchem Schema liefen die bekannten Betrugsfälle in Bremen und Bremerhaven ab? Welche Einrichtungen im Bereich Pflege waren davon vorrangig betroffen? Von welchem Schaden für die Kranken- und Pflegekassen sowie die Träger und Einrichtungen geht der Senat derzeit aus? Welche Maßnahmen plant der Senat, um ggf. Gelder zurückzufordern? (bitte aufgeschlüsselt nach Stadtgemeinden) Antwort auf Frage 2: Die bisher bekannten Betrugsfälle betreffen alle gesetzlich vorgesehenen Pflegeleistungskomplexe des SGB V und SGB XI, und zwar Verhinderungspflege, Pflegesachleistungen und Tagespflege. Die Verfahren betreffen private Pflegedienste und Pflegeeinrichtungen , die überwiegend als Einzelfirmen oder Gesellschaften mit beschränkter Haftung betrieben werden. Die Beteiligung von Ärzten, die Pflegeleistungen verordnen, konnte bisher nicht nachgewiesen werden. Zur Höhe der Schäden können keine exakten Angaben gemacht werden, da insoweit keine statistische Erhebung erfolgt. In einem Verfahren liegt der bisher für einen Tatzeitraum von vier Jahren ermittelte Schaden im siebenstelligen Bereich; gegen die Beschuldigte sind noch weitere Verfahren anhängig, in denen der Schaden bisher noch nicht abschließend berechnet werden konnte. In Bremerhaven wurden Sachleistungen abgerechnet, die nicht erbracht wurden. Die Schadenshöhe wird zurzeit ermittelt. Soweit durch eine Schädigung die Senatorin für Soziales, Jugend, Frauen, Integration und Sport betroffen ist, wird eine Schadenswiedergutmachung im zivilrechtlichen Verfahren verfolgt. Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 2 3. Welche Erkenntnisse hat der Senat darüber, dass es im Rahmen des Pflegebetrugs zu Schädigungen von Patientinnen und Patienten gekommen ist? Wie reagiert der Senat, wenn entsprechende Fälle bekannt werden? Welche Präventionsmaßnahmen bestehen derzeit im Bereich Pflegebetrug? (bitte aufgeschlüsselt nach Stadtgemeinden) Antwort auf Frage 3: Finanzielle Schädigungen von Patienten sind bisher lediglich in einem Fall bekannt geworden, in dem eine Patientin durch manipulierte Rechnungen des Pflegedienstes erhebliche Vermögenseinbußen erlitt. Inwieweit physische Beeinträchtigungen von Patienten durch Pflegedienste bzw. Mitarbeiter angezeigt worden sind und verfolgt werden, kann nicht angegeben werden, da insoweit die statistische Erhebung nicht erfolgt. Schädigungen von Patienten in Bremerhaven sind nicht bekannt. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kassen und der Sozialämter sind sensibilisiert . Meldungen werden verfolgt (siehe die Antwort zu Frage 5). 4. Aus welchen Staaten kommen die Tatverdächtigen, gegen die derzeit Ermittlungsverfahren bzw. Gerichtsverfahren anhängig sind? Wurde seit 2015 auch gegen Träger von Pflegeeinrichtungen ermittelt? Ist in diesem Bereich organisierte Kriminalität bekannt? (bitte aufgeschlüsselt nach Stadtgemeinden) Antwort auf Frage 4: Es sind insgesamt fünf Ermittlungsverfahren in Bremen und Bremerhaven anhängig. Die vier bei der Staatsanwaltschaft Bremen derzeit geführten Ermittlungsverfahren richten sich gegen Tatverdächtige mit deutscher Staatsangehörigkeit (davon drei mit russischem, polnischem oder türkischem Migrationshintergrund). Beim Amtsgericht Bremen ist derzeit ein Verfahren gegen einen russischen Pflegedienstbetreiber anhängig, dem Betrug in Höhe von ca. 50.000,00 € zum Nachteil des Amtes für Soziale Dienste (als Pflegekasse) vorgeworfen wird, indem er Leistungen für zwei russische Patienten abgerechnet habe, die tatsächlich von Verwandten gepflegt worden seien. Träger von gemeinnützigen Pflegeeinrichtungen bzw. deren Verantwortliche sind bisher nicht als Beschuldigte in hiesigen Ermittlungsverfahren bekannt geworden. Die hier in den bekannten Verfahren erfassten Beschuldigten betreiben die Pflegedienste als private Einzelfirmen bzw. in der Rechtsform einer GmbH. Belastbare Erkenntnisse zu Strukturen der organisierten Kriminalität liegen in den bisherigen Ermittlungsverfahren nicht vor. In dem aus Bremerhaven gemeldeten Fall handelt es sich bei der Tatverdächtigen um eine deutsche Staatsangehörige mit Migrationshintergrund. Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 3 5. Welche Maßnahmen hat der Senat getroffen, um Pflegebetrug in Bremen und Bremerhaven zukünftig zu verhindern? Wie werden die Mitarbeiter der Heimaufsicht entsprechend dafür sensibilisiert? Wie soll die Heimaufsicht in Zukunft effizienter gestaltet werden bzw. welche Verbesserungen sind bei der Kooperation mit Kranken- und Pflegekassen ggf. geplant? (bitte aufgeschlüsselt nach Stadtgemeinden) Antwort auf Frage 5: In Bremen erfolgt eine sehr enge Kooperation zwischen der „GKV-Prüfgruppe zur Fehlverhaltensbekämpfung im Gesundheitswesen“ (AOK Bremen/Bremerhaven), dem zuständigen Kommissariat der Kriminalpolizei, der Staatsanwaltschaft Bremen und der Senatorin für Soziales, Jugend, Frauen, Integration und Sport über „runde Tische “. Kooperationen in Einzelfällen bestehen bereits seit mehreren Jahren. Diese Kooperation wird durch die Schwerpunktbearbeitung bei der Kriminalpolizei und der Staatsanwaltschaft sehr begünstigt. Die Kooperation beinhaltet auch gegenseitige Unterstützung bei der Ermittlung von Betrugsfällen. In Bremerhaven wird ebenso eine sehr enge Kooperation zwischen dem Sozialamt und den ermittelnden Behörden praktiziert. Die Aussagen zur Bremischen Wohn- und Betreuungsaufsicht betreffen Bremen und Bremerhaven. Die Bremische Wohn- und Betreuungsaufsicht (früher: Heimaufsicht) hat nach geltender Rechtslage keinen Auftrag und keine Rechtsgrundlage dafür, ambulante Pflegedienste zu prüfen. Dies entspricht der Rechtslage in den meisten anderen Bundesländern . In der derzeitigen Überarbeitung des Bremischen Wohn- und Betreuungsgesetzes (BremWoBeG) wird das Ziel verfolgt, ambulante Pflegedienste insoweit prüfen zu können, wie sie regelhaft in (teil-)stationären unterstützenden Wohnformen ihre Leistungen anbieten. Wie grundsätzlich im BremWoBeG geht es hier jedoch vorwiegend um den Schutz der Bewohnerinnen und Bewohner vor schlechten Unterstützungsleistungen . Es kann aber auch sanktioniert werden, wenn vertraglich vereinbarte Leistungen nicht erbracht werden. Die Bremische Wohn- und Betreuungsaufsicht steht in solchen Fällen im engmaschigen Austausch mit der Staatsanwaltschaft und den Pflegekassen, um im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten die Spielräume für einen vermuteten Betrug einzuengen und weiteren Betrügereien vorzubeugen. Die Rahmenbedingungen für die Kooperation mit den Pflegekassen (im Wesentlichen nach § 30 BremWoBeG) werden als ausreichend angesehen. Die Bremische Wohn- und Betreuungsaufsicht ist für das Land Bremen zuständig, so dass es einer Aufschlüsselung nach Stadtgemeinden nicht bedarf. Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft Drs-19-438 VB Pflegebetrug in Bremen und Bremerhaven 20160517_1_KA Pflegebetrug in Bremen und Bremerhaven