BREMISCHE BÜRGERSCHAFT Drucksache 19/721 Landtag 19. Wahlperiode 31.08.2016 Antwort des Senats auf die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP Steuerausfall durch manipulierte Registrierkassen Antwort des Senats auf die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP vom 25. Juli 2016 „Steuerausfall durch manipulierte Registrierkassen“ Die Fraktion der FDP hat folgende Kleine Anfrage an den Senat gerichtet. „Am 18. März 2016 hat das Bundesministerium für Finanzen den Referentenentwurf eines Gesetzes zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen sowie den Referentenentwurf einer Technischen Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen veröffentlicht. Mit diesen Maßnahmen wird bezweckt, dass vermutete, milliardenschwere Steuerausfälle insbesondere durch manipulierte Kassensysteme verhindert bzw. aufgedeckt werden können. Dies soll mittels technischer Sicherheitseinrichtungen gewährleistet werden. Dabei kann der tatsächliche Steuerausfall des Staates durch manipulierte Registrierkassen bisher nur vage beziffert werden. Angesichts der zu erwartenden hohen Ausgaben für technische Sicherheitseinrichtungen, die besonders kleine Einzelhandelsbetriebe belasten würden, bedarf es hier zuerst einer klaren Faktenbasis. Wir fragen den Senat 1. Wie hoch beziffert der Senat nach eigenen Schätzungen den Steuerausfall durch manipulierte Registrierkassen im Land Bremen? 2. Welche konkreten Anhaltspunkte liegen den Schätzungen des Senats zugrunde? 3. Wie viele Fälle manipulierter Registrierkassen in Bremen wurden jeweils in den Jahren 2012, 2013, 2014 und 2015 konkret aufgedeckt? 4. Wie hoch war der jährliche Steuerausfall durch die oben genannten, aufgedeckten Manipulationen jeweils in den Jahren 2012, 2013, 2014 und 2015? 5. Wie stellt sich der Anteil der einzelnen Branchen an dem tatsächlichen Steuerausfall konkret dar? (Bitte getrennt für Apotheken, Frisöre, Gastronomie-/Hotelgewerbe, Taxigewerbe, Handwerksbetriebe, Einzelhandel und Spielhallen jeweils für die Jahre 2012, 2013, 2014 und 2015 angeben. Sofern keine genauere Ermittlung möglich, bitte mittelbar über die Ergebnisse von durchgeführten Betriebsprüfungen schätzen.) 6. Wie hoch schätzt der Senat die mit der Anschaffung entsprechender technischer Sicherheitseinrichtungen verbundenen Kosten für Unternehmen im Land Bremen? 7. Für wie hoch schätzt der Senat die Anschaffungskosten (bei Kauf) oder die jährlichen Kosten (bei Leasing) für ein Geschäft mit bisher drei herkömmlichen Kassen? 8. Wie bewertet der Senat den vom Bundesministerium der Finanzen vorgelegten Referentenentwurf eines Gesetzes zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen sowie den Referentenentwurf einer Technischen Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen?“ Der Senat beantwortet die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie hoch beziffert der Senat nach eigenen Schätzungen den Steuerausfall durch manipulierte Registrierkassen im Land Bremen? Es gibt seit mehreren Jahren Hinweise auf einen erheblichen Einnahmeausfall der öffentlichen Hand sowie einer damit verbundenen Wettbewerbsverzerrung für ehrliche Unternehmen durch Manipulation und (Steuer-)Betrug mit Registrierkassendaten. Eine Schätzung des Steuerausfalls durch manipulierte Registrierkassen im Land Bremen ist nicht möglich, da es an belastbaren Grundlagen für eine Berechnung fehlt. Gleiches gilt für das Ausmaß des Steuerausfalls in der gesamten Bundesrepublik Deutschland bzw. in anderen Bundesländern. Fakt ist, dass die Betriebsprüfung im Land Bremen im Rahmen ihrer Prüfungen bargeldintensiver Betriebe oftmals nicht ordnungsgemäß geführte Kassen feststellt, die Anlass zu Hinzuschätzungen geben. Soweit digitale Grundaufzeichnungen wie Kassendaten durch Steuerpflichtige endgültig gelöscht oder unter Einsatz sog. „Manipulationssoftware“ verändert werden, bleibt eine Kassenmanipulation hingegen oftmals unentdeckt. Ferner führen sog. „Neben-der-Kasse-Geschäfte“ dazu, dass der Umfang der Steuermindereinnahmen nicht vollumfänglich durch die Betriebsprüfung festgestellt werden kann. 2. Welche konkreten Anhaltspunkte liegen den Schätzungen des Senats zugrunde? Es wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. 3. Wie viele Fälle manipulierter Registrierkassen in Bremen wurden jeweils in den Jahren 2012, 2013, 2014 und 2015 konkret aufgedeckt? Statistische Erhebungen über die Manipulation von Registrierkassen in Bremen liegen für die genannten Jahre 2012, 2013, 2014 und 2015 nicht vor. Recherchen des Finanzamts für Außenprüfung zufolge konnte im Jahr 2013 in zwei Fällen eine Manipulation am Kassensystem durch die Betriebsprüfung nachgewiesen werden. Beide Fälle führten jeweils zu hohen Mehrergebnissen und zur Einleitung eines Steuerstrafverfahrens. Aus dem Bereich der Steuerfahndung konnten insgesamt fünf Fälle von Kassenmanipulation identifiziert werden. Hiervon wurden jeweils zwei Verfahren in den Jahren 2013 und 2014 sowie ein Verfahren im Jahr 2015 abgeschlossen. Daneben gab es im Bereich der Betriebsprüfung zahlreiche weitere Fälle, in denen ein Verdacht auf manipulierte Kassensysteme (einschließlich Warenwirtschaftssysteme) bestand. Eine strafrechtlich relevante Kassenmanipulation konnte in diesen Fällen jedoch nicht nachgewiesen werden. In der Regel führten diese Fälle allerdings zu nicht unbeachtlichen Nachzahlungen. 4. Wie hoch war der jährliche Steuerausfall durch die oben genannten, aufgedeckten Manipulationen jeweils in den Jahren 2012, 2013, 2014 und 2015? Statistische Erhebungen über den jährlichen Steuerausfall aufgrund von Kassenmanipulationen liegen nicht vor. Die steuerlichen Mehrergebnisse aus den von der Steuerfahndung in den Jahren 2013 bis 2015 abgeschlossenen Fällen, in denen (auch) eine strafrechtlich relevante Kassenmanipulation nachgewiesen werden konnte, stellen sich wie folgt dar: 2013: 182.835,00 € 2014: 382.282,00 € 2015: 40.262,00 € Unabhängig von einer nachweisbaren Kassenmanipulation werden Mängel in der Kassenführung bei Betrieben, in denen hauptsächlich Bargeschäfte getätigt werden, sehr häufig von der Betriebsprüfung festgestellt und führen regelmäßig zu Nachzahlungen von Steuern. Aufgrund der Prüfungen von Betrieben, die dem bargeldintensiven Bereich einschließlich Spielhallen und dem Taxigewerbe zugeordnet werden können, wurden daher – unabhängig von etwaigen Kassenmanipulationen – beträchtliche Mehrergebnisse erzielt. Die Mehrergebnisse der in den Jahren 2014 und 2015 abgeschlossenen Prüfungen sind wie folgt zu beziffern: 2014: 976.356,50 € 2015: 1.753.597,95 € 5. Wie stellt sich der Anteil der einzelnen Branchen an dem tatsächlichen Steuerausfall konkret dar? (Bitte getrennt für Apotheken, Frisöre, Gastronomie-/Hotelgewerbe, Taxigewerbe, Handwerksbetriebe, Einzelhandel und Spielhallen jeweils für die Jahre 2012, 2013, 2014 und 2015 angeben. Sofern keine genauere Ermittlung möglich, bitte mittelbar über die Ergebnisse von durchgeführten Betriebsprüfungen schätzen.) Statistische Erhebungen über den Anteil einzelner Branchen an dem tatsächlichen Steuerausfall aufgrund von Kassenmanipulationen liegen nicht vor. Eine Schätzung des durch Kassenmanipulationen verursachten Steuerausfalls für die Jahre 2012, 2013, 2014 und 2015 ist ebenfalls nicht möglich; insoweit wird auf die vorangehenden Ausführungen verwiesen. Hinsichtlich der oben dargestellten von der Steuerfahndung in den Jahren 2013 bis 2015 abgeschlossenen Fälle kommt eine nähere Aufschlüsselung hinsichtlich der Verteilung der Mehrsteuerergebnisse auf die oben genannten Branchen nicht in Betracht. Eine Zuordnung der festgestellten Mehrsteuerergebnisse birgt die Gefahr, dass die betroffenen Unternehmen hierüber identifiziert werden können und ist daher aufgrund des Steuergeheimnisses nicht möglich. Für die in den Jahren 2014 und 2015 abgeschlossenen Betriebsprüfungen können die festgestellten Mehrsteuerergebnissen – für bestimmte Branchen – unabhängig von etwaigen Kassenmanipulationen beziffert werden, da diese aus bestimmten statistischen Erhebungen des Finanzamts für Außenprüfung ermittelbar waren: Apotheken: 2014 105.191,23 € 2015 276.541,50 € Frisöre: 2014 - 2015 38.097,00 € Gastronomie/ 2014 369.049,70 € Hotelgewerbe: 2015 460.655,20 € Taxigewerbe: 2014 68.502,25 € 2015 21.116,00 € Spielhallen: 2014 54.354,38 € 2015 621.766,00 € Aufgrund der Vielzahl von unterschiedlichen Betrieben in den Bereichen Handwerksbetriebe und Einzelhandel und den damit einhergehenden statistischen Erhebungen ist eine belastbare Darstellung der hier erzielten Mehrergebnisse nicht möglich. 6. Wie hoch schätzt der Senat die mit der Anschaffung entsprechender technischer Sicherheitseinrichtungen verbundenen Kosten für Unternehmen im Land Bremen? Eine belastbare Schätzung der mit der Anschaffung technischer Sicherheitseinrichtungen verbundenen Kosten für Unternehmen im Land Bremen ist nicht möglich. Die Bundesregierung geht in ihrem Entwurf eines Gesetzes zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen (Stand: 13.07.2016) von einem einmaligen Erfüllungsaufwand i. H. v. rd. 470 Mio. Euro für die Neuanschaffung und Umstellung der Geräte und einem jährlich laufenden Erfüllungsaufwand i. H. v. rd. 106 Mio. Euro für die Kosten der Zertifizierung, Personalkosten für die Mitwirkung bei der Kassen-Nachschau sowie laufende Kosten für Wartung und Support für die Wirtschaft aus. 7. Für wie hoch schätzt der Senat die Anschaffungskosten (bei Kauf) oder die jährlichen Kosten (bei Leasing) für ein Geschäft mit bisher drei herkömmlichen Kassen? Unter Bezugnahme auf die Antwort zu Frage 6 kann eine Schätzung nicht erfolgen. In diesem Zusammenhang ist beachtlich, dass die Anschaffungskosten bzw. die jährlichen Kosten für ein Geschäft mit bisher drei herkömmlichen Kassen von Unternehmen zu Unternehmen stark variieren können. Der zuvor genannte Referentenentwurf sieht hinsichtlich der zertifizierten technischen Sicherheitseinrichtung eine technologieoffene und herstellerunabhängige Lösung vor. Die zertifizierte Sicherheitseinrichtung soll dabei in einer Vielzahl von Kassen einsetzbar sein. Bei Systemkassen (d.h. in einem System miteinander verbundenen Kassen) kann ein Sicherheitsmodul für sämtliche verbundene Kassen genutzt werden. Die auf die Unternehmen zukommenden Kosten werden davon abhängen, welche Kassen bislang verwendet wurden und ob diese umgerüstet werden können oder ob eine Neuanschaffung erforderlich sein wird. 8. Wie bewertet der Senat den vom Bundesministerium der Finanzen vorgelegten Referentenentwurf eines Gesetzes zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen sowie den Referentenentwurf einer Technischen Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen? Die Referentenentwürfe sollen den Schutz vor Manipulationen und damit die Unveränderbarkeit von digitalen Grundaufzeichnungen (Kassendaten) zukünftig gewährleisten. Danach soll bei Verwendung elektronischer Registrierkassen zeitgleich mit der Dateneingabe eine Protokollierung (Festschreibung) der Aufzeichnung erfolgen, die nicht mehr unprotokolliert verändert werden kann. Der Schutz der aufzuzeichnenden Vorgänge soll durch eine zertifizierte technische Sicherheitseinrichtung (bestehend aus einem Sicherheitsmodul, einem Speichermedium und einer einheitlichen digitalen Schnittstelle) sichergestellt werden. Flankiert wird diese Vorgabe durch die Einführung der Möglichkeit einer unangekündigten Kassennachschau durch die Finanzbehörden sowie einer Sanktionsmöglichkeit bei Verstößen gegen die den Unternehmen auferlegten Verpflichtungen. Das Zusammenspiel zwischen der zertifizierten technischen Sicherheitseinrichtung, der Möglichkeit einer unangekündigten Kassennachschau und einer Sanktionsmöglichkeit bei Verstößen ermöglicht ein effektives Vorgehen gegen Kassenmanipulation und entfaltet gleichzeitig eine gewisse Präventionswirkung, die insbesondere steuerehrlichen Unternehmern Schutz vor Wettbewerbsnachteilen bietet. Der Referentenentwurf wird allerdings auch zukünftig sog. „Neben-der-Kasse-Geschäfte“ nicht unterbinden; das heißt, sämtliche Einnahmen, die nicht in die Kasse eingegeben werden, können nur durch engmaschige anderweitige Prüfansätze der Außendienste der Finanzämter aufgedeckt werden. Die Technische Verordnung normiert die Anforderungen an die Protokollierung und Speicherung von Grundaufzeichnungen sowie die Anforderungen an die digitale Schnittstelle. Die konkreten technischen Anforderungen an das Sicherheitsmodul, das Speichermedium, die elektronische Archivierung und die digitale Schnittstelle werden nach dem Referentenentwurf vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik in Abstimmung mit dem Bundesministerium der Finanzen festgelegt. Die Konzeption des Gesetzes und der Technischen Verordnung als Rahmen zur weiteren Entwicklung der technischen Sicherheitseinrichtung ist insoweit nachvollziehbar, als dass die Technische Verordnung nicht durch technische Vorgaben an die nähere Ausgestaltung der technischen Sicherheitseinrichtung überfrachtet wird. Es wäre gleichwohl wünschenswert gewesen, im Vorfeld der gesetzgeberischen Aktivitäten eine Prüfung durchzuführen, inwieweit die Anforderungen an die technische Sicherheitseinrichtung in der Praxis umsetzbar sind und ob gegebenenfalls Alternativen hierzu bestehen. Andernfalls besteht (nunmehr) die Gefahr, dass die vom Gesetz grundsätzlich ab dem 01.01.2020 vorgesehene Verpflichtung zum Schutz elektronischer Aufzeichnungen mittels technischer Sicherheitseinrichtung durch unmöglich einzuhaltende technische Vorschriften konterkariert wird. Deshalb wird in der Neufassung des Gesetzesentwurfs (Stand 01.07.2016) die zeitliche Verschiebung der Anwendbarkeit der Neuregelungen vom 01.01.2019 auf den 01.01.2020 geregelt. Bedauerlich ist, dass die Technische Verordnung aktuell nur für Registrier- und computergestützte Kassen eine technische Sicherheitseinrichtung vorsieht. Eine Ausweitung auf Taxameter und Geldgewinnspielgeräte wäre zu begrüßen. Der Senat wird sich entsprechend der Beschlussfassung der Bürgerschaft im Bundesratsverfahren dafür einsetzen, dass schnellstmöglich eine Pflicht zur Anschaffung einer elektronischen manipulationssicheren Registrierkasse eingeführt wird. Ziel ist es aus Sicht des Senats, ein In-Kraft-Treten des Gesetzes in 2017 zu erreichen. Drs-19-721 VB Steuerausfall durch manipulierte Registrierkassen 20160830_1_KA Steuerausfall durch manipulierte Registrierkassen