BREMISCHE BÜRGERSCHAFT Drucksache 19/737 Landtag 19. Wahlperiode 13.09.2016 Antwort des Senats auf die Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Auswirkungen der Entwicklungen in der Türkei auf Hochschulkooperationen Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft Antwort des Senats auf die Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN vom 5 August 2016 „Auswirkungen der Entwicklungen in der Türkei auf Hochschulkooperationen“ Die Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN hat folgende Kleine Anfrage an den Senat gerichtet. „Den Medien konnte in den letzten Wochen entnommen werden, dass die türkische Regierung nach dem gescheiterten Militärputsch vom 15. Juli 2016 auch massiv in die Wissenschaftsfreiheit eingegriffen hat. So wurden Hochschuldekaninnen und -dekane zum Rücktritt gezwungen, Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen ein Ausreiseverbot erteilt und sich im Ausland befindliche Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen zur schnellstmöglichen Rückkehr in die Türkei aufgefordert. Die Türkei nimmt derzeit an dem Programm Erasmus+ teil und ist assoziiertes Partnerland der European Higher Education Area/European Research Area. Die Hochschulen im Land Bremen pflegen bisher einen sehr guten Austausch mit verschiedenen türkischen Universitäten, sowohl auf Forschungsebene als auch beim Studierendenaustausch. Die aktuellen Entwicklungen in der Türkei werfen Fragen nach der zukünftigen Zusammenarbeit zwischen Bremer und türkischen Hochschulen und sich daraus ergebenden Konsequenzen etwa für hier lebende Studierende und für Forschende mit türkischer Staatsbürgerschaft auf. Wir fragen daher den Senat: 1. Welche Kooperationsprojekte und Austauschprogramme bestehen derzeit zwischen Bremer und türkischen Hochschulen? 2. Wie viele Studierende und Lehrende mit türkischer Staatsangehörigkeit befinden sich derzeit im Rahmen von Austauschprogrammen in Bremen? 3. Wie viele Studierende und Lehrende aus Bremen befinden sich derzeit im Rahmen von Austauschprogrammen in der Türkei? 4. Wie wirken sich die derzeit in der Türkei stattfindenden Reaktionen auf den gescheiterten Militärputsch vom 15. Juli 2016 auf Forschungs- und Lehrkooperationen mit Bremer Hochschulen aus? 5. Sieht der Senat die Notwendigkeit zur Verstetigung des Aufenthalts von türkischen Wissenschaftlerinnen, Wissenschaftlern und Studierenden in Bremen, die nicht in Türkei zurückkehren können, und wie wäre dies zu realisieren?“ Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft Der Senat beantwortet die Kleine Anfrage wie folgt: Zu Frage 1: Welche Kooperationsprojekte und Austauschprogramme bestehen derzeit zwischen Bremer und türkischen Hochschulen? Antwort: Die Universität Bremen unterhält Kooperationen unterschiedlicher Art mit ca. 30 Universitäten in der Türkei. Mit allen Universitäten bestehen Erasmus-Studierenden- und Dozentenaustauschvereinbarungen, mit einigen auch gesamtuniversitäre Verträge, d.h. die Kooperation ist auf strategisch-gesamtuniversitärer Ebene z.B. mit der Universität Istanbul oder den Universitäten in Izmir festgeschrieben. Mit vielen dieser Universitäten bestehen Forschungskontakte, die in der Regel auf Individualoder Arbeitsgruppenbeziehungen beruhen. Großförderprojekte, wie z.B. DFG oder Graduiertenschulen fallen nicht darunter. An der Hochschule Bremen (HSB) gibt es Erasmus-Kooperationen mit 16 türkischen Hochschulen zum Austausch von Studierenden, Lehrenden und Mitarbeitenden. Mit der Marmara University hat die HSB einen hochschulweiten Rahmenvertrag abgeschlossen, in dem es u.a. um die Kooperation im Bereich Soziale Arbeit, Lehrendenmobilität und gemeinsame Studierendenprojekte geht. Die HSB ist Mitglied im Konsortium der Türkisch-Deutschen Universität und beteiligt sich an fachbezogenen Aktivitäten und Veranstaltungen in Kooperation mit dem Büro der Wissenschaftsförderung in Izmir. Die Hochschule Bremerhaven hat im Rahmen des Erasmus-Programms Kooperationsverträge mit folgenden türkischen Hochschulen: University of Istanbul, Yildiz Technical University und Gaziosmanpasa University Tokat. Zu Frage 2: Wie viele Studierende und Lehrende mit türkischer Staatsangehörigkeit befinden sich derzeit im Rahmen von Austauschprogrammen in Bremen? Antwort: Über das Erasmus-Programm studierten im letzten Sommersemester 36 türkische Studierende an der Universität Bremen. Mit Beendigung der Lehrveranstaltungen des Sommersemesters haben die Studierenden ihren Erasmus-Aufenthalt in Bremen abgeschlossen. An der HSB sind zurzeit noch 8 türkische Austauschstudierende immatrikuliert, doch ebenso wie bei der Universität kann seit Beginn der vorlesungsfreien Zeit über den tatsächlichen Aufenthaltsort dieser Studierenden keine Aussage getroffen werden. Zum Wintersemester 2016/17 werden 8 türkische Austauschstudierende an der HSB erwartet. Bisher gingen noch keine Absagen ein. Zu Frage 3: Wie viele Studierende und Lehrende aus Bremen befinden sich derzeit im Rahmen von Austauschprogrammen in der Türkei? Antwort: Zurzeit befinden sich 6 Studierende der Universität zu einem Praktikumsaufenthalt in der Türkei; weitere 14 Studierende planen, im September ihren Erasmus- Studienaufenthalt an Partnerhochschulen in Istanbul aufzunehmen. Seitens der HSB befinden sich noch 3 Erasmus-Studierende in der Türkei, die im September zurückerwartet werden. Ob weitere Studierende außerhalb der Stipendienprogramme Erasmus und Promos in die Türkei gereist sind, lässt sich nicht feststellen, da diese Daten nicht von den Hochschulen erhoben werden. Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft Zu Frage 4: Wie wirken sich die derzeit in der Türkei stattfindenden Reaktionen auf den gescheiterten Militärputsch vom 15. Juli 2016 auf Forschungs- und Lehrkooperationen mit Bremer Hochschulen aus? Antwort: Die Izmir University, eine der Partneruniversitäten der Universität Bremen, ist geschlossen worden. Da sich keine Studierenden für einen Erasmus-Aufenthalt an dieser Partnerhochschule beworben hatten und auch keine Incoming-Mobilität geplant war, hat dies keine direkten Auswirkungen auf die Austauschaktivitäten. Zum Wintersemester 2016/2017 hatten sich 17 Studierende für einen Erasmus- Studienaufenthalt in der Türkei beworben. Eine Studentin hat ihren Aufenthalt auf das Sommersemester verschoben, zwei Studierende haben ihren Aufenthalt in der Türkei abgesagt und sich für Alternativen entschieden. Die verbliebenen 14 Studierenden planen, ihren Aufenthalt anzutreten. Die Universität Bremen erwartet zum Wintersemester 33 Erasmus-Studierende von Partnerhochschulen in Ankara, Istanbul und Izmir. Da die Ausreise von Akademiker(inne)n aus der Türkei direkt nach dem versuchten Militärputsch streng reglementiert wurde, haben einzelne Gäste ihre Besuche in Bremen abgesagt. Mit offiziellen Einladungsschreiben der Universität Bremen sowie ausführlichen Begründungen über den Aufenthalt in Bremen sind Ausreisen aus der Türkei dennoch möglich. Eine im September geplante Tagung in Bremen in Kooperation mit der Istanbul Üniversitesi wurde daher seitens der Universität nicht abgesagt. Gastwissenschaftlerinnen und Gastwissenschaftler, deren Aufenthalte von türkischer Seite von TÜBITAK, der Türkischen Anstalt für Wissenschaftliche und Technologische Forschung, finanziert wurden, wurden kurz nach dem versuchten Putsch zurückgerufen. Eine Wissenschaftlerin und ein Wissenschaftler, die sich zur Zeit des Putschversuchs in Bremen aufgehalten haben, sind auf den Rückruf hin binnen weniger Tage zurückgereist. Die HSB hat festgestellt, dass die Websites der Meliksah University in Kayseri und der Fatih University in Istanbul abgeschaltet wurden. Da zum WS 2016/17 17 durch Erasmus geförderte Studierende, zum Teil mit türkischem Migrationshintergrund, für mindestens ein Semester in die Türkei gehen wollen, erhalten diese eine Sicherheitsbelehrung durch die HSB. Absagen sind der HSB noch nicht bekannt geworden. Als Sekundäreffekt wird beobachtet, dass andere ausländische Partnerhochschulen der HSB bereits nach Alternativen für ihre Studierenden suchen, die sich gegen einen Türkei- Aufenthalt entschieden haben. Bei der HSB gingen daher schon Anfragen nach zusätzlichen Plätzen ein. Zwischen der Hochschule Bremerhaven und der türkischen Partnerhochschule University of Istanbul bestehen Forschungskontakte im Studienbereich Maritime Biotechnologie. Mit der Verschärfung der Terroraktivitäten und der Veränderung der politischen Lage hat die Kommunikation mit dieser Partnerhochschule sehr abgenommen und es besteht seit dem Putschversuch kein persönlicher Kontakt mehr zu dem Wissenschaftler, der die Kooperation im Wesentlichen aufbaute und bislang pflegte. Zu Frage 5: Sieht der Senat die Notwendigkeit zur Verstetigung des Aufenthalts von türkischen Wissenschaftlerinnen, Wissenschaftlern und Studierenden in Bremen, die nicht in Türkei zurückkehren können, und wie wäre dies zu realisieren? Antwort: Die Universität Bremen hat zwei aus der Türkei stammende verfolgte Akademikerinnen und Akademiker über die Philipp-Schwartz-Initiative der Alexander von Humboldt-Stiftung aufgenommen. Sie werden für einen Zeitraum von zwei Jahren an der Universität forschen. Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft Die Universität wird sich auf die zweite Ausschreibung im Oktober bewerben, um ein bis zwei Vollstipendien gewähren zu können. Über die Verstetigung des Aufenthalts von türkischen Wissenschaftler(inne)n und Studierenden in Bremen, die nicht in die Türkei zurückkehren können, müsste im Einzelfall entschieden werden. Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft Drs-19-737 VB Auswirkungen der Entwicklungen in der Türkei auf Hochschulkooperationen 20160913 KA Hochschulkooperationen