BREMISCHE BÜRGERSCHAFT Drucksache 19/794 Landtag 19. Wahlperiode 25.10.2016 Antwort des Senats auf die Kleine Anfrage der Fraktion der CDU Stationäre Angebote für Menschen mit psychischen und geistigen Behinderungen Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft Antwort des Senats auf die Kleine Anfrage der Fraktion der CDU vom 23.08.2016 „Stationäre Angebote für Menschen mit psychischen und geistigen Behinderungen“ Die Fraktion der CDU hat folgende Kleine Anfrage an den Senat gerichtet: „In Bremen und Bremerhaven werden seit Jahren stationäre Wohneinrichtungen für Menschen mit psychischen und geistigen Behinderungen zugunsten von ambulanten Versorgungsformen abgebaut. Der Senat hat sich selbstverpflichtet jährlich fünf Prozent der bestehenden Kapazitäten in diesem Bereich abzubauen. Der Vorrang „ambulant vor stationär“ entspricht der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention. Eigenständiges Wohnen fördert die Selbstbestimmung und die gleichberechtigte Teilhabe am normalen gesellschaftlichen Leben. Für einige Menschen mit psychischen und geistigen Behinderungen ist allerdings ein Leben in einer ambulanten Versorgungsform wegen ihrer Behinderung nicht möglich. Aktuell werden sie zum Teil außerhalb Bremens untergebracht, weil in Bremen und Bremerhaven kaum mehr stationäre Wohneinrichtungen zur Verfügung stehen. Andere entscheiden sich selbst oder in Absprache mit Familienangehörigen für das Leben in einer stationären Einrichtung. Vor diesem Hintergrund muss es möglich sein das Wunsch- und Wahlrecht der Betroffenen durch das Vorhalten entsprechender Einrichtungen zu wahren und diese nicht in einiger Entfernung zu ihren Angehörigen außerhalb Bremens unterzubringen. Wir fragen den Senat: 1. Wie hat sich die Zahl der stationären Plätze für Menschen mit psychischen und geistigen Behinderungen in Bremen in den letzten drei Jahren entwickelt? Wie viele Menschen sind stationär untergebracht? Wie groß sind diese Einrichtungen in der Regel? (bitte aufgeschlüsselt nach Stadtgemeinden und getrennt nach Wohnformen für Menschen mit psychischer und geistiger Behinderung) 2. Wie hat sich die Zahl der ambulanten Plätze für Menschen mit psychischen und geistigen Behinderungen in Bremen in den letzten drei Jahren entwickelt? Wie viele Menschen werden ambulant betreut? Wie viele dieser Menschen wohnen in eigenen Wohnungen und wie viele werden in ehemaligen stationären Wohnformen seit wann ambulant betreut? Welche Gründe sprechen aus Sicht der Träger, aus Sicht der Bewohner und aus Sicht des Senats für oder gegen eine Ambulantisierung von bisher stationären Plätzen?(bitte aufgeschlüsselt nach Stadtgemeinden und getrennt nach Wohnformen für Menschen mit psychischer und geistiger Behinderung) 3. Wurde die Selbstverpflichtung des Senats zu einer fünfprozentigen Ambulantisierungsquote eingehalten? Wenn nein, warum nicht? (bitte aufgeschlüsselt nach Stadtgemeinden) 4. Wie viele stationäre Plätze für Menschen mit psychischen und geistigen Behinderungen wurden seit dem 1.1.2012 in welchen Stadtteilen neu geschaffen? In welcher Trägerschaft befinden sich diese? (bitte aufgeschlüsselt nach Stadtgemeinden) 5. Wie schätzt der Senat den Bedarf an stationären Plätzen für Menschen mit psychischen und geistigen Behinderungen bis 2025 ein? Wie hat sich die Zahl von Menschen mit einer psychischen oder geistigen Behinderung seit dem 01.01.2012 entwickelt? Wie schätzt der Senat die Einhaltung der Selbstverpflichtung zu einer Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 1 jährlichen Ambulantisierung von fünf Prozent bis 2025 ein und sieht der Senat einen Änderungsbedarf für diese Selbstverpflichtung? (bitte aufgeschlüsselt nach Stadtgemeinden) 6. Wie viele Menschen mit psychischen und geistigen Behinderungen wurden in den letzten drei Jahren aus welchen Gründen außerhalb Bremens stationär untergebracht? In wie vielen Fällen entsprach diese Unterbringung dem Wunsch der Betroffenen und Angehörigen und wie oft wurde vorrangig ein Platz in Bremen gewünscht? Welche Gründe sprechen in der Regel für eine stationäre Unterbringung? (bitte aufgeschlüsselt nach Stadtgemeinden) 7. Welche Kosten entstehen monatlich durchschnittlich für eine stationäre Unterbringung von Menschen mit psychischen und geistigen Behinderungen innerhalb des Landes Bremen und außerhalb Bremens? Wie beurteilt der Senat die Wirtschaftlichkeit einer Unterbringung von Menschen mit psychischen und geistigen Behinderungen außerhalb von Bremen? (bitte aufgeschlüsselt nach Stadtgemeinden) 8. Wie viele Menschen sind im Land Bremen in stationären Wohneinrichtungen für Menschen mit psychischen und geistigen Behinderungen beschäftigt? Wie viele Menschen sind durchschnittlich in einer Einrichtung tätig? (bitte aufgeschlüsselt nach Stadtgemeinden) 9. Hält der Senat das aktuelle Angebot von stationären Wohneinrichtungen für Menschen mit psychischen und geistigen Behinderungen in Bremen für bedarfsdeckend? Bis wann beabsichtigt der Senat ein Konzept zur bedarfsgerechten Aufstockung der Kapazitäten zu entwickeln? Welche Maßnahmen hat der Senat getroffen, um vor dem Hintergrund des Bundesteilhabegesetzes ausreichende Platzkapazitäten im ambulanten und stationären Bereich vorzuhalten?“ Der Senat beantwortet die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung: Die fachpolitische Leitlinie der Senatorin für Soziales, Jugend, Frauen, Integration und Sport sieht im Bereich der Wohnangebote im Rahmen der Eingliederungshilfeleistungen vor, neue Wohnangebote möglichst in ambulanter Form zu realisieren sowie stationäre Plätze nach Möglichkeit abzubauen bzw. nicht neu zu schaffen und diese durch ambulante Angebote zu ersetzen. Für die Zielgruppe der Menschen mit seelischer Behinderung liegt seit Beginn der Psychiatriereform Mitte der achtziger Jahre die Priorität auf dem Ambulant Betreuten Wohnen. Aus diesem Grund bezieht sich die fachpolitische Strategie des Abbaus von 5 % stationären Plätzen jährlich auf die stationären Angebote für Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung. Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 2 1. Wie hat sich die Zahl der stationären Plätze für Menschen mit psychischen und geistigen Behinderungen in Bremen in den letzten drei Jahren entwickelt? Wie viele Menschen sind stationär untergebracht? Wie groß sind diese Einrichtungen in der Regel? (bitte aufgeschlüsselt nach Stadtgemeinden und getrennt nach Wohnformen für Menschen mit psychischer und geistiger Behinderung) Zu 1.1. – 1.3.: Tabelle 1: Angaben zur Entwicklung der stationären Wohneinrichtungen für Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung 2013 2014 2015 Bremen Brhv. Bremen Brhv Bremen Brhv Platzzahlen 895 284 889 288 877 288 Fallzahlen 669 170 655 174 674 177 Ø-Größe 17,6 22,6 17,6 23,0 17,6 23,0 Die angegebenen Fallzahlen in Tabelle 1 stellen Durchschnittswerte bezogen auf das jeweilige Jahr dar. Sie umfassen die Bewohnerinnen und Bewohner stationärer Wohnangebote, für die die Stadt Bremen bzw. der Magistrat Bremerhaven zuständiger Kostenträger ist. Die Platzzahlen stellen die Summe aus allen vertraglich vereinbarten stationären Wohnplätzen für Menschen mit geistiger / mehrfacher Behinderung getrennt nach Stadtgemeinden dar. Die Differenzen zu den vorhandenen Platzzahlen ergeben sich aufgrund der Belegung durch Auswärtige oder durch die Finanzierung aus eigenen Mitteln der Nutzerinnen und Nutzer. Die in der Tabelle 1 angegebene durchschnittliche Größe der stationären Einrichtungen für Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung bezieht sich auf die 38 Wohnheime in Bremen und die neun Wohnheime in Bremerhaven. Die Spanne der Platzzahl pro Wohnheim reicht in Bremen von sieben bis 35 Plätzen, in Bremerhaven von 14 bis 36 Plätzen. Die größeren Wohnheime sind unterteilt in Wohneinheiten mit ca. sechs bis acht Personen. Daneben gibt es in Bremen stationäre Außenwohngruppen mit einer Spanne von fünf bis 14 Plätzen und stationäre Außenwohnplätze in Wohnungen für eine bis drei Personen. In Bremerhaven sind neben den Wohnheimen ebenfalls stationäre Außenwohnplätze in Wohnungen für ein bis zwei Personen vorhanden. Tabelle 2: Angaben zur Entwicklung der stationären Wohneinrichtungen für Menschen mit psychischer Behinderung (ohne Sucht- und illegale Drogenproblematiken) 2013 2014 2015 Bremen Brhv. Bremen Brhv Bremen Brhv Platzzahlen 185 100 185 100 185 100 Fallzahlen 186 84 190 84 196 86 Die in der Tabelle 2 angegebenen Platzzahlen für Bremerhaven stellen die Summe aus allen vertraglich vereinbarten stationären Wohnplätzen für Menschen mit psychischer Behinderung in Bremerhaven dar. Die Platzzahlen in Bremen die durchschnittlich belegten Plätze im Jahresverlauf in Bremen (Summe Belegtage geteilt durch 365). Sie lassen keine Rückschlüsse auf die tatsächliche Größe der Einrichtung zu, da durch auswärtige Kostenträger oder durch Selbstzahler zusätzliche Plätze genutzt und finanziert werden können. Für Menschen mit psychischen Erkrankungen werden in Bremen sieben stationäre Einrichtungen vorgehalten, hier variiert die Anzahl der Plätze pro Einrichtung zwischen 25 Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 3 und 32 Plätzen. In Bremerhaven gibt es drei stationäre Wohneinrichtungen für den Personenkreis mit einer Spanne von 20 bis 60 Plätzen. Die Fallzahlen für Bremen und Bremerhaven weisen die durchschnittliche Anzahl der Leistungsberechtigten pro Jahr, die in stationären Wohnangeboten leben und für die das Amt für Soziale Dienste der Stadt Bremen bzw. der Magistrat Bremerhaven die Kosten übernimmt, aus. 2. Wie hat sich die Zahl der ambulanten Plätze für Menschen mit psychischen und geistigen Behinderungen in Bremen in den letzten drei Jahren entwickelt? Wie viele Menschen werden ambulant betreut? Wie viele dieser Menschen wohnen in eigenen Wohnungen und wie viele werden in ehemaligen stationären Wohnformen seit wann ambulant betreut? Welche Gründe sprechen aus Sicht der Träger, aus Sicht der Bewohner und aus Sicht des Senats für oder gegen eine Ambulantisierung von bisher stationären Plätzen?(bitte aufgeschlüsselt nach Stadtgemeinden und getrennt nach Wohnformen für Menschen mit psychischer und geistiger Behinderung) Zu 2.1.: Anders als in stationären Wohnangeboten gibt es keine Festlegung auf Platzzahlen im Ambulant Betreuten Wohnen für Menschen mit einer geistigen, mehrfachen und psychischen Behinderung. Das Angebot entwickelt sich in Abhängigkeit der durch die Leistungsbewilligung gedeckten Nachfrage und ist nicht auf vereinbarte Räumlichkeiten, wie bei den stationären Wohnangeboten, festgelegt. Zu 2.2.: Tabelle 3: Anzahl der Personen im Ambulant Betreuten Wohnen für Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung 2013 2014 2015 Bremen Brhv. Bremen Brhv Bremen Brhv Fallzahlen 320 102 313 102 331 108 Tabelle 4: Anzahl der Personen im Ambulant Betreuten Wohnen für Menschen mit einer psychischen Behinderung 2013 2014 2015 Bremen Brhv. Bremen Brhv. Bremen Brhv. Fallzahlen 735 224 760 250 746 263 Die in den Tabellen 3 und 4 angegebenen Personenzahlen umfassen die Nutzerinnen und Nutzer ambulanter Wohnangebote, für die die Stadt Bremen bzw. der Magistrat Bremerhaven zuständige Kostenträger sind. Zu 2.3.: Alle Personen im Ambulant Betreuten Wohnen für Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung leben in eigenen Wohnungen, für die sie einen Mietvertrag haben. Teilweise ist es aufgrund von Vorbehalten schwierig, dass Menschen mit Behinderungen selbst Mietverhältnisse auf dem freien Wohnungsmarkt abschließen, was die Anmietung des Wohnraumes durch die Leistungsanbieter erforderlich macht. Diese vermieten dann die Wohnung an den Menschen mit Behinderung weiter. Weitere Kategorien zur Unterscheidung der ambulanten Wohnformen sind Wohngemeinschaften und Einzelwohnungen. Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 4 Bei der Ambulantisierung stationärer Außenwohngruppen für Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung wird für jedes Umwandlungsprojekt eine Prüfung durchgeführt, ob der bisherige Wohnraum für eine ambulante Wohngemeinschaft geeignet ist. Teilweise entsprechen die stationären Außenwohngruppen bereits den (sozial)räumlichen und baulichen Anforderungen an ambulante Wohngemeinschaften sowie an Paar- und Einzelwohnungen. Fünf Personen werden seit 2012 ambulant in Einzelapartments in einer ehemaligen stationären Wohngemeinschaft betreut. Ambulant Betreutes Wohnen für psychisch erkrankte Menschen findet ebenfalls generell im eigenen Wohnraum statt. Auch hier handelt es sich entweder um ein Zimmer in einer durch den Leistungserbringer angebotenen Wohngemeinschaft, der durch die Betroffene oder den Betroffenen angemietet wird, oder die Menschen leben in einer eigenen Wohnung. Eine Ambulantisierung stationärer Außenwohngruppen hat für psychisch behinderte Menschen in Bremen in den Berichtsjahren nicht stattgefunden. Hier ist bereits ein hoher Ambulantisierungsgrad umgesetzt. Zu 2.4.: Die Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege im Land Bremen erklären im Rahmenvertrag 2012/2013, dass sie in der Ambulantisierung einen geeigneten Weg hin zu mehr Selbstständigkeit und Teilhabe behinderter Menschen sehen. Die „Evaluation des Ambulantisierungsprogramms in Hamburg“ aus dem Jahr 2015 durch die Universität Hamburg bestätigt diese Zielsetzung. Als positive Ergebnisse für die Nutzerinnen und Nutzer wurden benannt: - Individualisierung der Leistungserbringung - mehr Selbstbestimmung und eine - stärkere Ausrichtung am Sozialraum (vgl. S. 165 f.). Bei Ambulantisierungsvorhaben in Bremen werden die Wünsche der Bewohnerinnen und Bewohner an die Wohnform durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Sozialdienstes Erwachsene im Amt für Soziale Dienste im Rahmen der Hilfeplanung erfragt. Zudem werden sie ausführlich und mit geeigneten Methoden (z.B. Leichte Sprache) durch die Leistungsanbieter informiert, in die konkrete Umsetzung einbezogen und vorbereitet. Wünsche, nicht in ein ambulantes Angebot zu ziehen bzw. die Absicherung einer Rückkehrmöglichkeit in ein stationäres Angebot, werden berücksichtigt. Für den Senat ist die Erfüllung des § 19 der UN-Behindertenrechtskonvention handlungsleitend. Menschen mit körperlicher, geistiger und seelischer Behinderung sollen gleichberechtigt die Möglichkeit haben, ihren Aufenthaltsort zu wählen und zu entscheiden, wo und mit wem sie leben. Sie sollen nicht verpflichtet sein, in besonderen Wohnformen zu leben. Die Einbeziehung in die Gemeinschaft sowie die Nutzung gemeindenaher Dienste und Unterstützungsangebote für die Allgemeinheit stellen weitere Ziele für das Wohnen von Menschen mit Behinderungen im Sinne des § 19 UN-Behindertenrechtskonvention dar. Daraus resultieren als zentrale fachpolitische Zielsetzungen für das Land Bremen einerseits die Umwandlung bestehender stationärer Wohnangebote für Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung in ambulante Wohnangebote und andererseits der Ausbau vielfältiger, individueller und bedarfsgerechter neuer Angebotsformen jenseits der vereinfachenden Formel „ambulant versus stationär“ (ebd. S. 7). 3. Wurde die Selbstverpflichtung des Senats zu einer fünfprozentigen Ambulantisierungsquote eingehalten? Wenn nein, warum nicht? (bitte aufgeschlüsselt nach Stadtgemeinden) Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 5 Durch den bereits durch die Psychiatriereform Mitte der achtziger Jahre entstandenen hohen Anteil an ambulanten Wohnangeboten für Menschen mit psychischer Beeinträchtigung liegt der Fokus in den Ambulantisierungsvorhaben auf den Angeboten für Menschen mit geistiger und mehrfacher Beeinträchtigung. In den Vereinbarungen mit der Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege für die Jahre 2012 und 2013 wurde ein Umwandlungsprozess der Wohnangebote für Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung gemeinsam beschlossen. Ziel ist es, jährlich 5% der stationären Plätze in ambulante Angebote umzuwandeln. Diese Quote konnte bisher nicht erreicht werden, da sich die Planung und Umsetzung in der Regel als komplexe mehrjährige Prozesse erweisen, in denen individuelle Bedarfe und Wünsche sensibel zu berücksichtigen sind und zu allen Sachverhalten Einvernehmen mit den Beteiligten herzustellen ist. Eine einseitige Steuerung ist weder gewünscht, noch vertragsrechtlich umsetzbar. Seit 2012 wurden 38 Plätze für Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung in Bremen ambulantisiert. Darin enthalten sind 12 Plätze in 2016. In Bremerhaven gibt es aufgrund des hohen Anteils der Bewohnerinnen und Bewohnern aus dem Landkreis Cuxhaven in den bisherigen stationären Angeboten ein stärkeres Kostenrisiko bei einer Ambulantisierung stationärer Wohnangebote aufgrund der Rechtsprechung des BSG zur Kostenzuständigkeit. Zur Vermeidung von Kostenverschiebungen zu Ungunsten des Landes Bremen wurde eine Gesetzesinitiative zur Klarstellung der gesetzlichen Grundlage für die Ambulantisierung von stationären Wohnangeboten in 2015 gestartet, die jedoch nicht mehr für 2016 umgesetzt wurde. Im Bundesteilhabegesetz-Entwurf wurde die gesetzliche Klarstellung zur Frage der Kostenzuständigkeit auf Initiative von Bremen in Abstimmung mit Niedersachsen aufgenommen. Aus diesem Grund hat der Senat daher bei der Schaffung von neuen Wohnangeboten in Bremerhaven (insbesondere in Form von Apartmenthäusern in diesem Jahr) diese zunächst als „stationäres“ Wohnangebot etabliert, mit der Option, sie bei einer Gesetzesänderung in ein „ambulantes“ Wohnangebot umwandeln zu können. Insofern wurde die Zielvorstellung des Senats zur Ambulantisierung von stationären Plätzen entsprechend angepasst. 4. Wie viele stationäre Plätze für Menschen mit psychischen und geistigen Behinderungen wurden seit dem 1.1.2012 in welchen Stadtteilen neu geschaffen? In welcher Trägerschaft befinden sich diese? (bitte aufgeschlüsselt nach Stadtgemeinden) Zu 4.1.-4.2.: Tabelle 5: Neue stationäre Plätze für Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung seit 1.1.2012 Bremen Bremerhaven Stadtteil Trägerschaft 2012 0 0 2013 0 4 Brhv. - Lehe Albert-Schweitzer- Wohnstätten e.V. 2014 0 0 2015 0 0 2016 0 13 Brhv.- Albert-Schweitzer- Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 6 Schiffdorferdamm Wohnstätten e.V. 0 8 Brhv. - Lehe Arista Service gGmbH 1 0 Bremen - Grohn Dienste f. Menschen mit Beh. Friedehorst gGmbH 1 0 Bremen - Gröpelingen Dienste f. Menschen mit Beh. Friedehorst gGmbH Im Bereich der Wohnangebote für Menschen mit psychischer Behinderung wurden keine stationären Wohnplätze seit dem 01.01.2012 neu geschaffen. 5. Wie schätzt der Senat den Bedarf an stationären Plätzen für Menschen mit psychischen und geistigen Behinderungen bis 2025 ein? Wie hat sich die Zahl von Menschen mit einer psychischen oder geistigen Behinderung seit dem 01.01.2012 entwickelt? Wie schätzt der Senat die Einhaltung der Selbstverpflichtung zu einer jährlichen Ambulantisierung von fünf Prozent bis 2025 ein und sieht der Senat einen Änderungsbedarf für diese Selbstverpflichtung? (bitte aufgeschlüsselt nach Stadtgemeinden) Zu 5.1.: Der Gesetzesentwurf zum Bundesteilhabegesetz sieht gravierende Änderungen in der Gestaltung der Eingliederungshilfeleistungen ab dem 01.01.2017 vor. Die heute geltenden Kategorien ambulant und stationär sollen ab dem 01.01.2020 aufgehoben werden. Dieses ist jedoch nicht gleichbedeutend mit einer Abschaffung der bisher als stationär bekannten Angebote. Vor dem Hintergrund dieser Veränderungen ist eine Bewertung des Bedarfes an stationären Angeboten bis zum Jahr 2025 für den Bereich der Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung aktuell nicht möglich. Sobald das Bundesteilhabegesetz in Kraft tritt, bedarf es hierzu einer Fachdiskussion. Zu 5.2.: Laut Kennzahlenvergleich der überörtlichen Sozialhilfeträger in der Eingliederungshilfe für 2014 der Firma con_sens ist für das Land Bremen von 2012 bis 2014 ein Anstieg der Leistungsberechtigten im stationären Wohnen innerhalb und außerhalb des Landes Bremen von 1,4% zu verzeichnen (vgl. S. 16). Diese Quote beschreibt den Anstieg für Menschen mit geistiger / mehrfacher, körperlicher und seelischer Behinderung. Die Betrachtung der Fallzahlentwicklung im Rahmen der Eingliederungshilfe für Menschen mit psychischer Erkrankung in Bremen zeigt in keinem Leistungsbereich eine signifikante Zunahme, im ambulant betreuten Wohnen verbleibt die Fallzahl seit einigen Jahren auf gleichem Niveau. Hinsichtlich der Fallzahlentwicklung in den Wohnangeboten für Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung sind ebenfalls keine signifikanten Zuwächse zu verzeichnen. Zu 5.3.: Der Senat hält weiterhin an seiner Zielsetzung fest, stationäre Wohnangebote für Menschen mit einer geistigen und mehrfachen Behinderung abzubauen und durch ambulante Angebote zu ersetzen. Die weitere Strategie zur Umsetzung soll vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit der bisherigen Zielsetzung zur Ambulantisierung von jährlich 5 % stationären Plätzen sowie des Bundesteilhabegesetzes überprüft werden. Die Beteiligung der Behindertenverbände und der Verbände der Leistungsanbieter erfolgt in diesem Prozess zur Weiterentwicklung der Wohnversorgung. Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 7 6. Wie viele Menschen mit psychischen und geistigen Behinderungen wurden in den letzten drei Jahren aus welchen Gründen außerhalb Bremens stationär untergebracht? In wie vielen Fällen entsprach diese Unterbringung dem Wunsch der Betroffenen und Angehörigen und wie oft wurde vorrangig ein Platz in Bremen gewünscht? Welche Gründe sprechen in der Regel für eine stationäre Unterbringung? (bitte aufgeschlüsselt nach Stadtgemeinden) Zu 6.1.: Tabelle 6: Fallzahlen der stationären Versorgung von Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung außerhalb des Landes Bremen 2013 2014 2015 Bremen Brhv. Bremen Brhv Bremen Brhv Fallzahlen 401 130 408 127 417 122 Tabelle 7: Fallzahlen der stationären Versorgung von Menschen mit einer psychischen Behinderung außerhalb des Landes Bremen 2013 2014 2015 Bremen Brhv. Bremen Brhv. Bremen Brhv. Fallzahlen 104 40 106 37 110 33 Die angegebenen Personenzahlen in den Tabellen 6 und 7 umfassen die Nutzerinnen und Nutzer ambulanter Wohnangebote, für die die Stadt Bremen bzw. der Magistrat Bremerhaven zuständige Kostenträger sind. Zu 6.2.: In Hilfeplangesprächen werden die Wünsche der leistungsberechtigten Menschen mit einer geistigen und mehrfachen Behinderung erfragt und erfasst sowie Beratungen zu möglichen Wohnangeboten durchgeführt. In der Dokumentation des Einzelfalls werden diese Angaben festgehalten. Eine quantitative Auswertung dieser Einzeldokumentationen erfolgt nicht, so dass keine Aussagen getroffen werden können, inwieweit die Versorgung außerhalb des Landes Bremen den Wünschen der Leistungsberechtigten bzw. den Wünschen ihrer Angehörigen entsprach. Fachlich wird von den zuständigen Diensten zunächst die Versorgung in der Gemeinde angestrebt. Häufig werden erste Anfragen für Wohnplätze durch Betroffene und Angehörige direkt bei den gewünschten Leistungsanbietern gestellt. Entscheidend sind dabei für die zukünftigen Nutzerinnen und Nutzer z.B. besondere fachliche Ausrichtungen oder die Auswahl eines bestimmten Stadtteils. Bei kurzfristig auftretenden Bedarfen, z.B. in Krisensituationen oder für sehr spezielle Wohnangebote (z.B. für suchterkrankte Menschen mit geistiger Behinderung oder bei erheblichen herausfordernden Verhaltensweisen) kann nicht immer den Ortswünschen entsprochen werden, da nicht für alle besonderen Bedarfe spezialisierte Wohnangebote im Land Bremen vorgehalten werden. Dieses entspricht der Situation in allen Stadtstaaten. Die Notwendigkeit der Schaffung neuer intensiver Wohnformen für Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung und hohen Unterstützungsbedarfen bzw. erheblichen herausfordernden Verhaltensweisen für Menschen mit einer geistigen Behinderung wird zurzeit fachlich geprüft. Im Rahmen des Begutachtungsverfahrens für psychisch erkrankte Menschen durch die Gesundheitsämter werden die Wünsche der Leistungsberechtigten erfragt und geeignete Unterstützungsformen gewählt. Eine auswärtige Versorgung basiert auf der Zustimmung der Leistungsberechtigten. Eine quantitative Auswertung der Einzeldokumentationen erfolgt in diesem Bereich nicht. In einigen Fällen wünschen Klientinnen und Klienten die Aufnahme in einer auswärtigen Einrichtung, weil das dortige Angebot für sie interessant ist. In vielen dieser Fälle handelt es sich um eine Einrichtung im ländlichen Bereich. Auch sind manche Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 8 auswärtigen Einrichtungen aufgrund ihrer Spezialisierung (z.B. für junge Frauen mit Essstörungen, Mutter-Kind-Angebote) für einzelne Leistungsberechtigte geeigneter. Es besteht in der Regel die Möglichkeit des Probewohnens, sodass der oder die Betroffene sich ein genaues Bild über die jeweilige Einrichtung machen kann. Zu 6.3.: Für eine stationäre Versorgung sprechen auf Basis der heutigen Angebotsstruktur im Bereich der Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung Unterstützungsbedarfe in der Nacht sowie komplexe und intensive Unterstützungsbedarfe. Im Rahmen eines Modellprojektes wird im Bereich der Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung zurzeit die Ambulantiserung eines Wohnheimes mit einer nächtlichen Versorgung erprobt. Die Evaluation dieses Prozesses erfolgt extern über die Universität Hannover. Das Projekt wird im Laufe des Jahres 2017 abgeschlossen. Eine stationäre Versorgung im Bereich der Angebote für Menschen mit psychischer Behinderung kommt überwiegend für Menschen in Frage, die wegen der momentanen Schwere ihrer psychischen Erkrankung in einem erheblichen Umfang beeinträchtigt sind. Sie haben aufgrund von häufig und kurzfristig auftretenden Krisensituationen einen Bedarf für eine konstant verfügbare Ansprechperson sowie einen erhöhten Bedarf an einer Unterstützung in der Bewältigung des Alltags und ihrer Tagesstrukturierung. 7. Welche Kosten entstehen monatlich durchschnittlich für eine stationäre Unterbringung von Menschen mit psychischen und geistigen Behinderungen innerhalb des Landes Bremen und außerhalb Bremens? Wie beurteilt der Senat die Wirtschaftlichkeit einer Unterbringung von Menschen mit psychischen und geistigen Behinderungen außerhalb von Bremen? (bitte aufgeschlüsselt nach Stadtgemeinden) Zu 7.1.: Tabelle 8: Monatliche durchschnittliche Kosten für eine stationäre Versorgung 2014 Menschen mit geistiger Behinderung Menschen mit psychischer Behinderung Stadt Bremen Bremerhaven Stadt Bremen Bremerhaven in Bremen außerhalb in Brhv. außerhalb in Bremen außerhalb in Brhv. außerhalb 4.467 € 3.945 € 3.539 € 3.344 € 3.026 € 2.515 € 2.589 € 2.600 € Zu 7.2.: Eine generelle Wirtschaftlichkeitseinschätzung der Versorgung außerhalb des Landes Bremens ist nicht möglich. Die Kosten und Leistungen der einzelnen Bundesländer unterscheiden sich teilweise erheblich. Die Versorgung erfolgt aus Gründen der notwendigen Bedarfsdeckung im Einzelfall. Eine Einflussnahme auf die vertraglichen Rahmenbedingungen in anderen Bundesländern und damit auf die Wirtschaftlichkeit des Angebotes ist nicht möglich. Eine regionalökonomische Bewertung könnte nur auf der Grundlage einer wissenschaftlichen Studie beantwortet werden. Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 9 8. Wie viele Menschen sind im Land Bremen in stationären Wohneinrichtungen für Menschen mit psychischen und geistigen Behinderungen beschäftigt? Wie viele Menschen sind durchschnittlich in einer Einrichtung tätig? (bitte aufgeschlüsselt nach Stadtgemeinden) Zu 8.1.: Zum Stichtag 31.12.2014 waren im Bereich der Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung in allen stationären Wohneinrichtungen rechnerisch 613,3 Vollzeitstellen in der pädagogischen Unterstützung und Betreuung zu besetzen. In Bremen waren davon 447,7 Vollzeitstellen einzusetzen und in Bremerhaven 165,6 Vollzeitstellen. Die Anzahl der Vollzeitstellen gibt nicht die Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wieder. Die Zahl der Beschäftigten kann aufgrund von Teilzeitarbeitsverträgen deutlich höher sein. In stationären Wohneinrichtungen für Menschen mit einer psychischen Behinderung in Bremen waren im Jahr 2015 rechnerisch ca. 63,2 Vollzeitstellen in der pädagogischen Unterstützung und Betreuung planmäßig zu besetzen. In Bremerhaven betrug diese Anzahl ca. 31,2 Vollzeitstellen. Neben den Beschäftigten in der pädagogischen Unterstützung und Betreuung, inklusive der pädagogischen Leitungskräfte, werden in allen stationären Einrichtungen Stellen für die Geschäftsführung, Verwaltung und Hauswirtschaft/-technik besetzt und finanziert. Zu 8.2.: Die Anzahl der Personen, die in einer Einrichtung tätig ist, variiert stark in Abhängigkeit zur Platzzahl der Einrichtung, zur aktuellen Belegung und zu den Hilfebedarfen der Bewohnerinnen und Bewohner. Je höher ein Unterstützungsbedarf ist, umso höher ist der Betreuungsschlüssel, aus dem sich die Anzahl der erforderlichen Vollzeitstellen ergibt. Aus diesem Grund ist eine Antwort im gewünschten Sinne nicht möglich. 9. Hält der Senat das aktuelle Angebot von stationären Wohneinrichtungen für Menschen mit psychischen und geistigen Behinderungen in Bremen für bedarfsdeckend? Bis wann beabsichtigt der Senat ein Konzept zur bedarfsgerechten Aufstockung der Kapazitäten zu entwickeln? Welche Maßnahmen hat der Senat getroffen, um vor dem Hintergrund des Bundesteilhabegesetzes ausreichende Platzkapazitäten im ambulanten und stationären Bereich vorzuhalten? Zu 9.1.-9.2.: Im Bereich der Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung werden weiterhin Überkapazitäten an stationären Plätzen gesehen. Vor allem stationäre Außenwohngruppen sollen weiter ambulantisiert werden. Hinsichtlich der bestehenden Wohnheime sind die Erfahrungen aus der Ambulantisierung eines Wohnheimes im Laufe des Jahres 2017 auszuwerten und konzeptionelle Schwerpunkte zu prüfen, um besondere, intensive Bedarfe abdecken zu können. Die aktuell vorhandenen Platzzahlen sowohl im stationären wie im ambulanten Bereich sind für seelisch behinderte Menschen bedarfsdeckend. Im Rahmen der durch das Land Bremen geförderten Modellprojekte für den Bereich der Psychiatrie werden u.a. flexiblere und alternative Leistungsformen im Verbund entwickelt. Zwei dieser Projekte widmen sich der Personengruppe mit hohem bzw. komplexem Hilfebedarf und den geeigneten, ggf. alternativen Unterstützungsformen. Ziel ist es hier, die Menschen soweit wie möglich selbstbestimmt und niedrigschwellig im Verbund im Rahmen einer flexiblen abgestimmten Leistungserbringung zu betreuen. Der Verbleib in Bremen soll hierdurch gesichert werden. Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 10 Zu 9.3.: Es ist derzeit noch nicht absehbar, wie sich das Bundesteilhabegesetz auf die Platzahlen im Bereich der Eingliederungshilfe für Menschen mit geistiger und mehrfacher sowie psychischer Behinderung auswirkt (vgl. Antwort Frage 5). Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft Drs-19-794 VB Stationäre Angebote für Menschen mit psychischen und geistigen Behinderungen 20161025_1_KA Stationäre Angebote