BREMISCHE BÜRGERSCHAFT Drucksache 19/990 Landtag 19. Wahlperiode 21.03.17 Antwort des Senats auf die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD Werden auf Friedhöfen im Land Bremen Grabsteine aus ausbeuterischer Kinderarbeit aufgestellt? Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 1 Antwort des Senats auf die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD vom 08. Februar 2017 „Werden auf Friedhöfen im Land Bremen Grabsteine aus ausbeuterischer Kinderarbeit aufgestellt?“ Die Fraktion der SPD hat folgende Kleine Anfrage an den Senat gerichtet. In Indien arbeiten nach Zahlen der UNO etwa 100.000 Kinder in Ziegeleien und Steinbrüchen – unter anderem stellen die Kinder dort Grabsteine aus Naturstein her, die dann in Deutschland preisgünstig verkauft und weiter bearbeitet werden. Nach Schätzung des Naturwerksteinverbandes in Würzburg kommen bis zu 50 Prozent der Grabsteine auf heimischen Friedhöfen aus Indien, andere Experten sprechen sogar von 80 Prozent. Einige Kommunen (z. B. in Baden-Württemberg und Bayern) haben die Verwendung solcher Grabsteine per Friedhofssatzung inzwischen verboten. Die Lebenserwartung dieser indischen Kinder liegt nach Angaben des Vereins Xertifix Sozialprojekte (eine Organisation, die sich gegen ausbeuterische Kinder- und Sklavenarbeit in der Natursteinbranche engagiert). nur bei 30 bis 40 Jahren. Vor allem der allgegenwärtige Steinstaub lässt sie vorzeitig altern. Von Arbeitsschutzmitteln wie Schutzbrillen, Atem- oder Gehörschutz wird nur selten Gebrauch gemacht. Den Kindern, die unter diesen Bedingungen bei teils über 40 Grad Celsius arbeiten müssen, drohen schwerste Gesundheitsschäden (z.B. Taubheit), Verstümmelungen der Gliedmaßen durch Unfälle sowie später die Erkrankung an der tödlichen Staublunge (Silikosis). Wir fragen den Senat: 1. Sind dem Senat Fälle bekannt, in denen Grabmale oder Grabeinfassungen auf Friedhöfen im Land Bremen aufgestellt wurden, die nachweislich durch Kinderarbeit in Indien oder anderen asiatischen Ländern hergestellt wurden? 2. Wie stellt der Senat sicher, dass auf Friedhöfen in Bremen und Bremerhaven nur Grabsteine mit entsprechenden Nachweisen, die Produkte aus Kinderarbeit ausschließen, aufgestellt werden? 3. Hält der Senat es für notwendig, eine Rechtsgrundlage auf Landesebene zu schaffen, um das Aufstellen von Grabsteinen aus Kinderarbeit zu unterbinden? 4. Hält der Senat die Einführung einer Nachweispflicht (Einführung einer Zertifizierung oder eines Gütesiegels) zur Herkunft der aufgestellten Grabsteine für sinnvoll? Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 2 Der Senat beantwortet die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Sind dem Senat Fälle bekannt, in denen Grabmale oder Grabeinfassungen auf Friedhöfen im Land Bremen aufgestellt wurden, die nachweislich durch Kinderarbeit in Indien oder anderen asiatischen Ländern hergestellt wurden? Der Senat schickt vorweg, dass die Beantwortung der Fragen nur im Hinblick auf die Gegebenheiten der Friedhöfe in kommunaler Trägerschaft erfolgen kann. Dem Senat sind keine der in der Frage genannten Fälle bekannt. Grabmale und Grabeinfassungen werden nicht von den jeweiligen Friedhofsträgern errichtet, sondern von den jeweiligen Angehörigen des / der Verstorbenen bzw. in deren Auftrag. Die Steine werden heute noch i.d.R. bei örtlichen Steinmetzbetrieben bestellt. Es gibt aber auch die Möglichkeit, diese im Internet zu ordern. Wie und durch wen die Steine in den Herkunftsländern hergestellt werden, ist für den jeweiligen Einzelstein nicht bekannt. Der Umweltbetrieb Bremen ordert lediglich Gedenksteine / -platten für Gemeinschaftsgrabstätten (z.B. Urnengemeinschaftsanlagen, Ascheausstreuflächen etc.). Dafür werden recycelte Grabsteine im Sinne der Nachhaltigkeit von beauftragten Steinmetzen verarbeitet. Dabei sind keine Fälle bekannt, bei denen die ursprünglichen Grabsteine nachweislich aus ausbeuterischer Kinderarbeit stammen. Im Übrigen ist der Umweltbetrieb Bremen nach der Bremischen Kernarbeitsnormenverordnung (BremKernV) verpflichtet, bei der Beschaffung von Natursteinen das dort geregelte Verfahren anzuwenden, um sicherzustellen, dass keine Steine aus ausbeuterischer Kinderarbeit beschafft werden. Jedoch müssen auf dem Zertifizierungsmarkt für die Einhaltung von Sozialstandards bei der Herstellung und Bearbeitung von Natursteinen noch verlässliche Standards und entsprechend aussagekräftige und vertrauenswürdige Gütesiegel entwickelt werden. 2. Wie stellt der Senat sicher, dass auf Friedhöfen in Bremen und Bremerhaven nur Grabsteine mit entsprechenden Nachweisen, die Produkte aus Kinderarbeit ausschließen, aufgestellt werden? Soweit der Senat nicht selbst als Auftraggeber tätig wird, besteht z.Zt. keine Möglichkeit, auf die Verwendung solcher Produkte Einfluss zu nehmen. 3. Hält der Senat es für notwendig, eine Rechtsgrundlage auf Landesebene zu schaffen, um das Aufstellen von Grabsteinen aus Kinderarbeit zu unterbinden? Die Bremische Bürgerschaft hat die Städte Bremen und Bremerhaven bereits in §4 (5) des Gesetzes über das Friedhofs- und Bestattungswesen in der Freien Hansestadt Bremen1 (zuletzt geändert 15.12.2015) ermächtigt, in den kommunalen Friedhofssatzungen entsprechende Regelungen einzufügen. Dies ist bislang nicht erfolgt, da eine rechtssichere Umsetzung aufgrund von inzwischen ergangener Rechtsprechung fraglich erscheint. So hat das BVerwG und auch der VGH Mannheim in mehreren Urteilen festgestellt, dass wegen des Eingriffes in die grundrechtlich geschützte Berufsfreiheit von Steinmetzen hohe Anforderungen an ein solches Verbot zu stellen sind. Das Anknüpfen an bestimmte Gütesiegel wurde dabei als unverhältnismäßig betrachtet, da für den Normunterworfenen nicht hinreichend erkennbar sei, welche Nachweismöglichkeiten bestehen und als ausreichend gelten. Erforderlich sei, dass eine allgemeine Verkehrsauffassung darüber besteht. 1 Gesetzesauszug § 4 (5) „Der Friedhofsträger kann in seiner Friedhofsordnung festlegen, dass nur Grabsteine und Grabeinfassungen verwendet werden dürfen, die nachweislich aus fairem Handel stammen und ohne ausbeuterische Kinderarbeit im Sinne des „Übereinkommens Nr. 182 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 17. Juni 1999 über das Verbot und unverzügliche Maßnahmen zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit (BGBl. 2001 II S. 1290)“ hergestellt sind.“ Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 3 Gegenwärtig lässt sich aber eine allgemeine Verkehrsauffassung, welche bestehenden Zertifikate als verlässlich einzustufen sind, nicht feststellen (wie auch in der Antwort auf die Frage 1 dargestellt). An verlässlichen Nachweismöglichkeiten fehlt es, wie bereits das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 16. Oktober 2013 festgestellt hat (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.10.2013, a.a.O., Rn. 22) bisher. 4. Hält der Senat die Einführung einer Nachweispflicht (Einführung einer Zertifizierung oder eines Gütesiegels) zur Herkunft der aufgestellten Grabsteine für sinnvoll? Der Senat hält die Einführung einer generellen Nachweispflicht für sinnvoll. Hier ist die Bundesregierung gefordert, da allein für das Land Bremen keine Zertifikate sinnvoll einzuführen sind. Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft Drs-19-990 VB Werden auf Friedhöfen im Land Bremen Grabsteine aus ausbeuterischer Kinderarbeit aufgestellt? 20170321_1_KA Grabsteine