BREMISCHE BÜRGERSCHAFT Drucksache 19/992 Landtag 19. Wahlperiode 21.03.17 Antwort des Senats auf die Kleine Anfrage der Fraktion der CDU Scheinehen Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft Antwort des Senats auf die Kleine Anfrage der Fraktion der CDU vom 14.Februar 2017 „Scheinehen“ Die Fraktion der CDU hat folgende Kleine Anfrage an den Senat gerichtet: „In den letzten Jahren ist die Anzahl der nach Deutschland geflüchteten Menschen extrem gestiegen und damit hat sich die Zahl der Erstanträge für Asylverfahren stark erhöht. Im Jahre 2016 wurden dabei 37,6% der Asylanträge abgelehnt, sei es aufgrund der Einstufung der Herkunftsländer als sicher oder auch durch formelle Entscheidungen. Einige bei uns Zuflucht suchender Menschen, gerade aus dieser Gruppe Ausreisepflichtiger, könnten das Eingehen einer sog. Scheinehe als ihre letzte Hoffnung begreifen, sich dadurch ein sonst nicht zu erlangendes Aufenthaltsrecht zu verschaffen. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: 1. Wie ist der Stand der ermittelten Scheinehen in Bremen und Bremerhaven in den Jahren 2014, 2015 und 2016? 2. Welche Behörden im Land Bremen haben in den genannten Jahren Scheinehen zur Anzeige gebracht? 3. Welche Nationalitäten haben die Aufenthaltsbeantragenden? 4. Wie wird die dauerhafte eheliche und häusliche Lebensgemeinschaft bei binationalen Paaren festgestellt? Wird in Zweifelsfällen geprüft, ob zwischen den Ehepartnern eine Kommunikation in einer gemeinsamen Sprache möglich ist und welche Rolle spielt dabei der zuständige Standesbeamte bei der Eheschließung? 5. Wie wird im Falle eines Anfangsverdachts wegen Scheinehe ermittelt? 6. Gibt es besondere Prüfverfahren, z.B. einen Fragenkatalog? 7. Wenn ja, wie oft wurde dieser Katalog in den Jahren 2014, 2015 und 2016 angewendet? Wie viele Fragen beinhaltet er? Handelt es sich um einen standardisierten Fragenkatalog oder gibt es individuelle Fragen, die an die Personen angepasst werden? 8. Wie viele Befragungen wurden in den Jahren 2014, 2015 und 2016 durchgeführt mit welchem Ergebnis? Wie geht die Behörde bei Widersprüchen in den Antworten vor? 9. Wie oft wurde seitens der Paare geklagt gegen negative Entscheidungen der Ausländerbehörde auf Grundlage der Befragungen? Wie sind diese Verfahren ausgegangen? 10. Was waren die Konsequenzen für die Paare, denen eine Scheinehe nachgewiesen werden konnte? 11. Sind dem Senat auch Fälle von organisiertem Heiratshandel in Bremen über sog. Vermittlungsagenturen bekannt? 12. Wenn ja, welche konkreten Diensthandlungen und Vermittlungsmethoden werden dort angeboten? Wie sind diese Agenturen organisiert und wie machen sie auf sich aufmerksam? Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft Der Senat beantwortet die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung: Die sogenannte Scheinehe ist eine strafrechtlich sanktionierte Tathandlung, die darauf ausgerichtet ist, dem/der Ehegatten/Ehegattin eines/einer Deutschen oder eines/einer im Bundesgebiet erlaubt aufhältigen Ausländers/Ausländerin ein Aufenthaltsrecht zu verschaffen, auf das diese/r ansonsten keinen Anspruch hätte. Die Ehe wird ausschließlich zu dem Zweck geschlossen oder begründet, dem Nachziehenden die Einreise in das und den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen. Die Tathandlung ist in § 95 Abs. 2 Ziffer 2 AufenthG normiert. Danach wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer im Zusammenhang mit der Beantragung eines Aufenthaltstitels hinsichtlich der Aufnahme oder des Bestehens einer ehelichen und häuslichen Lebensgemeinschaft unrichtige oder unvollständige Angaben macht, um für sich oder einen anderen einen Aufenthaltstitel zu beschaffen oder das Erlöschen oder die nachträgliche Beschränkung des Aufenthaltstitels/der Duldung abzuwenden oder eine so beschaffte Urkunde wissentlich zur Täuschung im Rechtsverkehr gebraucht. Der Tatbestand ist sowohl im Visumverfahren nach der Eheschließung im Ausland oder bei der Beantragung des Aufenthaltstitels nach der Eheschließung im Inland einschlägig. Die eheliche und häusliche Lebensgemeinschaft muss mindestens drei Jahre bestehen, bevor für den/der antragstellenden Ehegatten/Ehegattin ein eigenständiges Aufenthaltsrecht entstehen kann. Änderungen in den persönlichen Verhältnissen, hier insbesondere hinsichtlich des Führens der ehelichen und häuslichen Lebensgemeinschaft sind gemäß § 82 Abs. 1 AufenthG verpflichtend der Ausländerbehörde anzuzeigen und zu belegen. Erhält der deutsche Ehepartner oder erlaubt aufhältige ausländische Ehepartner für die Verwirklichung der Scheinehe einen Vermögensvorteil oder lässt sich einen solchen zumindest versprechen, ist zudem von ihm der Tatbestand des Einschleusens von Ausländern gemäß § 96 Abs. 1 Ziffer 2 AufenthG erfüllt, der mit einer Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bedroht ist. 1. Wie ist der Stand der ermittelten Scheinehen in Bremen und Bremerhaven in den Jahren 2014, 2015 und 2016? Von der Polizei Bremen wurden im angefragten Zeitraum insgesamt 22 (2014: 14; 2015: 7; 2016: 1) Ermittlungsverfahren wegen Verdachts einer Scheinehe gem. § 27 (1a) i.V.m. § 95 (2) Nr. 2 AufenthG betrieben und der Staatsanwaltschaft Bremen übersandt. Die Verfahrensausgänge sind nicht bekannt. Von der Ortspolizeibehörde Bremerhaven wurden im angefragten Zeitraum keine entsprechenden Verfahren geführt. Die Fallzahlen des modus operandi „Aufenthaltstitelerlangung durch Scheinehe“ sind in den zurückliegenden Jahren zugunsten des modus operandi „Aufenthaltstitelerlangung durch (gesetzliche) Vaterschaftsanerkennung“ deutlich gesunken. Das Migrationsamt Bremen und das Bürger-und Ordnungsamt Bremerhaven verzeichnen kein merkliches Aufkommen von Eheschließungen von abgelehnten Asylsuchenden mit Aufenthaltsberechtigten oder deutschen Staatsangehörigen in den vergangenen drei Jahren. Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 2. Welche Behörden im Land Bremen haben in den genannten Jahren Scheinehen zur Anzeige gebracht? Strafanzeigen aufgrund von Verstößen gem. § 95 AufenthG werden durch die Ausländerbehörden erstattet. Die Verfahrenseinleitungen zu den unter 1.) genannten Fällen basierten auf Mitteilungen des Migrationsamtes Bremen und auf Erkenntnissen aus anderen polizeilichen Ermittlungsverfahren. 3. Welche Nationalitäten haben die Aufenthaltsbeantragenden? Hier haben sich keine signifikanten Nationalitäten herauskristallisiert. Eine konkrete Ermittlung der Nationalitäten wäre nur mit einem unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand mittels Aktendurchsicht möglich. 4. Wie wird die dauerhafte eheliche und häusliche Lebensgemeinschaft bei binationalen Paaren festgestellt? Wird in Zweifelsfällen geprüft, ob zwischen den Ehepartnern eine Kommunikation in einer gemeinsamen Sprache möglich ist und welche Rolle spielt dabei der zuständige Standesbeamte bei der Eheschließung? Eine formal wirksame Ehe berechtigt zum Ehegattennachzug, wenn eheliche Lebensgemeinschaft besteht oder hergestellt werden soll. Grundsätzlich gehen das Migrationsamt Bremen und das Bürger- und Ordnungsamt Bremerhaven von der Richtigkeit der im Antragsverfahren gemachten Angaben aus. Ergeben sich Zweifel an dem geäußerten Willen der Eheleute, eine eheliche Lebensgemeinschaft führen zu wollen, z.B. durch deutliche Kommunikationsschwierigkeiten zwischen den Eheleuten oder mehrfache Vorsprachen mit verschiedenen Personen, mit denen die Ehe geschlossen werden soll, werden in der Regel getrennte Befragungen der Ehepartner durchgeführt. Ergeben sich in einem Visumverfahren Zweifel an der Ernsthaftigkeit, eine eheliche Lebensgemeinschaft führen zu wollen, erfolgt regelmäßig auf Anregung der deutschen Auslandsvertretung eine getrennte Befragung der Ehepartner. Standesbeamte müssen ihre Mitwirkung bei einer Eheschließung verweigern, wenn „offenkundig “ ist, dass die Ehe nach gesetzlichen Aufhebungsgründen des BGB aufhebbar wäre. Aufhebungsgründe liegen nach §1314 Abs. 2 Nr. 1.- 5. BGB vor, wenn eine Partei widerrechtlich zur Eheschließung bestimmt worden ist, etwa durch Drohung, Täuschung oder bei offensichtlichem Unwissen über das Eingehen der Ehe. Der Umstand, dass neben der ehelichen Lebensgemeinschaft auch die Aufenthaltserlaubnis angestrebt wird, erlaubt keine Ablehnung der Eheschließung. In der Praxis ergeben sich für Standesbeamte daher kaum Möglichkeiten , Scheinehen entgegenzuwirken, da solche Umstände für gewöhnlich nicht derart offenkundig sind, dass der Standesbeamte Kenntnis über diese erlangt. 5. Wie wird im Falle eines Anfangsverdachts wegen Scheinehe ermittelt? Erhält die Polizei Kenntnis von einer „Scheinehe“ und liegt ein zureichender Anfangsverdacht vor, werden ein Ermittlungsverfahren wegen eines Vergehens gemäß § 95 Abs. 2 Ziffer 2 AufenthG bzw. § 96 Abs. 1 Ziffer 2 AufenthG eingeleitet und die zum Tatnachweis erforderlichen Ermittlungshandlungen durchgeführt. 6. Gibt es besondere Prüfverfahren, z.B. einen Fragenkatalog? Das Bürger- und Ordnungsamt Bremerhaven nutzt einen vom Senator für Inneres genehmigten Fragenkatalog. Das Migrationsamt Bremen nutzt keinen Fragenkatalog. Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft 7. Wenn ja, wie oft wurde dieser Katalog in den Jahren 2014, 2015 und 2016 angewendet? Wie viele Fragen beinhaltet er? Handelt es sich um einen standardisierten Fragenkatalog oder gibt es individuelle Fragen, die an die Personen angepasst werden? Der Katalog enthält 88 Fragen, von denen einzelfallbezogen Fragen für die Befragung ausgewählt werden. Statistischen Angaben zur Nutzung des Fragenkatalogs werden nicht erfasst . 8. Wie viele Befragungen wurden in den Jahren 2014, 2015 und 2016 durchgeführt mit welchem Ergebnis? Wie geht die Behörde bei Widersprüchen in den Antworten vor? Statistische Angaben über Befragungen werden nicht erfasst. In den Fällen des Familiennachzugs aus dem Ausland entscheiden die rechtlich federführenden deutschen Auslandsvertretungen, ob ein Visum zum Familiennachzug erteilt wird oder nicht. Als Entscheidungsgrundlage nutzen Auslandsvertretungen eigene Fragenkataloge . Diese können u.U. im jeweiligen Einzelfall auch von den Ausländerbehörden genutzt werden. Es ist ebenfalls möglich, dass die Auslandsvertretungen darum ersuchen, dass die Ausländerbehörden mit dem Familiennachzugsberechtigten ein Gespräch führen, um zu klären, ob die Ehe ausschließlich zu dem Zweck geschlossen oder begründet wurde, dem Nachziehenden die Einreise in das und den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen. Die Fragen hierzu werden von den Auslandsvertretungen vorgegeben, sie entscheiden sodann auch, ob ein Visum zum Familiennachzug erteilt wird oder nicht. 9. Wie oft wurde seitens der Paare geklagt gegen negative Entscheidungen der Ausländerbehörde auf Grundlage der Befragungen? Wie sind diese Verfahren ausgegangen? Eine Beantwortung dieser Frage ist nicht möglich, da keine entsprechende Statistik geführt wird. 10. Was waren die Konsequenzen für die Paare, denen eine Scheinehe nachgewiesen werden konnte? In den Fällen, in denen sich der Verdacht einer Scheinehe bestätigt, wird entweder das Visum zur beabsichtigten Familienzusammenführung seitens der jeweiligen deutschen Botschaft abgelehnt oder die zuständige Ausländerbehörde lehnt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ab. Sofern eine Scheinehe erst nach der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis festgestellt wird, kann die Aufenthaltserlaubnis zurückgenommen oder ihre Gültigkeit beschränkt werden. Zur Strafbarkeit, unrichtige Angaben zur Erlangung eines Aufenthaltstitels gemacht zu haben, wird auf die Vorbemerkung verwiesen. Statistische Angaben über den Verfahrensausgang werden nicht erfasst. 11. Sind dem Senat auch Fälle von organisiertem Heiratshandel in Bremen über sog. Vermittlungsagenturen bekannt? Dem Senat liegen keine Erkenntnisse über Vermittlungsagenturen vor. 12. Wenn ja, welche konkreten Diensthandlungen und Vermittlungsmethoden werden dort angeboten? Wie sind diese Agenturen organisiert und wie machen sie auf sich aufmerksam? Entfällt, siehe Antwort zu Frage 11. Vorlä ufige, unredigierte Fassung – Parlamentsdokumentation der Bremischen Bü rgerschaft Drs-19-992 VB Scheinehen 20170321_1_KA Scheinehe