Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Auswärtigen Amts vom 11. Oktober 2016 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 18/10002 18. Wahlperiode 13.10.2016 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Agnieszka Brugger, Annalena Baerbock, Marieluise Beck (Bremen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/9843 – Deutschlands Beitrag zur nuklearen Abrüstung und Ächtung von Atomwaffen V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r In den vergangenen drei Jahren haben drei große internationale Konferenzen zu den humanitären Folgen von Atomwaffen in Oslo, Nayarit und Wien die internationale Debatte über Atomwaffen verändert und ein neues politisches Engagement der atomwaffenfreien Staaten bewirkt. Mit dem sogenannten „Humanitarian Pledge“ haben sich 127 Staaten mit Nachdruck dazu verpflichtet, sich für ein Verbot von Atomwaffen einzusetzen. Die Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertrages (NPT) 2015 in New York scheiterte, da es keine Fortschritte bei der Schaffung einer massenvernichtungswaffenfreien Zone (MVWFZ) im Nahen und Mittleren Osten gab und der Streit über ein Atomwaffenverbot eskalierte. Im Oktober 2015 beschloss die Generalversammlung der Vereinten Nationen (GV-VN) die Einberufung einer Open Ended Working Group (OEWG) zu nuklearer Abrüstung, die sich u. a. mit möglichen Verhandlungen über ein Verbot dieser Massenvernichtungswaffen beschäftigen sollte. Diese OEWG tagte von Februar bis August 2016 drei Mal in Genf. Sie endete mit einer Abstimmung, bei der sich die Mehrheit der Staaten dafür aussprach, Verhandlungen über ein Atomwaffenverbot im nächsten Jahr zu beginnen und eine entsprechende Empfehlung an die Generalversammlung zu richten. Im Oktober 2016 wird nun in der GV-VN ein Resolutionsentwurf zum Beginn von Verhandlungen über ein Verbot erwartet. Der Erste Ausschuss wird hierüber voraussichtlich zwischen dem 26. Oktober und 2. November 2016 abstimmen. Die Bundesregierung stimmte in der OEWG sowohl gegen die Empfehlung, Verhandlungen über ein Atomwaffenverbot zu beginnen, als auch gegen den Abschlussbericht insgesamt. Damit lässt die Bundesregierung die Frage aufkommen , wie ernst sie es meint, „die Bedingungen für eine Welt ohne Kernwaffen zu schaffen“ (vgl. Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, 2013, S. 118). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/10002 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 1. Wie begründet die Bundesregierung ihre ablehnende Haltung in Genf zur Empfehlung zum Beginn von Verhandlungen über ein Atomwaffenverbot und zum Abschlussbericht der OEWG? Die Bundesregierung unterstützt das Ziel, die Bedingungen für eine Welt ohne Nuklearwaffen zu schaffen. Dieses Ziel ergibt sich auch aus Artikel VI des Nichtverbreitungsvertrags . Fortschritte bei der nuklearen Abrüstung sind dringend erforderlich . Die Bundesregierung hat sich daher auch intensiv an den Verhandlungen der offenen Arbeitsgruppe (OEWG) in Genf beteiligt. Die Bundesregierung vertritt einen schrittweisen und pragmatischen Ansatz hin zu einer Welt ohne Nuklearwaffen. Für einen solchen hat sie sich auch im Rahmen der OEWG eingesetzt . Verhandlungen über einen Kernwaffenverbotsvertrag ohne Einbindung der Kernwaffenstaaten hält die Bundesregierung dagegen für nicht zielführend. Grund sind vor allem Deutschlands Verpflichtungen als NATO-Bündnispartner, die die nukleare Teilhabe einschließt, aber auch deutsche Sicherheitsinteressen. Zudem wird von vielen Seiten das Risiko einer Schwächung des Nichtverbreitungsvertrags gesehen, falls ein Nuklearwaffenverbot ohne Einbeziehung der Nuklearwaffenstaaten erfolgt. In der Schlussphase der Verhandlungen der OEWG traten Empfehlungen hin zu einem sofortigen Verbot von Atomwaffen in den Vordergrund. Die Bundesregierung hat daher mit Blick auf den von ihr präferierten schrittweisen Ansatz gegen den Abschlussbericht der OEWG gestimmt. Sie wird weiter für einen pragmatischen Ansatz hin zu einer Welt ohne Nuklearwaffen werben. Die Stimmerklärung der Bundesregierung zum OEWG-Abschlussbericht ist als Anlage beigefügt. 2. Welche Staaten haben nach Kenntnis der Bundesregierung in Genf für die Empfehlung zum Beginn von Verhandlungen über ein Atomwaffenverbot und für den Abschlussbericht der OEWG gestimmt, und welche Staaten enthielten sich oder stimmten dagegen (bitte jeweils einzeln auflisten)? Die Abstimmung fand per durch Handzeichens statt und wurde nicht ausgezählt. Der Vorsitzende hat eine Mehrheit für den Abschlussbericht festgestellt. Eine Reihe von Staaten hat gegen den Abschlussbericht gestimmt oder sich enthalten. 3. Inwiefern ist die Ablehnung eines Verbotes von Atomwaffen vereinbar mit dem Ziel der Bundesregierung, den Weg für eine atomwaffenfreie Welt zu unterstützen? Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. 4. Welche Schritte und Konsultationen wird die Bundesregierung vor der bevorstehenden Abstimmung im Bereich nukleare Abrüstung in der GV-VN im Oktober/November 2016 anstreben? Die Bundesregierung wird gegenüber den Nuklearwaffenstaaten weiter für den von ihr vertretenen schrittweisen und pragmatischen Ansatz werben und diese zu glaubhaften weiteren Abrüstungsschritten auffordern. Dazu wird sich die Bundesregierung mit Partnern der Nichtverbreitungs- und Abrüstungsinitiative (NPDI) sowie mit einer größeren Gruppe von gleichgesinnten Staaten abstimmen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/10002 5. Was unternimmt die Bundesregierung, um den Konflikt zwischen den Atomwaffenstaaten sowie den Staaten, auf deren Territorium Atomwaffen im Rahmen der nuklearen Teilhabe stationiert sind, einerseits und den atomwaffenfreien Staaten andererseits zu entschärfen, und welche Möglichkeiten bestehen für Deutschland als Teilhabestaat, um auf die atomwaffenfreien Staaten zuzugehen? Die Bundesregierung setzt sich im Rahmen der NPDI für weitere konkrete Abrüstungsschritte der Nuklearwaffenstaaten ein, wie zuletzt bei einem Treffen mit den fünf ständigen Mitgliedern des VN-Sicherheitsrats am 15. September 2016 in Washington. Die NPDI umfasst neben einigen NATO-Mitgliedstaaten auch solche Staaten, die einen Nuklearwaffenverbotsvertrag fordern. Innerhalb der NPDI besteht das gemeinsame Verständnis, weiter an konkreten Abrüstungsmaßnahmen wie verbesserter Transparenz, einem Vertrag zum Verbot der Herstellung von Spaltmaterial (Fissile Material Cut-off Treaty – FMCT) oder sogenannten Negativen Sicherheitsgarantien zu arbeiten, um greifbare Fortschritte bei nuklearer Abrüstung zu erreichen. 6. Sieht die Bundesregierung die Gefahr, dass sie bei einer Ablehnung des Resolutionsentwurfs zum Beginn von Verhandlungen über ein Verbot von Atomwaffen ihre Einflussmöglichkeiten auf die zu erwartenden Vertragsverhandlungen verspielt? Die Bundesregierung hat sich bislang aktiv und konstruktiv in alle Gespräche und Foren zum Thema Ächtung von Nuklearwaffen eingebracht. Unter anderem hat sie an den Konferenzen zu humanitären Konsequenzen des Einsatzes von Nuklearwaffen (Oslo, Nayarit, Wien) sowie an der OEWG teilgenommen. Der Bundesregierung ist nachdrücklich daran gelegen, ihre Position und Argumente für einen schrittweisen Ansatz auch weiterhin in den internationalen Diskurs einzubringen. 7. Welche einschlägigen Erfolge hat der von der Bundesregierung verfolgte Schritt-für-Schritt-Ansatz in der nuklearen Abrüstung seit der Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertrages (NPT) 2010 zu verzeichnen? Der bei der Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertrages 2010 verabschiedete Aktionsplan ist weiterhin die Grundlage für die Bemühungen der Bundesregierung zur Förderung weiterer Fortschritte im Bereich der nuklearen Abrüstung . Gleichwohl teilt die Bundesregierung das Bedauern vieler Staaten über die ausbleibenden Abrüstungsschritte der Nuklearwaffenstaaten sowie die bereits seit Jahren andauernde Blockade der Genfer Abrüstungskonferenz. Mit ihren Partnern der NPDI konnte die Bundesregierung dennoch erreichen, dass die Nuklearwaffenstaaten , in jeweils unterschiedlicher Ausprägung, größere Transparenz hinsichtlich ihrer Nuklearwaffenarsenale zeigen. Dies ist aus Sicht der Bundesregierung eine unabdingbare Voraussetzung dafür, dass Schritte in der nuklearen Abrüstung überprüfbar und unumkehrbar sind. Zudem engagiert sich die Bundesregierung aktiv in der von den USA initiierten International Partnership for Nuclear Disarmament und Verification (IPNDV), bei der die Entwicklung technischer Maßnahmen zur Verifikation nuklearer Abrüstung im Vordergrund steht. Die am 23. September 2016 verabschiedete, auch der Bundesregierung unterstützte Resolution des VN-Sicherheitsrats zum Umfassenden Teststoppvertrag (CTBT) stärkte ebenso wie neue Beitritte zum Vertrag dieses internationale Regelwerk . Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/10002 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 8. Auf Grundlage welcher Fortschritte und Erwartungen hält die Bundesregierung am Schritt-für-Schritt-Ansatz in der nuklearen Abrüstung fest, und hält sie diesen für alternativlos? Zu den Gründen, weshalb die Bundesregierung einen schrittweisen Ansatz hin zu einer Welt ohne Nuklearwaffen für den richtigen Weg hält, wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. Ein gutes Beispiel für einen Schritt, der zu einer messbaren Verringerung der Nukleararsenale führte, ist der 2010 zwischen den USA und Russland geschlossene New-Start-Vertrag. Aus Sicht der Bundesregierung können signifikante Fortschritte bei der nuklearen Abrüstung nur erreicht werden, wenn es zu einer nächsten bilateralen Abrüstungsrunde zwischen den USA und Russland kommt, die über 90 Prozent der weltweiten Nuklearwaffenarsenale verfügen . Die Bundesregierung bedauert, dass Russland bislang nicht auf das von US-Präsident Barack Obama 2013 in Berlin unterbreitete und 2016 in Washington erneuerte Angebot zur weiteren Reduzierung von nuklearen Sprengköpfen eingegangen ist. Zusätzlich zu einer Annäherung zwischen den USA und Russland setzt die Bundesregierung auf eine Stärkung der multilateralen Nichtverbreitungs - und Abrüstungsinstrumente. 9. Warum ist nach Ansicht der Bundesregierung der Schritt-für-Schritt-Ansatz unvereinbar mit der Beteiligung an anderen Prozessen, die auf eine internationale Ächtung von Atomwaffen abzielen? Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. 10. Wie bewertet die Bundesregierung die Umsetzung des bei der Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertrages (NPT) 2010 verabschiedeten Aktionsplanes und die Erfolgsaussichten bei dessen Umsetzung, und welchen Beitrag will die Bundesregierung dazu leisten? Zur Bewertung der bisherigen Umsetzung des Aktionsplans wird auf die Antwort zu Frage 7 verwiesen. Hinsichtlich der weiteren Erfolgsaussichten schließt die Bundesregierung nicht aus, dass die Umsetzung des Aktionsplans 2010 durch den zu erwartenden Beginn von Verhandlungen zu einem Nuklearwaffenverbot belastet wird und dies zu einer Verhärtung der Position zumindest einiger der Nuklearwaffenstaaten führen wird. Die Bundesregierung wird sich weiterhin aktiv für die Umsetzung des Aktionsplans 2010 einsetzen. 11. Wird sich die Bundesregierung im Fall der Aufnahme von Verhandlungen über ein Verbot von Atomwaffen im Jahr 2017 an diesen beteiligen? Wenn ja, mit welchem Ziel, und in welcher Form genau? Die Bundesregierung wird den weiteren Verlauf der Verhandlungen und Gespräche beobachten und rechtzeitig eine Position formulieren. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/10002 Anlage OEWG final report - Explanation of Vote (“No”) on behalf of Germany Mr. Ambassador Thani Thongphakdi, We wish to thank you for your hard work and your dedication. We acknowledge the sincere and genuine efforts made by all participants in the Open-ended Working Group to try to arrive at a shared vision of how best to take forward multilateral nuclear disarmament negotiations. Germany remains committed to the vision of a nuclear weapons free world. Germany has always been actively engaged in promoting the nuclear disarmament process. Germany advocates for a step-by-step approach aiming for conditions that would allow for continuous reduction of nuclear weapons. Nuclear disarmament can’t happen in a security vacuum. We have to take the current international security environment into consideration. Nuclear disarmament remains imperative, not least in order to strengthen the Treaty on the Non Proliferation of Nuclear Weapons. This is the cornerstone of the international nuclear non proliferation and disarmament architecture. Germany’s central concern remains the full effectiveness of the NPT in its three pillars. An immediate „ban“ of nuclear weapons without verification mechanism or restrictions on the production of fissile material bears the risk of weakening the NPT – contrary to the intention of its proponents. Nuclear weapons will only disappear when nuclear weapon states will engage in the process. Negotiations of a ban treaty without Nuclear Weapon States will not lead to reductions in the nuclear arsenals. Germany will further engage with the nuclear weapon states to achieve progress. Therefore, with deep regret, we do not see ourselves in a position to support the Chair’s draft Report as a consensus outcome document but had to oppose when it was submitted to formal voting. Notably, the Report presents the most controversial proposal, that of convening a conference in 2017 to negotiate a legally-binding instrument to prohibit nuclear weapons, as the key recommendation. We cannot agree to this proposition. In short, there are no quick fixes to our common goal of effective, verifiable and irreversible nuclear disarmament to which we are fully committed. We therefore aim for a realistic alternative which we have called „progressive approach“. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333