Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie vom 14. Oktober 2016 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 18/10004 18. Wahlperiode 18.10.2016 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Annalena Baerbock, Oliver Krischer, Stephan Kühn (Dresden), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/9887 – Rückstellungen gemäß Bundesberggesetz V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Der Energiekonzern Vattenfall Europe Sales GmbH ist derzeit dabei, seine Braunkohlesparte in der Lausitz an die tschechische Holding EPH (Energetický a Průmyslový Holding) zu verkaufen (vgl. Lausitzer Rundschau vom 30. September 2016). Greenpeace e. V. hat in ihrem jüngsten „Schwarzbuch EPH“ (www.green-peace.de/sites/www.greenpeace.de/files/publications/20160901_ greenpeace_schwarzbuch-eph.pdf) sowohl das Finanzgebaren von EPH genauer untersucht als auch die rechtliche Situation im Bereich der Rückstellungen und Sicherheitsleistungen analysiert. Dabei wird nach Auffassung der Fragesteller deutlich, dass die tschechische Holding den Neukauf zulasten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler zu kalkulieren scheint. Mitverantwortlich dafür ist die aktuelle Kann-Bestimmung zu Sicherheitsleistungen in § 56 Absatz 2 des Bundesberg-gesetzes (BBergG), die besagt: „Die zuständige Behörde kann die Zulassung von der Leistung einer Sicherheit abhängig machen, soweit diese erforderlich ist, um die Erfüllung der in § 55 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 bis 13 und Absatz 2 genannten Voraussetzungen zu sichern.“ 1. Kann die Bundesregierung ausschließen, dass Belastungen für öffentliche Haushalte im Zuge des Verkaufs der Vattenfall-Braunkohlesparte in der Lausitz an die tschechische Holding EPH infolge zu geringer und nicht vollständig gesicherter Rückstellungen entstehen könnten (bitte begründen), und wenn nein, mit Kosten in welcher Höhe ist zu rechnen? 2. Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung aktuell noch die Möglichkeit für den Bund oder für die betroffenen Länder Brandenburg und Sachsen, die Veräußerungen von Bergwerkseigentum im öffentlichen Interesse zu versagen , z. B. durch die §§ 22, 23 BBergG, wenn ja, welche, und wenn nein, warum nicht? 3. Wird § 56 Absatz 2 BBergG im aktuellen Verkaufsfall nach Kenntnis der Bundesregierung zum Einsatz kommen (bitte begründen)? Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/10004 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 5. Wie hoch kalkuliert die Bundesregierung das Risiko, dass die bergbaubedingten Rückstellungen nicht ausreichend sein könnten, um sämtliche Folgekosten des Braunkohlebergbaus zu decken (bitte begründen)? 6. Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung Risiken, die im Rahmen des Kaufs bzw. des Eigentums in Wechselwirkung mit der finanziellen Absicherung der Rekultivierungs- und Pensionsverpflichtungen entstehen könnten, und wenn ja, in welcher Höhe (bitte begründen)? 7. Wie begründet die Bundesregierung die unterschiedliche Handhabung der Sicherungspflichten für unterschiedliche Rückstellungen, z. B. Pensionen im Vergleich zu bergbaubedingten Folgekosten, im selben Unternehmen? 10. Liegen der Bundesregierung Informationen oder Prognosen darüber vor, welchen Einfluss Zinshöhe und Zinslaufzeiten auf das Anwachsen der Rückstellungen für bergbaubedingte Folgekosten haben werden? 11. Liegen der Bundesregierung Informationen darüber vor, ob bergbautreibende Unternehmen in der Braunkohlenwirtschaft angesichts ihrer heutigen wirtschaftlichen Situation und der Ertragserwartungen auf dem Strom-Terminmarkt bereits durch die rückstellungsbedingte Reduzierung der Eigenkapitalquote in den nächsten Jahren in bedrohliche Situationen geraten könnten ? Die Fragen 1 bis 3, 5 bis 7 und 10 bis 11 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Das Bergrecht stellt Instrumente (Überprüfung der Rückstellungen; Verlangen von Sicherheitsleistungen) zur Verfügung, die der Sicherung finanzieller Folgeverpflichtungen wie der Erfüllung der erforderlichen Vorsorge zur Wiedernutzbarmachung der Oberfläche und der Vermeidung gemeinschädlicher Einwirkungen dienen. Die Überwachung von Bergbaubetrieben und der Vollzug der genannten Instrumente liegen in der Zuständigkeit der Länder; ihnen obliegt die Zulassung der bergbaulichen Betriebspläne. Die Landesbehörden überprüfen bei der – regelmäßig erforderlichen – Zulassung von Betriebsplänen, ob die Rückstellungen , die nach handelsrechtlichen Vorgaben gebildet werden müssen, ausreichen . Daten über die Höhe der Rückstellungen können den jeweiligen veröffentlichten Jahresabschlüssen der Bergbaubetreiber entnommen werden. Bei ihrer Prüfung haben die zuständigen Behörden auch die wirtschaftliche Lage des betreffenden Unternehmens und dessen Ertragserwartungen sowie Auswirkungen auf die Eigenkapitalquote zu berücksichtigen. Gleiches gilt für den Einfluss von Zinshöhe und Zinslaufzeiten. Darüber hinaus können die Bergbehörden der Länder unter bestimmten Bedingungen gemäß § 56 Absatz 2 BBergG eine so genannte Sicherheitsleistung in Form z. B. einer Bankbürgschaft einfordern. Nach §§ 22 und 23 BBergG bedarf die Übertragung oder der Übergang von Bergbauberechtigungen bzw. Bergwerkeigentum der Zustimmung der zuständigen Länderbehörde. Wird eine Gesellschaft, die Unternehmer im Sinn des § 4 Absatz 5 BBergG ist, allerdings im Wege des Anteilskaufs (Share Deal) veräußert, wechselt die Unternehmereigenschaft nicht. In Folge ist keine Zustimmung oder Genehmigung gemäß §§ 22, 23 BBergG nötig; in diesem Fall bedarf es auch keiner Änderungszulassung des Betriebsplans aus Anlass des Verkaufs. Die Prüfung , ob im konkreten Fall des Übergangs von Vattenfall ein Anteilsverkauf vorliegt , erfolgt durch die Länder. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/10004 4. Welche finanziellen Risiken können dem Bund und den Ländern entstehen für den Fall, dass die Sicherheitsleistung nicht verlangt wird? 8. Wer kommt nach Kenntnis der Bundesregierung für Sanierung und Renaturierung auf, wenn ein Bergbauunternehmen in die Insolvenz geht? 9. Kann bei einer Insolvenz von Tochterunternehmen nach Kenntnis der Bundesregierung sichergestellt werden, dass der Mutterkonzern zur Verantwortung gezogen wird, wenn ja, wie, und wenn nein, warum nicht? Die Fragen 4, 8 und 9 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Nach Bergrecht ist der Unternehmer verpflichtet, die erforderliche Vorsorge z. B. für die Wiedernutzbarmachung der Oberfläche und das Abwenden von schädigenden Einwirkungen zu treffen. Wenn der Unternehmer dieser Pflicht nicht genügend nachkommt, richtet sich die weitere Haftung zunächst nach den bestehenden Vereinbarungen (z. B. Patronatserklärung eines Mutterkonzerns für das Tochterunternehmen) und dem Insolvenzrecht. Für den Fall, dass weder der Unternehmer noch ein Dritter haftbar gemacht werden kann, muss das betroffene Land im Wege der Ersatzvornahme für die Beseitigung von Schäden und das Abwehren von Gefahren aufkommen. 12. Erwägt die Bundesregierung bei Gefährdung der bergbautreibenden Unternehmen durch weiter wachsende Rückstellungen für bergbaubedingte Folgekosten auch Veränderungen oder Deckelungen bei Verpflichtungen zur Wiedernutzbarmachung gemäß Bundesberggesetz? 13. Zieht die Bundesregierung in Betracht, eine Änderung des Bundesberggesetzes einzubringen, um aus der „Kann“-Bestimmung in § 56 BBergG eine „Muss“-Bestimmung zu machen, und wenn nein, warum nicht? 14. Zieht die Bundesregierung in Erwägung, ein unabhängiges Gutachten zur Überprüfung der Folgekostenschätzung und Rückstellungsberechnung im Bereich Braunkohle zu beauftragen, ähnlich wie bei der Atomkraft, und wenn nein, warum nicht? 15. Hält die Bundesregierung Rückstellungen für ein geeignetes Instrument, um die finanziellen Mittel zur Wiedernutzbarmachung der Braunkohleregionen langfristig zu sichern, angesichts der Langfristigkeit mancher Maßnahmen zur Wiedernutzbarmachung und der absehbar schwierigen Erlössituation (niedrige Strompreise, abnehmende Marktanteile) der Braunkohlekraftwerke in den nächsten Jahren und Jahrzehnten (bitte begründen)? 16. Erwägt die Bundesregierung die Einführung eines Nachhaftungsgesetzes für Braunkohle, um die Haftung der Mutterkonzerne bzw. anderer Konzernteile auch für den Fall zu sichern, dass das betreibende Tochterunternehmen in Insolvenz geht, Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge gekündigt werden oder die Konzerne umstrukturiert werden (analog zum Rückbau- und Entsorgungskostennachhaftungsgesetz)? Wenn nein, warum nicht? Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/10004 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 17. Zieht die Bundesregierung eine externe, d. h. außerhalb des Rechnungswesens der Betreiber, Sicherung der finanziellen Mittel für die Wiedernutzbarmachung der Braunkohlegebiete in Betracht, z. B. in einem öffentlich-rechtlichen Fonds oder einer Stiftung, wenn ja, bitte genauer darlegen, und wenn nein, warum nicht? Die Fragen 12 bis 17 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Die Bundesregierung plant derzeit keine Rechtsänderung. Nach dem geltenden Recht können die zuständigen Behörden der Länder unter bestimmten Bedingungen eine so genannte Sicherheitsleistung in Form z. B. einer Bankbürgschaft oder einer Patronatserklärung eines Mutterkonzerns für ein bergbautreibendes Tochterunternehmen einfordern. Dies geschieht in der Praxis nur in Einzelfällen. Da die Länder den bestehenden Rechtsrahmen noch nicht ausgeschöpft haben, sieht die Bundesregierung derzeit keine Veranlassung, weitergehende Rechtsinstrumente zu schaffen. Die Bundesregierung ist jedoch im regelmäßigen Kontakt mit den Ländern und beobachtet, ob eine Änderung des rechtlichen Rahmens nötig ist. Grundsätzlich sieht die Bundesregierung deutliche Unterschiede zwischen den Verpflichtungen im Braunkohle- und im Kernenergiebereich. Die Höhe und die Fälligkeit der Folgekosten des Bergbaus sind besser planbar als im Bereich der Kernenergie. Durch die Gestaltung einer Bergbaufolgelandschaft, durch wasserwirtschaftliche Ausgleichsmaßnahmen und weitere Wiedernutzbarmachungsund Rekultivierungsmaßnahmen können sogenannte Ewigkeitsfolgen vermieden bzw. begrenzt werden. Diese Kosten sind von Revier zu Revier und von Tagebau zu Tagebau höchst unterschiedlich und sind von den zuständigen Stellen der Länder für jeden Maßnahmenbereich konkret zu ermitteln. Dementsprechend liegt es auch in der Zuständigkeit der Länder, bei eventuellem Bedarf im Einzelfall unabhängige Gutachter einzubeziehen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333