Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur vom 18. Oktober 2016 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 18/10078 18. Wahlperiode 20.10.2016 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Matthias Gastel, Stephan Kühn (Dresden), Tabea Rößner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/9898 – Brandschutz im Tiefbahnhof von Stuttgart 21 V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Im Juni 2016 hat die Deutsche Bahn Projektgesellschaft Stuttgart – Ulm GmbH beim Eisenbahnbundesamt einen neuen Änderungsantrag „Änderung Fluchttreppen “ für den PFA 1.1 eingereicht. Bestandteil des Antrags ist das fortgeschriebene Brandschutzkonzept vom 22. April 2016, erstellt durch die Brandschutz Planung Klingsch GmbH. In diesem Konzept werden die als Hauptzugang zu den Bahnsteigen dienenden Querstege A und B inklusive Treppenanlagen bei einem dazwischen liegenden schweren Brandereignis wegen starker Verrauchung als Fluchtweg ausgeschlossen. Als Fluchtweg dient der Steg C mit dem Ausgang zur Staatsgalerie hin und die Nottreppen an beiden Bahnsteigenden sowie die Abgänge zu den S-Bahn-Gleisen. Der Antrag beinhaltet die Verschiebung der bereits planfestgestellten Fluchttreppen in der Mitte der Bahnsteige an die Bahnsteigenden (siehe Erläuterungsbericht zu den beabsichtigten Änderungen der Planfeststellung PFA 1.1 vom 29. April 2016). Diese Nottreppen sollen über unterirdische Fluchtgänge ins Freie führen. Das Verschieben der Nottreppen verlängert die Fluchtwege. Der Fluchtweg über die Nottreppe am Südende von Bahnsteig 3 führt in den Ausgangstunnel des Steges C mittels einer Falltür in der Decke. Diese 3 m x 5 m große Tür soll sich bei Brandalarm selbstständig öffnen (siehe Brandschutzkonzept , S. 33/34). In den Fluchttreppenhäusern an den Bahnsteigenden sind jeweils zwei bzw. drei Warteplätze für Rollstuhlfahrer vorgesehen. Dort sollen die Rollstuhlfahrer auf Fremdrettung durch die Feuerwehr warten (siehe Brandschutzkonzept, S. 97 ff). In dem Brandschutzgutachten werden unterschiedliche Brandorte und unterschiedliche Auswirkungen in Bezug auf die Nicht-Benutzbarkeit einzelner Fluchtwege wegen Verrauchung der Stege betrachtet. Ein Brand zwischen den Stegen A und B wäre der schlimmste anzunehmende Fall, denn dabei verrauchen beide Stege und die Treppen dorthin könnten nicht mehr genutzt werden. Fährt ein bereits brennender Zug in die Tiefbahnsteighalle ein, so liege der Brandbeginn maximal 7 Minuten vor der Einfahrt des Zuges in den Bahnhof (siehe Brandschutzkonzept, S. 148 ff.), weil nach Angabe der Deutschen Bahn AG die Fahrtzeit im Fildertunnel maximal 5:39 Minuten dauern würde. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/10078 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode V o r b e me r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Bei Stuttgart 21 handelt es sich nicht um ein Projekt des Bedarfsplans für die Schienenwege des Bundes, sondern um ein Projekt der Deutschen Bahn AG und ihrer Projektpartner, dem Land Baden-Württemberg, der Stadt Stuttgart, dem Verband Region Stuttgart und der Flughafen Stuttgart GmbH. Der Bund übernimmt mit Bedarfsplanmitteln einen Festbetrag i. H. v. 563,8 Mio. Euro (inkl. TEN-Fördermittel) für das Projekt Stuttgart 21 in Höhe des Anteils, der für die Einbindung der Neubaustrecke (NBS) Wendlingen – Ulm in den Knoten Stuttgart auch ohne Verwirklichung von Stuttgart 21 erforderlich gewesen wäre. Darüber hinaus stellt er die Gesamtfinanzierung der NBS Wendlingen – Ulm ab 2016 sicher . Die Fragen zum Thema „Brandschutz im Tiefbahnhof Stuttgart 21“ beziehen sich auf ein aktuell laufendes Planänderungsverfahren. Zudem ist das Anhörungsverfahren noch nicht abgeschlossen und damit auch noch nicht alle erheblichen Fakten bekannt. Die verschiedenen Interessen müssen im gesetzlich vorgesehenen Verfahren gegeneinander abgewogen werden können. Vor diesem Hintergrund kann die Bundesregierung zu dem Verfahren derzeit nicht Stellung nehmen. Es wurde aber von Seiten des Vorhabenträgers DB AG eine Stellungnahme zu den Fragen erbeten. Dementsprechend geben die folgenden Antworten nicht die Einschätzung der Bundesregierung, sondern die des Vorhabenträgers wider. 1. Wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache, dass von der DB ProjektBau GmbH für den Bau der Fluchtwege im geplanten Stuttgarter Tiefbahnhof bereits die 18. Planänderung eingereicht wurde? Nach Auskunft der Deutschen Bahn AG (DB AG) ist die 18. Planänderung nicht die 18. Änderung der Fluchtwegeführung. Die Anzahl der Planänderungen insgesamt sind insbesondere in nicht vorhersehbaren Änderungen von Anforderungen oder durch Natur- und Artenschutzanforderungen begründet. 2. Wie beurteilt die Bundesregierung, dass die maßgebende Personenanzahl im Brandschutzkonzept bei 16 164 Personen insgesamt (siehe Brandschutzkonzept , S. 32) bzw. 4 041 Personen pro Bahnsteig liegt, jedoch bei einer Doppelbelegung der Gleise mit zwei Zügen sich theoretisch etwa 6 000 Personen auf einem Bahnsteig befinden können? Nach Auskunft der DB AG entspricht die Personenzahlenermittlung den baurechtlichen Anforderungen für Personenverkehrsanlagen der Eisenbahnen des Bundes. 3. a) Wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache, dass die Abgänge zur S-Bahn-Haltestelle als Fluchtwege in die Simulation mit einbezogen werden (siehe Brandschutzkonzept S. 24, S. 27, S. 75), obwohl diese Wege nicht unmittelbar ins Freie führen und auf den Bahnsteigen der S-Bahn- Haltestelle aufgrund der zunehmenden Fahrgastzahlen häufig ein dichtes Gedränge herrscht (siehe: www.vvs.de/vvs/)? Nach Auskunft der DB AG sind Fluchtwege in benachbarte sichere Bereiche zu führen, ein bauordnungsrechtlich legitimer Weg und ist auch nach den Regelwerken des Eisenbahn-Bundesamtes zulässig. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/10078 b) Wie beurteilt die Bundesregierung aus Sicherheitsgesichtspunkten die Tatsache, dass die Landesbauordnung (LBO) vorschreibt, dass Fluchtwege nach längstens 35 m ins Freie oder einen gesicherten, brandschutzmäßig abgetrennten Bereich führen müssen, der Bahnhofsbau mit Fluchtweglängen von bis zu 192 m, welche zum Teil über bis zu etwa 7 m hohe Treppen führen, jedoch als „ungeregelter Sonderbau“ (siehe Brandschutzkonzept , S. 38) betrachtet wird und damit die LBO nicht greift? Nach Auskunft der DB AG kann für unterirdische Personenverkehrsanlagen aufgrund der Nutzung (z. B. offene Anbindung an Gleisanlagen und Tunnel) der Nachweis der Sicherheit nur mittels anerkannter ingenieurtechnischer Methoden erfolgen. Maßgeblich ist eine Evakuierung vor dem zu erwartenden Raucheintrag in die erforderlichen Rettungswege. Dies wird auch in anderen ungeregelten Sonderbauten des allgemeinen Baurechts so umgesetzt. c) Wie beurteilt die Bundesregierung aus Sicherheitsgesichtspunkten die Tatsache, dass S-Bahn-Stationen in der Region Stuttgart brandschutztechnisch dergestalt nachgerüstet wurden, dass die eigentlichen Bahnsteige von Treppen und Zwischengeschossen zur Vermeidung der Rauchausbreitung durch brandfeste Verglasungen und vergleichbare Schutzvorrichtungen ausgestattet wurden (siehe Hauptbahnhof oder Filderstadt), während derartige Vorkehrungen am geplanten Tiefbahnhof nicht vorgesehen sind? Nach Auskunft der DB AG bieten die Bestandsbauten aufgrund ihrer bestehenden Kubatur nur diese Möglichkeit der Rauchfreihaltung von Rettungswegen. Im künftigen Stuttgarter Durchgangsbahnhof kann auch ohne vergleichbare besondere bauliche Maßnahmen der Nachweis ausreichend raucharmer Rettungswege geführt werden. 4. Wie beurteilt die Bundesregierung das Verschieben der Nottreppen an die Bahnsteigenden bezüglich der Tatsache, dass sich die Fluchtwege dadurch verlängern und die Staubildung an den davorliegenden Treppenhäusern und ein daraus resultierendes Panik-Verhalten vergleichbar mit dem bei der Love-Parade 2009 bei den flüchtenden Personen im Katastrophenfall begünstigt werden könnte? Nach Auskunft der DB AG kommen im Bahnhof Evakuierungsleitsysteme in Verbindung mit Branddetektion sowie Beschallungsmaßnahmen zum Einsatz. Grundlage hierfür liefern die zur Planung erfolgten Evakuierungs- und Verrauchungssimulationen . 5. Welche Gefahren sieht die Bundesregierung in den Fluchtweglängen von bis zu 192 m (siehe Brandschutzkonzept, Bild 8.142, S. 257)? Nach Auskunft der DB AG ist die Rettungsweglänge von 192 Metern die Gesamtstrecke ins Freie. Die betroffenen Personen sind auf dieser Strecke nach max. 130 Meter im sicheren Bereich. Die Länge des Fluchtweges ist nicht relevant , da die sichere Evakuierung nachgewiesen ist. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/10078 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 6. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Tatsache, dass die Falltür beim Steg C nicht geöffnet werden kann, wenn sich Personen darauf befinden, damit diese nicht verletzt werden, dass sich aber im Fluchtfall voraussichtlich wegen der großen Menschenströme jederzeit Personen über der notwendigerweise begehbaren Falltür befinden? Nach Auskunft der DB AG sind Bodenklappen dieser Art schon heute in vielen Bereichen im Einsatz. Für den Begehungsschutz stehen verschiedene Lösungsmöglichkeiten zur Verfügung. 7. Wie beurteilt die Bundesregierung das Entstehen einer weiteren Engstelle im Fluchtweg und der daraus resultierenden Staubildung, falls die Falltür beim Steg C für die Nottreppe geöffnet wird? Nach Auskunft der DB AG ist die Bodenklappe in der Evakuierungssimulation berücksichtigt. Aufgrund des an der Aufgangstreppe zur Gitterschalenebene entstehenden Staus hat die Bodenklappe keine weitere Auswirkung auf den Stau. 8. Wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache, dass bei den Simulationen für die Evakuierung der Bahnsteighalle mit einer Gehgeschwindigkeit von bis zu 1,5 m/s und einer Steiggeschwindigkeit auf Treppen von bis zu 0,67 m/s gerechnet wird (siehe Brandschutzkonzept, S. 87/88), wobei nach NFPA (National Fire Protection Association) 130 „Standard for Fixed Guideway Transit an Passenger Rail Systems“ bei einem Entfluchtungsnachweis mit einer Gehgeschwindigkeit von 0,633 m/s und einer Steiggeschwindigkeit von 0,25 m/s gerechnet werden soll? Nach Auskunft der DB AG gelt NFPA-Standards nicht in Deutschland. Das angewandte Simulationsmodell Exodus ist allgemein und vom Eisenbahn-Bundesamt für die Nachweisführung in unterirdischen Bahnhöfen anerkannt. 9. Wie lang sind nach Kenntnis der Bundesregierung maximal die Fluchtwege bis zu den Warteplätzen für Rollstuhlfahrer an den Bahnsteigenden? Nach Auskunft der DB AG ist die maximale Fluchtweglänge für Rollstuhlfahrer vom Brandort abhängig. Der Weiterbetrieb der Aufzüge in sichere Bereiche und die Stellflächen als Rückfallebene sind unter Beteiligung und Zustimmung des Dachverbands für integratives Bauen und Planen (DIBP) festgelegt worden. 10. Wie sollen nach Kenntnis der Bundesregierung in den Wartebereichen gleichzeitig Rollstuhlfahrer warten und Feuerwehrpersonal Löschwasserschläuche an die in diesen Bereichen vorgesehenen Löschwasserentnahmestellen anschließen können? Nach Auskunft der DB AG wurde die Anordnung der Löschwasserentnahmestellen unter Berücksichtigung der Warteplätze in Abstimmung mit der Feuerwehr positioniert. 11. In welchen Bahnhöfen oder vergleichbaren Gebäuden werden nach Kenntnis der Bundesregierung bereits Aufzüge betrieben, die auch im Brandfall weiter betrieben werden dürfen? Nach Auskunft der DB AG ist Grundlage der Planung die VDI 6017 unter Berücksichtigung der Nachweisführung der Verrauchung und der vorhandenen Branderkennungssysteme. Der Dachverband für integratives Bauen und Planen Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/10078 (DIBP) hat dieser Planung, mit der die Selbstrettung mobil eingeschränkter Personen priorisiert wird, zugestimmt. Gegenüber bisherigen Planungen ist diese Lösung ein deutlicher Fortschritt für mobilitätsbehinderte Personen. 12. Wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache, dass ein Zug auch bereits länger als 7 Minuten vor der Einfahrt in den Tiefbahnhof brennen könnte, weil der Brand nicht sofort bemerkt wurde? Nach Auskunft der DB AG ergibt sich durch Beibehaltung der Vorbrennzeit von 7 Minuten zur realen Zugfahrzeit ein Sicherheitsgewinn von ca. 1,5 Minuten. Die Branderkennung in Technikbereichen ist aufgrund der erforderlichen Brandschutzstufe der Fahrzeuge sichergestellt. Wenn ein Brand im Fahrgastbereich nicht rechtzeitig erkannt wird, ist dies mit einer geringen Zugauslastung und damit kürzeren Evakuierungszeit im Bahnhof abgedeckt. 13. Wie wird nach Kenntnis der Bundesregierung ausgeschlossen, dass Menschen , welche sich auf dem öffentlichen Straßburger Platz aufhalten, nicht von dem in großen Mengen aus den Lichtaugen, welche als Rauchabzugsöffnungen genutzt werden sollen, austretenden Rauch gefährdet werden? Nach Auskunft der DB AG hat aufgrund der Austrittsgeschwindigkeit austretender Rauch eine stabile Aufströmung zur Folge. Der Nachweis, dass daraus keine Gefährdung entsteht, ist schon im vorherigen Brandschutzkonzept geführt. 14. Wie wird nach Kenntnis der Bundesregierung sichergestellt, dass die Feuerwehr den Straßburger Platz zur Brandbekämpfung nutzen kann, ohne dass sie durch den aus den Lichtaugen austretenden Rauch behindert wird? Nach Auskunft der DB AG hat die Feuerwehr dem Brandschutzkonzept zugestimmt . 15. Wie wird nach Kenntnis der Bundesregierung sichergestellt, dass das Einmischen von Rauch in die Aufenthalts- und Fluchtbereiche ausbleibt, obwohl eine Zuluft-Einführung vorgesehen ist (Brandschutzkonzept, S. 142 ff.), welche Strömungen verursacht und die Luft vermischen kann? Nach Auskunft der DB AG hat die Fluid Dynamics Simulation (FDS) diese strömungstechnischen Einflüsse berücksichtigt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333