Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 19. Oktober 2016 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 18/10083 18. Wahlperiode 20.10.2016 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Martina Renner, Dr. André Hahn, Ulla Jelpke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/9913 – Besondere Maßnahmen zur technischen Überwachung V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Ende August 2016 wurde bekannt, dass das Bundeskriminalamt (BKA) bei den Ermittlungen gegen Mitglieder der rechtsextremistischen Gruppe „Oldschool Society“ (OSS) im Jahr 2015 einen ungewöhnlichen Weg gewählt hatte, um die Kommunikation der Verdächtigen abzufangen und zu überwachen (https:// motherboard.vice.com/de/read/exklusiv-wie-das-bka-telegram-accounts-vonterrorverdaechtigen -knackt; https://netzpolitik.org/2016/bundeskriminalamtknackt -telegram-accounts/). So konnte es unverschlüsselte Chats sowie Gruppenchats mit mehr als drei Personen mitlesen. Mit ihrem Vorgehen konnten die Ermittler des BKA sowohl die aktuelle Chat-Kommunikation als auch zurückliegende Chat-Verläufe einsehen. Die vom BKA benutzte Methode wurde schon im Iran eingesetzt, um so gegen Dissidenten vorzugehen. Zwar stützt sich die Generalbundesanwaltschaft (GBA) im Prozess gegen die Mitglieder der OSS vor dem Oberlandesgericht München nicht unmittelbar auf die so erlangten Kommunikationsinhalte sondern auf andere Inhalte aus der Telekommunikationsüberwachung (TKÜ). Jedoch hält sie das Vorgehen des BKA dennoch für rechtmäßig und gesetzeskonform. Durch den Prozess gegen die OSS und die Berichterstattung über den Telegram- Hack wird ein weiteres Mal die Frage aufgeworfen, zu welchen Grundrechtseingriffen die Strafverfolgungsbehörden befugt sind, wenn sie eine Telekommunikationsüberwachungsmaßnahme durchführen wollen, die einen Eingriff in informationstechnische Systeme voraussetzt (bis hin zum Wohnungseinbruch zur Installation eines entsprechenden Trojaners auf dem Zielgerät). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/10083 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 1. In wie vielen Fällen seit dem Jahr 2010 hat das BKA die Kommunikation von Betroffenen durch Empfangsgeräte erfasst und erhoben, indem jene für die Betroffenen nicht erkennbar in eine von ihnen genutzte Kommunikationsplattform (Mail, Chat etc.) zugeschaltet wurden (bitte auflisten nach Jahr, Anzahl und jeweiligem Tatvorwurf)? a) In wie vielen Fällen wurde eine Authentifizierung des zusätzlichen Empfangsgerätes im Namen der Betroffenen jedoch ohne ihre Kenntnis und allein durch das BKA vorgenommen? Die Bundesregierung erteilt öffentlich keine Auskünfte zu operativen Einzelheiten bei den in der Fragestellung genannten Einsätzen des Bundeskriminalamts (BKA). Zur Begründung wird auf die Antwort zu Frage 9 verwiesen. Im konkreten Fall kann den Sicherheitsinteressen jedoch durch Übermittlung einer „VS-Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuften Antwort entsprochen werden, die gesondert übermittelt wird.* b) In wie vielen Fällen wurden Erkenntnisse aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung erlangt? Eine statistische Erhebung der Kernbereichsbezüge und -Löschungen wird im Bundeskriminalamt nicht durchgeführt. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 6 verwiesen. 2. Welche richterliche Anordnung hat im Fall der TKÜ gegen Mitglieder der OSS die GBA zur Einrichtung eines weiteren verdeckten Empfangsgerätes für den Messengeraccount des Beschuldigten eingeholt? Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof hat zur Überwachung und Aufzeichnung sämtlicher Telekommunikation, die die Mitglieder der Oldschool Society (OSS) im Inland über den Internetnachrichtendienst Telegram geführt haben , richterliche Anordnungen nach § 100a Absatz 1, 2 Nummer 1 Buchstabe d der Strafprozessordnung (StPO) eingeholt. 3. In wie vielen Fällen seit dem Jahr 2010 hat das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) die Kommunikation von Betroffenen durch Empfangsgeräte erfasst und erhoben, indem diese für die Betroffenen nicht erkennbar in eine von ihnen genutzte Kommunikationsplattform (Mail, Chat etc.) zugeschaltet wurden (bitte auflisten nach Jahr, Anzahl und jeweiligem Anlass)? a) In wie vielen Fällen wurde eine Authentifizierung des zusätzlichen Empfangsgerätes im Namen der Betroffenen, jedoch ohne ihre Kenntnis und allein durch das BfV vorgenommen? b) In wie vielen Fällen wurden Erkenntnisse aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung erlangt, wie werden solche Erkenntnisse erkannt und nach welchem Verfahren gelöscht? Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) hat keine Maßnahmen im Sinne der Anfrage durchgeführt. * Das Bundesministerium des Innern hat die Antwort zu Frage 1 und 1a als „VS – Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft. Die Anlage ist im Parlamentssekretariat des Deutschen Bundestages hinterlegt und kann dort von Berechtigten eingesehen werden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/10083 4. In wie vielen Fällen seit dem Jahr 2010 hat die Bundespolizei die Kommunikation von Betroffenen durch Empfangsgeräte erfasst und erhoben, indem diese für die Betroffenen nicht erkennbar in eine von ihnen genutzte Kommunikationsplattform (Mail, Chat etc.) zugeschaltet wurden (bitte auflisten nach Jahr, Anzahl und jeweiligem Anlass)? a) In wie vielen Fällen wurde eine Authentifizierung des zusätzlichen Empfangsgerätes im Namen der Betroffenen jedoch ohne ihre Kenntnis und allein durch die Bundespolizei vorgenommen? b) In wie vielen Fällen wurden Erkenntnisse aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung erlangt, wie werden solche Erkenntnisse erkannt und nach welchem Verfahren gelöscht? Die Bundespolizei hat keine Maßnahmen im Sinne der Anfrage durchgeführt. 5. In wie vielen Fällen seit dem Jahr 2010 hat der Zoll die Kommunikation von Betroffenen durch Empfangsgeräte erfasst und erhoben, indem diese für die Betroffenen nicht erkennbar in eine von ihnen genutzte Kommunikationsplattform (Mail, Chat etc.) zugeschaltet wurden (bitte auflisten nach Jahr, Anzahl und jeweiligem Anlass)? a) In wie vielen Fällen wurde eine Authentifizierung des zusätzlichen Empfangsgerätes im Namen der Betroffenen jedoch ohne ihre Kenntnis und allein durch den Zoll vorgenommen? b) In wie vielen Fällen wurden Erkenntnisse aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung erlangt, wie werden solche Erkenntnisse erkannt und nach welchem Verfahren gelöscht? Die Zollverwaltung hat keine Maßnahmen im Sinne der Anfrage durchgeführt. c) Welche rechtlichen Vorgaben sind bei einem solchen Vorgehen grundsätzlich zu beachten? Da nicht entsprechend der Fragestellung vorgegangen wurde, erübrigt sich eine weitere hypothetische Beantwortung. 6. Wie stellen die Sicherheitsbehörden des Bundes sicher, dass anlässlich solcher Maßnahmen nicht allein Erkenntnisse aus dem Kernbereich der privaten Lebensgestaltung erlangt werden? Der Kernbereichsschutz wird jeweils schon auf der Anordnungsebene (gemäß § 100a Absatz 4 Satz 1 StPO bzw. § 20l Absatz 6 Satz 1 des Gesetzes über das Bundeskriminalamt und die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in kriminalpolizeilichen Angelegenheiten [BKAG]), speziell bei der Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) zusätzlich auf der Auswertungsebene (gemäß § 100a Absatz 4 Satz 2 bis 4 StPO bzw. § 20l Absatz 6 Sätze 2-10 BKAG) geprüft und dabei strikt beachtet. Unter Beachtung der Sachleitungsbefugnis der jeweiligen Staatsanwaltschaft und mit der dienstkundlichen Sensibilisierung der die TKÜ durchführenden Polizeibeamten wird den gesetzlichen Vorgaben beim BKA Rechnung getragen. Die anderen genannten Sicherheitsbehörden des Bundes haben keine Maßnahmen im Sinne der Fragestellung durchgeführt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/10083 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 7. Besitzt die Bundesregierung Kenntnis von Firmengründungen durch Bundesbehörden mit dem Ziel, (sichere) Kommunikationsmöglichkeiten anzubieten (bitte nach Jahr der Firmengründung, Behörde und Art des entwickelten Produkts beantworten)? 8. Besitzt die Bundesregierung Kenntnis von Firmengründungen durch Dritte im Auftrag oder auf Anweisung von Bundesbehörden mit dem Ziel (sichere) Kommunikationsmöglichkeiten anzubieten (bitte nach Jahr der Firmengründung , Behörde und Art des entwickelten Produkts beantworten)? Die Fragen 7 und 8 werden gemeinsam beantwortet. Der Bundesregierung sind keine entsprechenden Firmengründungen bekannt. 9. Bestehen nach Kenntnis der Bundesregierung seitens Bundesbehörden Anweisungen an verdeckte Ermittlerinnen und Ermittler und/oder an V-Leute, in den jeweiligen Milieus auf die Nutzung bestimmter Kommunikationsplattformen hinzuwirken bzw. gegen die Nutzung bestimmter Kommunikationsplattformen zu wirken (bitte nach Bundesbehörde, Art der Einflussnahme , fraglichen Kommunikationsplattformen und Phänomenbereich aufschlüsseln)? Die Bundesregierung beantwortet die im Rahmen des parlamentarischen Fragerechts angefragten Sachverhalte gegenüber dem Deutschen Bundestag grundsätzlich transparent und vollständig, um dem verfassungsrechtlich verbrieften Aufklärungs - und Informationsanspruch des Deutschen Bundestages zu entsprechen. Soweit Anfragen Umstände betreffen, die aus Gründen des Staatswohls geheimhaltungsbedürftig sind, hat die Bundesregierung aber zu prüfen, ob und auf welche Weise die Geheimhaltungsbedürftigkeit mit dem parlamentarischen Informationsanspruch in Einklang gebracht werden kann. Das verfassungsrechtlich verbürgte Frage- und Informationsrecht des Deutschen Bundestages gegenüber der Bundesregierung wird durch gleichfalls Verfassungsrecht genießende schutzwürdige Interessen wie das Staatswohl begrenzt. Die Bundesregierung ist nach sorgfältiger Abwägung zu der Auffassung gelangt, dass die Frage 9 nicht beantwortet werden kann. Gegenstand der Frage sind solche Informationen, die in besonderem Maße das Staatswohl berühren. Die Bundesregierung kann daher keine Auskünfte zu operativen Einzelheiten bei Einsätzen von verdeckten Ermittlerinnen und Ermittler und/oder an V-Leuten im Sinne einer Positiv- oder Negativauskunft geben, da dies Rückschlüsse auf deren Einsatz und Arbeitsweise zulassen könnte und die Gefahr entstünde, dass Fähigkeiten , Methoden und Informationsquellen bekannt würden, mit dem Ergebnis der nachhaltigen Beeinträchtigung der Aufgabenerfüllung der Sicherheitsbehörden und des Staatswohls. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333