Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft vom 21. Oktober 2016 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 18/10111 18. Wahlperiode 24.10.2016 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Peter Meiwald, Nicole Maisch, Harald Ebner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/9928 – Transparenz über nanomaterialhaltige Produkte auf dem deutschen Markt V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Nanomaterialien werden in Deutschland in zahlreichen Produkten eingesetzt, ohne dass die für die Marktüberwachung zuständigen Behörden einen Überblick über die Anwendungsbereiche hätten. Ohne genau zu wissen, welche Arten von Nanomaterialien worin in welchen Mengen eingesetzt werden, können die Behörden die von den Stoffen potenziell ausgehenden Risiken für Umwelt und Gesundheit nur eingeschränkt bewerten. Verbraucherinnen und Verbrauchern fehlt die Wahlfreiheit, sich bewusst für oder gegen nanomaterialhaltige Produkte zu entscheiden. Umwelt- und Verbraucherschutzverbände sprechen sich deshalb seit Jahren für ein Nanoproduktregister aus (siehe Bericht „Abschlusskonferenz der Nanokommission “, März 2011, S. 12: www.bmub.bund.de/fileadmin/Daten_BMU/ Download_PDF/Nanotechnologie/nanodialog_2_abschlusskonferenz_bf.pdf). Bereits 2009 hat das Europäische Parlament die Europäische Kommission mit fast einstimmiger Mehrheit aufgefordert, eine umfassende, öffentlich zugängliche Bestandsaufnahme über die auf dem Markt vorhandenen Nanomaterialien bzw. nanomaterialhaltigen Produkte zu schaffen. Auch der Sachverständigenrat für Umweltfragen hat 2011 in seinem Sondergutachten zu Nanotechnologie die Einrichtung eines Nanoregisters empfohlen. Der Bundesrat forderte die Bundesregierung 2013 auf, sich auf EU-Ebene nachdrücklich für ein europaweites Nanoproduktregister einzusetzen (http://dipbt.bundestag.de/dip21/brd/2013/03 44-13.pdf). Die Europäische Kommission kündigte Ende 2012 an, eine Folgenabschätzung der Kosten und Nutzen eines europaweiten Registers durchzuführen. Die Ergebnisse der Folgeabschätzung liegen immer noch nicht vor. Dessen ungeachtet hat die EU-Kommission im März dieses Jahres den Forderungen nach einem Nanoregister eine Absage erteilt und stattdessen die Errichtung eines „Nano Observatory “ angekündigt, das bestehende Informationen zusammentragen soll. Neue Daten über das Vorkommen von nanomaterialhaltigen Produkten auf dem europäischen Markt sollen nicht erhoben werden (https://chemicalwatch.com/ 45776/commission-rejects-idea-of-eu-nano-register?q=observatory). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/10111 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Nach Ansicht des Umweltbundesamtes ist das vorgeschlagene „Nano Observatory“ nicht geeignet, das Ziel der Transparenz über Art, Menge und Anwendungen von Nanomaterialien auf dem europäischen Markt zu erreichen (www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/378/publikationen/ nanomaterialien_in_der_umwelt.pdf). Zahlreiche EU-Mitgliedstaaten sind aufgrund der Untätigkeit der Europäischen Kommission bereits auf nationaler Ebene aktiv geworden. In Frankreich müssen Hersteller, Importeure und Händler seit 2013 den Handel mit Nanomaterialien in Mengen über 100 Gramm melden. Dänemark, Belgien und Norwegen haben ebenfalls Nanoregister eingeführt. Weitere Länder, wie Schweden und Italien, wollen nachziehen (www.chemsafetypro.com/Topics/EU/Regulations_on_ Nanomaterials_in_EU_and_Nano_Register.html). Im kürzlich von der Bundesregierung beschlossenen „Aktionsplan Nanotechnologie 2020“ ist dagegen von einem Nanoregister keine Rede. Auf EU-Ebene gibt es darüber hinaus weitere Anforderungen für mehr Transparenz : Laut Kosmetikverordnung hätte die Europäische Kommission bis Januar 2014 eine Bestandsaufnahme über alle in Kosmetika verwendeten Nanomaterialien auf dem europäischen Markt veröffentlichen sollen, ein solcher Katalog wurde bisher nicht vorgelegt. Die Lebensmittelinformationsverordnung schreibt seit Dezember 2014 vor, dass Lebensmittel, die technisch hergestellte Nanomaterialien enthalten, gekennzeichnet werden müssen. Im Frühjahr 2016 hat die französische Umweltschutzorganisation Agir pour L’Environment vier Lebensmittel getestet, die alle Nanomaterialien enthielten, jedoch nicht entsprechend gekennzeichnet waren (www.agirpourlenvironnement.org/sites/default/files/communiques_presses/ Rapport%20LNE_P156452.DMSI_.001-VC.pdf). Neben den Versäumnissen, Transparenz über die auf dem Markt befindlichen nanomaterialhaltigen Produkte herzustellen, verschleppt die Europäische Kommission nach Ansicht der Fragesteller auch die Anpassung der europäischen Chemikalienverordnung REACH an die Besonderheiten von Nanomaterialien. Anfang 2013 einigten sich Europäische Kommission und Mitgliedstaaten darauf , die Anhänge der REACH-Verordnung anzupassen, damit die Anforderungen an Nanomaterialien vor dem Ablauf der letzten Stoff-Registrierungsfrist im Mai 2018 in Kraft treten. Seitdem blieb die Europäische Kommission weitgehend untätig. Mit dem Resultat, dass sie im März 2016 eingestehen musste, dass den Registranten auch für die dritte Registrierungsphase keine nanobezogenen Vorschriften an die Hand gegeben werden können. Das Umweltbundesamt geht davon aus, dass viele der marktrelevanten Nanomaterialien in diese Registrierungsperiode fallen (www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/378/ publikationen/nanomaterialien_in_der_umwelt.pdf). Nanomaterialien fallen also auch weiterhin durch die Lücken der Gesetzgebung. 1. Wie bewertet die Bundesregierung die Ankündigung der Europäischen Kommission, statt eines Nanoregisters ein „Nano Observatory“ einzurichten, das nach Auffassung der Fragesteller zu keinen neuen Transparenzpflichten führt, sondern lediglich bereits bekannte Informationen zusammenträgt? Die Ansiedlung des EU-weiten „Nano Observatory“ bei der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) wird grundsätzlich begrüßt. Bei der ECHA laufen bereits jetzt die Daten aus den REACH-, CLP- und Biozid-Verfahren zusammen, so dass hier Synergieeffekte genutzt werden können. Mit dem Nano Observatory kann die Reichweite bestehender Informationsangebote der Bundesregierung, insbesondere der Wissensplattform Da-Na2.0 des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) (www.nanopartikel.info) deutlich erhöht werden. Es kann auch genutzt werden, um Forschungseinrichtungen und Startups für eine Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/10111 frühe Auseinandersetzung mit möglichen Risiken von Materialinnovationen für Mensch und Umwelt zu motivieren und mit den Möglichkeiten einer anwendungssicheren und umweltverträglichen Material- und Produktgestaltung vertraut zu machen. Es ist jedoch notwendig, dass die Anpassung der einschlägigen Regelungen , insbesondere der REACH-Verordnung, an Nanomaterialien zügig vorangetrieben wird, um spezifische Informationen zu Nanomaterialien und zum sicheren Umgang mit ihnen zu erhalten. Ein Nano Observatory ohne sachgerechte Anpassung der einschlägigen Regelungen ist nicht zielführend. 2. Teilt die Bundesregierung die oben genannte Kritik des Umweltbundesamtes am „Nano Observatory“ hinsichtlich der Verfehlung des Transparenzziels bei der Nutzung von Nanomaterialien? Wenn nein, warum nicht? Die Bundesregierung geht bislang davon aus, dass es der Europäischen Kommission gelingen wird, die angesprochenen Notwendigkeiten abzudecken. Deshalb bleibt die Erarbeitung des „Nano Observatory“ durch die ECHA abzuwarten. 3. Welche Vorteile bietet aus Sicht der Bundesregierung ein Nanoproduktregister für deutsche Behörden bei der Genehmigungs- und Überwachungspraxis , etwa im Bereich Arbeitsschutz, sowie im Falle von Rückrufen und anderen Risikomanagementmaßnahmen, die bei neuen Erkenntnissen zu Gesundheitsgefährdungen nötig sein können? Die Europäische Kommission plant die Einführung eines Nano Observatory zur Erhöhung der Transparenz über nanomaterialhaltige Produkte auf dem Europäischen Markt. Die Bundesregierung bevorzugt ein „Nano Observatory“ gegenüber einem Nanoproduktregister. Nanomaterialien sind nicht per se gefährlich für die Gesundheit. 4. Wie und wann hat sich die Bundesregierung auf EU-Ebene für ein europaweites Nanoregister eingesetzt (bitte Aktivitäten konkret spezifizieren)? Bundesumweltminister a. D. Altmaier hatte mit Schreiben vom 2. Oktober 2012 das vom Umweltbundesamt (UBA) erstellte Konzept „Concept for a European Register of Products Containing Nanomaterials“ als Diskussionsgrundlage für ein mögliches europäisches Nanoproduktregister an die Europäische Kommission gesendet. Das UBA wurde gebeten, dieses Konzept sowie die zugrunde liegende Folgenabschätzung in die Diskussion und Kommentierungen im Rahmen der CASG Nano (Competent Authorities Sub-Group on Nanomaterials) einzubringen sowie an der Öffentlichen Konsultation der Europäischen Kommission und dem Stakeholder Workshop on transparency measures for nanomaterials am 30. Juni 2014 in Brüssel teilzunehmen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/10111 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 5. Plant die Bundesregierung die Errichtung eines nationalen Nanoregisters, nachdem die Europäische Kommission einem europaweiten Register eine Absage erteilt hat? Wenn ja, wie sieht der Zeitplan aus? Wenn nein, warum nicht? 6. Falls die Bundesregierung ein nationales Nanoproduktregister ablehnt, durch welche Maßnahmen will sie dann die nötige Transparenz und Wahlfreiheit für Verbraucherinnen und Verbraucher in Bezug auf Produkte mit Nanomaterialien herstellen? Aufgrund des Sachzusammenhangs werden die Fragen 5 und 6 gemeinsam beantwortet . Die Bundesregierung plant derzeit keine Errichtung eines nationalen Nanoproduktregisters . Die Bundesregierung wird sich mit Nachdruck dafür einsetzen, mit dem von der Europäischen Kommission geplanten „Nano Observatory“ das Ziel der Transparenz über Art, Menge und Anwendungen von Nanomaterialien auf dem europäischen Markt zu erreichen. 7. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung vor über die Art und Anzahl der Produkte auf dem deutschen Markt, die Nanomaterialien enthalten? 8. Welche Nanomaterialien werden nach Kenntnis der Bundesregierung in diesen Produkten eingesetzt, in welchen Produkten kommen Nanomaterialien vor allem zum Einsatz? Aufgrund des Sachzusammenhangs werden die Fragen 7 und 8 gemeinsam beantwortet . Die Nanotechnologie ist eine Querschnittstechnologie und dementsprechend breit einsetzbar. Nanotechnologiebasierte Produktinnovationen spielen in vielen Lebensbereichen wie der Gesundheit und Ernährung, der Arbeit, dem Wohnen, der Mobilität und der Energieerzeugung eine zunehmend wichtige Rolle. Der Bundesregierung liegen keine übergreifenden, sondern lediglich einzelne Kenntnisse über Art und Anzahl der Produkte vor, in denen Nanomaterialien eingesetzt werden , bzw. in welchen Produkten diese vorkommen. Zu den Produktkategorien kosmetische Mittel und Lebensmittel wird auf die Beantwortung der Fragen 9 bis 11 bzw. der Fragen 15 bis 16 hingewiesen. 9. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung vor über die Art und Anzahl der Kosmetikprodukte auf dem deutschen Markt, auf denen angegeben werden muss, dass sie Nanomaterialien enthalten? 10. Wie viele Unternehmen gibt es in Deutschland nach Kenntnis der Bundesregierung , die Kosmetika mit Nanomaterialien in ihrem Sortiment führen? Aufgrund des Sachzusammenhangs werden die Fragen 9 und 10 gemeinsam beantwortet . Kosmetische Mittel sind auf EU-Ebene in der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 geregelt. Kosmetische Mittel, die Nanomaterialien enthalten, sind sechs Monate vor dem Inverkehrbringen bei der Europäischen Kommission zu notifizieren (Artikel 16). Dabei sind von der sogenannten verantwortlichen Person (meist Hersteller oder Importeur) eine Reihe von sicherheitsrelevanten Informationen, wie z. B. Informationen zum toxikologischen Profil und zu Expositionsbedingungen, zu übermitteln. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/10111 Neben der Notifizierung nach Artikel 16 muss für jedes kosmetische Mittel vor dem Inverkehrbringen eine Meldung an das Notifizierungsportal der Europäischen Kommission (Cosmetic Products Notification Portal, CPNP) erfolgen (Artikel 13). Dabei ist auch die Anwesenheit von Stoffen in Form von Nanomaterialien anzugeben. Die Kommission stellt die Meldungen nach Artikel 13 den Mitgliedstaaten zu Zwecken der Marktüberwachung zur Verfügung. Die Marktüberwachung fällt in den Zuständigkeitsbereich der Länder. Ergänzend wird auf die Antwort zu Frage 20 verwiesen. 11. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung vor über die Verständlichkeit der Kennzeichnung „(nano)“ auf Kosmetikprodukten für Verbraucherinnen und Verbraucher? Gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 über kosmetische Mittel müssen Bestandteile kosmetischer Mittel in der Form von Nanomaterialien eindeutig in der Liste der Bestandteile aufgeführt werden. Den Namen dieser Bestandteile muss das Wort „Nano“ in Klammern folgen. Mit dieser Kennzeichnung wird Transparenz im Hinblick auf die Verwendung von Nanomaterialien in kosmetischen Mitteln gewährleistet. Weitere Angaben oder Informationen können durch Hersteller und Importeure zur Verfügung gestellt werden. Für interessierte Verbraucherinnen und Verbraucher stellt das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) auf seiner Internetseite (www.bfr.bund.de) eine Reihe von weitergehenden Informationen zu Nanomaterialien zu Verfügung. 12. Welche Erkenntnisse/Daten liegen der Bundesregierung vor über die Höhe des Eintrags von Nanomaterialien in die Umwelt aus umweltoffenen Anwendungsbereichen ? Generell gibt es bisher noch unzureichend qualitative und quantitative Daten zur Freisetzung von Nanomaterialien in die Umwelt, die eine Aussage über den gesamten Lebenszyklus erlauben (Herstellung, Gebrauch, Transport, Recycling, Abfallbeseitigung). Dies liegt zum einen an dem vielfältigen und nicht bezifferbaren Einsatz von Nanomaterialien. Zum anderen ist dies der methodischen Herausforderung und dem Fehlen von standardisierten Methoden geschuldet. Es liegen allerdings einige Studien vor, die mit Hilfe von Modellen sowie verfügbarer Information zu Produktionsmengen und Anwendungsmuster die Freisetzung ausgewählter nanoskaliger Stoffe in die Umwelt für Europa und die Schweiz abschätzen (z. B. Sun et al. 2016 Environ Sci Technol 50: 4701-4711). Auch wurde bereits die Freisetzung von Nanomaterialien exemplarisch z. B. für die Verwitterung, mechanische Beanspruchung von verschiedenen Beschichtungen und das Waschen von Textilien untersucht. 13. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über Eintragsmengen und ökologische Wirkungen von Nanomaterialien in Gewässern vor? Untersuchungen an Modellkläranlagen zeigen, dass die bisher betrachteten Nanomaterialien zu rund 90 Prozent am Klärschlamm gebunden werden und nur ein geringer Anteil (< 10 Prozent) in das Oberflächengewässer gelangt. Zu weiteren Fragen zu Eintragsmengen siehe auch Antwort zu Frage 12. Die Nanoskaligkeit eines Stoffes allein weist nicht automatisch auf ein Gefährdungspotenzial hin. Daneben bestimmen auch seine chemische Zusammensetzung , Morphologie und Oberflächeneigenschaften sowie die Eigenschaften des umgebenden Mediums seine Mobilität, Bioverfügbarkeit und toxische Wirkung Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/10111 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode in der aquatischen Umwelt. Viele der untersuchten Nanomaterialien zeigen nach Kurzzeitbelastung keine bzw. nur eine moderate bis geringe Toxizität auf aquatische Umweltorganismen. Eine hohe akute Toxizität auf aquatische Organismen kann für solche Nanomaterialien beobachtet werden, die aquatoxisch wirkende Ionen abgeben (z. B. Silber (Ag), Zinkoxid (ZnO)). Dabei können zusätzliche Effekte durch die Partikel nicht ausgeschlossen werden. Auch bestimmte, fotokatalytisch aktive Nanomaterialien (z. B. TiO2) zeigen in Labortests eine erhöhte aquatische Toxizität unter Einfluss von simuliertem Sonnenlicht. Neben der direkten toxischen Wirkung sind für eine Reihe von Nanomaterialien auch indirekte schädigende Effekte auf aquatische Umweltorganismen bei entsprechend hohen Konzentrationen beschrieben (z. B. das Blockieren von Atmungsorganen und Fressapparaten). Bei Fischen konnten darüber hinaus für einige Nanomaterialien subletale Effekte, wie Veränderungen in Geweben und Organen, Schädigungen der Kiemen und Entwicklungsstörungen in verlängerten Tests beobachtet werden. Zusätzlich wurde festgestellt, dass in Abhängigkeit des untersuchten Nanomaterials aquatische Organismen nach kurzzeitiger Belastung ein verändertes Verhalten zeigen, wie eine veränderte Futteraufnahme oder ein verstärktes Fluchtverhalten, oder deren Energiehaushalt beeinflusst wird. Umfassende und ausreichende Studien zur chronischen Wirkung auf Wirbeltiere wie Fische, die über das Larvenstadium hinausgehen, liegen noch nicht vor. Bei Langzeitbelastung von Flohkrebsen durch verschiedene Nanomaterialien wird ein negativer Einfluss auf Fortpflanzung und Nachkommenschaft beobachtet. 14. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung darüber vor, mit welchen Nanomaterialien Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland in Berührung kommen? Übergreifende Erkenntnisse darüber liegen der Bundesregierung nicht vor. Für die verschiedenen Produktkategorien bestehen teilweise Zulassungs- und Kennzeichnungspflichten . Im Übrigen wird auf die Antworten zu bestimmten Produktkategorien und auf die Antwort zu den Fragen 7 und 8 verwiesen. 15. Welche Kenntnisse liegen der Bundesregierung vor über die Anzahl der Lebensmittel auf dem deutschen Markt, die technisch hergestellte Nanomaterialien enthalten (bitte eine Übersicht mit Produktnamen und enthaltenem Nanomaterial erstellen)? Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse über die Anzahl der Lebensmittel auf dem deutschen Markt vor, die technisch hergestellte Nanomaterialien enthalten . Nach Information des Bundes für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde e. V. (BLL), dem Spitzenverband der deutschen Lebensmittelwirtschaft, haben nanomaterialhaltige Produkte im Lebensmittelbereich gegenwärtig noch keine Marktbedeutung . Im Übrigen sieht das EU-Recht für entsprechende Lebensmittel Zulassungspflichten vor und es sind zusätzliche Kennzeichnungspflichten zur Verbraucherinformation zu beachten. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/10111 16. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die im Rahmen der behördlichen Lebensmittelüberwachung stattfindenden Kontrollen hinsichtlich nanomaterialhaltiger Lebensmittel? Die für die Lebensmittelüberwachung zuständigen Behörden der Länder kontrollieren die auf dem Markt befindlichen Lebensmittel risikoorientiert und stichprobenhaft . Kenntnisse über Kontrollen hinsichtlich nanomaterialhaltiger Lebensmittel liegen der Bundesregierung nicht vor. 17. Wie geht die Bundesregierung mit der Absage der Europäischen Kommission um, die Lücken in der gesetzlichen Regulierung von Nanomaterialien zu schließen? 18. Wie bewertet die Bundesregierung die Einführung einer eigenständigen Rahmengesetzgebung für Nanomaterialien, die in der Vergangenheit von Umweltverbänden und EU-Mitgliedsländern wie Schweden ins Spiel gebracht wurde? 19. Wie bewertet die Bundesregierung die nach Ansicht der Fragesteller aktuell bestehenden Lücken in der Regulierung von Nanomaterialien im Hinblick auf das Prinzip der Chemikalienverordnung REACH „Keine Daten, kein Markt“ und das Vorsorgeprinzip? Die Fragen 17 bis 19 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass die REACH VO grundsätzlich einen geeigneten Rechtsrahmen für eine Gefahreneinstufung und Bewertung von Stoffen in ihren Nanoformen darstellt. Deshalb setzt sie sich dafür ein, dass die Verordnung angepasst wird. Die Bundesregierung geht nach derzeitigem Kenntnisstand davon aus, dass die Europäische Kommission spätestens im ersten Quartal 2017 einen offiziellen Vorschlag für die Anpassung der Anhänge der REACH- Verordnung an die Belange von Nanomaterialien vorlegen wird. Ein darüber hinaus geregeltes Zulassungsverfahren wird deshalb nicht für notwendig erachtet. Für den Arbeitsschutz enthält die Gefahrstoffverordnung konkrete Vorgaben zu partikelförmigen Gefahrstoffen und zum Umgang mit Datenlücken im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung am Arbeitsplatz. Diese sind auch für Nanomaterialien einschlägig und in einer Bekanntmachung des Ausschusses für Gefahrstoffe konkretisiert (www.baua.de/de/Themen-von-A-Z/Gefahrstoffe/TRGS/ Bekanntmachung-527.html). Hinsichtlich der spezifischen Vorschriften für Nanomaterialien in anderen Rechtsbereichen wird auf die Ausführungen im Aktionsplan Nanotechnologie 2020 der Bundesregierung verwiesen (www.bundesregierung.de/Content/DE/ Artikel/2016/09/2016-09-14-aktionsplan-nanotechnologie-2020.html). 20. Erwägt die Bundesregierung eine Klage gegen die Europäische Kommission vor dem Europäischen Gerichtshof, da die Europäische Kommission es nach Information der Fragesteller entgegen der Vorgaben in der Kosmetikverordnung versäumt hat, bis Januar 2014 eine Bestandsaufnahme über alle in Kosmetika verwendeten Nanomaterialien auf dem europäischen Markt vorzulegen und bis heute keine solche Aufstellung vorgelegt wurde? Wenn nein, warum nicht? Die Europäische Kommission hat die Mitgliedstaaten bei den Sitzungen des Ständigen Ausschusses für kosmetische Mittel regelmäßig über die Fortschritte und Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/10111 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode die weitere Vorgehensweise bei der Erstellung des Katalogs aller Nanomaterialien in kosmetischen Mitteln, die in Verkehr gebracht wurden, informiert. Nach Aussage der Kommission befindet sich ein Berichtsentwurf derzeit in der internen Abstimmung. Die Bundesregierung sieht daher derzeit keine Veranlassung für weitere Maßnahmen. 21. Inwieweit sieht die Bundesregierung Verbesserungsbedarf bei der Risikobewertung von Nanomaterialien? Die Bundesregierung hat sich mit dem Aktionsplan Nanotechnologie 2020 u. a. zum Ziel gesetzt, durch begleitende Risikoforschung die verantwortungsvolle Gestaltung der Nanotechnologie als Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung zu gewährleisten . In diesem Zusammenhang wird auch geprüft, ob und wie die Instrumente der Risikobewertung angepasst werden müssen. Bei der Bewertung potenzieller Risiken von Nanomaterialien werden im Rahmen der Nanorisikoforschung die Analyse von Langzeiteffekten für Mensch und Umwelt durch Herstellung und Verwendung von Nanomaterialien, mögliche Umweltauswirkungen beim Recycling und der Entsorgung nanomaterialhaltiger Abfälle und die Entwicklung von alternativen Prüfmethoden zur Vermeidung von Tierversuchen stärker in den Fokus der Förderung gerückt . Die Projektergebnisse aus der Nanorisikoforschung können für eine nachfolgende Risikobewertung herangezogen werden. 22. Setzt sich die Bundesregierung auf EU-Ebene für Zulassungsverfahren für Nanomaterialien analog zu Pestizidwirkstoffen und gentechnisch veränderten Organismen ein, und wenn nein, warum nicht? Zur Beantwortung der Frage wird auf die Antwort zu den Fragen 17 bis 19 verwiesen . 23. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung darüber, wie in den USA bzw. Kanada die Kennzeichnung und Registrierung von Nanomaterialien momentan reguliert sind und inwieweit in beiden Staaten auf Regierungsebene die Einführung eines Nanoproduktregisters erwogen wird? Über eine Kennzeichnungspflicht oder Einführung eines Nanoproduktregisters in den USA oder Kanada liegen der Bundesregierung keine Kenntnisse vor. Nach Auskunft des Umweltbundesamtes gelten in Kanada und den USA folgende Regelungen: Nanomaterialien fallen als chemische Stoffe in Kanada unter den Canadian Environmental Protection Act (CEPA) und werden entweder unter „existierende Stoffe“ (im Falle sie sind auf der Domestic Substance List DSL aufgeführt) oder „neue Stoffe“ (nicht auf DSL gelistet) erfasst. Im letzteren Fall muss der Stoff vor seiner Vermarktung im Rahmen des Neustoffprogramms (New Substance Program ) gemeldet werden. Im Rahmen des Neustoffprogramms kann die Behörde Informationen zur Partikelgröße und Partikelgrößenverteilung erheben, um zu identifizieren, ob es sich bei dem registrierten Stoff um Nanomaterialien handelt. Als Teil des Chemicals Management Plans hat Kanada im Jahr 2015 eine verpflichtende Umfrage zu existierenden Stoffen für das Jahr 2014 durchgeführt. Im Rahmen der Umfrage musste berichtet werden, wenn ein vermarkteter Stoff auf Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/10111 einer Prioritätenliste von 206 Nanomaterialien gelistet ist und eine Größe im Bereich 1-100 Nanometer aufwies sowie mehr als 100 Kilogramm pro Jahr hergestellt oder importiert wurde (auch in Gemischen oder Erzeugnissen). Übermittelt werden mussten Informationen zur Stoffidentität, Menge, Verwendung sowie verfügbare Information zu physikalisch-chemischen Eigenschaften, Exposition und Effekte. Nanomaterialien fallen als chemische Stoffe in den USA unter den Toxic Substance Control Act (TSCA) und gehören dort entweder unter „existierende Stoffe“ (im Falle sie sind auf der TSCA Chemical Substance Inventory) oder „neue Stoffe“ (nicht im Verzeichnis). In letzterem Fall muss eine Risikobewertung vor der Vermarktung durch die verantwortliche Behörde erfolgen und hierfür bestimmte Daten vom Registranten vorgelegt werden. Es gibt keine besonderen Informationsanforderungen für nanoskalige Stoffe. Seit dem Jahr 2005 wurden mehr als 150 Stoffe als nanoskaliges Material gemeldet. Die amerikanische Umweltbehörde (US EPA) hat im Jahre 2015 einen Regulierungsvorschlag vorgelegt der nach derzeitiger Planung Anfang des Jahres 2017 von der US EPA erlassen werden soll. 24. Inwieweit unterliegt nach Kenntnis der Bundesregierung der Bereich Nanomaterialien der Regulatorischen Kooperation im Rahmen der geplanten Freihandelsabkommen TTIP und CETA? Das im CETA-Abkommen vorgesehene Kapitel zu regulatorischer Kooperation enthält keine Vorgaben zu möglichen Kooperationsthemen. Ein Austausch der Regulierungsbehörden kann in allen Bereichen erfolgen, in denen ein gemeinsames Interesse an einem solchen Austausch besteht. Ob dies im Bereich der Nanomaterialien der Fall sein könnte, ist offen. Im Rahmen der Verhandlungen über die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) hat die EU einen Textvorschlag für das Kapitel zu regulatorischer Kooperation in die Verhandlungen sowie einen Vorschlag für einen Sektorannex zu Chemikalien eingebracht. Bislang ist offen, welche konkrete Ausgestaltung das Kapitel zu regulatorischer Kooperation erhalten wird, so dass eine Beantwortung der Frage derzeit nicht möglich ist. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333