Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Auswärtigen Amts vom 20. Oktober 2016 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 18/10157 18. Wahlperiode 27.10.2016 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Inge Höger, Wolfgang Gehrcke, Christine Buchholz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/9629 – Die Beteiligung Deutschlands am sogenannten Treaty-Prozess der Vereinten Nationen in Bezug auf Menschenrechtsverletzungen von internationalen Unternehmen V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die internationale Wirtschafts- und Finanzpolitik erlebt derzeit eine neue Welle von Deregulierungs- und Liberalisierungsbemühungen. Im Zentrum stehen dabei die Verhandlungen über diverse Handels- und Investitionsabkommen, allen voran die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP), die Transpazifische Partnerschaft (TPP), das Trade in Services Agreement (TiSA) und das umfassende Wirtschafts- und Handelsabkommen zwischen der Europäischen Union und Kanada (CETA). Eine wesentliche Intention dieser Abkommen ist es, die Marktzugänge für transnational agierende Unternehmen weltweit zu vergrößern und die Rechte ausländischer Investoren zu stärken. Im Schatten dieser Verhandlungen hat in den letzten Jahren auch die internationale Debatte über die ökologische, soziale und menschenrechtliche Verantwortung der Wirtschaft an Dynamik gewonnen. Grund dafür war nicht zuletzt die wachsende öffentliche Kritik an transnationalen Konzernen (Transnational Corporations, TNCs) und Banken wegen Umweltvergehen und Betrügereien (z. B. Manipulation der Abgaswerte durch Volkswagen), Missachtung grundlegender Arbeits- und Menschenrechtsstandards (z. B. bei der Textilproduktion in Bangladesch oder in der chinesischen IT-Fabrikation), massiven Bestechungsvorwürfen bis hin zur Kritik an Steuervermeidungspraktiken von Konzernen. Deutsche transnational agierende Unternehmen (TNC) stehen dabei Unternehmen aus anderen Ländern aus Sicht der Fragesteller in nichts nach (www. tagesspiegel.de/politik/deutsche-unternehmen-im-ausland-spitzenrang-beimenschenrechtsverletzungen /11733036.html). Im August 2001 wurden für eine Kaffeeplantage des Hamburger Konzerns Neumann rund 4 000 Kleinbauern und ihre Familien in Uganda von ihrem Land durch die ugandische Armee gewaltsam vertrieben. Die vertriebenen Farmer klagen seit dem Jahr 2002 in Uganda gegen das Tochterunternehmen des deutschen Kaffeekonzerns (www. fian.de/themen/hunger/interview-mit-gertrud-falk/). Im Norden des Sudan wurden im Jahr 2008 mehr als 4 700 Familien bei der Errichtung der Merowe-Tal- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/10157 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode sperre zwangsweise vertrieben, da ihre Dörfer geflutet wurden. Betroffene versuchen bis heute, das an der Planung beteiligte Ingenieurbüro Lahmeyer International aus Bad Vilbel zur Rechenschaft zu ziehen (vgl. www.ecchr.eu/de/ unsere-themen/wirtschaft-und-menschenrechte/lahmeyer.html). Im September 2012 starben im pakistani-schen Karachi 260 Menschen beim Brand einer Textilfabrik , die vor allem für den Discounter KiK produzierte. Vier Betroffene des Brandes haben im März 2015 beim Landgericht Dortmund Klage auf Schadensersatz gegen KiK eingereicht (vgl. www.ecchr.eu/de/unsere-themen/wirtschaftund -menschenrechte/arbeitsbedingungen-in-suedasien/pakistan-kik.html). Am 30. August 2016 gewährte das Landgericht Dortmund den pakistanischen Klägern Prozesskostenhilfe für ein Klageverfahren. Bislang setzen Politik und Wirtschaft auf nationaler und internationaler Ebene fast ausschließlich auf freiwillige Initiativen. Eine besondere Rolle spielen dabei die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte, die die Vereinten Nationen im Juni 2011 verabschiedet haben. Auch diese Leitprinzipien blieben zunächst unverbindlich und riefen Unternehmen lediglich dazu auf, „gebührende Sorgfalt“ walten zu lassen. Angesichts der Schwächen der bisherigen Instrumentarien machen sich inzwischen zahlreiche Regierungen, Nichtregierungsorganisationen , Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und auch eine wachsende Zahl von Wirtschaftsvertreterinnen und Wirtschaftsvertretern für rechtsverbindliche Unternehmensregeln für TNCs stark, zum Beispiel erließ die französische Regierung im Jahr 2014 ein Gesetz für Sorgfaltspflichten von Unternehmen (www.novethic.fr/isr-et-rse/actualite-de-la-rse/isr-rse/projet-sur-ledevoir -de-vigilance-des-entreprises-deuxieme-round-143147.html) und England erließ 2015 ein Gesetz gegen moderne Arbeitssklaverei (www.legislation.gov. uk/ukpga/2015/30/section/54/enacted). Auf zwischenstaatlicher Ebene haben 85 Länder auf Initiative Ecuadors im September 2013 im Menschenrechtsrat gefordert, endlich ein rechtsverbindliches Instrument zu schaffen, das ermöglicht, Unternehmen für Menschenrechtsvergehen zur Verantwortung zu ziehen. Ecuador, die Afrikanische Gruppe, die Arabische Gruppe, Pakistan, Sri Lanka, Kirgistan, Kuba, Nicaragua, Bolivien, Venezuela und Peru schlossen sich dieser Forderung an. Im Juni 2014 setzte der Menschenrechtsrat eine Arbeitsgruppe ein, die bis zum Jahr 2017 einen Vorschlag für ein solches Rechtsinstrument formulieren soll (open-ended intergovernmental working group – OEIWG – on transnational corporations and other business enterprises with respect to human rights, www.ohchr.org/EN/ HRBodies/HRC/WGTransCorp/Pages/IGWGOnTNC.aspx). Damit besteht die historische Chance, dass die Vereinten Nationen erstmals einen Menschenrechtsvertrag zum Schutz gegen die Vergehen und Verbrechen von transnationalen Konzernen und anderen Unternehmen schließen. In einer Stellungnahme bezeichnete der US-Vertreter die Einsetzung der zwischenstaatlichen Arbeitsgruppe als eine Bedrohung für die UN-Leitprinzipien und kündigte an, die USA würden sich nicht daran beteiligen. Die Europäische Union teilte diese Haltung. Die Mitglieder der Europäischen Union im Menschenrechtsrat stimmten als Block gegen die Einsetzung der zwischenstaatlichen Arbeitsgruppe. Vom 24. bis 28. Oktober 2016 wird die zwischenstaatliche Arbeitsgruppe zum zweiten Mal in Genf tagen. Bis zur dritten Tagung im Jahr 2017 soll der erste Entwurf eines verbindlichen Rechtsinstruments vorliegen. Die Bundesregierung hat sich bislang nicht an den Diskussionen der Arbeitsgruppe des Menschenrechtsrates beteiligt. Nach Ansicht von Umwelt-, Entwicklungs- und Menschenrechtsorganisationen hatten ihr demonstratives Fernbleiben und die Verweigerung der Gesprächsbereitschaft gegenüber den Mitgliedern der Arbeitsgruppe negative Signalwirkung und schadeten ihrer politischen Glaubwürdigkeit in anderen Prozessen, insbesondere der Erarbeitung eines nationalen Aktionsplanes zur Umsetzung der UN-Leitprinzipien in Deutschland. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/10157 I. Ablehnung des sogenannten Treaty-Prozesses 1. Wie bewertet die Bundesregierung die bisherigen Verhandlungen zu einem sogenannten Treaty im Rahmen der OEIWG? Die Bundesregierung beobachtet die Arbeit der IGWG (Open-ended intergovernmental working group on transnational corporations and other business enterprises with respect to human rights) seit ihrer Arbeitsaufnahme aufmerksam. Gemeinsam mit den europäischen Partnern hat die Bundesregierung im letzten Jahr mehrere Elemente aufgezeigt, die aus ihrer Sicht notwendige Voraussetzungen für eine konstruktive Arbeit der zwischenstaatlichen Arbeitsgruppe sind. So will die Bundesregierung sicherstellen, dass die IGWG konsensuell an der Implementierung der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte – den sogenannten Ruggie-Prinzipien – arbeitet und nicht zur Polarisierung des Menschenrechtsrates beiträgt. Des Weiteren hält sie eine breite Einbeziehung aller relevanten Stakeholder – also Zivilgesellschaft, Wirtschaft, Gewerkschaften – für notwendig . 2. Sieht die Bundesregierung eine Bedrohung für die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte durch ein international verbindliches Abkommen ? Wenn ja, warum? Die mögliche negative Auswirkung auf Akzeptanz und Umsetzung der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte besteht darin, dass der mit ihnen hergestellte internationale Konsens aufbricht und durch polarisierende Positionierungen das bisher Erreichte in Frage gestellt wird. In den letzten Jahren ist die Diskussion zum Thema Wirtschaft und Menschenrechte erheblich vorangekommen . Auf der Grundlage der 2011 beschlossenen Ruggie-Prinzipien haben mittlerweile zehn Staaten Nationale Aktionspläne vorgelegt; Deutschland wird in Kürze folgen. Nach Kenntnissen der Bundesregierung hat bisher keiner der Staaten , die sich im Rahmen der IGWG für ein verbindliches Abkommen einsetzen, damit begonnen, die Ruggie-Prinzipien durch einen Nationalen Aktionsplan umzusetzen . Bei Diskussionen im Genfer Menschenrechtsrat setzen sich diese Staaten regelmäßig dagegen ein, dass in Resolutionen auf die Ruggie-Prinzipien verwiesen wird. 3. Wie erklärt die Bundesregierung den Widerspruch zwischen der bisherigen Nichtbeteiligung Deutschlands an der vom UN-Menschenrechtsrat eingesetzten Arbeitsgruppe und der selbstgewählten Schwerpunktsetzung für die Mitgliedschaft im UN-Menschenrechtsrat 2016 bis 2018, den Rat nicht nur als Impulsgeber für neue Menschenrechtsstandards und Wahrer für alle Menschenrechtsvereinbarungen zu sehen, sondern auch in der Umsetzung von Menschenrechtsstandards zu stärken? Aus der Sicht der Bundesregierung existiert der durch diese Frage unterstellte Widerspruch nicht. Vielmehr ist die Politik der Bundesregierung konsequent auf die Umsetzung menschenrechtlicher Verfahrensstandards gerichtet. Im Vordergrund steht für die Bundesregierung im Einklang mit den Ruggie-Prinzipien die Frage, wie deutsche Unternehmen dabei unterstützt und befähigt werden können, ihrer menschenrechtlichen Verantwortung gerecht zu werden, und so die menschenrechtliche Lage auch mit Blick auf wirtschaftliche Aktivitäten gemeinsam mit Unternehmen weltweit verbessert werden kann. Der Bundesregierung ebenso wie ihren europäischen Partnern ist es ein wichtiges Anliegen, das Thema im Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/10157 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Sinne der Ruggie-Prinzipien durch einen breiten, partnerschaftlichen Ansatz voranzubringen und dabei die Wirtschaft als Partner einzubeziehen. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 4 verwiesen. II. Weitere Begleitung des sogenannten Treaty-Prozesses 4. Wird die Bundesregierung an der zweiten Sitzung der OEIWG teilnehmen und damit die Bedeutung der Arbeit des Menschenrechtsrats entsprechend ihrer Mitgliedschaft stärken? Wenn nein, warum nicht? Nachdem der ecuadorianische Vorsitz auf wesentliche Forderungen eingegangen ist und sich unter anderem nun auch mit der Umsetzung der Ruggie-Prinzipien befasst, haben sich Deutschland und die europäischen Partner entschlossen, an der zweiten Sitzung der IGWG teilzunehmen. 5. Wie steht die Bundesregierung zu der Aufforderung durch das Europäische Parlament vom Dezember 2015, sich an der Debatte für ein rechtsverbindliches internationales Instrument zu Unternehmen und Menschenrechten zu beteiligen? Die Bundesregierung hat die Empfehlung des Europäischen Parlamentes zur Kenntnis genommen und berücksichtigt auch diesen Aspekt in Abstimmung mit anderen EU-Mitgliedstaaten in ihrer Abwägung. 6. Wird bzw. wie wird sich die Bundesregierung für eine Beteiligung der Europäischen Union an der zweiten Sitzung der OEIWG einsetzen? Auf die Antwort zu Frage 4 wird verwiesen. 7. Worin sieht die Bundesregierung mögliche Vorteile eines international verbindlichen Instruments für Wirtschaft und Menschenrechte gegenüber einem Nationalen Aktionsplan? Die Bundesregierung hält die Entwicklung der VN-Leitlinien für Wirtschaft und Menschenrechte für einen wichtigen Schritt. Dieser Ansatz sollte nun konsequent umgesetzt werden. Vor diesem Hintergrund scheint fraglich, ob die Diskussion eines aller Voraussicht nach derzeit nicht konsensfähigen verbindlichen internationalen Instruments hilfreich wäre. 8. Worin sieht die Bundesregierung mögliche Nachteile eines international verbindlichen Instruments für Wirtschaft und Menschenrechte gegenüber einem Nationalen Aktionsplan? Die Bundesregierung hält die Entwicklung der VN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte für einen wichtigen Schritt. Dieser Ansatz sollte nun erst einmal konsequent umgesetzt werden. Gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern aus der Wirtschaft, Gewerkschaften und der Zivilgesellschaft hat die Bundesregierung im letzten Jahr in einem umfangreichen Anhörungsprozess verschiedene Aspekte der Thematik beleuchtet . Ein solcher breiter und partnerschaftlicher Ansatz hilft, die Ruggie-Prinzipien wirksam umzusetzen und ist durch seine breite Akzeptanz einem durch die IWGW angestrebten verbindlichen, aber international nicht konsensfähigen Ansatz überlegen. Viele Unternehmen bekennen sich schon heute zu ihrer men- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/10157 schenrechtlichen Verantwortung und setzen sich mit ihr auseinander. Eine Präzisierung ihrer menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten im Nationalen Aktionsplan kommt dem Schutz der Menschenrechte weltweit ebenso zu Gute wie den vielen Unternehmen, die sich bisher schon in ihrem eigenen Verantwortungsbereich und in ihrer Lieferkette für Menschenrechte einsetzen. III. Unternehmen und Menschenrechte allgemein 9. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus den aus Sicht der Fragesteller offensichtlichen Schwächen der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte? Die Bundesregierung teilt die Auffassung der Fragesteller nicht, dass die Ruggie- Prinzipien offensichtliche Schwächen aufweisen. Sie hält die Entwicklung der VN-Leitlinien für Wirtschaft und Menschenrechte für einen wichtigen Schritt. Ihr Drei-Säulen-Modell aus „Schutz, Achtung und Abhilfe“ umschreibt klar Pflichten und Verantwortlichkeiten aller Akteure. Zentral ist dabei die Darstellung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten von Unternehmen. Dieser Ansatz sollte nun konsequent umgesetzt werden. Dementsprechend verhandeln die Ressorts zurzeit den Nationalen Aktionsplan „Umsetzung der VN-Leitlinien für Wirtschaft und Menschenrechte“, dessen Ziel es ist, die Pflichten und Verantwortlichkeiten für Staat und Unternehmen aufzuzeigen. 10. Wie bewertet die Bundesregierung die oben genannte Entwicklung hin zu unverbindlichen Vereinbarungen in Bezug auf die Einhaltung von Menschenrechten durch deutsche Unternehmen seit der Verabschiedung der UN- Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte auf nationaler und internationaler Ebene? Die Bundesregierung bewertet die bisherige Entwicklung positiv und wird sie weiterhin intensiv verfolgen. Ein nächster Schritt ist die Verabschiedung des Nationalen Aktionsplans „Umsetzung der VN-Leitlinien für Wirtschaft und Menschenrechte “. 11. Wie hat sich das Verhalten der deutschen Wirtschaft seit den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte nach Ansicht der Bundesregierung entwickelt (bitte mit Begründung)? Die Bundesregierung erwartet von den deutschen Unternehmen, sich bei ihren jeweiligen wirtschaftlichen Tätigkeiten an den UN-Leitprinzipien zu orientieren. Sie geht davon aus, dass die allermeisten deutschen Unternehmen in ihrer Geschäftstätigkeit die Grundsätze der menschenrechtlichen Sorgfalt einhalten und zunehmend entsprechende Prozesse und Verfahrensschritte in ihre Managementsysteme integrieren werden. Die Verabschiedung und Umsetzung des Nationalen Aktionsplans „Umsetzung der VN-Leitlinien für Wirtschaft und Menschenrechte “ wird diese Entwicklung weiter fördern und von der Bundesregierung begleitet werden. 12. Wie bewertet die Bundesregierung die Möglichkeiten der straf- und zivilrechtlichen Verfolgung von Menschenrechtsverletzungen deutscher Unternehmen auf nationaler und internationaler Ebene? Menschenrechtsverletzungen unterliegen der deutschen Strafverfolgung, wenn sie zugleich einen Strafrechtstatbestand nach dem Recht der Bundesrepublik Deutschland erfüllen, soweit dies anwendbar ist. Gegebenenfalls unterliegen sie Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/10157 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode auch der Strafverfolgung des Gastlandes. Nach deutschem Recht unterliegen nur natürliche Personen der Strafverfolgung. Gegenüber Verbänden (juristische Personen und Personenvereinigungen) kann gemäß § 30 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten eine Geldbuße von bis zu zehn Millionen Euro festgesetzt werden, wenn eine Leitungsperson des Verbandes eine verbandsbezogene vorsätzliche Straftat begangen hat. Bei fahrlässigen Straftaten beträgt die Obergrenze fünf Millionen Euro. Die Obergrenze kann überschritten werden, wenn mit der Geldbuße zugleich der wirtschaftliche Vorteil aus der Tat abgeschöpft wird. Im Koalitionsvertrag verständigte sich die Bundesregierung auf den Ausbau des Ordnungswidrigkeitenrechts mit Blick auf strafbares Verhalten im Unternehmensbereich , die Schaffung nachvollziehbarer Zumessungsregeln für Unternehmensbußen sowie die Prüfung der Einführung eines Unternehmensstrafrechts für multinationale Konzerne. Zivilrechtlich sind Unternehmen für deliktisches Handeln verantwortlich, das ihnen nach dem Recht des Gaststaates oder dem Recht der Bundesrepublik Deutschland zurechenbar ist, soweit dieses Recht jeweils anwendbar ist. 13. Wie bewertet die Bundesregierung die Möglichkeiten Betroffener von Menschenrechtsverletzungen durch deutsche Unternehmen im Ausland auf Zugang zu „Abhilfe“ (gerichtliche und außergerichtliche Maßnahmen nach den UN-Leitprinzipien)? Wer sich durch Handlungen eines deutschen Unternehmens im Ausland in seinen Rechten verletzt sieht, kann Ansprüche vor den deutschen Zivilgerichten geltend machen und zwar grundsätzlich am Sitz des Unternehmens. Das deutsche internationale Zivilverfahrensrecht enthält auch weitere Regeln, wonach bei bestimmten Rechtsverletzungen im Ausland, die einen hinreichenden Inlandsbezug aufweisen , die deutschen Gerichte angerufen werden können. In Verfahren vor deutschen Zivilgerichten können ausländische Opfer Prozesskostenhilfe erhalten, selbst wenn sie nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. Auch die im europäischen Wirtschaftsraum ansässigen juristischen Personen (zum Beispiel Opferverbände ) können unter den Voraussetzungen der Zivilprozessordnung Prozesskostenhilfe erhalten. Soweit sich die Frage auf staatliche außergerichtliche Verfahren der Abhilfe bezieht , kommt der beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie eingerichteten Nationalen Kontaktstelle für die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen besondere Bedeutung zu. Mit dem Nationalen Aktionsplan will die Bundesregierung diese weiter stärken. Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl von unterschiedlichen Abhilfeverfahren die entweder als Element sektoraler Multistake -holder-Initiativen ausgestaltet sind oder als Teil der unternehmerischen Gesellschaftsverantwortung (Corporate Social Responsibility – CSR) wie beispielsweise Beschwerde-Management oder Hotlines. Ein Großteil dieser Mechanismen besteht erst seit vergleichsweise kurzer Zeit, was eine abschließende und umfassende Bewertung nicht zulässt. 14. Wie wird die Bundesregierung in Handels- und Investitionsabkommen wie CETA und TTIP die menschenrechtliche Sorgfaltspflicht gewährleisten? Die EU adressiert Menschenrechtsfragen üblicherweise nicht in Handelsabkommen , sondern in politischen Rahmenabkommen. Mit Kanada haben die EU und ihre Mitgliedstaaten etwa ein solches Rahmenabkommen (Strategic Partnership Agreement) paraphiert, in dem eine wechselseitige Verpflichtung zur Achtung von Menschenrechten vorgesehen ist. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/10157 15. Wie will die Bundesregierung angesichts der oben genannten Beteiligung deutscher Unternehmen an Menschenrechtsverletzungen sicherstellen, dass deutsche Unternehmen zukünftig menschenrechtliche Sorgfaltspflichten im In- und Ausland einhalten? Die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland enthält eine Vielzahl von Normen, die den Schutz der Menschenrechte zum zentralen Inhalt haben. Sie sind für alle Unternehmen verbindlich. Die Bundesregierung erwartet, dass sich deutsche Unternehmen bei ihren Aktivitäten im Ausland an die jeweilige Rechtsordnung halten. Die allermeisten deutschen Unternehmen werden dieser Verantwortung sowohl im Inland als auch im Ausland gerecht und halten sich bei ihren unternehmerischen Aktivitäten an die jeweils geltende Rechtsordnung. Im Nationalen Aktionsplan „Umsetzung der VN-Leitlinien für Wirtschaft und Menschenrechte “ sollen Standards für Unternehmen weiter präzisiert werden. Der in Vorbereitung befindliche NAP enthält die Erwartung der Bundesregierung, dass die Unternehmen Verfahrensstandards der menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten in ihre Geschäftsabläufe integrieren. 16. Wie wird sich die Bundesregierung auf europäischer Ebene dafür einsetzen, dass Unternehmen aller europäischen Länder Menschenrechtsstandards in Zukunft verbindlich einhalten? Die Bundesregierung setzt sich gemeinsam mit der EU und ihren Mitgliedstaaten für weltweit gültige menschenrechtliche Standards ein. Die Verantwortung für in einem anderen EU-Mitgliedstaat ansässige Unternehmen obliegt allerdings in erster Linie diesem Mitgliedstaat und seinen Verfassungsorganen. Es wird ferner auf die Antwort zu Frage 4 verwiesen. 17. Wie möchte die Bundesregierung mit der verzögerten Erarbeitung eines Nationalen Aktionsplans Wirtschaft und Menschenrechte das Ziel einer globalen Gleichbehandlung unterstützen, das die Einhaltung von Menschenrechtsstandards weltweit gewährleistet und Unternehmen, die eine Vorreiterrolle einnehmen, im internationalen Wettbewerb nicht schlechter stellt? Die Einhaltung von Menschenrechtsstandards ist nach Auffassung der Bundesregierung langfristig ein Wettbewerbsvorteil. Im Nationalen Aktionsplan „Umsetzung der VN-Leitlinien für Wirtschaft und Menschenrechte“ sollen Standards für Unternehmen in Deutschland mit Blick auf das globale wettbewerbliche Umfeld dieser Unternehmen weiter präzisiert werden. 18. Wie will die Bundesregierung transnational agierende Unternehmen zukünftig für Menschenrechtsverletzungen verlässlich zur Rechenschaft ziehen? Auf die Antwort zu Frage 12 wird verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333