Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie vom 25. Oktober 2016 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 18/10166 18. Wahlperiode 28.10.2016 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Katharina Dröge, Kerstin Andreae, Oliver Krischer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/9781 – Das Vorsorgeprinzip in den EU-Handelsabkommen TTIP und CETA V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r In den Verhandlungen über Handelsabkommen mit verschiedenen Partnerländern wie etwa Kanada (CETA), den USA (TTIP) oder Singapur verhandelt die EU neben klassischen Aspekten wie Markzugangsfragen und Zöllen auch verstärkt über sogenannte „nicht-tarifäre Handelshemmnisse“, also Schutzstandards etwa in den Bereichen Umwelt- und Verbraucherschutz, aber auch über grundsätzliche Fragen der Regulierung und der Risiko- und Gefahrenvorsorge. Ein Aspekt, der dabei vermehrt ins Zentrum öffentlicher Debatten rückt, ist das Vorsorgeprinzip. Das Vorsorgeprinzip ist eine tragende Säule des Verbraucher- und Umweltschutzes in der Europäischen Union: „Die Umweltpolitik der Union […] beruht auf den Grundsätzen der Vorsorge und Vorbeugung, auf dem Grundsatz, Umweltbeeinträchtigungen mit Vorrang an ihrem Ursprung zu bekämpfen, sowie auf dem Verursacherprinzip (Artikel 191 Absatz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union). Eine entsprechende Mitteilung der Europäischen Kommission1 besagt, „[i]n der Praxis hat dieses Prinzip aber einen wesentlich weiteren Anwendungsbereich, der sich auch auf die Verbraucherpolitik , die europäischen Rechtsvorschriften für Lebensmittel und den Schutz der Gesundheit von Menschen, Tieren oder Pflanzen erstreckt“. Gemäß Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) besagt das Vorsorgeprinzip, „dass bei Unsicherheiten hinsichtlich des Vorliegens oder des Umfangs von Risiken für die menschliche Gesundheit Schutzmaßnahmen getroffen werden können, ohne dass abgewartet werden müsste, dass das Bestehen und die Schwere dieser Risiken vollständig dargelegt werden“2. Damit stellt das Vorsorgeprinzip die Grundlage für die Art und Weise dar, mit der in der Europäischen Union Gefahrenabwehr zum präventiven Schutz von Menschen und Umwelt vor möglichen Gefahren für ihre Gesundheit ergriffen werden können. Allerdings ist das Vorsorgeprinzip international keineswegs unumstritten und ist zum Beispiel in den USA und in Kanada keineswegs das 1 Mitteilung der Kommission zur Anwendbarkeit des Vorsorgeprinzips (KOM(2000) 1 endg. vom 2. Februar 2000). 2 EuGH, Urteil vom 5. Mai 1998, Rs. C-157/96 – National Farmers’ Union, Rn. 63; EuGH, Urteil vom 5. Mai 1998, Rs. C-180/96 – Vereinigtes Königreich/Kommission, Rn. 99; EuGH, Urteil vom 9. September 2003, Rs. C-236/01 – Monsanto, Rn. 111. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/10166 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Leitprinzip für Risikomanagement. Während in Nordamerika in vielen Bereichen Substanzen zugelassen werden, bis deren Schädlichkeit nachgewiesen wird, gilt beim Vorsorgeprinzip die Umkehr der Beweislast. Demnach muss ein Unternehmen – beispielsweise bei der Zulassung von Chemikalien – die Unschädlichkeit wissenschaftlich nachweisen und alle eigenen Studien dazu offenlegen . Die Verschiedenartigkeit dieser Gefahrenabwehr- und Risikomanagementsysteme führt auch immer wieder zu Streitigkeiten vor WTO-Streitschlichtungsstellen . Aufgrund dieser unterschiedlichen Systeme fragte die Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN bereits 2014, inwiefern das europäische Vorsorgeprinzip in den laufenden TTIP-Verhandlungen gesichert werde. In ihrer Antwort zu Frage 19 der Kleinen Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Bundestagsdrucksache 18/2686 (http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/026/18026 86.pdf) vom 29. September 2014 in Bezug auf die Verankerung des Vorsorgeprinzips im TTIP-Vertrag behauptete die Bundesregierung: „Das Vorsorgeprinzip ist im europäischen Primärrecht verankert. Auch im Verhandlungsmandat für die Europäische Kommission ist die Wahrung des Vorsorgeprinzips als Verhandlungsleitlinie festgehalten. Die Wahrung des Vorsorgeprinzips muss im Rahmen des Abkommens durchgängig gewahrt werden. Dies hat die Bundesregierung in verschiedenen Stellungnahmen gegenüber der Europäischen Kommission verdeutlicht.“ Ungeachtet dieser Behauptungen wurden in der öffentlichen Debatte in der Vergangenheit immer wieder berechtigte Zweifel darüber laut, ob die in den Handelsabkommen CETA und TTIP getroffenen Vereinbarungen geeignet sind, das in der EU geltende Vorsorgeprinzip zu schützen. Eine im Juni 2016 veröffentliche Studie des Göttinger Völkerrechtlers Peter-Tobias Stoll kommt zu dem Ergebnis, dass „[e]s […] zu befürchten [ist], dass bestehende und zukünftige europäische Regelungen […] durch Vorgaben im CETA-Übereinkommen und nach den vorliegenden Vorschläge der EU zu TTIP in Frage gestellt bzw. erschwert werden, weil in beiden Fällen der europäische Vorsorgegrundsatz und seine weitere Verwirklichung in den Regelungstexten nicht hinreichend verankert ist und die Kapitel über SPS-Maßnahmen, technische Handelsbarrieren und die regulatorische Kooperation sich an einem Ansatz orientieren, der dem europäischen Vorsorgegrundsatz nicht entspricht“3. Aus Sicht der Fragesteller ist klar, dass das Vorsorgeprinzip als elementarer Grundstein des Verbraucherschutzes in der EU durch Handelsabkommen nicht geschwächt werden darf. Moderne Handelsabkommen müssen Schutzstandards zum Ziel machen, nicht zur Zielscheibe. Der vorliegende CETA-Vertragstext erfüllt diese Kriterien nicht. Die Verhandlungen zum geplanten TTIP-Abkommen geben Anlass zur Befürchtung, dass das Abkommen das Vorsorgeprinzip und damit den Verbraucherschutz schwächen und untergraben könnte. V o r b e me r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Die Bundesregierung hat bereits in einer Vielzahl von Antworten auf schriftliche Fragen sowie Kleine Anfragen zur Wahrung des Vorsorgeprinzips in den laufenden Verhandlungen über die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) sowie über das Abkommen der EU mit Kanada (CETA) Stellung genommen. Auf die Antworten der Bundesregierung auf die Kleinen Anfragen auf Bundestagsdrucksachen 18/8175, 18/9194 sowie 18/8544 wird verwiesen. 3 Vgl. Stoll, Peter-Tobias et. al: „CETA, TTIP und das europäische Vorsorgeprinzip“, S. 30, www.foodwatch.org/uploads/media/2016-06- 21-_Studie_Vorsorgeprinzip_TTIP_CETA.pdf. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/10166 Die Bundesregierung hat bereits ausgeführt, dass das Vorsorgeprinzip auf Seiten der EU auf Ebene des Primärrechts verankert ist und von völkerrechtlichen Verträgen nicht außer Kraft gesetzt werden kann. Im Rahmen der Verhandlungen zum CETA-Abkommen hat sich die Bundesregierung dafür eingesetzt und darauf geachtet, dass das Vorsorgeprinzip durch das Abkommen nicht beeinträchtigt wird. Die Bundesregierung weist darauf hin, dass der Text von CETA nach Abschluss der Verhandlungen keine Verpflichtung enthält, die dazu führt, dass in der EU geltende Vorschriften etwa im Bereich der Lebensmittel- oder Produktsicherheit geändert werden müssten oder auf kanadische Produkte oder Unternehmen nicht angewandt werden dürften. CETA steht auch der Einführung zusätzlicher Anforderungen in diesen Bereichen nicht entgegen. Auch das Verhandlungsmandat der EU für TTIP gibt der Europäischen Kommission als Verhandlungsführerin auf, das Vorsorgeprinzip zu wahren. Die Bundesregierung wird auch im weiteren Verlauf der Verhandlungen darauf achten, dass dieser Vorgabe entsprochen wird. Auch möchte die Bundesregierung darauf hinweisen, dass die EU – unabhängig von Bezugnahmen in CETA oder ggf. in einem Abkommen mit den USA auf Abkommen der WTO – an das geltende WTO-Recht gebunden ist. Diese Bindung an bestehende multilaterale Abkommen kann nicht über bilaterale Abkommen mit einzelnen Handelspartner abgeändert werden. Zudem lässt auch das WTO- Recht zumindest temporäre vorsorgende Regulierungsmaßnahmen zu. Außerdem gibt es auch in den USA sowie in Kanada vorsorgende Regulierungsmaßnahmen. Die häufig vorgenommene Gegenüberstellung des in der EU geltenden Vorsorgeprinzips mit einem in den USA sowie Kanada angeblich geltenden „Nachsorgeprinzip “ ist deshalb zumindest teilweise verkürzt. Vor diesem Hintergrund beantwortet die Bundesregierung die vorgelegten Fragen wie folgt. 1. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus dem von foodwatch und anderen am 21. Juni 2016 vorgelegten Gutachten mit dem Titel „CETA, TTIP und das europäische Vorsorgeprinzip“? Der Bundesregierung ist das Gutachten vom 21. Juni 2016 bekannt. Es benennt weder Vorschriften im CETA-Abkommen noch in den TTIP-Textvorschlägen der EU, nach denen es der EU in Zukunft untersagt wäre, weiterhin wie bisher vorsorgende Regulierungsmaßnahmen zu ergreifen. Die kritisierten Verweise auf bestehende Verpflichtungen aus dem Übereinkommen über sanitäre und phytosanitäre Maßnahmen (SPS-Abkommen) sowie aus dem Übereinkommen über technische Handelshemmnisse (TBT-Abkommen) der WTO ändern dies nicht, da die EU auch ohne den Abschluss von CETA oder ein mögliches TTIP-Abkommen an das geltende WTO-Recht gebunden ist. Zudem zitiert das Gutachten selbst jüngere Entscheidungen des Appellate Body der WTO, wonach im WTO-Recht ggf. ein größerer Spielraum für die Anwendung des Vorsorgeprinzips bestehen könnte (S. 17). Das Gutachten kommt in Bezug auf das regulatorische Kapitel in CETA zum Ergebnis , dass das Recht der Beteiligten zu einer eigenen Regulierungspolitik vielfach hervorgehoben werde (S. 21), was das Vorsorgeprinzip „mindestens teilweise absichere“. Dies gilt umso mehr, als die regulatorische Zusammenarbeit freiwillig ausgestaltet und nicht der Streitbeilegung unterworfen ist. Zum Kapitel zu Handel und Arbeit des CETA-Abkommens führt das Gutachten aus, dass das Vorsorgeprinzip durch die Rezeption von Formulierungen des Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/10166 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Grundsatzes 15 der Rio-Erklärung klare normative Aussagen enthält, die dem europäischen Vorsorgegrundsatz entgegen kämen (S. 22). Für den Arbeitsschutz sieht das Gutachten im Ergebnis sogar ein „sehr weitgehendes Recht der Parteien [vor], das Vorsorgeprinzip zur Anwendung zu bringen“ (S. 22). Im Ergebnis enthält das Gutachten aus Sicht der Bundesregierung keine Anhaltspunkte dafür, dass der in der EU für das Vorsorgeprinzip geltende Spielraum durch CETA oder vorliegende TTIP-Textvorschläge eingeschränkt würde. 2. Sieht die Bundesregierung das Vorsorgeprinzip durch die im EU-Kanada- Handelsabkommen (CETA) festgelegten Bestimmungen ausreichend geschützt ? Aus Sicht der Bundesregierung bleibt das im europäischen Primärrecht verankerte Vorsorgeprinzip von CETA unberührt. Auf die Vorbemerkung und die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. 3. Orientieren sich aus Sicht der Bundesregierung die im Kapitel für Sanitäre und Phytosanitäre Maßnahmen (SPS) des CETA-Abkommens getroffenen Regelungen am Vorsorgeprinzip europäischer Prägung? a) Wenn nein, kann die Bundesregierung ausschließen, dass durch die im SPS-Kapitel des CETA-Abkommens getroffenen Regeln das Vorsorgeprinzip in der Europäischen Union geschwächt oder die Weiterentwicklung bestehender Regeln dadurch erschwert werden könnte? b) Wenn ja, wie ist das sichergestellt (bitte entsprechende Stellen im CETA- Text zitieren)? In Artikel 5.4 „Rights and obligations“ des CETA-Abkommens bestätigen die Parteien ihre Rechte und Pflichten aus SPS-Übereinkommen. Der in der EU für das Vorsorgeprinzip geltende Spielraum wird durch das Kapitel zu SPS in CETA nicht eingeschränkt. Im Übrigen wird auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 17 der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. „Der CETA-Vertrag nach Abschluss der Rechtsförmlichkeitsprüfung“ verwiesen (Bundestagsdrucksache 18/8175). 4. Orientieren sich aus Sicht der Bundesregierung die im Kapitel für Technische Handelsbarrieren (TBT) des CETA-Abkommens getroffenen Regelungen am Vorsorgeprinzip europäischer Prägung? a) Wenn nein, kann die Bundesregierung ausschließen, dass durch die im TBT-Kapitel des CETA-Abkommens getroffenen Regeln das Vorsorgeprinzip in der Europäischen Union geschwächt oder die Weiterentwicklung bestehender Regeln dadurch erschwert werden könnte? b) Wenn ja, wie ist das sichergestellt (bitte entsprechende Stellen im CETA- Text zitieren)? 5. Worauf stützt – falls die Bundesregierung dies nicht ausschließen kann – sie diese Annahme vor dem Hintergrund, dass der CETA-Vertragstext in diesem Zusammenhang auf das WTO-TBT-Übereinkommen verweist, nach dem eine entsprechende Schlichtung aufgrund mangelnder Entscheidungen noch ungeklärt ist? Die Fragen 4 und 5 werden wegen des engen Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/10166 In Artikel 4.2 („Übernahme des TBT-Abkommens“) werden bestimmte Regelungen aus dem TBT-Abkommen der WTO in das Abkommen inkorporiert. Es gibt bislang keinerlei Entscheidungen der WTO dazu, dass das Vorsorgeprinzip der EU mit dem TBT-Abkommen überhaupt im Konflikt stünde. Der in der EU für das Vorsorgeprinzip geltende Spielraum wird auch durch das TBT-Kapitel in CETA nicht eingeschränkt. 6. Orientieren sich aus Sicht der Bundesregierung die in Kapitel 21 für regulatorische Kooperation des CETA-Abkommens getroffenen Regelungen am Vorsorgeprinzip europäischer Prägung? 7. Kann die Bundesregierung ausschließen, dass durch die in Kapitel 21 zur regulatorischen Kooperation des CETA-Abkommens getroffenen Regeln das Vorsorgeprinzip in der Europäischen Union geschwächt oder die Weiterentwicklung bestehender Regeln dadurch erschwert werden könnte? Die Fragen 6 und 7 werden wegen des engen Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Das regulatorische Kapitel des CETA-Abkommens sichert den Regulierungsspielraum jeder Partei umfassend ab. Auf Seiten der EU umfasst dies auch das Recht, vorsorgende Regulierungsmaßnahmen zu ergreifen. Die regulatorische Kooperation ist zudem rein freiwillig ausgestaltet und unterliegt keiner Streitschlichtung . Aus Sicht der Bundesregierung ist das regulatorische Kapitel deshalb so ausgestaltet, dass der in der EU für das Vorsorgeprinzip geltende Spielraum hierdurch nicht eingeschränkt wird. 8. Hat die Bundesregierung während des Prozesses der Rechtsförmlichkeitsprüfung des CETA-Abkommens auf eine Stärkung des Vorsorgeprinzips gedrungen , und wenn nein, weshalb nicht? Die Bundesregierung hat sich fortlaufend dafür eingesetzt, dass das im europäischen Primärrecht verankerte Vorsorgeprinzip von CETA unberührt bleibt. Das wurde mit dem jetzt vorliegenden Text des CETA-Abkommens erreicht. Auf die Vorbemerkung und die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. 9. Wird die Bundesregierung dem CETA-Abkommen in der vorliegenden Fassung im Ministerrat zustimmen? Der Deutsche Bundestag hat am 22. September 2016 eine Stellungnahme zum CETA-Abkommen nach Artikel 23 Absatz 3 GG beschlossen. Darin wird die Bundesregierung u. a. aufgefordert, „im Rat durch eine Unterzeichnung von CETA als gemischtem Abkommen […] den Weg zu einem Ratifizierungsverfahren zu eröffnen“. Der Beschluss hebt auch hervor, dass das im europäischen Primärrecht verankerte Vorsorgeprinzip von CETA unberührt bleibt. Die Bundesregierung hat dem CETA Abkommen im Handelsministerrat am 18. Oktober 2016 zugestimmt und dabei die Stellungnahme des Bundestages gem. Artikel 23 Absatz 3 GG berücksichtigt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/10166 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 10. Welche Maßnahmen hat die Europäische Kommission nach Kenntnis der Bundesregierung in der letzten Verhandlungsrunde vom 11. bis 15. Juli 2016 getroffen, um eine Wahrung des europäischen Vorsorgeprinzips innerhalb des Vertragstextes sicherzustellen? Die Europäische Kommission verhandelt mit den USA auf Basis des geltenden Verhandlungsmandats. Das Verhandlungsmandat sieht vor, dass die EU im Abkommen mit den USA sicherstellen muss, die Regulierungshoheit einschließlich der Wahrung des Vorsorgeprinzips abzusichern. Dies spiegelt sich auch in den relevanten öffentlich verfügbaren EU-Textvorschlägen zu den TTIP-Verhandlungen wieder. Siehe dazu die Antwort zu Frage 22. 11. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass zwischen dem europäischen Vorsorgeprinzip und der US-amerikanischen und kanadischen Vorgehensweise des nachsorgenden Verbraucherschutzes kein Kompromiss gefunden werden kann? Wenn nein, warum nicht? Die Abkommen verfolgen nicht das Ziel, Kompromisse zwischen verschiedenen Regulierungsphilosophien zu treffen, sondern wahren die Regulierungsautonomie jeder Seite. Die Aussage, dass in den USA sowie in Kanada „nachsorgender Verbraucherschutz“ erfolge, trifft zudem in dieser Allgemeinheit nicht zu. Vielmehr gibt es eine Reihe von Regelungsbereichen, in denen auch in den USA und Kanada vorsorgend reguliert wird oder etwa in der EU auf eine behördliche Marktzulassung verzichtet und auf Selbstzertifizierung durch Hersteller abgestellt wird. 12. Wird nach Kenntnis der Bundesregierung und nach jetzigem Verhandlungsstand an den europäischen Vorgaben zur Gentechnikkennzeichnung von Lebensmitteln 4 im TTIP-Abkommen festgehalten, oder wird für aus den USA importierte Lebensmittel, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten , auch eine Kennzeichnung mit QR-Codes zugelassen? Die Bundesregierung tritt mit Blick auf die TTIP-Verhandlungen dafür ein, dass die bestehenden EU-Kennzeichnungsvorschriften für gentechnisch veränderte Lebensmittel unverändert fortgelten. Eine Kennzeichnung von gentechnisch veränderten Lebensmitteln mittels Barcode erfüllt nicht die Anforderungen der Verordnung (EG) Nr. 1830/2003 und kann aus Sicht der Bundesregierung auch nicht als gleichwertig anerkannt werden. 13. Ist nach Kenntnis der Bundesregierung und nach jetzigem Verhandlungsstand im TTIP-Abkommen ähnlich dem europäischen Lebensmittelrecht eine Konkretisierung des Begriffs der Angemessenheit der Frist, zu der eine Entscheidung getroffen werden sollte, vorgesehen? Entsprechend den Vorgaben des Artikel 7 Absatz 2 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit hängt die Angemessenheit der Frist zur Überprüfung von Vorsorgemaßnahmen von der Art des festgestellten Risikos und der Art der wissenschaftlichen Informationen ab, die zur Klärung der wissenschaftlichen Unsicherheit und für eine umfassende Ri- 4 Vgl. Verordnung (EU) Nr. 1829/2003. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/10166 sikobewertung notwendig ist. Diese in Übereinstimmung mit dem SPS-Übereinkommen stehenden Vorgaben entsprechen der von der EU in den Verhandlungen vertretenen Verhandlungsposition. 14. An welchen Übereinkommen orientieren sich der CETA-Vertragstext und der Entwurf des TTIP-Abkommens mit Blick auf Pestizide in Lebensmitteln, und teilt die Bundesregierung die Auffassung von Peter-Tobias Stoll, wonach sich sowohl CETA als auch TTIP sehr stark an den Arbeiten der Codex- Alimentarius-Kommission orientieren, und sieht die Bundesregierung darin ein Problem? Wenn nein, weshalb nicht? Die EU berücksichtigt bereits derzeit international harmonisierte Standards des Codex Alimentarius sowie der OECD im Bereich Pflanzenschutzmittelrückstände in Lebensmitteln, sofern diese die europäischen Standards einhalten. Nach Kenntnis der Bundesregierung ist nicht vorgesehen, diese Vorgehensweise zu ändern . Die Arbeiten in den bestehenden, gut funktionierenden Foren der OECD und des Codex Alimentarius sollen nicht dupliziert werden. 15. Ist, und wenn ja, in welchem Maße, die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) nach Kenntnis der Bundesregierung in diese Verhandlungen einbezogen? Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) erstellt alljährlich einen Bewertungsbericht zu den Codex-Vorschlägen zur Festsetzung von Höchstgehalten von Pflanzenschutzmittelrückständen in Lebensmitteln. Dieser stellt die Grundlage für die Erarbeitung der EU-Position dar und wird auf der Internetseite der EFSA veröffentlicht. Ein EFSA-Vertreter ist ferner bei den Verhandlungen des Codex Komitees Pflanzenschutzmittelrückstände (CCPR) vor Ort vertreten. 16. Hält die Bundesregierung die in den Kapiteln 23 (Trade and Labour) und 24 (Trade and Environment) des CETA-Abkommens in Anlehnung an das Prinzip 15 der UN-Rio-Erklärung gewählten Formulierungen für ausreichend, um das Vorsorgeprinzip die beiden Kapitel betreffend zu wahren? Die Übernahme des Wortlauts von Artikel 15 der Rio-Erklärung über Umwelt und Entwicklung in den Artikeln 23.3 Absatz 3 und 24.8 Absatz 2 des CETA- Abkommens bekräftigt aus Sicht der Bundesregierung das Vorsorgeprinzip, wie es im EU-Primärrecht verankert ist. Auf die Antwort zu Frage 2 wird verwiesen. 17. Ist der Bundesregierung die Rechtsauffassung bekannt, dass die Verweise auf das Prinzip 15 der UN-Rio-Erklärung in den in Frage 17 genannten Kapiteln des CETA-Abkommens nicht ausreichend sind, um das Vorsorgeprinzip zu schützen, weil ihr Anwendungsbereich mit Bezug auf das Vorsorgeprinzip stark eingeschränkt ist, und teilt die Bundesregierung diese Auffassung ? In der Annahme, dass auf die Verweise in den in Frage 16 genannten Kapiteln Bezug genommen wird: Der Bundesregierung ist diese Rechtsauffassung bekannt , sie teilt diese jedoch nicht. Das Vorsorgeprinzip wird in CETA nicht nur durch die Verweise in den genannten Kapiteln gewahrt, hierfür wird auf die Antworten zu Fragen 2 und 16 verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/10166 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 18. Hätte aus Sicht der Bundesregierung ein expliziter Verweis auf das Cartagena-Protokoll über die biologische Sicherheit im CETA-Abkommen eine Stärkung des Vorsorgeprinzips zur Folge gehabt, und wenn ja, sieht die Bundesregierung im Fehlen eines solchen Verweises ein Problem für das Vorsorgeprinzip in der Europäischen Union? 19. Hat sich die Bundesregierung für die Aufnahme eines expliziten Verweises auf das Cartagena-Protokoll über die biologische Sicherheit im CETA-Abkommen eingesetzt, und wenn nein, warum nicht? Die Fragen 18 und 19 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Da Kanada nicht Vertragspartei des Cartagena-Protokolls ist, war nicht zu erwarten , dass Kanada im Rahmen des CETA-Abkommens die Vorschriften des Cartagena-Protokolls als für sich verbindlich anerkennt. Dem Vorsorgeprinzip wird im CETA-Abkommen aber auch ohne einen solchen Verweis bereits ausreichend Rechnung getragen (vgl. Antwort zu Frage 2). 20. Wäre eine explizite Erwähnung der REACH-Verordnung zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe im CETA-Abkommen aus Sicht der Bundesregierung zur Stärkung des Vorsorgeprinzips in der Europäischen Union sinnvoll gewesen? 21. Hat sich die Bundesregierung für die Aufnahme eines expliziten Verweises auf die REACH-Verordnung zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe im CETA-Abkommen eingesetzt, und wenn nein, warum nicht? Die Fragen 20 bis 21 werden aufgrund ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Eine ausdrückliche Erwähnung einzelner Bestandteile des EU-Rechts wie der REACH-Verordnung in einem Handelsabkommen der EU ist aus Sicht der Bundesregierung zur Bekräftigung der Geltung des Vorsorgeprinzips weder hilfreich noch notwendig. Es wird insoweit auf die Antworten zu Fragen 16 und 17 verwiesen . Auch vor dem Hintergrund, dass aus Sicht der Bundesregierung das Vorsorgeprinzip in CETA als horizontales Prinzip für alle relevanten Regelungsbereiche (bestehende wie zukünftige) zu wahren ist, war eine Erwähnung einzelner Regelungsbereiche nicht angezeigt. 22. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die am 14. Juli 2016 veröffentlichten Vorschläge der EU zu den laufenden TTIP-Verhandlungen das Vorsorgeprinzip angemessen schützen (bitte entsprechende Stellen zitieren)? Die von der EU eingebrachten Textvorschläge sind aus Sicht der Bundesregierung nicht so ausgestaltet, dass sie zu einer Einschränkung des Spielraums der EU zur vorsorgenden Regulierung führen würden. Der am 14. Juli 2016 vorgelegte Entwurf für das Chemikalienkapitel bzw. den Sektorannex für Chemikalien enthält zudem einen expliziten Hinweis in Artikel 1 Absatz 3 auf die Regulierungshoheit und die jeweils geltenden grundlegenden Rechtsprinzipien der jeweiligen Rechtsordnung, einschließlich im Bereich der Risikobewertung und -bewältigung, was für die EU das Vorsorgeprinzip umfasst. Dies wird durch eine Fußnote, die auf den AEUV verweist, zusätzlich klargestellt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/10166 Auch die übrigen am 14. Juli 2016 vorgelegten Entwürfe für sog. Sektorannexe im regulatorischen Teil des Abkommens verweisen jeweils ebenfalls auf die Regulierungshoheit jeder Seite sowie die grundlegenden Rechtsprinzipien der jeweiligen Rechtsordnung, was im Fall der EU auch das Vorsorgeprinzip umfasst. Die entsprechende Regelung findet sich in Artikel 1 Absatz 2 Sektorannex Kosmetika , in Artikel 1 Absatz 2 Sektorannex Automobil, Artikel 1 Absatz 2 Sektorannex Medizinprodukte, Artikel 1 Absatz 2 Sektorannex Maschinenbau, Artikel 1 Absatz 2 Sektorannex Textilien. 23. Wie sollen nach Auffassung der Bundesregierung die im geplanten TTIP- Abkommen vorgesehenen Komitees zusammengesetzt werden, um den Grundsatz der Vorsorge während zukünftiger regulatorischer Kooperation angemessen zu repräsentieren (bitte einzeln zu EU-Vorschlag, TTIP, Kapitel […] Institutional, general and final provisions, Art. X.3, X.6, X.7, und X.8 auflisten)? Die genaue Zusammensetzung der jeweiligen Fachausschüsse steht bislang nicht fest. Maßgeblich ist aus Sicht der Bundesregierung, dass die von den Ausschüssen bei ihrer Betätigung zugrunde zu legenden Vorschriften eines potentiellen Abkommens nicht zu einer Beschränkung des Spielraums der EU zur vorsorgenden Regulierung führen. Dies ist unter Heranziehung der bekannten EU-Textvorschläge für den regulatorischen Bereich von TTIP nicht der Fall. Auf die Antwort zu Frage 22 wird verwiesen. 24. Wie soll nach Auffassung der Bundesregierung in Zukunft eine angemessene Wahrung des Vorsorgeprinzips durch das im geplanten TTIP-Abkommen vorgesehene Joint Committee gestützt werden, und nach welchen Kriterien sollen Änderungen oder Ergänzungen der Regeln der WTO bewertet werden (s. EU-Vorschlag, TTIP, Kapitel […] Institutional, general and final provisions , Art. X.9)? Auch für die Tätigkeit des sog. Gemischten Ausschusses ist aus Sicht der Bundesregierung maßgeblich, dass die zugrunde zu legenden Vorschriften eines potentiellen Abkommens nicht zu einer Beschränkung des Spielraums der EU zur vorsorgenden Regulierung führen. Auf die Antworten zu Fragen 22 und 23 wird verwiesen. Sollten WTO-Vorschriften, auf die das Abkommen Bezug nimmt, geändert worden sein, sieht Artikel X.9 („Evolving WTO Law“) vor, dass die Vertragsparteien im Rahmen des Gemischten Ausschusses über Anpassungen des Abkommens beraten , um Einvernehmen hierzu zu erzielen. Maßgebliches Kriterium ist eine für beide Seiten befriedigende Lösung („mutually satisfactory solution“). Auf die Vorbemerkung wird verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/10166 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 25. Nach welchen Kriterien soll nach Auffassung der Bundesregierung in Zukunft eine angemessene Wahrung des Vorsorgeprinzips in zukünftigen Änderungen oder Ergänzungen zu den Handelsabkommen CETA und TTIP gewahrt werden (s. CETA S: XX, und EU-Vorschlag, TTIP, Kapitel […] Institutional , general and final provisions, Art. X.10)? Es ist unklar, auf welche Bestimmung des CETA-Abkommens die Fragesteller Bezug nehmen. Die Bundesregierung wird auch im Falle möglicher künftiger Änderungen oder Ergänzungen des CETA-Abkommens darauf achten, dass das Vorsorgeprinzip unberührt bleibt. Auf die Vorbemerkung und die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. Zu TTIP wird auf die Antwort zu Fragen 23 und 24 sowie zu Frage 1 verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333