Deutscher Bundestag Drucksache 18/1028 18. Wahlperiode 03.04.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Martina Renner, Sevim Dağdelen, Kerstin Kassner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/836 – Serienfund von Erddepots mit Waffen und Sprengstoff im Jahr 2009 in mehreren Bundesländern Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Im Mai 2008 erschoss sich in Bayreuth der vermeintlich Obdachlose M. K., nachdem er im Rahmen einer Polizeikontrolle das Feuer eröffnete und einen Polizisten schwer verletzte. In seinem Rucksack fanden die Beamten Unterlagen , die zu mehreren Erddepots u. a. in Bayern, Sachsen, Thüringen, Brandenburg und Österreich führten. In den Erddepots wurden Waffen, Sprengvorrichtungen , Ausrüstungsgegenstände, Uniformteile und Unterlagen sichergestellt (www.kurier.at vom 13. Dezember 2011 „Terroristenlager in Österreich“, www.frankenpost.de vom 19. September 2009 „Waffennarr füllt Erddepots randvoll“, www.rp-online.de vom 18. September 2009 „Obdachloser hortet Sprengstoff“). 1. Wer führte aufseiten des Bundeskriminalamtes (BKA) sowie nach Kenntnis der Bundesregierung der Polizeidienststellen in den Ländern, der Staatsanwaltschaften und der Generalbundesanwaltschaft zu diesem Vorgang jeweils in welchem Zeitraum, unter welchem Tatverdacht und mit welchem Ergebnis Ermittlungen? Die Kriminalpolizeiinspektion Bayreuth führte unter Sachleitung der Staatsanwaltschaft Bayreuth seit dem 25. Mai 2008 ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts des versuchten Mordes zum Nachteil zweier Polizeibeamter gegen M. K. Dieses Ermittlungsverfahren ist im August 2008 wegen des Todes des Beschuldigten eingestellt worden. Das Bundeskriminalamt (BKA) war mit dem oben genannten Sachverhalt fachlich /inhaltlich nur in seiner Funktion als kriminalpolizeilicher Zentralstelle beDie Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 1. April 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. fasst. Wegen des Auffindens von Depots mit Waffen und Sprengstoff in verschiedenen Bundesländern im Jahr 2009 im Nachgang zur Selbsttötung des M. K. am 25. Mai 2008 in Bayreuth hat der Generalbundesanwalt am 27. Dezember 2011 Drucksache 18/1028 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode einen Vorgang zur Überprüfung eingeleitet, ob der Sachverhalt Anhaltspunkte für eine in die Zuständigkeit des Generalbundesanwalts fallende Straftat bietet. Anlass der Einleitung dieses Vorgangs war die Übersendung verschiedener Unterlagen durch die Staatsanwaltschaft Bayreuth aus deren Ermittlungsverfahren gegen M. K. wegen versuchten Mordes am 21. Dezember 2011. Ausweislich der von der Staatsanwaltschaft Bayreuth übermittelten Unterlagen hatte sich der wohnsitzlose M. K. am 25. Mai 2008 bei einer Kontrolle von Polizeibeamten der Polizeiinspektion Bayreuth im dortigen Stadtgebiet mit einem Reisepass ausgewiesen, dessen Gültigkeit abgelaufen war. Nachdem ihm gegenüber die vorläufige Festnahme erklärt worden war, eröffnete M. K. mit einer Pistole „Walter PP“ das Feuer auf die Polizeibeamten und erschoss sich nach einem weiteren Schusswechsel selbst. Die Prüfung des Generalbundesanwalts hat keine Anhaltspunkte für eine in seine Zuständigkeit fallende Straftat erbracht. 2. Wer führte nach Kenntnis der Bundesregierung aufseiten der Sicherheitsund Strafverfolgungsbehörden in Österreich die Ermittlungen, und liegen der Bundesregierung die Ergebnisse dieser Ermittlungen vor? Wie sehen die Ergebnisse ggf. aus? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. 3. Wie viele Erddepots wurden im Verlaufe der Ermittlungen aufgefunden, wo befanden sich diese, und welche Sicherheitsbehörden waren an den Sicherstellungsmaßnahmen beteiligt? M. K. führte am 25. Mai 2008 handgezeichnete Landkarten mit sich, auf denen die Lage von 37 Erddepots in Bayern, Thüringen, Sachsen, Brandenburg, Berlin und Österreich verzeichnet waren. Die Ortsangaben waren unter Verwendung eines Zahlencodes verschlüsselt. Nachdem die Entschlüsselung im Jahr 2009 gelungen war, konnten 30 Depots lokalisiert werden. Zwei Depots hatte M. K. selbst bereits aufgelöst, fünf weitere wurden bis heute nicht aufgefunden. In einigen Depots wurden neben Bekleidungsstücken, Campingausrüstung, CDs mit Volksmusik, Kfz-Kennzeichen auch Patronen, ein Lauf Kaliber 7,65 mm, Handgranaten, Sprengstoff, Sprengbehälter, Zeitzünder und eine Gaspistole sichergestellt . Weitere Erkenntnisse liegen nicht vor. 4. Konnten die aufgefundenen Asservate (Waffen, Sprengvorrichtungen etc.) einschließlich der von M. K. zur Selbsttötung benutzten Schusswaffe anderen Straftaten bzw. bereits geführten Ermittlungsverfahren zugeordnet werden, und wenn ja, betreffend welcher Delikte und geführt von welcher Behörde? Im Rahmen der Besonderen Aufbauorganisation (BAO) Trio wurden von der SoKo Bosporus des Landeskriminalamts Bayern und dem BKA Ermittlungen durchgeführt, ob ein Zusammenhang mit den Straftaten des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) besteht. Bereits im September 2009 hatte die SoKo Bosporus die DNA von M. K. mit dem Gesamtbestand der zu allen „CeskaMorden “ vorliegenden DNA und die bei M. K. und in den Depots sichergestellte Munition mit der Munition, die von den Tätern der „Ceska-Morde“ verwendet wurde, abgeglichen. Übereinstimmungen wurden nicht festgestellt. Die von M. K. am 25. Mai 2008 mitgeführte Schusswaffe wurde 1985 bei einem Dieb- stahl in Itzehoe entwendet. Wie M. K. in ihren Besitz kam, ist ungeklärt. Ermitt- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/1028 lungen zu der bei M. K. und den in den Depots aufgefundenen Waffen und Waffenteilen haben keine Erkenntnisse darüber erbracht, dass die Schusswaffen bei anderen Straftaten eingesetzt worden sind. Ebenso wenig konnte ein Bezug zwischen den von M. K. angelegten Erddepots zu den Taten des „NSU“, insbesondere zu den Personen Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe hergestellt werden. Ein Vergleich der in den Erddepots des M. K. gefundenen Sprengvorrichtungen mit der bei dem – dem „NSU“ zugerechneten – Anschlag am 9. Juni 2004 in der Keupstraße 29 bis 31 in 51063 Köln verbauten Sprengvorrichtung hat ausweislich der kriminaltechnischen Untersuchungen keine belastenden Anhaltspunkte ergeben. Es lagen auch keine konkrete Anhaltspunkte für einen Zusammenhang der Depotfunde mit dem Anschlag in einem iranischen Lebensmittelgeschäft am 19. Januar 2001 in der Probsteigasse 44 bis 46 in 50670 Köln vor. Ein kriminaltechnischer Vergleich der in den Depots gefundenen Sprengmittel mit den Tatmitteln der bei diesem Anschlag verwendeten Sprengvorrichtung hat – wie im Fall des Anschlags vom 9. Juni 2004 – keine entsprechenden Erkenntnisse erbracht . 5. Konnten bei der Auswertung der sichergestellten Gegenstände DNA-Spuren , daktyloskopische Spuren oder bei der Auswertung der schriftlichen Unterlagen Hinweise auf weitere (auch bisher unbekannte) Täter festgestellt werden? 6. Welche Waffen wurden in jeweils welchen Erddepots gefunden, und welche Erkenntnisse erbrachten die Ermittlungen zu Art, Zustand, Herkunft und zum möglichen Verwendungszweck? 7. Welche Sprengstoffe, Zündvorrichtungen, Bomben und Bombenteile wurden in jeweils welchen Erddepots gefunden, und welche Erkenntnisse erbrachten die Ermittlungen zu Art, Herkunft (militärisch/gewerblich/Selbstlaborat ) und möglichem Verwendungszweck? Die Fragen 5 bis 7 werden zusammen beantwortet. Auf die Antwort zu Frage 4 wird verwiesen. Der Bundesregierung liegen keine weitergehenden Erkenntnisse dazu vor. 8. Verfügte der vermeintliche Anleger der Erddepots nach Ergebnis der Ermittlungen über das notwendige Fachwissen und die Räumlichkeiten zum Bau derartiger Sprengvorrichtungen? Hierzu liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. 9. Welche Erkenntnisse erbrachten die Ermittlungen zum möglichen Zusammenhang des vermeintlichen Anlegers der Erddepots zu Personen und Strukturen (Vereine, Parteien, Gruppierungen) der neonazistischen Szene bzw. zu Personen, die in der Vergangenheit im Bereich der organisierten Kriminalität in Erscheinung getreten sind? Als M. K. am 18. Januar 2007 wegen der Stilllegung seines Pkws bei der Zulassungsstelle in Plauen vorsprach und er sich über die Erhebung einer Verwaltungsgebühr in Höhe von 5,60 Euro beschwerte, verließ er die Zulassungsstelle unter Zeigen des „Hitler-Grußes“ und mit den Worten „Heil Hitler“. Die Stadt Plauen hat wegen des Vorfalls Strafanzeige wegen Verwendens von Kennzei- chen verfassungswidriger Organisationen erstattet. Drucksache 18/1028 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Außerdem ist M. K. auf einer von der Berliner SPD organisierten Busfahrt von Berlin nach München zur jährlichen Sicherheitskonferenz im Jahr 2007 durch „rechte“ Äußerungen aufgefallen und aus dem Bus verwiesen worden. Von der Behörde des Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen (BStU) wurde die Auskunft erteilt, dass die Abteilung XX der Bezirksverwaltung Berlin M. K. in einer dezentral geführten Kartei über „NPD-Mitglieder in der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West)“ geführt habe, jedoch kein weiteres Aktenmaterial bekannt sei. Zwar sei M. K. in der Kartei als Mitglied der „JN“ (Junge Nationaldemokraten) vermerkt gewesen, aktive Beziehungen in die rechtsradikale Szene der DDR seien aber nicht als wahrscheinlich eingestuft worden. Hinweise auf Kontakte des M. K. zu rechtsradikalen Kreisen sind der Bundesregierung nicht bekannt. 10. Welche Erkenntnisse erbrachten die Ermittlungen zur finanziellen Situation des vermeintlichen Anlegers der Erddepots? Hierzu liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. 11. Welche Erkenntnisse gibt es zu polizeilichen Feststellungen des vermeintlichen Anlegers der Erddepots M. K. bzw. zu Ermittlungs- und Strafverfahren , die gegen diesen geführt wurden? Sind darunter Verfahren, die aus dem Bereich der politisch-motivierten Kriminalität rechts (PMK-rechts) stammen? Auf die Antwort zu Frage 9 wird verwiesen. Wegen des Vorfalls am 18. Januar 2007 war gegen M. K. bei der Staatsanwaltschaft Zwickau ein Ermittlungsverfahren wegen Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen anhängig. Der Ausgang ist der Bundesregierung nicht bekannt. Weiter war gegen ihn (Tatzeit 28. Oktober 2007) bei der Staatsanwaltschaft in Coburg ein Ermittlungsverfahren wegen Beleidigung eines Politikers nach § 185 des Strafgesetzbuches mit einem politischen Hintergrund anhängig. Der Ausgang ist der Bundesregierung nicht bekannt. M. K. wurde im Jahr 2006 in Wels, Österreich, bei einer Fahrzeugkontrolle im Besitz von diversen Äxten und Messern angetroffen wurde. Bei dieser Kontrolle führte M. K. eine selbstgebaute CO2-Druckgaswaffe mit Vier-Millimeter-Stahlkugelgeschossen mit sich. Der Bundesregierung liegen keine weitergehenden Erkenntnisse vor. 12. Welche Erkenntnisse ergaben die Ermittlungen hinsichtlich der in den Erddepots aufgefundenen „Feindnamenslisten“, insbesondere hinsichtlich Herkunft und Bedeutung der auf diesen Listen ggf. erwähnten Personen, Organisationen und Institutionen? Bei den in der gefundenen Liste aufgeführten Namen handelt es sich um Personen , die persönliche Bezüge zu M. K. hatten. 13. Welche Erkenntnisse wurden im Rahmen der Ermittlungen gewonnen zur beabsichtigten Verwendung der in den Erddepots aufgefundenen KfzKennzeichen ? War der vermeintliche Anleger der Erddepots im Besitz einer Fahrerlaub- nis, bzw. hatte dieser Kenntnisse im Führen von Pkw? Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/1028 14. Welche Erkenntnisse erbrachten die Ermittlungen zum möglichen Verwendungszweck und Bedeutung der aufgefundenen Uniform- und Kleidungsteile ? Wurden in diesem Zusammenhang auch Uniform- und Kleidungsteile mit Aufdrucken, Symbolen, Abzeichen, militärischen Rangbezeichnungen etc. aufgefunden? 15. Welche Erkenntnisse liegen hinsichtlich der aufgefunden Tonträger vor? Die Fragen 13 bis 15 werden zusammen beantwortet. Hierzu liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333