Deutscher Bundestag Drucksache 18/1031 18. Wahlperiode 03.04.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Corinna Rüffer, Markus Kurth, Beate Müller-Gemmeke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/834 – Armut durch Eingliederungshilfe Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden – das steht unmissverständlich in unserer Verfassung. Deshalb müssen Nachteile, die durch Barrieren jeder Art entstehen, ausgeglichen werden. Wer zum Beispiel Unterstützung braucht, um selbstständig zu wohnen oder abends ins Kino zu gehen, muss diese Unterstützung bekommen. Das ist keine Frage wohlmeinender Fürsorge. Es ist die Voraussetzung, um gleichberechtigt und selbstbestimmt am Leben in der Gemeinschaft teilhaben zu können und damit eine Frage der Gerechtigkeit. Diese Unterstützungsleistungen werden größtenteils aus Mitteln der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen (§§ 53 ff. des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch – SGB XII) finanziert. Da die Eingliederungshilfe jedoch eine Leistung der Sozialhilfe ist, müssen die Unterstützungsleistungen vorrangig aus eigenem Einkommen und Vermögen bezahlt werden. So sieht es unser Fürsorgesystem vor. Wer also Leistungen der Eingliederungshilfe bezieht, muss – ähnlich wie beim Arbeitslosengeld II (ALG II) – seine Einkommensund Vermögensverhältnisse offenlegen und die Unterstützungsleistungen selbst oder in vielen Fällen auch über Angehörige mitfinanzieren. Die rechtlichen Rahmenbedingungen zum Einsatz des eigenen Einkommens und Vermögens sind so streng, dass eine alleinstehende Person mit Behinderungen nicht mehr als 2 600 Euro auf dem Konto haben darf. Obwohl die Eingliederungshilfe Teilhabe gerade ermöglichen soll, erschwert diese Rechtslage die gleichberechtigte Teilhabe der Betroffenen erheblich. Durch die den Fragestellern immer wieder berichtete äußerst restriktive Verwaltungspraxis der meisten Sozialämter, die Ermessensspielräume bei der Festlegung des vom Leistungsbezieher einzusetzenden Betrags selten ausnutzen , entstehen teilweise sogar wirtschaftlich existenzbedrohende SituatioDie Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 1. April 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. nen. Das SGB XII schreibt hierzu nur vor, wie viel den Leistungsbezieherinnen und Leistungsbeziehern mindestens bleiben muss. Dabei macht die finanzielle Beteiligung der Leistungsberechtigten und ihrer Angehörigen nach Angaben des Statistischen Bundesamtes insgesamt betrachtet nur einen sehr geringen Drucksache 18/1031 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Teil der Gesamtkosten der Eingliederungshilfe aus: Rund 14,4 Mrd. Euro wendeten die Sozialhilfeträger im Jahr 2011 für Eingliederungshilfeleistungen auf. Lediglich 264 Mio. Euro davon, das entspricht etwa 2 Prozent, konnten sie sich von den Leistungsbezieherinnen und -beziehern bzw. deren Angehörigen erstatten lassen. Viele parlamentarische und außerparlamentarische Initiativen haben in den vergangenen Jahren auf die geschilderte Problematik hingewiesen und entsprechende Reformen angemahnt. Bislang verwiesen die Bundesregierungen jedoch darauf, dass die Eingliederungshilfe Teil der Sozialhilfe sei – mit der Folge, dass Einkommen und Vermögen angerechnet werden müssten. Nun aber hat die jetzige Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD immerhin angekündigt, sie wolle Menschen mit Behinderungen „(…) aus dem bisherigen ‚Fürsorgesystem‘ herausführen und die Eingliederungshilfe zu einem modernen Teilhaberecht weiterentwickeln.“ Offen bleibt jedoch, was das bedeutet und wann es umgesetzt werden soll. Selbst wenn man weiterhin die Grundsätze der Fürsorge anerkennt und die Übernahme von Leistungen zur Teilhabe an Bedürftigkeitsgrenzen knüpft, fällt im Vergleich mit anderen Leistungen, die bei Bedürftigkeit gewährt werden, auf, dass Bezieherinnen und -bezieher von Eingliederungshilfe erheblich benachteiligt werden. So gelten beispielsweise bei Bezug von ALG II deutlich höhere Vermögensfreigrenzen. So werden auch in der Personengruppe, die dem Arbeitsmarkt zur Verfügung steht, diejenigen benachteiligt, die Eingliederungshilfeleistungen erhalten. Die folgenden Fragen beziehen sich auf Leistungsbezieherinnen und -bezieher, die keine Sozialhilfeleistungen zur Deckung des Lebensunterhalts benötigen. Vo r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Leitlinie für das Regierungshandeln in dieser Legislaturperiode sind die im Koalitionsvertrag getroffenen Vereinbarungen, zu denen auch die Reform der Eingliederungshilfe gehört. Im Zusammenhang mit dieser Reform ist u. a. vereinbart , dass Menschen, die aufgrund einer wesentlichen Behinderung nur eingeschränkte Möglichkeiten der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft haben, aus dem bisherigen „Fürsorgesystem“ herausgeführt werden sollen. Mit dieser Aussage wird eine Entwicklung fortgesetzt, die bereits im Jahre 2001 mit dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) begonnen hat. Bis zum Inkrafttreten des SGB IX war die Behindertenpolitik geprägt von dem Fürsorgegedanken mit der Zielsetzung, dass dem Menschen mit Behinderungen geholfen werden muss. Die Notwendigkeit des SGB IX wird u. a. mit einer tief greifenden Wandlung des Selbstverständnisses von Menschen mit Behinderungen wie folgt begründet: „Im Mittelpunkt der politischen Anstrengungen stehen nicht mehr die Fürsorge und die Versorgung von behinderten Menschen, sondern ihre selbstbestimmte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und die Beseitigung der Hindernisse, die ihrer Chancengleichheit entgegenstehen“ (Bundestagsdrucksache 14/5074). Die Aussage im Koalitionsvertrag, nach der die Herausführung aus dem bisherigen „Fürsorgesystem“ angestrebt wird, zielt auf das gewandelte Rollenverständnis von Menschen mit Behinderungen in unserer Gesellschaft. Diesem soll im Rahmen der Leistungen der Eingliederungshilfe verstärkt Rechnung getragen werden. Künftig soll nicht über den Menschen mit Behinderungen, sondern gemeinsam mit ihm gehandelt werden, um seine individuelle Lebensplanung und Selbstbestimmung zu unterstützen. Dieses Verständnis wird auch auf Seite 110 des Koalitionsvertrages bekräftigt: „Leitidee der Politik der neuen Bundesregierung für Menschen mit Behinderungen ist die inklusive Gesellschaft. Menschen mit und ohne Behinderungen sollen zusammen spielen, lernen, leben, arbeiten und wohnen. In allen Be- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/1031 reichen des Lebens sollen Menschen mit Behinderungen selbstverständlich dazugehören – und zwar von Anfang an. Menschen mit Behinderungen sind Experten in eigener Sache, ihre Beteiligung an den Entscheidungsprozessen wollen wir besonders berücksichtigen – nach dem Motto ‚Nichts über uns ohne uns‘.“ Die Art und Weise der Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen in der Eingliederungshilfe und die Unterscheidung von Fachleistungen und existenzsichernden Leistungen zum Lebensunterhalt werden im Rahmen der Schaffung eines Bundesteilhabegesetzes für Menschen mit Behinderungen wichtige Diskussionspunkte sein. 1. An welchen Leistungen der Eingliederungshilfe mussten sich nach Kenntnis der Bundesregierung behinderte Menschen (bzw. ihre Angehörigen) in den letzten drei Jahren in welchem Umfang finanziell beteiligen (bitte für die letzten drei Jahre angeben, für die Zahlen vorliegen)? Falls der Bundesregierung hierzu keine Angaben vorliegen, plant die Bundesregierung, entsprechende Daten zu erheben? 2. Wie viele Menschen mussten nach Einschätzung der Bundesregierung in den Jahren 2010, 2011 und 2012 vollständig selbst für Unterstützungsleistungen zum Ausgleich ihrer Behinderung aufkommen, weil sie oder ihre Angehörigen nicht als „bedürftig“ eingestuft wurden? Wie viele dieser aufgrund mangelnder Bedürftigkeit abgelehnten Anträge wurden nach Kenntnis der Bundesregierung nur deshalb abgelehnt, weil ein einmaliger oder kurzfristiger Bedarf bestand, der dann z. B. mit den über dem Freibetrag liegenden Ersparnissen oder durch Auflösung einer Versicherung gedeckt werden musste? 3. Wie viele Menschen mussten nach Einschätzung der Bundesregierung in den Jahren 2010, 2011 und 2012 teilweise selbst für Unterstützungsleistungen zum Ausgleich ihrer Behinderung aufkommen? a) Wie viele dieser Menschen zahlten nach Einschätzung der Bundesregierung monatlich weniger als 50 Euro, wie viele weniger als 100 Euro und wie viele mehr als 500 Euro aus ihrem Einkommen? b) Wie viele dieser Menschen zahlten nach Einschätzung der Bundesregierung im Jahr unter 500 Euro, unter 1 000 Euro und wie viele mehr als 5 000 Euro aus eigenem Vermögen? Die Fragen 1 bis 3 werden zusammen beantwortet. Der Bundesregierung liegen zum Umfang der finanzieller Beteiligung an den Leistungen der Eingliederungshilfe und den eigenen Ausgaben behinderungsspezifischer Unterstützungsleistungen keine Erkenntnisse vor. Sie hat aber eine Erhebung bei verschiedenen Trägern der Sozialhilfe initiiert, mit der einschlägige Daten gewonnen werden sollen. Die amtliche SGB XII-Statistik erhebt für den Bereich der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nach dem Sechsten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) keine Daten über anrechenbare Einkommen oder abgelehnte Leistungen. Insoweit können keine Informationen insbesondere über die Höhe der finanziellen Eigenbeteiligung der betroffenen behinderten Menschen gegeben werden. Eine Tabelle über die Zahl der Empfänger von Eingliederungshilfe nach Hilfearten für die Jahre 2010 bis 2012 ist als Anlage beigefügt. Drucksache 18/1031 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 4. Warum liegen die Familienzuschläge, die behinderte Menschen, die Eingliederungshilfe erhalten, von ihrem Einkommen behalten dürfen, niedriger als die Bedarfssätze der Hilfe zum Lebensunterhalt (Regelbedarfsstufen 2, 3 und 4)? Sieht die Bundesregierung hier Änderungsbedarf? Wenn ja, welchen? Wenn nein, warum nicht? 5. Warum sind die Kosten für Heizung und Warmwasser nicht Teil des Freibetrags von Bezieherinnen und Beziehern von Eingliederungshilfeleistungen, obwohl sie zum sozialhilferechtlichen Existenzminimum zählen? Sieht die Bundesregierung hier Änderungsbedarf? Wenn ja, welchen? Wenn nein, warum nicht? 6. Wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache, dass Menschen mit Behinderungen , die Eingliederungshilfe beziehen, durch die in den Fragen 4 und 5 genannten Regelungen in die Situation geraten können, weniger Geld zum Leben zur Verfügung zu haben, als das sozialhilferechtliche Existenzminimum ? Sieht die Bundesregierung hier Änderungsbedarf? Wenn ja, welchen? Wenn nein, warum nicht? Die Fragen 4 bis 6 werden zusammen beantwortet. Die Fragen zielen auf Bestimmungen zur Feststellung existenzsichernder Leistungen (einschlägige Regelbedarfsstufe sowie Einbezug der Kosten für Heizung und Warmwasser), die unmittelbar keinen Bezug zu Eingliederungshilfeleistungen haben. Die Regelung zur Einkommensgrenze insgesamt soll sicherstellen, dass dem Betroffenen und den übrigen Mitgliedern der Einsatzgemeinschaft ausreichende eigene Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts verbleiben und eine unzumutbare Beeinträchtigung der Lebensführung vermieden wird. Dadurch wird ein Bedarf festgelegt, der über dem der Bezieher von Hilfe zum Lebensunterhalt oder Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung liegt, die ihr Einkommen grundsätzlich im vollen Umfang einsetzen müssen. Der Einsatz eigener Mittel kann regelmäßig nur verlangt werden, soweit diese eigenen Mittel über der Einkommensgrenze liegen und auch dann nur im zumutbaren Umfang. Ein Einsatz des gesamten Einkommens ist danach also regelmäßig nicht möglich. Bei der Prüfung, welcher Umfang angemessen ist, sind vor allem die Art des Bedarfs, die Art oder Schwere der Behinderung oder der Pflegebedürftigkeit, die Dauer und Höhe der erforderlichen Aufwendungen sowie besondere Belastungen der Personen der Einstandsgemeinschaft zu berücksichtigen. Zudem sind auch hier allgemeine Grundsätze des Sozialhilferechts zu beachten, z. B. der Individualität, des Vorrangs der offenen Hilfe oder der familiengerechten Hilfe. Zudem hat der Gesetzgeber sichergestellt, dass schwerstpflegebedürftigen und blinden Menschen die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen über der Einkommensgrenze maximal nur mit einem Umfang von 40 v. H. zuzumuten ist. Im Einzelfall ist auch eine noch geringere Inanspruchnahme in Betracht zu ziehen. Damit wird dem Sozialhilfeträger für die Anrechnung des Eigenanteils des Betroffenen ein breiter Entscheidungsrahmen eingeräumt, der verhindert , dass existenzgefährdende Härtefälle beziehungsweise Hilfebedürftig- keit eintreten. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/1031 Dass ein Mensch mit Behinderungen danach weniger Geld zum Leben zur Verfügung hat, als das sozialhilferechtliche Existenzminimum, ist nicht möglich, weil zunächst immer der allgemeine Lebensunterhalt festgestellt und gesichert sein muss. 7. Welche Bundesländer entlasten nach Kenntnis der Bundesregierung Bezieherinnen und Bezieher von Eingliederungshilfe, indem sie höhere Grundfreibeträge nach § 86 SGB XII festgesetzt haben? Für welche Leistungsarten gelten diese? Wie hoch liegen sie jeweils? Hat sich diese Vorschrift bewährt? Der Bundesgesetzgeber hat in § 86 SGB XII die frühere Regelung des § 79 Absatz 4 Bundessozialhilfegesetz übernommen, wonach die Länder und die Sozialhilfeträger ermächtigt sind, für einzelne Arten der Hilfen nach dem Fünften bis Neunten Kapitel SGB XII höhere Einkommensgrenzen festzulegen. Ob von dieser Ermächtigungsgrundlage Gebrauch gemacht wird, entscheiden die Länder. Der Bund ist hierbei nicht zu beteiligen und es liegen auch keine Erkenntnisse über die Vorgehensweise der Länder und Sozialhilfeträger im Einzelfall vor. 8. Inwiefern hält die Bundesregierung es für angemessen, dass viele Sozialhilfeträger bei Beziehern von Eingliederungshilfe die Eigenbeteiligung laut Berichten von Leistungsberechtigten auf den höchsten möglichen Betrag festlegen? Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung daraus, dass einige Sozialhilfeträger, die für schwerstpflegebedürftige und blinde Leistungsbezieher geltende Begrenzung des Eigenanteils auf 40 Prozent des Einkommens umgehen, indem sie die Leistung aufspalten und für jeden Teil den Einsatz von 40 Prozent des noch nicht eingesetzten Einkommens verlangen? Die Durchführung der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nach dem SGB XII und damit auch die sozialhilferechtliche Entscheidung im Einzelfall obliegt den Behörden in den Ländern, die der Aufsicht des Bundes nicht unterliegen . Eine Verwaltungspraxis – wie in der Frage dargestellt – mit der die Leistungen aufgespalten werden, um die Begrenzung des Eigenanteils zu umgehen, ist der Bundesregierung nicht bekannt. 9. Hält es die Bundesregierung für angemessen, dass sich behinderte Menschen , die ihre finanzielle Beteiligung an der Sicherung ihrer Teilhabe steuerlich geltend machen, mit der Steuererstattung wieder finanziell an den Eingliederungshilfeleistungen beteiligen müssen? Wenn ja, warum? Die Steuererstattung zählt zum Einkommen des behinderten Menschen. Es ist daher ebenso wie anderes Einkommen zu berücksichtigen, allerdings nur unter den in der Antwort zu den Fragen 4 bis 6 erwähnten einkommensrechtlichen Einschränkungen. Drucksache 18/1031 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 10. Aus welchen Gründen hält die Bundesregierung es für angemessen, dass alleinstehende Menschen mit Behinderungen, die Eingliederungshilfe beziehen, ihren Lebensunterhalt aber selbst bestreiten, in der Regel nicht mehr als 2 600 Euro ansparen dürfen, was deutlich unterhalb der Grenze des Schonvermögens für Bezieher von Arbeitslosengeld II liegt? 11. Hält es die Bundesregierung für angemessen, dass die Vermögensfreibeträge für Menschen mit Behinderungen, die Eingliederungshilfe beziehen, und deren Angehörige seit dem Jahr 2005 nicht angehoben wurden? Wie hoch müssten die Freibeträge aktuell sein, wenn sie jährlich an die Inflationsrate angepasst worden wären? Sieht die Bundesregierung hier Handlungsbedarf, und wenn ja, welchen? Die Fragen 10 und 11 werden zusammen beantwortet. Der Gesetzgeber hat ausdrücklich nur einen „kleineren“ Barbetrag geschützt. Das entspricht dem Grundsatz, dass die Sozialhilfe als bedürftigkeitsabhängiges Leistungssystem allgemein den Einsatz von Einkommen und Vermögen des Betroffenen verlangt. Trotzdem hat der Gesetzgeber vorgesehen, dass dieser Barbetrag bei Vorliegen einer besonderen Notlage auch erhöht werden kann. Dies ermöglicht, angemessen auf die individuelle Situation des betroffenen Menschen einzugehen. Soweit die Frage auf einen Vergleich mit den Grenzen des Schonvermögens für Bezieher von Arbeitslosengeld II zielt, ist festzustellen, dass das Schonvermögen im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts betrifft und durch den Gesetzgeber bewusst großzügiger ausgestaltet worden ist, da die beiden Leistungssysteme im Sozialhilferecht (SGB XII) und in der Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) unterschiedliche Zielvorstellungen enthalten. Beim SGB II steht das Fördern und Fordern stark im Vordergrund. Das in § 1 SGB II normierte wichtigste Ziel der Grundsicherung für Arbeitsuchende ist es durch geeignete Maßnahmen darauf hinzuwirken, dass der Hilfesuchende durch Aufnahme einer Erwerbstätigkeit seine Hilfebedürftigkeit zügig und vollständig überwindet. Demgegenüber sind die Regelungen im Recht der Sozialhilfe flexibel angelegt. Durch die Anwendung der Härtefallregelung ist es möglich, dass der Betrag für das Schonvermögen auch über dem nach dem SGB II gewährten Betrag liegen kann. Eine jährliche Anpassung an die Inflationsrate hat nicht stattgefunden. Der Freibetrag in Höhe von 2 600 Euro beliefe sich, eine Anpassung an die jährliche Inflationsrate unterstellt, im Jahr 2013 auf ca. 2 970 Euro. Die Art und Weise der Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen in der Eingliederungshilfe wird im Rahmen der Schaffung eines Bundesteilhabegesetzes für Menschen mit Behinderungen ein wichtiger Diskussionspunkt sein. 12. Hält die Bundesregierung die in den Fragen 10 und 11 genannten Freibeträge für ausreichend, um Geld für unvorhersehbare Reparaturen und Ersatzbeschaffungen anzusparen, wenn man berücksichtigt, dass mit den genannten Summen auch der Lebensunterhalt bestritten werden muss? Wenn ja, warum? Notwendige Leistungen, die sich auf unvorhersehbare Reparaturen und Ersatzbeschaffungen an Gegenständen behinderungsspezifischen Bedarfs beziehen, werden durch die Eingliederungshilfe gedeckt. Nach der Vorbemerkung der Fragesteller ist der Lebensunterhaltsbedarf des hier betroffenen Personenkreises gedeckt. Ergänzend wird auf die Antwort zu den Fragen 4 bis 6 verwiesen. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/1031 13. Ist aus Sicht der Bundesregierung gewährleistet, dass Menschen mit Behinderungen, die Eingliederungshilfe beziehen, mit dem ihnen zur Verfügung stehenden Einkommen oder Vermögen auch behinderungsbedingte Ausgaben finanzieren können, die nicht durch Leistungen zur Teilhabe gedeckt werden? Wenn ja, wie? Mit dem offenen Leistungskatalog in der Eingliederungshilfe (§ 54 SGB XII) steht ein Förderinstrumentarium zur Verfügung, das – Bedürftigkeit des Antragstellers und den Ausschluss vorrangiger Leistungsansprüche vorausgesetzt – in allen individuellen Bedarfssituationen eine umfassende Deckung behinderungsspezifischer Rehabilitations- und Teilhabebedarfe im erforderlichen Rahmen ermöglicht. Die sich in der Frage widerspiegelnde Problematik stellt sich insoweit aus Sicht der Bundesregierung nicht. 14. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die Heranziehung des Einkommens und Vermögens von Ehe-, Lebens- und nichtehelichen Partnern die Wahrscheinlichkeit, dass Bezieher von Eingliederungshilfe eine Familie gründen können, deutlich senkt, weil die Aussicht auf ein Leben in Armut viele potenzielle Partner abschreckt? Ist dies mit den Grund- und Menschenrechten vereinbar? Die Auffassung, dass die Eheschließung bzw. Partnerschaft von behinderten Menschen bei Sozialhilfegewährung unerträglich belastet würde, kann nicht überzeugen. Bei einer Partnerschaft spielen in unserer Gesellschaft primär persönliche Aspekte eine Rolle. Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass eine Heranziehung des Einkommens und Vermögens von Ehe-, Lebens- und nichtehelichen Partnern im Rahmen einer sozialhilferechtlichen Einsatzgemeinschaft nicht gegen Grundund Menschenrechte verstößt. 15. Ist es mit den Benachteiligungsverboten des Grundgesetzes und der UNBehindertenrechtskonvention vereinbar, von auf Leistungen zur sozialen Teilhabe angewiesenen Menschen und deren Familien zu verlangen, unabhängig von ihrem beruflichen Status ein Leben in der Nähe der Armutsschwelle zu führen? Wenn ja, warum? Der die bedürftigkeitsabhängigen Sozialleistungen der Sozialhilfe prägende Grundsatz der Nachrangigkeit bedingt, dass der Leistungssuchende regelmäßig vorrangig seine eigenen Kräfte und Mittel zwingend zur Behebung seiner Notlage einsetzen muss. Erst dann, wenn diese Möglichkeiten der Selbsthilfe nicht vorhanden sind oder nicht ausreichen, werden öffentliche Leistungen gewährt. Dabei hat der Gesetzgeber gewisse Einkommens- und Vermögensgrenzen für das Eingreifen der Sozialhilfe gesetzt. Die den Leistungsberechtigten zuerkannten Bedarfe in der Sozialhilfe stellen sicher, dass der für ein menschenwürdiges Existenzminimum erforderliche Bedarf abgedeckt wird. Wie daraus eine vermeintliche Benachteiligung abgeleitet werden kann, ist nicht ersichtlich. Drucksache 18/1031 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 16. Wie bewertet die Bundesregierung die Möglichkeiten für Menschen mit Behinderungen, die Eingliederungshilfe beziehen, privat für das Alter bzw. für die Nacherwerbsphase vorzusorgen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass viele Sozialhilfeträger von Empfängerinnen und Empfängern von Eingliederungshilfeleistungen die Auflösung nicht Riestergeförderter Rentenversicherungen fordern, auch wenn sie vor der Einführung der Riester-Rente abgeschlossen wurden oder der Rückkaufswert niedriger ist als die Summe der bisher gezahlten Prämien? Die Frage, ob angespartes Altersvorsorgekapital von der Sozialhilfe geschont wird, ist eine Einzelfallentscheidung des zuständigen Sozialhilfeträgers. Für nicht unter den generellen Schutz der staatlich geförderten privaten Altersvorsorge fallende andere private Altersvorsorge hat der Gesetzgeber vorgesehen, dass bei Vorliegen einer Härte auch in diesen Fällen keine Verwertung des Vermögens verlangt werden darf. Diese Härte ist bei der Eingliederungshilfe zu unterstellen, wenn die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung wesentlich erschwert würde. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/1031 20 10 20 11 20 12 20 10 20 11 20 12 20 10 20 11 20 12 2 23 7 17 2 50 1 95 2 66 8 92 4 49 0 27 4 53 2 39 4 72 9 46 6 29 8 39 6 50 9 78 6 79 7 11 3 4 41 3 3 46 3 0 17 9 34 7 38 6 15 4 3 75 4 0 84 3 6 32 1 0 01 9 88 1 1 84 5 0 30 5 3 08 6 26 6 0 31 6 2 96 1 8 10 2 40 4 72 2 46 9 88 2 56 8 20 2 40 4 72 2 46 9 88 2 56 8 20 1 91 0 29 2 12 6 11 2 23 0 50 2 44 1 12 2 43 7 50 2 59 9 71 4 26 7 67 4 46 0 35 4 72 5 79 3 38 3 51 3 65 3 38 3 51 3 65 5 5 74 1 5 7 43 7 5 8 07 6 4 2 66 0 4 2 08 6 4 6 05 9 9 5 70 4 9 5 91 9 1 00 0 48 1 5 49 1 7 49 1 9 80 2 4 40 3 2 6 91 9 3 4 68 8 2 5 95 2 2 8 66 8 3 6 66 8 4 76 5 12 4 23 1 93 1 94 1 95 6 69 7 06 6 18 1 72 1 29 1 43 1 06 2 5 1 5 2 78 1 54 1 58 1 17 6 35 1 34 7 15 1 44 4 36 1 82 3 98 1 81 5 64 1 90 6 21 3 00 0 33 3 16 2 79 3 35 0 57 1 04 4 71 1 20 6 84 1 28 8 29 1 04 4 71 1 20 6 84 1 28 8 29 1 3 16 4 1 4 03 1 1 5 60 7 1 3 16 4 1 4 03 1 1 5 60 7 1 82 3 98 1 81 5 64 1 90 6 21 1 82 3 98 1 81 5 64 1 90 6 21 1 6 07 9 1 8 38 7 1 8 10 8 3 9 63 1 2 5 45 0 2 4 88 2 5 5 71 0 4 3 83 7 4 2 99 0 2 7 10 3 8 01 4 2 36 2 3 87 2 8 82 3 5 94 5 0 97 6 6 83 7 8 30 1 3 90 4 1 9 76 0 2 6 29 9 3 5 23 6 3 3 85 6 3 4 84 1 4 8 23 2 4 9 94 1 5 4 22 1 5 2 36 4 9 46 1 7 88 2 53 2 24 2 04 5 4 89 5 1 70 1 9 92 6 7 4 6 4 6 4 2 2 8 3 8 1 09 7 4 8 4 3 4 07 2 7 90 2 8 18 3 4 07 2 7 90 2 8 18 1 9 25 1 8 13 1 9 68 7 48 7 15 6 87 2 6 73 2 5 28 2 6 55 9 5 07 9 7 77 1 2 63 5 1 9 10 1 1 6 04 9 1 4 46 8 2 8 60 8 2 5 82 6 2 7 10 3 än ge r/- in ne n m eh re re r v er sc hi ed en er H ilf en w er de n be i j ed er H ilf ea rt (b zw . j ed em O rt de r H ilf eg ew äh ru ng ) g ez äh lt. rfa ch zä hl un ge n si nd n ur in so w ei t a us ge sc hl os se n, a ls s ie a uf gr un d de r M el du ng en e rk en nb ar w ar en . 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