Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Gesundheit vom 9. November 2016 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 18/10318 18. Wahlperiode 11.11.2016 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Harald Weinberg, Sabine Zimmermann (Zwickau), Katja Kipping, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/10153 – Mögliche „Krankfärberei der Versicherten“ durch gesetzliche Krankenkassen V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Am 19. September 2016 stellte das Bundesversicherungsamt (BVA) seinen Tätigkeitsbericht 2015 vor (www.bundesversicherungsamt.de/fileadmin/redaktion/ Presse/epaper/index.html#88). Darin werden verschiedene Strategien von gesetzlichen Krankenkassen beschrieben, ihre Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds künstlich in die Höhe zu treiben. Demzufolge sollen Krankenkassen nachträglich zusätzliche Diagnosedaten erfasst haben, so dass vermehrt Diagnosen aufgenommen werden, „denen Einfluss auf die Höhe der Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds zukommt“ (S. 88). Das sah das BVA offenbar als rechtswidrig an und hat dem Bericht zufolge aufsichtsrechtliche Verfahren eingeleitet und die angeschriebenen Krankenkassen hätten „schriftlich versichert, keine auf eine Nacherfassung hin ausgerichteten Diagnoseprüfungen mehr vorzunehmen “ (ebenda). In einem Fall sei aber ein Verpflichtungsbescheid erlassen worden. Das BVA hat sich auch mit sogenannten Kodierberatungen befasst, bei denen Ärztinnen und Ärzte durch Krankenkassen oder deren Dienstleister mit dem Ziel beraten werden, vermehrt die für die Kassen profitablen Diagnosen bei ihren Versicherten festzustellen (S. 89). Laut der „Welt am Sonntag“ vom 18. September 2016 werden den Hausärzten im Auftrag der Krankenkassen Listen mit Patientinnen und Patienten vorgelegt und sie gebeten, „bei dem einen oder anderen eine Krankheit zu diagnostizieren, die für den großen Geldtopf [der Gesundheitsfonds, Anm.] relevant ist“. Eine weitere Strategie bieten Dienstleistungsunternehmen wie die Firma A. an. Sie machen laut der „Welt am Sonntag“ „den Kassenmanagern ein Angebot, das äußerst attraktiv klingt: Sie wollen gegen Provision dafür sorgen, dass die Kasse viel Geld aus dem Finanzausgleich bekommt – zum Beispiel mithilfe von Callcentern , die Versicherte anrufen“ (ebenda). So sollen zum Beispiel Versicherte nach einem „milden Herzinfarkt mit nur geringer Beeinträchtigung“ kontaktiert werden, um „ihnen Angst zu machen“ und sie trotz Beschwerdefreiheit zum Arztbesuch zu bewegen. „Das lohne sich, denn pro Patient gibt es für die Diagnose ,behandlungsbedürftige Folge nach Herzinfarkt‘ 998 Euro“ (ebenda). Die Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/10318 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Firma A. sichere für die Diagnose Arthrose neben einen „Return on Investment“ von 4,4 Prozent auch eine „Geld-zurück-Garantie“ zu (ebenda). Richtig profitabel wird es für die Krankenkassen, wenn die Ärztinnen und Ärzte direkt mit ins Boot geholt werden. In sogenannten Betreuungsstrukturverträgen „belohnen Krankenkassen Ärzte finanziell dafür, dass sie ganz bestimmte Krankheitsdiagnosen ihrer Patienten an die Krankenkassen melden“ (Berliner Morgenpost, 26. September 2016, www.morgenpost.de/politik/article208297 205/Dubiose-Aerztevertraege-Kassen-verschwenden-eine-Milliarde.html). Die Krankenkassen geben Ärztinnen und Ärzte damit einen finanziellen Anreiz, die Versicherten bei finanziell interessanten Krankheiten eher als krank zu diagnostizieren , als sie es sonst getan hätten. Diese „Krankfärberei der Versicherten“ (Welt am Sonntag vom 25. September 2016) sei unter Krankenkassen ein bekanntes Phänomen, wie sich aus Reaktionen auf den zitierten Artikel der „Welt am Sonntag“ vom 18. September 2016 ergab. Eine Versicherte hätte demnach berichtet, ohne ihr Wissen als Diabetespatientin diagnostiziert worden zu sein (ebenda). Durch diese Strategie, Zuweisungen künstlich in die Höhe zu treiben, zeichnen sich weitreichende negative Folgen für Versicherte ab. Wolfgang Schnaase vom Vorstand der Betriebskrankenkasse (BKK) Mobil Oil erläuterte: „Das schlägt sich in höheren Ausgaben für Ärztehonorare nieder und damit letztlich in höheren Beiträgen“ (ebenda), also in steigenden Zusatzbeiträgen für die Versicherten . Die Techniker Krankenkasse schätzt die Provisionszahlungen von Kassen an Ärztinnen und Ärzte auf 900 Mio. Euro pro Jahr. Insgesamt würden etwa 1 Mrd. Euro „sinnlos verschwendet“ (www.morgenpost.de/politik/article208 297205/Dubiose-Aerztevertraege-Kassen-verschwenden-eine-Milliarde.html). Als positiv sehen die Fragesteller, dass aufklärende Hinweise zu den Betreuungsstrukturverträgen aus den Reihen der Krankenkassen selbst, namentlich von der BKK Mobil Oil und der Techniker Krankenkasse kamen. Es ist allerdings wenig verwunderlich, dass beide Kassen unter der Aufsicht des Bundesversicherungsamts (BVA) stehen, dem oftmals eine rigidere Prüfungspraxis nachgesagt wird als der Aufsicht durch die Landesbehörden (vgl. etwa Dienst für Gesellschaftspolitik, 27. August 2015, S. 7f). Das BVA nimmt diese Entwicklungen offenbar zur Kenntnis: „Insgesamt ist eine Tendenz zu erkennen, der zufolge korrigierende ,Interventionen‘ im Hinblick auf bereits übermittelte Leistungsdaten eher zurückgehen, wohingegen ,Beratungskonzepte‘ oder auch selektivvertragliche Abrechnungsbestimmungen in Anknüpfung an die Diagnosedokumentation in den Vordergrund zu rücken scheinen“ (BVA Tätigkeitsbericht 2015, S. 89). Inwieweit das BVA als Aufsichtsbehörde für die bundesunmittelbaren Krankenkassen weiter aktiv wird und insbesondere das gesetzlich geforderte Wirtschaftlichkeitsgebot für derartige Verträge zwischen Krankenkassen und Kassenärzteschaft überprüft, geht aus seinem Tätigkeitsbericht nicht hervor. Dr. Jens Baas, Vorstandsvorsitzender der Techniker Krankenkasse, bekannte in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ vom 9. Oktober 2016: „Wir Krankenkassen schummeln ständig“. Dr. Jens Baas weiter: „Es ist ein Wettbewerb zwischen den Kassen darüber entstanden, wer es schafft, die Ärzte dazu zu bringen, für die Patienten möglichst viele Diagnosen aufzuschreiben.“ Martin Litsch, Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbands, warf Dr. Jens Baas daraufhin am 10. Oktober 2016 Schummelei vor und bezeichnete den Vorstoß als „vorgezogene Halloween-Aktion“. Dr. Jens Baas klar erkennbares Ziel sei es, zum Vorteil seiner Kasse auf einen Rückbau des Risikostrukturausgleich (RSA) hinzuwirken. Laut Martin Litsch hätten sich die Ersatzkassen die erhoffte „Beute“ aus diesem Rückbau von 500 Mio. Euro bereits aufgeteilt (http://aokbv .de/presse/pressemitteilungen/2016/index_17264.html). Der Wettbewerb zwischen den Krankenkassen wurde seit über 20 Jahren sukzessive verschärft, insbesondere durch das Gesundheitsstrukturgesetz (Union, SPD, FDP), das GKV-Modernisierungsgesetz (SPD, Grüne, Union) sowie für Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/10318 Selektivverträge, insbesondere das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (Union, SPD). Franz Knieps, zur Zeit des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV- WSG) Abteilungsleiter im Bundesministerium für Gesundheit und heute Vorstand des BKK Dachverbands e. V., beschrieb die Erwartungen damals so: „Das GKV-WSG öffnet Türen für eine neue Ausgestaltung des Wettbewerbs im Gesundheitswesen . Dahinter liegen neue Welten. Wie diese Welten aussehen werden , bestimmen in erster Linie die Akteure des Gesundheitswesens selbst durch ihr konkretes Handeln. Von diesem Handeln wird es abhängen, ob sich der Wettbewerb von einem auf Risikoselektion ausgerichteten Preiswettbewerb hin zu einem Wettbewerb um die bessere Versorgungsqualität und um ein optimales Preis-Leistungs-Verhältnis fortentwickelt. […]Wettbewerb unter den Bedingungen des GKV-WSG steht ungeachtet aller interessengeleiteter Kritik allein auf dem Prüfstand des Praxistests, inwieweit die gesundheitspolitischen Ziele wie Qualität, Effizienz und Solidarität erreicht werden. Andere Kriterien, insbesondere die institutionellen und monetären Interessen der Akteure, sind und bleiben demgegenüber zweitrangig. Wettbewerb ist demnach für den Verfasser kein Selbstzweck, keine Ideologie, kein eigenständiges ordnungspolitisches Merkmal, sondern stets ein Instrument zur funktionalen Steuerung eines wertegebundenen solidarischen Gesundheitssystems“ (www.barmer-gek.de/ barmer/web/Portale/Versicherte/Komponenten/gemeinsame__PDF__Dokumente/ Publikationen/Knieps__08,property=Data.pdf). V o r b e me r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Grundlage für den morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich (Morbi-RSA) sind umfängliche Datenmeldungen der Krankenkassen an das Bundesversicherungsamt (BVA). Die Datenmeldungen sind von den Krankenkassen ausschließlich aus den elektronisch übermittelten Abrechnungen der Leistungserbringer zu entnehmen (§ 30 Absatz 1 Risikostruktur-Ausgleichsverordnung (RSAV)). Im Rahmen seiner Tätigkeit als RSA-Durchführungsbehörde überprüft das BVA im Rahmen des § 273 SGB V (Sicherung der Datengrundlagen für den RSA) die Datenmeldungen, insbesondere im Hinblick auf die Zulässigkeit der Meldung von Diagnosedaten und Arzneimittelkennzeichen, um die Verwendung manipulierter Daten im RSA zu verhindern. Die Vorwürfe, Krankenkassen versuchten, auf die Diagnosekodierung von Ärzten Einfluss zu nehmen, um höhere Zuweisungen zu erhalten, begleiten den Morbi-RSA von Anbeginn. In seinem Evaluationsbericht von 2011 hat das BVA keine Hinweise auf systematische Aktivitäten eines Up-Coding feststellen können. Das BVA geht aber jedem bekannt gewordenen Einzelfall nach und prüft die Diagnosekodierung im Rahmen der Prüfungen nach § 273 SGB V. Darüber hinaus prüfen die Prüfdienste des BVA und der Länder die Meldungen im Morbi-RSA nach § 42 RSAV. Grundsätzlich sollte bei Erhebung entsprechender Vorwürfe eine Weiterleitung von konkreten Informationen an das BVA bzw. die entsprechenden Landesaufsichten erfolgen. Im Rahmen der Prüfungen unterzieht das BVA die Diagnosedaten der vertragsärztlichen Versorgung einer sog. Auffälligkeitsprüfung nach § 273 Absatz 2 SGB V als einer datenbasierten, kassenübergreifenden Vergleichsanalyse. Werden in diesem Rahmen Auffälligkeiten festgestellt, unterzieht das BVA die betroffenen Krankenkassen – insbesondere wegen der Zulässigkeit der Meldung von Diagnosedaten – einer Einzelfallprüfung nach § 273 Absatz 3 SGB V. Diese kann auch eingeleitet werden, wenn sich anlassbezogen, beispielsweise durch Hinweise der Presse, anderer Krankenkassen oder von Ärzten, der Verdacht ergibt, dass die Datenmeldung einer Krankenkasse nicht zulässig sein könnte. Das BVA kann dann eine Vor-Ort-Prüfung durchführen. Wurden die Vorgaben zur Datenmeldung nicht oder nur teilweise eingehalten, ermittelt das BVA einen Korrekturbetrag , um den die Zuweisungen für diese Krankenkasse zu kürzen sind. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/10318 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Ein weiterer Schwerpunkt der Prüftätigkeit des BVA im Jahr 2015 lag auf selektivvertraglichen Vergütungsregelungen, die gezielt „Kodieranreize“ bei Leistungserbringern setzten und so indirekt auf die Dokumentation von Diagnosen Einfluss nehmen. Um Manipulationen der Datenmeldungen durch die Ausgestaltung der Selektivverträge zu verhindern, prüft das BVA diese auch unter aufsichtsrechtlichen Gesichtspunkten und setzt sich für eine einheitliche Bewertung entsprechender Verträge durch die Aufsichtsbehörden ein. Die Krankenkassen unterliegen der staatlichen Aufsicht zur Kontrolle der Rechtmäßigkeit ihres Handelns auch beim Abschluss von Selektivverträgen (§§ 87 ff. SGB IV). Mit Inkrafttreten des GKV-Versorgungsstärkungsgesetzes (GKV-VSG) am 23. Juli 2015 ist die Vorlagepflicht für die Selektivverträge nach den §§ 73c und § 140a SGB V gegenüber der zuständigen Aufsichtsbehörde entfallen, so dass keine automatische Anzeige dieser Verträge mehr erfolgt. Gemäß Beschluss der 88. Aufsichtsbehördentagung der Aufsichtsbehörden des Bundes und der Länder hat die Arbeitsgruppe der Aufsichtsbehörden des Bundes und der Länder, die unter Beteiligung des Bundesministeriums für Gesundheit am 27. Oktober 2016 getagt hat, zunächst einen Überblick der bestehenden Betreuungsstrukturverträge erstellt und eine einheitliche Vorgehensweise der Aufsichtsbehörden im Umgang mit diesen Verträgen abgestimmt. Die Beratungsergebnisse der Arbeitsgruppe dienen zur Vorbereitung und endgültigen Beschlussfassung durch die 89. Aufsichtsbehördentagung am 23. bis 24. November 2016 in München . 1. Wie hat sich die Zahl der für den morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich (Morbi-RSA) relevanten diagnostizierten Erkrankungsfälle seit Bestehen den Morbi-RSA entwickelt (bitte insbesondere für die großen Volkskrankheiten Bluthochdruck, Diabetes mellitus, psychische Erkrankungen, insbesondere Depressionen auflisten und die verschiedenen Schweregrade bei hierarchisierten Morbiditätsgruppen – HMG berücksichtigen)? 2. Inwiefern kann die Bundesregierung erkennen, dass sich die Zahlen für Morbi-RSA relevante Diagnosen und für höhere Schweregrade innerhalb der hierarchisierten Morbiditätsgruppen (HMG) anders entwickelt haben als solche , die für die Mittelzuweisungen aus dem Gesundheitsfonds weniger relevant sind? Die Fragen 1 und 2 werden wegen ihres thematischen Zusammenhangs gemeinsam beantwortet. Der erste RSA-Jahresausgleich mit direkter Morbiditätsorientierung betrifft das Ausgleichsjahr 2009. Hierfür waren Diagnosedaten des Jahres 2008 verteilungsrelevant . Pauschale Aussagen zur Entwicklung von Fallzahlen von RSA-relevanten Diagnosen seit 2008 bis heute sind unter methodischen Gesichtspunkten mit Vorsicht zu interpretieren. Einerseits ändert sich das RSA-relevante Diagnosespektrum durch die jährliche Veränderung in der Abgrenzung bzw. der Auswahl der berücksichtigungsfähigen Krankheiten. Andererseits lassen sich aufgrund der kontinuierlichen Weiterentwicklung des Versichertenklassifikationsmodells im Zeitverlauf keine vergleichbaren Aussagen zur Entwicklung der Fallzahlen auf Ebene der Hierarchisierten Morbiditätsgruppen (HMGs) treffen. Generell ist erkennbar, dass das Volumen der an das BVA übermittelten Diagnosen kontinuierlich leicht zunimmt. Betroffen hiervon sind sowohl RSA-Diagnosen als auch solche, die für die Krankenkassen nicht verteilungsrelevant sind. Bei differenzierter Betrachtung lassen sich – abhängig von den jeweils gewählten Bezugsgrößen und -perioden – unterschiedliche Erkenntnisse ableiten. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/10318 Zwischen den Jahren 2013 und 2015 etwa nahm die Zahl der je Versicherten als „gesichert“ qualifizierten vertragsärztlichen Diagnosen jährlich um etwa 3,4 Prozent zu. Unter Bezugnahme auf die RSA-Krankheiten des Jahres 2015 stieg die Anzahl der zuweisungsrelevanten Diagnosen um jährlich 4,6 Prozent an, während die Zunahme der nicht-ausgleichsrelevanten Diagnosen bei 3,0 Prozent p.a. lag. Ähnliche Erkenntnisse lieferte bereits der „Evaluationsbericht zum Jahresausgleich 2009 im Risikostrukturausgleich“ (S. 177), demzufolge die jährliche Zuwachsrate der vertragsärztlichen Diagnosen im Zeitraum von 2006 bis 2008 mit etwa 5 Prozent noch deutlich höher lag als zuletzt beobachtet. Ein anderes Bild ergibt sich unter Betrachtung der in den Ausgleichsjahren 2008 bis 2015 für das Ausgleichsverfahren relevanten Krankheitsentitäten. So wurden im Jahr 2008 je Versichertem durchschnittlich 3,74 Krankheiten (in mindestens zwei Quartalen als gesicherte Diagnose) dokumentiert, wogegen der entsprechende Wert im Jahr 2015 bei 4,47 lag (jährliche Steigerungsrate: 2,5 Prozent). Die Anzahl der durchschnittlich je Versicherten diagnostizierten RSA-Krankheiten stieg dabei von 1,10 auf 1,21 an (+ 1,3 Prozent p.a.). Die Anzahl der diagnostizierten Erkrankungen, die für den RSA nicht relevant waren, stieg in diesem Zeitraum je Versicherten dagegen von 2,64 auf 3,27 an, womit diese mit 3,1 Prozent p.a. eine insgesamt höhere Steigerungsrate aufweisen. Die Fallzahlentwicklung ausgewählter großer Volkskrankheiten im Zeitraum von 2008 bis 2015 lässt sich nicht pauschal zusammenfassen. Bei einem Vergleich der Berechnungsergebnisse zur Krankheitsauswahl des Ausgleichsjahres 2011 (Diagnosedaten 2008) mit denen der Auswahl für das Ausgleichsjahr 2017 (Berechnungen aktualisiert anhand der Diagnosen des Jahres 2015) zeigen sich folgende Ergebnisse: Die Prävalenz (relative Krankheitshäufigkeit) des – in mindestens zwei Quartalen „gesichert“ durch einen Vertragsarzt diagnostizierten – Bluthochdrucks nahm innerhalb dieser sieben Jahre von 23,39 Prozent auf 26,35 Prozent zu (Steigerungsrate : + 1,7 Prozent p.a.). Die Prävalenz des Diabetes mellitus nahm von 8,66 Prozent auf 9,71 Prozent zu (+1,7 Prozent p.a.). Die Prävalenz der Depressionen nahm von 7,00 Prozent auf 10,05 Prozent zu (+ 5,3 Prozent p.a.). Die Prävalenz der koronaren Herzkrankheit nahm von 6,22 Prozent auf 6,26 Prozent zu (+ 0,1 Prozent p.a.). Die Prävalenz der Osteoporose nahm von 3,41 Prozent auf 3,18 Prozent ab (-1,0 Prozent p.a.). Diese Zahlen zeigen, dass die Entwicklung in diesem Bereich sehr differenziert zu betrachten ist. 3. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung zu Art und Umfang von nachträglichen Diagnoseänderungen zugunsten Morbi-RSA-relevanter Diagnosen ? Das BVA greift alle ihm zur Kenntnis gelangten Fälle auf und geht diesen im Rahmen seiner Zuständigkeit als Aufsichtsbehörde oder Durchführungsbehörde nach. Einflussnahme auf das ärztliche Kodierverhalten war Gegenstand von Korrekturbescheiden gegenüber fünf Krankenkassen. Schlussfolgerungen über den Gesamtumfang lassen sich aus diesen Fällen nicht ziehen. Im Übrigen wird auf die Antworten zu den Fragen 6 und 7 verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/10318 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 4. Inwiefern hält die Bundesregierung solche nachträglichen Diagnoseänderungen für rechtswidrig bzw. hält die Bundesregierung eine rechtliche Klarstellung für angezeigt, um solche nachträglichen Diagnoseänderungen zu unterbinden ? Eine nachträgliche Korrektur von Diagnosen unter Berufung auf Abrechnungsund Wirtschaftlichkeitsprüfungen ist unzulässig. Unzulässig ist auch, so korrigierte Diagnosedaten im RSA zu melden. Das BVA prüft solche Fälle auch als RSA-Durchführungsbehörde. Gegen entsprechende Zuweisungskorrekturen des BVA, die es in diesem Zusammenhang gegen Krankenkassen beschieden hat, sind verschiedene Klagen anhängig, u.a. vor dem LSG Essen, wo am 10. November 2016 ein Urteil zu erwarten ist. Das BVA berichtet in seinem Tätigkeitsbericht für 2015 über seine Prüftätigkeit und das Ergebnis, dass derart „korrigierende“ Interventionen zwischenzeitlich zurückgegangen seien. 5. Welche rechtlichen Schritte stehen anderen Kassen offen, die durch nachträgliche Diagnoseänderungen mittelbar geschädigt werden? Sind diese Möglichkeiten bislang bereits genutzt worden, und wenn ja, in welchen Fällen? Krankenkassen, die davon ausgehen, dass sie wegen nachträglicher Diagnoseänderungen durch andere Krankenkassen zu geringe Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds erhalten, könnten gegen ihre RSA-Bescheide klagen, die für die Höhe der Zuweisungen relevant sind. Bisher eingereichte Klagen wurden verschiedentlich auch mit einer vermeintlich schlechten Datenqualität begründet, als alleiniger Klagegrund wurde die nachträgliche Diagnoseänderung bisher nicht genannt. So hat eine Krankenkasse (vergeblich) versucht, den Morbi-RSA als solchen insbesondere im Hinblick auf seine Einführung und die in diesem Zusammenhang geschaffenen rechtlichen Rahmenbedingungen zu beklagen. Das Bestehen von Manipulationsmöglichkeiten bei der Meldung ambulanter Diagnosen war dabei eines der behaupteten strukturellen Defizite, die die klagende Krankenkasse als Beleg für die Rechtswidrigkeit des Morbi-RSA insgesamt angeführt hat. Die Gerichte sind dieser Argumentation unter Hinweis auf §§ 268 Absatz 3 i. V. m. § 273 SGB V nicht gefolgt. 6. Wie war der im Tätigkeitsbericht des BVA genannte Fall gelagert, in dem das BVA das Verfahren an die für die Kassenärztliche Vereinigung als zuständige Aufsichtsbehörde abgegeben hat? Das BVA hat eine Aktion einer Kassenärztlichen Vereinigung (KV) zur Überprüfung von Diagnosedaten für Versicherte einer Ersatzkasse aufgegriffen. Die Krankenkasse hatte vorgetragen, sie habe die KV nicht zur nachträglichen Diagnosekorrektur aufgefordert. Das BVA hat die zuständige Landesaufsicht gebeten, in eigener Zuständigkeit gegenüber der KV aufsichtsrechtlich tätig zu werden. Gleichzeitig steht das BVA mit der Krankenkasse auf Vorstandsebene im Dialog, um jede Einflussnahme der Kasse auf die Kodierung der Ärzte zu unterbinden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/10318 7. Welcher Art war der Verpflichtungsbescheid, den das BVA laut seines Tätigkeitsberichts 2015 an eine Krankenkasse wegen nachträglicher Diagnoseänderungen erlassen hat, und inwiefern wurde die Einhaltung dieses Verpflichtungsbescheids durch die Krankenkasse von der Aufsicht überprüft? Das BVA hat einer Ersatzkasse untersagt, das Angebot einer KV zur Überprüfung von ärztlichen Diagnosestellungen für ihre Versicherten mit dem Ziel einer nachträglichen Korrektur dieser Diagnosen anzunehmen. Der Verpflichtungsbescheid wurde beklagt. Eine gerichtliche Entscheidung liegt noch nicht vor. 8. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über Art und Ausmaß solcher Einflussnahme der Krankenkassen bzw. der von ihnen beauftragten Dienstleistungsunternehmen ? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. 9. Inwiefern sind mittelbar gesundheitliche Nachteile für die Versicherten durch solche Einflussnahmen denkbar, und welche Rückschlüsse zieht die Bundesregierung daraus? Die Bundesregierung geht grundsätzlich davon aus, dass die Behandlung der Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung durch Vertragsärztinnen und Vertragsärzte dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht sowie den medizinischen Fortschritt berücksichtigt und die erbrachten Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sind. 10. Welche Dienstleistungsunternehmen mit einem solchen Angebot außer der in den Medien genannten Firma A. sind der Bundesregierung bekannt? Das in den Eingangsbemerkungen beschriebene Angebot der Firma Anycare ist dem BVA nicht unmittelbar bekannt. Dem BVA ist das Angebot der Firma ViaMed GmbH bekannt. Es beinhaltet eine Vor-Ort-Beratung in den Arztpraxen durch den Dienstleister. Dieses Angebot ist modularer Bestandteil eines Rahmenvertrages , der von einem Landesverband der Krankenkassen seinen Mitgliedskassen angeboten wird. Darüber hinaus wird auf die Antwort zu Frage 12 verwiesen. 11. Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung der Umsatz solcher spezialisierter Dienstleister, und wie hoch schätzt sie die Mittel des Gesundheitsfonds , deren Verteilung an die Kassen durch diese Dienstleister beeinflusst wird? Die Bundesregierung hat keine Kenntnis über die Höhe der Umsätze solcher spezialisierter Dienstleister. Die Höhe der Mittel, deren Verteilung dadurch beeinflusst wird, ist der Bundesregierung nicht bekannt und kann aufgrund der vorliegenden Daten nicht geschätzt werden. 12. Welche Krankenkassen sind der Bundesregierung bekannt, die ein solches Angebot angenommen haben? Dem BVA ist, wie in Frage 10 ausgeführt, das Angebot der Firma Anycare nicht unmittelbar bekannt. Insofern kann auch keine Aussage getroffen werden, welche Krankenkassen dieses Angebot angenommen haben. Hinsichtlich der ViaMed GmbH war dem BVA eine Krankenkasse bekannt, die direkt einen Vertrag mit der Firma abgeschlossen hatte. Nach Anforderung des Vertrages durch das BVA wurde der Vertrag jedoch gekündigt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/10318 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Hinsichtlich des modularen Angebots des o.g. Rahmenvertrages mit dem Landesverband ist dem BVA nicht bekannt, welche Krankenkassen dieses Modul des Rahmenvertrages im Rahmen eines Beitrittes zu diesem Vertrag in Anspruch nehmen . Im Übrigen ist an der Stelle darauf hinzuweisen, dass der vertragschließende Landesverband nicht der Aufsicht des BVA unterliegt. 13. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über Art und Ausmaß von Kodierberatungen von Ärztinnen und Ärzten durch Krankenkassen oder von ihnen beauftragte Unternehmen, die mit dem Ziel, die Mittelzuweisungen aus dem Gesundheitsfonds zu erhöhen, durchgeführt werden? Dem BVA ist in Einzelfällen die Tätigkeit von sog. Kodierberatern bekannt. So ist ein Fall bekannt, in dem Arztpraxen von Mitarbeitern der Krankenkasse aufgesucht werden, um die sog. Kodierberatungen durchzuführen. In einem weiteren Fall ist die Kodierberatung der Firma ViaMed GmbH modularer Bestandteil eines Rahmenvertrages, den ein Landesverband abgeschlossen hat. Auf die Antworten zu den Fragen 10 und 12 wird verwiesen. 14. Wie hoch schätzt die Bundesregierung die Mittel des Gesundheitsfonds, deren Verteilung an die Kassen durch diese Kodierberatungen beeinflusst wird? Eine seriöse Schätzung ist auf Basis der der Bundesregierung vorliegenden Daten und Erkenntnisse nicht möglich. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 34c verwiesen. 15. Kennt die Bundesregierung Namen von Dienstleistungsunternehmen mit einem solchen Angebot oder von Kassen, die derartige Praktiken durchführen (lassen), und wenn ja, welche? Es wird auf die Antwort zu Frage 10 verwiesen. 16. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über Art und Ausmaß von Betreuungsstrukturverträgen zwischen Ärztinnen und Ärzten oder deren Verbänden und Krankenkassen oder von ihnen beauftragte Unternehmen, die bestimmte Diagnosestellungen honorieren und dabei das Ziel verfolgen, die Mittelzuweisungen aus dem Gesundheitsfonds zu erhöhen? Die „Arbeitsgruppe der Aufsichtsbehörden des Bundes und der Länder zur Abstimmung einer einheitlichen Vorgehensweise bei der Prüfung von Verträgen nach §§ 73b und § 140a SGB V gemäß § 71 Absatz 5 und 6 SGB V“ hat sich am 27. Oktober 2016 einen Überblick über die bestehenden sog. Betreuungsstrukturverträge verschafft, deren Hauptzweck nach Ansicht von Kritikern darin besteht, RSA-Diagnosen zu optimieren. Bestehende Betreuungsstrukturverträge haben überwiegend ihre Grundlage in § 73a SGB V i. d. F. bis zum 22. Juli 2015. Vertragspartner sind nicht einzelne Ärztinnen und Ärzte oder kassenseitig beauftragte Unternehmen, sondern jeweils bilateral fast alle KVen und die meisten AOKen, mittlerweile aber auch große Ersatzkassen, wie die TK, sowie BKK-Landesverbände . Nach einer aktuellen Recherche sind auf den Internetseiten der beteiligten KVen bundesweit insgesamt 55 Betreuungsstrukturverträge veröffentlicht. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/10318 17. Inwiefern widersprechen solche Betreuungsstrukturverträge nach Ansicht der Bundesregierung dem Wirtschaftlichkeitsgebot, das für Selektivverträge nach § 140a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) vorgeschrieben ist? 18. Inwiefern beinhaltet das für Selektivverträge nach § 140a SGB V geltende Wirtschaftlichkeitsgebot, dass diese nicht nur für die einzelne Krankenkasse, sondern für die gesetzliche Krankenversicherung insgesamt wirtschaftlich sein müssen? Besteht hier nach Ansicht der Bundesregierung gesetzgeberischer Änderungsbedarf ? 19. Inwiefern geht nach Ansicht der Bundesregierung mit solchen Betreuungsstrukturverträgen eine Verbesserung oder Verschlechterung der Versorgungsqualität einher? Die Fragen 17 bis 19 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Nach § 140a Absatz 1 SGB V können die Krankenkassen Verträge über eine besondere Versorgung der Versicherten abschließen. Diese Verträge ermöglichen eine verschiedene Leistungssektoren übergreifende oder eine interdisziplinär fachübergreifende Versorgung sowie besondere ambulante ärztliche Versorgungsaufträge . Die Honorierung eines Leistungserbringers allein für ein bestimmtes Abrechnungs- oder Kodierverhalten ohne die Vereinbarung konkreter Versorgungsleistungen zu Gunsten des Versicherten stellt keine besondere Versorgung in diesem Sinn dar. Derartige Verträge erfüllen bereits die gesetzlichen Voraussetzungen nicht, ohne dass es auf die Frage ihrer Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit weiter ankäme. Wenn Versorgungsverträge auf der Rechtsgrundlage des § 140a SGB V geschlossen werden, gelten dafür die dort normierten Anforderungen. Dazu zählt auch das allgemeine Wirtschaftlichkeitsgebot, bei dem es auf die Erforderlichkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der konkret vereinbarten Versorgungsleistung (nicht auf mittelbare Einnahmewirkungen bei den Vertragspartnern) ankommt (vgl. § 12 SGB V). Besonderen Wirtschaftlichkeitsprüfungen im Rahmen eines Prüfvorbehaltes der Aufsichtsbehörden vor Vertragsschluss unterliegen die Verträge nicht. Mit dem GKV-VSG wurden den Krankenkassen längerfristige Wirtschaftlichkeitsperspektiven eröffnet, damit für innovative Versorgungskonzepte erforderliche Investitionen getätigt werden können . Der konkrete Nachweis der Wirtschaftlichkeit muss daher erst nach vier Jahren und nur im Einzelfall nach Aufforderung der Aufsichtsbehörde erbracht werden (§ 140a Absatz 2 Satz 4 SGB V). Dabei ist der Charakter der besonderen Versorgung zu berücksichtigen, der zum einen Abweichungen von der Regelversorgung nach den in § 140a Absatz 2 SGB V genannten Vorschriften erlaubt und zum anderen einen Vertragswettbewerb unter den Krankenkassen zur Verbesserung der Qualität, Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit der Versorgung der Versicherten ermöglicht. Für den Vertragswettbewerb gelten neben dem SGB V ergänzend die Regelungen des allgemeinen Vertrags- und Wettbewerbsrechts entsprechend (§ 69 SGB V). Gesetzgeberischer Änderungsbedarf hinsichtlich der Anforderungen an den Nachweis der Wirtschaftlichkeit der besonderen Versorgung nach § 140a SGB V besteht nach Ansicht der Bundesregierung nicht. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/10318 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 20. Welchen Zusammenhang sieht die Bundesregierung zwischen dem Aufkommen solcher Betreuungsstrukturverträge und dem Anstieg bestimmter Morbi-RSA-relevanter Diagnosen? Auf Basis der dem BVA vorliegenden Daten ist kein Zusammenhang nachweisbar . 21. Wie viele dieser Betreuungsstrukturverträge wurden nach Kenntnis der Bundesregierung bislang abgeschlossen, wie viele Ärztinnen und Ärzte sind involviert , und wie viele Versicherte sind in Krankenkassen versichert, die diese Betreuungsstrukturverträge abgeschlossen haben? Eine valide Gesamtzahl der bislang abgeschlossenen Betreuungsstrukturverträge liegt der Bundesregierung nicht vor. Laut einer aktuellen Internetrecherche haben KVen bundesweit insgesamt 55 geschlossene Betreuungsstrukturverträge veröffentlicht . Zur Zahl der daran beteiligten Ärztinnen und Ärzte bzw. Versicherten kann die Bundesregierung keine Angaben machen, da gemäß § 73a SGB V i. d. F. bis 22. Juli 2015 die Teilnahme von Versicherten und Vertragsärzten freiwillig ist. 22. Inwiefern hält die Bundesregierung das geschätzte Volumen von 900 Mio. Euro für Betreuungsstrukturverträge und für ca. 1 Mrd. Euro p. a. für alle genannten Strategien von Krankenkassen, die Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds zu erhöhen, für realistisch? Da die den genannten Zahlen zugrunde liegenden Schätzgrundlagen der Bundesregierung nicht bekannt sind, können diese Schätzungen nicht im Hinblick auf ihren Realitätsgrad bewertet werden. 23. Können diese Praktiken Auswirkungen auf die Berechnung der hierarchisierten Morbiditätsgruppen (HMG) haben, da bei unrichtig oder zu schwer gestellten Diagnosen das Bundesversicherungsamt relativ zur gestellten Diagnose zu geringe Folgekosten feststellt? Kann dies also zur Folge haben, dass Kassen, die diese Tricks nicht anwenden , objektiv zu geringe Zuweisungen erhalten? Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung daraus? Ob die Kodierung zusätzlicher bzw. schwerwiegenderer Diagnosen überhaupt zu einer höheren Zuweisung an eine Krankenkasse führt, hängt maßgeblich von der Ausgestaltung des Versichertenklassifikationsmodells ab. In vielen Fällen reicht die bloße Kodierung einer Erkrankung bzw. ihres Schweregrades hierzu nicht aus: Für rund 30 Prozent aller für den RSA relevanten Diagnosekodes (bspw. alle Schweregrade des Typ-1-Diabetes, alle Komplikationen des Typ-2-Diabetes, Bluthochdruck oder Depression) ist nach der Klassifikationslogik das gleichzeitige Vorliegen spezifischer Arzneimittelverordnungen erforderlich. Bei weiteren 10 Prozent der Diagnosen (etwa Herzinfarkte oder Schlaganfälle) werden nur stationäre Fälle bei der Ermittlung der Risikostrukturen der Krankenkassen berücksichtigt . Auf der Grundlage der Daten, die dem BVA zum jetzigen Zeitpunkt vorliegen, lassen sich keine Anhaltspunkte für ein flächendeckendes Up-Coding erkennen. Nimmt man den Fall an, dass es flächendeckend zu einem ungerechtfertigten Anstieg der von den Vertragsärzten dokumentierten Morbidität (so genanntes Up- Coding) kommen könnte, dem kein Anstieg der erbrachten Leistungen gegen- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 11 – Drucksache 18/10318 überstünde, so würde dies zu einer Abwertung der morbiditätsorientierten Risikozuschläge führen. Krankenkassen, deren Versicherte einen – unter diesen Vorzeichen ungerechtfertigt – niedrigen Morbiditätsanstieg aufwiesen würden, erhielten in der Folge niedrigere Zuweisungen. 24. Wie hoch sind jeweils die Zusatzhonorare, die Ärztinnen und Ärzte im Rahmen von Betreuungsstrukturverträgen erhalten, und welche erwünschte oder unerwünschte Handlungsanreize werden dadurch nach Ansicht der Bundesregierung gesetzt? Teilnehmende Ärztinnen und Ärzte können für die Leistungen im Rahmen von Betreuungsstrukturverträgen in der Regel eine zusätzliche pauschale Vergütung erhalten. Diese wird in den im Internet veröffentlichten Betreuungsstrukturverträgen i. d. R. ähnlich definiert („Kontaktabhängige quartalsweise Betreuungsoder Vergütungspauschale für den zusätzlichen Betreuungsaufwand bzw. erhöhte Beratungsintensität“). Die Höhe der Pauschalen ist jeweils gestaffelt (3, 6, 9 bis zu 12 Euro) und ergibt sich in Abhängigkeit von der Anzahl bzw. der Art der durch die Ärztin bzw. den Arzt für die Patientin bzw. den Patienten dokumentierten Diagnosen. Für die Vergütung wird in der Regel keine konkret zu erbringende Leistung benannt. Teilweise sehen die Verträge zudem ausdrücklich vor, dass die Ärztin bzw. der Arzt das Zusatzkennzeichen „G“ für eine gesicherte Diagnose auch dann zu verwenden hat, „wenn eine Verdachtsdiagnose nicht endgültig und nicht sachgerecht gesichert werden kann...“. Falls besondere Versorgungsleistungen von der Ärztin bzw. dem Arzt aufgrund dieser Verträge den Versicherten konkret angeboten und im Einzelfall erbracht werden, kann dies grundsätzlich der gesetzlichen Zielsetzung der Verbesserung der Versorgung entsprechen. Für den Fall, dass die besondere Versorgungsleistung lediglich abstrakt formuliert ist und gleichwohl die Zusatzpauschale abgerechnet werden kann, können dadurch ökonomische Fehlanreize bestehen. 25. Um wie viele Prozentpunkte könnte der durchschnittliche Beitragssatz sinken , wenn die Krankenkassen 1 Mrd. Euro p. a. weniger Ausgaben hätten? Rein rechnerisch entsprechen Ausgaben von 1 Mrd. Euro ungefähr einer Größenordnung von 0,08 Beitragssatzpunkten. Ergänzend wird auf die Antwort zu Frage 22 verwiesen. 26. Inwiefern verstoßen Ärztinnen und Ärzte nach Ansicht der Bundesregierung gegen Berufs- oder Sozialrecht, wenn sie aufgrund solcher Betreuungsstrukturverträge Diagnosen anders stellen, als sie es sonst getan hätten? 27. Inwiefern verstoßen Ärztinnen und Ärzten nach Ansicht der Bundesregierung gegen Berufs- oder Sozialrecht, wenn sie wie in der „Welt am Sonntag“ vom 25. September 2016 beschrieben ohne das Wissen der Versicherten Diagnosen ausstellen? Welche Rückschlüsse zieht die Bundesregierung daraus, dass die genannten Betreuungsstrukturverträge aufgrund ihrer immanenten Anreize solche Reaktionen offenbar hervorrufen für einen möglichen Gesetzgebungsbedarf? Die Fragen 26 und 27 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Es gehört zu den allgemeinen ärztlichen Berufspflichten, dass Ärztinnen und Ärzte ihren Beruf gewissenhaft ausüben und dem ihnen bei ihrer Berufsausübung Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/10318 – 12 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode entgegengebrachten Vertrauen entsprechen. Sie haben dabei ihr ärztliches Handeln am Wohl der Patientinnen und Patienten auszurichten. Insbesondere dürfen sie nicht das Interesse Dritter über das Wohl der Patientinnen und Patienten stellen . Das dargestellte ärztliche Verhalten kann daher ein berufsrechtlich relevantes Fehlverhalten darstellen. Die Aufsicht über die Berufsausübung der Ärztinnen und Ärzte liegt bei den Landesärztekammern. Diese unterstehen der Rechtsaufsicht der obersten Landesgesundheitsbehörden. Vertragsärztinnen und -ärzte sind sozialrechtlich gemäß § 57 Absatz 1 Bundesmantelvertrag -Ärzte (BMV-Ä) und §§ 294, 295 Absatz 1 SGB V unter anderem verpflichtet, die Befunde, Behandlungsmaßnahmen und Diagnosen aufzuzeichnen bzw. in geeigneter Weise zu dokumentieren und gemäß den §§ 295 ff. SGB V zu übermitteln. Im Hinblick auf ihre in § 16 BMV-Ä verankerte Bindung an die Regeln der ärztlichen Kunst und den allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse müssen die Diagnosen in der Art und Weise aufgezeichnet und übermittelt werden, wie sie sich aus den Untersuchungsergebnissen und Befunden ergeben. Stellen Vertragsärztinnen oder Vertragsärzte andere Diagnosen auf und übermitteln diese an die KV oder Krankenkassen, verstoßen sie gegen ihre vertragsärztlichen Pflichten. Soweit Vertragsärztinnen und -ärzte ohne Wissen der Versicherten medizinisch begründete Diagnosedaten zum Zweck der Abrechnung an die KV oder an die Krankenkassen übermitteln, begründet dies für sich keinen Gesetzesverstoß. Die im SGB V vorgesehenen Datenübermittlungen erfolgen überwiegend auf gesetzlicher Grundlage ohne Einwilligung. Entscheidend ist, ob sich die Datenübermittlung auf eine gesetzliche Befugnisnorm (z. B. die §§ 295 ff. SGB V) stützen lässt, wenn keine Einwilligung vorliegt. Ist ein sogenannter Betreuungsstrukturvertrag als Vertrag über eine besondere Versorgung nach § 140a SGB V ausgestaltet, setzt dieser voraus, dass der Versicherte eine Teilnahmeerklärung und – nach vorheriger Information über die erforderlichen Datenverwendungen – auch eine datenschutzrechtliche Einwilligung erteilt. Nach geltendem Recht sind Verträge, die die Aufzeichnung und Übermittlung von medizinisch nicht begründeten Diagnosen zum Gegenstand haben, auch jetzt schon rechtswidrig und damit unzulässig. Die in dem in der Frage 27 zitierten Artikel aus der Welt am Sonntag vom 25. September 2016 geschilderten Probleme werden daher nicht durch unzureichende Rechtsvorschriften hervorgerufen, sondern durch ein ggf. rechtswidriges Handeln der Beteiligten. Hier ist es Aufgabe der Aufsichtsbehörden, für die Einhaltung des Rechts Sorge zu tragen. 28. Auf welcher Rechtsgrundlage werden nach Kenntnis der Bundesregierung solche Betreuungsstrukturverträge abgeschlossen, und welche Kriterien, insbesondere bezüglich (Behandlungs-)Qualität, Wirtschaftlichkeit und Transparenz , haben diese Verträge zu erfüllen? Zur Rechtsgrundlage von Betreuungsstrukturverträge wird auf die Antwort zu Frage 16 verwiesen. Daneben können für solche Verträge insbesondere auch §§ 73b und 73c (i. d. F. bis zum 22. Juli 2015) sowie § 140a SGB V (i. d. F. ab dem 23. Juli 2015) in Betracht kommen. Die Teilnahme an diesen Versorgungsverträgen ist für Versicherte und Vertragsärzte freiwillig. Gegenüber der vertragsschließenden Krankenkasse ist eine schriftliche Teilnahmeerklärung erforderlich. Die inhaltlichen Anforderungen an die besonderen Versorgungsverträge, für welche Zusatzleistungen eine Zusatzvergütung vereinbart werden kann, ergeben sich aus den jeweiligen Rechtsvorschriften. So sind auf Grundlage des § 140a SGB V etwa auch Managementleistungen zur Organisation der Versorgung zulässig Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 13 – Drucksache 18/10318 (§ 140a Absatz 2 letzter Satz SGB V). Für die Qualitätsanforderungen zur Durchführung der Verträge gelten die vom Gemeinsamen Bundesausschuss sowie die im BMV-Ä für die Leistungserbringung in der vertragsärztlichen Versorgung beschlossenen Anforderungen als Mindestanforderungen entsprechend. Ergänzend wird auf die Antwort zu den Fragen 17 bis 19 verwiesen. 29. Inwiefern hält die Bundesregierung die Geheimhaltung, die Selektivverträge nach § 140a SGB V in der Regel kennzeichnen, für einen Grund für unerwünschte Formen solcher Verträge, und inwiefern erwägt sie, eine Veröffentlichungspflicht von Selektivverträgen einzuführen, um den Versicherten angesichts der Auswirkungen auf die Patientenversorgung eine informierte Entscheidung bei der Kassenwahl zu ermöglichen? Die Teilnahme an der besonderen Versorgung nach § 140a SGB V ist für Versicherte stets freiwillig. Nach § 140a Absatz 4 SGB V müssen die Versicherten ihre Teilnahme schriftlich gegenüber ihrer Krankenkasse erklären. In der schriftlichen Teilnahmeerklärung ist das Nähere zur Durchführung der Teilnahme der Versicherten an der besonderen Versorgung geregelt. Die Satzung der Krankenkasse hat Regelungen zur Abgabe der Teilnahmeerklärungen zu enthalten. Insoweit kann der Versicherte stets eine informierte Entscheidung über seine Teilnahme treffen. Im Übrigen informieren die Krankenkassen ihre Versicherten in Erfüllung des gesetzlichen Versorgungsauftrags und der allgemeinen Auskunfts- und Beratungspflichten (vgl. § 305 Absatz 3 SGB V) sowie im Rahmen des Mitgliederwettbewerbs auch öffentlich über ihre besonderen Versorgungsangebote. Versorgungsaufträge nach § 140a SGB V werden zudem gegenüber den potentiellen Vertragspartnern in der Regel öffentlich ausgeschrieben, im Anwendungsbereich des § 69 SGB V in Verbindung mit dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) auch vergaberechtlich zwingend. Darüber hinaus unterliegen die Krankenkassen der staatlichen Aufsicht zur Kontrolle der Rechtmäßigkeit ihres Handelns auch beim Abschluss von Verträgen über eine besondere Versorgung nach § 140a SGB V mit entsprechenden Vorlagepflichten (vgl. §§ 87 ff. SGB IV, 71 Absatz 6 SGB V). 30. Inwiefern erfolgt die Sondervergütung innerhalb der Betreuungsstrukturverträge außerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung und damit außerhalb der ausgehandelten Ausgaben der vertragsärztlichen Vergütung? Nach Auffassung der Bundesregierung können sogenannte Betreuungsstrukturverträge nicht auf der Grundlage der Gesamtverträge nach §§ 83, 87a SGB V geschlossen werden. Zulässig sind nach Auffassung der Bundesregierung selektivvertragliche Vereinbarungen von Sondervergütungen außerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung für besondere, konkret formulierte und über die Regelversorgung hinausgehende Versorgungsleistungen, soweit die übrigen gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind, wie z. B. ein schriftliches Teilnahmeverfahren für Ärzte und Versicherte. 31. Welche Folgen kann nach Kenntnis der Bundesregierung eine fehlerhaft gestellte oder fehlerhaft zu schwer gestellte Diagnose für Patientinnen und Patienten haben, die nach der Diagnosestellung eine Versicherung abschließen wollen, für die der Gesundheitszustand relevant ist, z. B. eine Berufsunfähigkeits - oder Lebensversicherung? Versicherungen prüfen vor Abschluss eines Versicherungsvertrages das zu versichernde Risiko. Bei Versicherungen, für die der Gesundheitszustand relevant ist, wird der Gesundheitszustand im Rahmen der Risikoprüfung berücksichtigt. Ein Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/10318 – 14 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Gesundheitszustand, der das Risiko hoch oder zu hoch erscheinen lässt, kann zu entsprechenden Risikozuschlägen führen oder dazu, dass der Abschluss eines Vertrages abgelehnt wird; das gilt auch dann, wenn Grundlage der Einschätzung eine dem Versicherer vorgelegte fehlerhafte Diagnose ist (und dem Versicherer der Fehler nicht bekannt ist). Wird die Frage dahingehend verstanden, dass Angaben zum Gesundheitszustand von einer behandelnden Ärztin/Arzt auf Anfrage einem Versicherer übermittelt werden, so ist darauf hinzuweisen, dass diese Angaben nur mit der Einwilligung sowie einer Schweigepflichtsentbindungserklärung des/der Patienten/in übermittelt werden und von diesem erhoben, verarbeitet oder genutzt werden können. Auch in diesen Fällen, dass ein Patient/in seine/ihre Einwilligung zur Übermittlung von Diagnosen gibt, könnte ein Gesundheitszustand, der das Risiko hoch oder zu hoch erscheinen lässt, zu entsprechenden Risikozuschlägen führen oder dazu, dass der Abschluss eines Vertrages abgelehnt oder angepasst wird. Das würde auch dann gelten, wenn Grundlage der Einschätzung eine dem Versicherer vorgelegte fehlerhafte Diagnose ist (und dem Versicherer der Fehler nicht bekannt ist). 32. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die behauptete uneinheitliche Aufsichtspraxis in Bund und Ländern (vgl. unter anderem Dr. Jens Baas in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 9. Oktober 2016 oder Dienst für Gesellschaftspolitik vom 27. August 2015), welche Rückschlüsse zieht sie daraus, und beabsichtigt die Bundesregierung, auf eine bundeseinheitliche Überwachung hinzuarbeiten? Gemäß Beschluss der 88. Aufsichtsbehördentagung der Aufsichtsbehörden des Bundes und der Länder hat die Arbeitsgruppe der Aufsichtsbehörden des Bundes und der Länder, die unter Beteiligung des Bundesministeriums für Gesundheit am 27. Oktober 2016 getagt hat, zunächst einen Überblick der bestehenden Betreuungsstrukturverträge erstellt und eine einheitliche Vorgehensweise der Aufsichtsbehörden im Umgang mit diesen Verträgen abgestimmt. Die Beratungsergebnisse der Arbeitsgruppe dienen zur Vorbereitung und endgültigen Beschlussfassung durch die 89. Aufsichtsbehördentagung am 23. bis 24. November 2016 in München . Ergänzend wird auf die Antwort zu Frage 16 verwiesen. 33. Inwiefern handelt es sich bei a) nachträglichen Diagnoseänderungen, Hierzu wird auf die Antwort zu Frage 4 verwiesen. b) Beeinflussung von Versicherten mit dem Ziel, durch eine veränderte Inanspruchnahme mehr Geld aus dem Gesundheitsfonds zu erlangen, Hierzu ist grundsätzlich festzustellen, dass es im Rahmen der Regelversorgung nicht zu den Aufgaben der Krankenkasse gehört, ihre Versicherten aufzufordern, einen Arzt aufzusuchen. Dementsprechend unzulässig wäre auch die Erhebung und Auswertung entsprechender Versichertendaten sowie ihre Weitergabe an einen privaten Dienstleister, der die Patienten im Auftrag der Kasse zu dem geschilderten Zweck anruft. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 15 – Drucksache 18/10318 c) Kodierberatungen von Ärztinnen und Ärzten mit dem Ziel vermehrter RSA-relevanter Diagnosen und Bei der genannten Maßnahme handelt es sich nicht um eine gesetzlich zugewiesene oder zugelassene Aufgabe der Krankenkassen im Rahmen von § 30 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) und ist damit unzulässig. d) Betreuungsstrukturverträgen mit dem Ziel, vermehrter RSA-relevanter Diagnosen nach Einschätzung der Bundesregierung jeweils um rechtswidrige Praktiken, und inwiefern sieht die Bundesregierung jeweils gesetzgeberischen, verordnungsgeberischen oder aufsichtsrechtlichen Handlungsbedarf? Bei den genannten Betreuungsstrukturverträgen mit dem Ziel vermehrter RSArelevanter Diagnosen bedarf es im Einzelfall einer differenzierten Bewertung. Formal rechtmäßig sind Betreuungsstrukturverträge, wenn ihnen ein besonderes Versorgungskonzept zugrunde liegt. Diesbezüglich sehen die gesetzlichen Vorgaben jeweils schriftliche Teilnahmeerklärungen des Arztes und des Versicherten vor. Vertragliche Regelungen, die eine gesonderte Vergütung allein für eine vollständige und zutreffende Diagnose vorsehen, sind unzulässig. Der Aufwand des Vertragsarztes bzw. der -ärztin für die Kodierung der Diagnosen ist mit der Gesamtvergütung bereits abgegolten. 34. Welche Prüfungen, Beanstandungen oder Sanktionen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung durch das BVA oder andere Aufsichtsbehörden aufgrund a) nachträglicher Diagnoseänderungen, Es wird auf die Antworten zu den Fragen 3, 6 und 7 verwiesen. b) Beeinflussung von Versicherten mit dem Ziel, durch eine veränderte Inanspruchnahme mehr Geld aus dem Gesundheitsfonds zu erlangen oder Nach Auskunft des BVA sind keine Fälle bekannt, in denen in diesem Zusammenhang Krankenkassen oder Dienstleistungsunternehmen versucht haben, Einfluss auf Versicherte in der geschilderten Art und Weise zu nehmen. c) Kodierberatungen von Ärztinnen und Ärzten mit dem Ziel vermehrter RSA-relevanter Diagnosen durchgeführt bzw. verhängt (bitte jeweils Art und Höhe der Sanktion sowie die entsprechende Krankenkasse angeben)? In Einzelfällen ist dem BVA bekannt geworden, dass sog. Kodierberatungen durchgeführt worden sind. Dies ist seitens des BVA auch aufsichtsrechtlich aufgegriffen worden, um sicherzustellen, dass keine nachträgliche Bearbeitung der Datengrundlage erfolgt und keine versichertenbezogenen Daten übermittelt werden . 35. Welche rechtlichen Schritte stehen nach Kenntnis der Bundesregierung anderen Krankenkassen oder Versicherten offen, die durch eine der beschriebenen Praktiken geschädigt werden? Auf die Antwort zu Frage 5 wird verwiesen. Im Übrigen kann sich jede Person in Angelegenheiten, die auf Unregelmäßigkeiten oder auf rechtswidrige oder zweckwidrige Nutzung von Finanzmitteln im Zusammenhang mit den Aufgaben Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/10318 – 16 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode der jeweiligen Krankenkasse oder der KV hindeuten, an die Stellen zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen wenden (§§ 81a Absatz 2 und 197a Absatz 2 SGB V). Möglich ist zudem ein Einschalten der jeweils zuständigen Aufsichtsbehörde des Bundes oder des Landes. 36. Inwiefern kann nach Ansicht der Bundesregierung von Verschwendung von Beitragsgeldern gesprochen werden? Sozialversicherungsträger dürfen ihre Mittel nur für die gesetzlich vorgeschriebenen oder zugelassenen Aufgaben und ihre Verwaltungskosten verwenden. Die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit sind zu berücksichtigen. Eine Mittelverwendung im Wettbewerb um die vermeintlich beste Diagnosekodierung anstatt um die beste Versorgung würde diesen Grundsätzen nicht entsprechen. 37. Inwiefern hält die Bundesregierung eine rechtliche Klarstellung für angezeigt , um die genannten Praktiken jeweils zu unterbinden? Die genannten Praktiken werden nicht durch unzureichende Rechtsvorschriften hervorgerufen, sondern durch ein ggf. rechtswidriges Handeln der Beteiligten. Hier ist es Aufgabe der Aufsichtsbehörden, für die Einhaltung des Rechts Sorge zu tragen. 38. Inwiefern wäre eine stärkere Orientierung an den Ist-Kosten der Kassen statt an Pauschalen für Diagnosen hilfreich, den beschriebenen Wettbewerb um Diagnosen zu reduzieren und den Kassen somit die Möglichkeit zu geben, sich fokussierter um ihren eigentlichen Auftrag zu kümmern? Der RSA gleicht bewusst standardisierte, nicht tatsächliche Ausgaben der Krankenkassen aus, um die Wirtschaftlichkeitsanreize für die Krankenkassen zu stärken . Somit liegt es in der Natur des Verfahrens, dass einzelne Krankenkassen Über- oder Unterdeckungen aufweisen. Ein vollständiger Abbau aller bestehende Über- und Unterdeckungen auf Kassenebene könnte nur bei einem, dann allerdings wettbewerbsfeindlichen, 100-prozentigen Ist-Kosten-Ausgleich erreicht werden, bei dem die Krankenkassen keinerlei Anreiz mehr zu wirtschaftlichem Handeln hätten. Nur durch wirtschaftliches Handeln können die Krankenkassen angesichts begrenzter Ressourcen langfristig eine gute Versorgung sicherstellen. 39. Bei welchen der angesprochenen Praktiken handelt es sich nach Ansicht der Bundesregierung um Verträge zu Lasten Dritter? Falls der Hauptzweck der angesprochenen Praktiken eine Optimierung von RSA- Diagnosen ist und diese von allen Krankenkassen betrieben werden, käme es im RSA-System aufgrund des gedeckelten Ausgabenvolumens zu einem Absinken der Höhe der morbiditätsorientierten Zuschläge. Eine einzelne Krankenkasse kann sich nur solange einen Vorteil verschaffen, wie der eigene Diagnosezuwachs den der anderen Krankenkassen relativ übersteigt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 17 – Drucksache 18/10318 40. Haben Krankenkassen, die eine dieser Praktiken angewendet haben, juristisch oder politisch induzierte Rückzahlungsforderungen zu befürchten? Hat das BVA in einem solchen Fall bislang schon einmal Rückzahlungsforderungen wegen zu Unrecht zu viel gezahlter Zuweisungen des Gesundheitsfonds an einzelne Kassen durchgesetzt? Gemäß § 273 SGB V besteht für Krankenkassen das Risiko, einen Teil der erhaltenen Zuweisungen zurückzahlen zu müssen. Das BVA hat auf dieser Rechtsgrundlage seit 2010 gegen insgesamt elf Krankenkassen Korrekturbeträge in Höhe von etwa 30 Mio. Euro verhängt. Darin enthalten sind auch Fälle, in denen z. B. Softwarefehler die Ursache fehlerhafter RSA-Datenmeldungen waren. Wegen Einflussnahme auf das ärztliche Kodierverhalten wurden in fünf Fällen Korrekturbeträge erhoben. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333