Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 17. November 2016 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 18/10365 18. Wahlperiode 21.11.2016 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Luise Amtsberg, Dr. Franziska Brantner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/10196 – Pläne der Bundesregierung zur Verschlechterung der rechtlichen Situation von Geduldeten und zur Verschärfung des Abschiebungsrechts V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Anfang Oktober 2016 ist ein Referentenentwurf des Bundesministeriums des Innern (BMI) bekannt geworden, der die rechtliche Situation von Geduldeten deutlich verschlechtern und das Abschiebungsrecht erneut verschärfen würde. Nach dem Willen des BMI soll neben die Duldung eine sogenannte „Bescheinigung über die vollziehbare Ausreisepflicht“ treten, die statt der Duldung ausgestellt werden soll, wenn vollziehbar ausreisepflichtige Ausländerinnen und Ausländer Abschiebungshindernisse selbst zu vertreten haben oder wenn der Herkunftsstaat die Passausstellung verweigert (vgl. § 60a Absatz 4a AufenthG- RefE). Inhaberinnen und Inhaber einer solchen Bescheinigung sollen bei der Wahrnehmung sozialer und wirtschaftlicher Rechte deutlich schlechter behandelt werden als Geduldete. Damit würden die erreichten Fortschritte bei der sozioökonomischen Integration von Geduldeten, die teilweise seit vielen Jahren in Deutschland leben oder gar hier geboren sind, nach Auffassung der Fragesteller zurückgenommen werden. Deshalb hat unter anderem der Deutsche Anwaltverein e. V. dieses Vorhaben in einer Pressemitteilung vom 14. Oktober 2016 scharf kritisiert. Die Pläne des BMI laufen nach Auffassung der Fragesteller auch dem schutzwürdigen Interesse von Arbeitgebern, ausbildenden Betrieben , Hochschulen und anderen Stellen, Rechtssicherheit über die Aufenthaltsperspektive ihrer Angestellten, Auszubildenden und Studierenden zu haben, zuwider und stehen damit im Widerspruch zu den herausragenden Leistungen, die diese Akteure bei der Integration von Flüchtlingen und Geduldeten erbracht haben und weiterhin erbringen. Konkret sind ausweislich des Referentenentwurfs etwa die Aufnahme oder Fortführung von Bildungsmaßnahmen, die den Betroffenen fortan durch Auflage untersagt werden sollen (§ 60a Absatz 6 Satz 2 AufenthG-RefE), sowie der Bezug von Asylbewerberleistungen, der nur noch in eingeschränktem Umfang möglich sein soll (§ 1a Absatz 3 Satz 1 AsylblG-RefE), betroffen. Darüber hinaus drohen den Betroffenen weitere Benachteiligungen. Nach Einschätzung von PRO ASYL e. V. würden die vorgeschlagenen Regelungen etwa die stichtags- Drucksache 18/10365 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode unabhängige Bleiberechtsregelung für langjährig Geduldete aushebeln und damit eine mit vielen Mühen erreichte integrationspolitische Errungenschaft zunichtemachen (www.proasyl.de/news/neue-verschaerfungen-fuer-langjaehriggeduldete /, 27. Oktober 2016). Zudem galt bisher gemäß § 60 Absatz 5 Satz 4 AufenthG, dass Personen, deren Abschiebung seit mindestens einem Jahr ausgesetzt ist, die geplante Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen ist. Diese Regelung soll ersatzlos gestrichen werden. Ferner sieht der Referentenentwurf die Schaffung eines neuen Haftgrundes im Recht der Abschiebungshaft vor. So soll die Abschiebungshaft fortan anzuordnen sein, wenn der vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellt oder er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden ist (§ 62 Absatz 3 Satz 1 Nummer 1a AufenthG-RefE). Damit würden als Sonderrecht für Ausländerinnen und Ausländer Freiheitsentziehungen aus präventiven Gründen ermöglicht. Die Anordnung von Präventivhaft ohne Bezug zu einem Strafverfahren ist ein Merkmal autoritärer Staaten. Mit dem sollte sich die Bundesrepublik Deutschland nach Ansicht der Fragesteller nicht gemein machen. Schließlich wird die Höchstdauer des Ausreisegewahrsams von vier Tagen auf vierzehn Tage erweitert (§ 62b AufenthG-RefE). V o r b e me r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Innerhalb der Bundesregierung sind gesetzliche Änderungen in dem angesprochenen Regelungsbereich derzeit nicht abgestimmt. Zu einzelnen Inhalten solcher Änderungen kann daher nicht Stellung genommen werden. Zur „Bescheinigung über die vollziehbare Ausreisepflicht“ 1. Wie viele Menschen würden derzeit nach Einschätzung der Bundesregierung bei Zugrundelegung der Regelungen des Referentenentwurfs statt einer Duldung eine Bescheinigung über die vollziehbare Ausreisepflicht erhalten (bitte in absoluten Zahlen und im Verhältnis zur Gesamtzahl der bislang Geduldeten angeben), und auf welchen Tatsachen gründet diese Einschätzung? 2. Wie beabsichtigt die Bundesregierung ggf. die bundeseinheitliche Anwendung der vorgeschlagenen Unterscheidung zwischen der Duldung und der Bescheinigung über die vollziehbare Ausreisepflicht zu gewährleisten? 3. Aufgrund welcher Erwägungen hält es die Bundesregierung für integrationspolitisch sinnvoll und gerecht, Ausländerinnen und Ausländern, deren Herkunftsstaat generell oder im konkreten Fall nachweislich keine Pässe bzw. keinen Passersatz ausstellt, in § 60a Absatz 4a Satz 1 Nummer 2 AufenthG- RefE Ausländerinnen und Ausländern gleichzustellen, denen die Unmöglichkeit der Abschiebung zuzurechnen ist? 4. Aufgrund welcher Erwägungen hält es die Bundesregierung für sachgerecht, den in Frage 3 bezeichneten Personen das Verhalten des Herkunftsstaats ausnahmslos zuzurechnen, obwohl sie sich – anders als Personen, die im Ausland ein Visum beantragen – bereits im Inland befinden und in deutlich höherem Maß der deutschen Staatsgewalt ausgesetzt sind, die für die Gewährleistung ihrer Menschenrechte wiederum in deutlich höherem Maß verantwortlich ist? Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/10365 5. Würde die Schaffung einer Bescheinigung über die vollziehbare Ausreisepflicht nach Auffassung der Bundesregierung dazu führen, dass den Betroffenen anders als bisher (§ 39 Nummer 5 der Aufenthaltsverordnung – AufenthV) auch dann keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird, wenn sie aufgrund einer Eheschließung oder der Begründung einer Lebenspartnerschaft im Bundesgebiet oder der Geburt eines Kindes während des Aufenthalts im Bundesgebiet einen entsprechenden Anspruch erworben haben, und wie rechtfertigt die Bundesregierung dies ggf. unter Berücksichtigung integrationspolitischer und menschenrechtlicher Erwägungen (insbesondere Artikel 6 des Grundgesetzes – GG –, Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention – EMRK –, Artikel 23 des UN-Zivilpakts), einschließlich der Belange der (deutschen) Familiengehörigen der Betroffenen? 6. Wie rechtfertigt es die Bundesregierung, dass der Wegfall der Beschäftigungserlaubnis für Inhaberinnen und Inhaber einer Bescheinigung über die vollziehbare Ausreisepflicht ggf. dazu führen würde, dass bestehende Beschäftigungsverhältnisse , einschließlich Ausbildungsverhältnissen, gegen den Willen der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber aufgelöst werden? 7. Wie will die Bundesregierung der vor dem Hintergrund der Frage 6 entstehenden Verunsicherung der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, die sich aktiv für die Integration von Flüchtlingen, Geduldeten und anderen auf unabsehbare Zeit im Inland lebenden Ausländerinnen und Ausländern einsetzen, begegnen? 8. Würde die Schaffung einer Bescheinigung über die vollziehbare Ausreisepflicht nach Auffassung der Bundesregierung dazu führen, dass die gemäß § 8 Absatz 2a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG) erfolgte Bewilligung von Leistungen an die Betroffenen widerrufen wird, und wie rechtfertigt die Bundesregierung dies ggf. unter Berücksichtigung integrations -, bildungs- und menschenrechtlicher Erwägungen sowie des Interesses von Hochschulen, Studierenden insbesondere in zulassungsbeschränkten Studiengängen, den Abschluss des Studiums bei entsprechenden Leistungen zu ermöglichen? 9. Wie rechtfertigt es die Bundesregierung, dass die zwingende Untersagung der Teilnahme an einer schulischen Berufsausbildung gemäß § 60a Absatz 6 Satz 2 AufenthG-RefE ggf. dazu führen würde, dass bereits begonnene schulische Berufsausbildungen gegen den Willen und ggf. das finanzielle Interesse der Bildungsträger abgebrochen werden müssen? 10. Wie genau und in welchem Umfang wird nach Auffassung der Bundesregierung die Ausweitung des Arbeitsverbotes auf schulische Berufsausbildungen den Verwaltungsaufwand reduzieren (Referentenentwurf, S. 15)? Die Fragen 1 bis 10 werden gemeinsam beantwortet. Auf die Vorbemerkung der Bundesregierung wird verwiesen. Drucksache 18/10365 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Zum Ausreiseverbot für Mehrstaaterinnen und Mehrstaater 11. Sind der Bundesregierung Fälle bekannt, in denen die zuständigen Behörden § 10 Absatz 1 und 2 des Paßgesetzes (PaßG) und § 46 Absatz 2, § 48 Absatz 1 AufenthG analog angewandt haben, um Ausreiseverbote gegenüber Mehrstaaterinnen und Mehrstaatern i. S. d. § 2 Absatz 2 Satz 1 AufenthG- RefE in deren ausländische Reisedokumente einzutragen? a) Wenn ja, welche Behörden haben in diesen Fällen das Ausreiseverbot angeordnet und in die Reisepapiere eingetragen (bitte ggf. nach Bundesländern aufschlüsseln)? b) Wenn nein, welche Behörden wären nach Auffassung der Bundesregierung derzeit für die Anordnung und Eintragung des Ausreiseverbots in dieser Fallkonstellation zuständig (bitte ggf. nach Bundesländern aufschlüsseln )? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. Der Bund erhebt hierzu keine Daten. Die Ausführung liegt in der Verantwortung der Länder. Die Vornahme von Eintragungen in Form von Ausreiseverboten in ausländische Dokumente ist darüber hinaus völkerrechtlich nicht statthaft. 12. Teilt die Bundesregierung die Auffassung der fragestellenden Fraktion, dass bei Zugrundelegung des Referentenentwurfs für die Anordnung eines Ausreiseverbots gegenüber Mehrstaaterinnen und Mehrstaatern sowohl die Ausländerbehörden aufgrund des § 46 Absatz 2 i. V. m. § 71 Absatz 1 Satz 1 AufenthG als auch die Passbehörden aufgrund des § 10 Absatz 1 und 2 i. V. m. § 19 Absatz 1 Satz 1 PaßG zuständig wären? a) Wenn nein, welche Behörde wäre dann nach Auffassung der Bundesregierung zuständig, und woraus ergibt sich diese Zuständigkeit? b) Wenn ja, wäre es nach Auffassung der Bundesregierung nicht sachgerechter , die Zuständigkeit für die Anordnung eines Ausreiseverbots gegenüber Mehrstaaterinnen und Mehrstaatern bei einer einzigen Behörde anzusiedeln ? Wäre es dann nicht naheliegend, die Zuständigkeit bei der Passbehörde anzusiedeln, die mit den passrechtlichen Angelegenheiten von Mehrstaaterinnen und Mehrstaatern ohnehin befasst ist, da diese im Inland aufgrund ihrer deutschen Staatsangehörigkeit in aller Regel deutsche Ausweispapiere , aber keine aufenthaltsrechtlichen Dokumente besitzen und verwenden? Wäre es dann nicht – entgegen den Ausführungen des BMI (Referentenentwurf , S. 17) – sinnvoller, die Regelungen zum Ausreiseverbot gegenüber Mehrstaaterinnen und Mehrstaatern im Paßgesetz anzusiedeln? Wenn nein, wie beabsichtigt die Bundesregierung zu verhindern, dass unterschiedliche Behörden in Bezug auf dieselben Ausländerinnen und Ausländer unterschiedliche und ggf. widersprüchliche Maßnahmen treffen, insbesondere dort, wo die Pass- und Ausländerbehörden nicht auf derselben Verwaltungsebene angesiedelt sind? Wie beabsichtigt die Bundesregierung zu verhindern, dass die verwaltungsrichterliche Zuständigkeit für die Überprüfung von Ausreiseverboten , die nach Maßgabe des Paßgesetzes einerseits, nach Maßgabe des Aufenthaltsgesetzes andererseits gegen dieselbe Person angeordnet worden sind, auseinanderfällt und die zuständigen Richterinnen und Richter ggf. zu einer unterschiedlichen und ggf. widersprüchlichen Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Verbote kommen? Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/10365 13. Bezweckt die Ausweitung der Pflichten gemäß § 48 Absatz 1 AufenthG auf Mehrstaaterinnen und Mehrstaater lediglich, Maßnahmen im Zusammenhang mit einem Ausreiseverbot zu ermöglichen? a) Wenn nein, welche weiteren Maßnahmen sollen durch die Ausweitung der Pflichten ermöglicht bzw. erleichtert werden? b) Wenn ja, wäre es dann nach Auffassung der Bundesregierung nicht sinnvoller , die entsprechenden Regelungen in einem anderen Gesetz, z. B. dem Paßgesetz, zu regeln oder zumindest die ausschließliche Zuständigkeit der Passbehörden für die Anordnung von Ausreiseverboten ausdrücklich zu regeln? 14. Inwiefern gewährleisten die vorgeschlagenen Neuregelungen, dass Mehrstaaterinnen und Mehrstaater, deren Ausreise in Anwendung der Resolution des VN-Sicherheitsrats 2178/2014 zu verhindern ist, nicht mit einem ausländischen Ausweisdokument ausreisen, das kein Pass, Passersatz oder Ausweisersatz i. S. d. § 48 AufenthG ist, sondern ein ausländisches Äquivalent zum deutschen Personalausweis o. Ä.? 15. Inwiefern entspricht es nach Auffassung der Bundesregierung dem Gebot der Rechtsklarheit und der gesetzessystematischen Kohärenz, Mehrstaaterinnen und Mehrstaater, die als deutsche Staatsangehörige den Vorschriften des § 10 Absatz 1 und 2 PaßG unterliegen, durch § 1 Absatz 2 AufenthG-RefE der Regelung in § 46 Absatz 2 zu unterwerfen, die ihrerseits auf § 10 PaßG zurückverweist? Die Fragen 12 bis 15 werden gemeinsam beantwortet. Auf die Vorbemerkung der Bundesregierung wird verwiesen. 16. Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung Mehrstaaterinnen und Mehrstaater , die im Besitz eines Aufenthaltstitels sind oder deren Abschiebung ausgesetzt ist (bitte ggf. unter Angabe der Zahl der Betroffenen nach Art des Aufenthaltstitels und des Bundeslandes aufschlüsseln)? a) Wenn ja, wie verträgt sich das mit dem Grundsatz, dass Deutsche ungeachtet einer etwaigen weiteren Staatsangehörigkeit von deutschen Behörden ausschließlich als Deutsche behandelt werden? b) Wenn nein, welchen Zweck erfüllt dann der Verweis in § 1 Absatz 2 AufenthG auf § 48 Absatz 1, einschließlich dessen Nummer 2? Es sind Einzelfälle bekannt, in denen Personen, die neben der deutschen eine weitere Staatsangehörigkeit besitzen, ihren Aufenthalt in Deutschland genommen hatten, ohne den zuständigen deutschen Behörden offenzulegen, dass sie Deutsche sind. Ebenso war in einigen Fällen die später erwiesene deutsche Staatsangehörigkeit von sich in Deutschland aufhaltenden Personen zunächst unklar gewesen , so dass die betreffende Person bis zur Klärung als Ausländer behandelt wurde (vgl. Nummer 2.1.1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz (AufenthG-AVwV) vom 26. Oktober 2009, GMBl 2009, S. 878). In solchen Einzelfällen werden auf Antrag Aufenthaltstitel erteilt, die jedoch statistisch nicht erfasst werden. Ein Aufenthaltstitel, der einem Deutschen erteilt worden ist, ist materiell-rechtlich gegenstandslos. Wenn Behörden allerdings die deutsche Staatsangehörigkeit des Inhabers einer sich in Deutschland aufhaltenden Person nicht bekannt ist, kann es zu einer solchen Ausstellung kommen. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. Drucksache 18/10365 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Zur Nichtankündigung der Abschiebung 17. Kommt die Bundesregierung bei der Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an einer effektiven Rückführung vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländerinnen und Ausländer und dem Interesse von vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländerinnen und Ausländern, insbesondere von Minderjährigen , traumatisierten Menschen und anderen besonders schutzbedürftigen Personen, am Schutze ihres Privatlebens, ihrer Gesundheit und anderer grundrechtlicher Schutzpositionen, zu dem Ergebnis, dass Abschiebungen auch bei langen Voraufenthalten gar nicht mehr angekündigt werden müssen und dass dies – unter ausdrücklichem Verzicht auf die Regelung einer ggf. kürzeren bzw. nach Dauer des Voraufenthalts gestaffelten Ankündigungsfrist – im Einklang mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz steht, und wenn ja, aufgrund welcher rechtlichen Erwägungen? Auf die Vorbemerkung der Bundesregierung wird verwiesen. 18. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die aus einem Verzicht auf die Ankündigung einer Abschiebung entstehenden psychischen Auswirkungen für die Betroffenen, insbesondere für Minderjährige, traumatisierte Menschen und andere besonders schutzbedürftige Personen, und welche Maßnahmen ergreift die Bundesregierung zur Gewährleistung des Schutzes der Gesundheit dieser Menschen bzw. ihrer Behandlung? Der Schutz der psychischen und physischen Gesundheit Ausreisepflichtiger ist dadurch gewährleistet, dass gesundheitliche Probleme zur vorübergehenden Aussetzung der Abschiebung führen können. Ergebnisse von Untersuchungen speziell zu der Frage der Auswirkung einer fehlenden Ankündigung einer Abschiebung auf die psychische Gesundheit Betroffener sind der Bundesregierung nicht bekannt. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen . 19. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über Fallzahlen zur Nachtzeit oder im Morgengrauen zur Abschiebung abgeholter Kinder und Minderjähriger über deren daraus resultierende Traumatisierungen, und welche Maßnahmen ergreift die Bundesregierung, um solche Fälle zu vermeiden bzw. auszuschließen? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. Der entsprechende Verwaltungsvollzug liegt in der Verantwortung der Länder. Zur Präventivhaft für Gefährderinnen und Gefährder 20. Inwiefern hält die Bundesregierung die Schaffung eines neuen Haftgrundes im Aufenthaltsrecht, der lediglich auf die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit abstellt, die von den Betroffenen ausgeht, für die Vorbereitung der Abschiebung aber nicht erforderlich ist, für vereinbar mit dem Rechtsstaatsprinzip – insbesondere vor dem Hintergrund der Äußerungen des Leiters der Staatsanwaltschaft von Paris, das Verbot der Präventivhaft außerhalb des Strafverfahrens sei Grundlage der Rechtsstaatlichkeit (vgl. Interview in Le Monde vom 2. September 2016: www.lemonde.fr/police-justice/article/ 2016/09/02/francois-molins-l-affaiblissement-de-l-ei-renforce-le-risque-dattentat _4991439_1653578.html, 27. Oktober 2016)? Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/10365 21. Inwiefern hält die Bundesregierung die Schaffung eines neuen Haftgrundes im Aufenthaltsrecht, der lediglich auf die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit abstellt, die von den Betroffenen ausgeht, für vereinbar mit den Vorgaben von Artikel 5 EMRK, den der Staatsrat der Französischen Republik (Conseil d’État) in einer Stellungnahme vom 17. Dezember 2015 dahingehend ausgelegt hat, dass er jeder Anordnung von Präventivhaft außerhalb des Strafverfahrens entgegenstehe (www.conseil-etat.fr/Decisions-Avis- Publications/Avis/Selection-des-avis-faisant-l-objet-d-une-communicationparticuliere /Mesures-de-prevention-du-risque-de-terrorisme, 27. Oktober 2016)? 22. Inwiefern hält die Bundesregierung die Schaffung des neuen Haftgrundes für vereinbar mit weiteren verfassungs-, unions- und völkerrechtlichen Vorgaben zum Schutze der persönlichen Freiheit (bitte jeweils unter Bezugnahme auf die entsprechenden Normen und Vorgaben konkret ausführen), und wie begründet die Bundesregierung über die formale Erfüllung des Zitiergebotes hinaus die Verhältnismäßigkeit zusätzlicher Freiheitsentziehungstatbestände im Hinblick auf die grundsätzliche Unverletzlichkeit der Freiheit der Person (Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 GG, Artikel 5 EMRK, Artikel 6 der EU-Grundrechtecharta ), und wo ist diese Abwägung dokumentiert? 23. Inwiefern hält die Bundesregierung die Bundesrepublik Deutschland für befugt , von der Möglichkeit, die Rückführungsrichtlinie nicht auf Drittstaatsangehörige anzuwenden (Artikel 2 Absatz 2b), die aufgrund oder infolge einer strafrechtlichen Sanktion rückkehrpflichtig sind oder gegen die ein Auslieferungsverfahren anhängig ist, auch betreffend Ausländerinnen und Ausländer Gebrauch zu machen, die zwar eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellen, aber gegen die eben kein Strafverfahren anhängig war oder ist? Die Fragen 20 bis 23 werden gemeinsam beantwortet. Auf die Vorbemerkung der Bundesregierung wird verwiesen. Zum Ausreisegewahrsam 24. Wie lang ist die durchschnittliche Verweildauer in der Abschiebungshaft derzeit nach Kenntnis der Bundesregierung (bitte nach Bundesländern aufschlüsseln )? Der Bund führt hierüber keine Statistik. 25. Inwiefern hält die Bundesregierung die Verlängerung der Höchstdauer des Ausreisegewahrsams auch dann für einen verhältnismäßigen Eingriff in das verfassungs-, unions- und völkerrechtlich verankerte Recht auf persönliche Freiheit, wenn weder Fluchtgefahr gegeben ist, noch Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Betroffenen die Vorbereitung bzw. Durchführung der Rückführung umgehen oder behindern wollen? Zur Änderung des Sonderstrafrechts für Ausländerinnen und Ausländer 26. Inwiefern und ggf. aus welchen konkreten Gründen hält es die Bundesregierung für sinnvoll, die Strafbarkeit des „illegalen“ Aufenthalts davon abhängig zu machen, ob eine Behörde eine Bescheinigung über die vollziehbare Ausreisepflicht ausstellt oder nicht, und wie wird die Bundesregierung ggf. gewährleisten, dass sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der zuständigen Behörden bei verzögerter Ausstellung der Bescheinigung nicht der Beihilfe zum „illegalen“ Aufenthalt verdächtig machen? Drucksache 18/10365 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes 27. Inwiefern hält es die Bundesregierung für vereinbar mit dem Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum, das das Bundesverfassungsgericht aus der Menschenwürde und dem Sozialstaatsprinzip herleitet und das unabhängig von migrationspolitischen Erwägungen zu gewährleisten ist, dass Inhaberinnen und Inhaber einer Bescheinigung über die vollziehbare Ausreisepflicht nach Willen des BMI lediglich einen eingeschränkten Anspruch auf Asylbewerberleistungen haben sollen (bitte differenziert nach den Fallgruppen des § 60a Absatz 4a Satz 1 Nummer 1 einerseits und Nummer 2 andererseits ausführen)? Die Fragen 25 bis 27 werden gemeinsam beantwortet. Auf die Vorbemerkung der Bundesregierung wird verwiesen. 28. In wie vielen Fällen wurde nach Kenntnis der Bundesregierung seit Inkrafttreten des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes gegen die Gewährung lediglich eingeschränkter Asylbewerberleistungen gemäß § 1a des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylblG) mit welchem Ergebnis geklagt (bitte nach Fallgruppen des § 1a AsylblG, Bundesländern und Monaten aufschlüsseln)? Welche tragenden Erwägungen lagen diesen Entscheidungen zugrunde? Wie viele Klagen sind nach Kenntnis der Bundesregierung noch anhängig? Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung daraus? Der Bund führt hierüber keine Statistik. Die Entscheidungen über die Gewährung und eingeschränkte Gewährung von Asylbewerberleistungen wird nach der Zuständigkeitsverteilung zwischen dem Bund und den Ländern in den Ländern getroffen . Zur Gewährung lediglich eingeschränkter Asylbewerberleistungen nach § 1a des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylblG) hat die Bundesregierung keine Erkenntnisse, insbesondere lassen sich diese Angaben auch nicht der Asylbewerberleistungsstatistik des Statistischen Bundesamtes entnehmen. Sonstiges 29. Inwiefern und in welchem Umfang entstünden infolge der Regelungen des Referentenentwurfs Mehrbelastungen deutscher Stellen im Ausland? 30. Inwiefern und in welchem Umfang entstünden infolge der Regelungen des Referentenentwurfs durch die internationale Zusammenarbeit deutscher und ausländischer Stellen in sicherheitsrelevanten Fragen Mehrbelastungen deutscher Stellen im Inland? 31. Warum ist keine Evaluierung des Gesetzes vorgesehen? Die Fragen 29 bis 31 werden gemeinsam beantwortet. Auf die Vorbemerkung der Bundesregierung wird verwiesen. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333