Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 23. November 2016 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 18/10448 18. Wahlperiode 25.11.2016 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Klaus Ernst, Wolfgang Gehrcke, Dr. Diether Dehm, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/10265 – Zur Position der Bundesregierung zur Vereinbarkeit der deutschen Unternehmensmitbestimmung mit dem EU-Recht V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) liegt im Rahmen eines sogenannten Vorabentscheidungsverfahrens derzeit eine Frage vor, die die EU- Rechtskonformität der deutschen Arbeitnehmermitbestimmung in den Aufsichtsräten großer Unternehmen zum Gegenstand hat (C-566/15). Angriffspunkt ist die Tatsache, dass die deutschen Mitbestimmungsgesetze nur für Beschäftigte gelten, deren Arbeitsplatz sich in Deutschland befindet. Es ist nach Ansicht der Fragesteller offensichtlich, dass das Verfahren darauf abzielt, über das EU-Recht mittelbar die deutsche Unternehmensmitbestimmung (und in der Folge auch andere nationale Mitbestimmungsregelungen) auszuhebeln. Gemäß Artikel 23 Absatz 2 des Protokolls über die Satzung des EuGH teilte die Europäische Kommission dem EuGH am 9. Februar 2016 ihre Rechtsauffassung mit, der zufolge die deutsche Aufsichtsratsmitbestimmung gegen das Primärrecht der Europäischen Union verstoße. Da der EuGH bei der Beantwortung von Vorlagefragen häufig den Eingaben der Europäischen Kommission folgt, ist zu befürchten, dass auch der EuGH zu der Entscheidung kommt, dass die deutsche Aufsichtsratsmitbestimmung gegen EU-Recht verstößt. Ein solches Urteil wäre aus Sicht der Fragesteller ein schwerwiegender Übergriff auf ein Kernelement der deutschen Arbeits- und Sozialordnung. 1. Teilt die Bundesregierung die juristische Auffassung der Fragesteller, dass sich die Einschätzung der Europäischen Kommission, die deutsche Arbeitnehmermitbestimmung beschränke die durch Artikel 45 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union geschützte Freizügigkeit der in Deutschland beschäftigten Arbeitnehmer, jenseits des Vertretbaren bewegt? Die Bundesregierung hat in der Rechtssache C-566/15 („Erzberger“) schriftlich Stellung genommen. In ihrer Stellungnahme verteidigt die Bundesregierung die geltende Rechtslage und legt deren Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht dar. Die Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/10448 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Bundesregierung ist der Auffassung, dass die Regelungen zur Besetzung des Aufsichtsrates nach dem Mitbestimmungsgesetz (MitbestG) nicht gegen die durch Artikel 45 AEUV geschützte Arbeitnehmerfreizügigkeit verstoßen. 2. Inwiefern hat die Bundesregierung von ihrem Recht Gebrauch gemacht, mit einer Stellungnahme im Verfahren ihre Rechtsposition deutlich zu machen (wenn ja, Stellungnahme bitte im Anhang mitteilen)? Wenn nein, warum nicht? Die Bundesregierung hat in der Rechtssache „Erzberger“ schriftlich Stellung genommen und die geltende deutsche Rechtslage als unionsrechtskonform verteidigt . Des Weiteren hat die Bundesregierung eine mündliche Verhandlung beantragt . Eine mündliche Verhandlung wurde bisher nicht terminiert. Bezüglich der schriftlichen Stellungnahme hat die Bundesregierung ihre Verpflichtungen nach dem Gesetz über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union (EUZBBG) bereits erfüllt. 3. Beabsichtigt die Bundesregierung, die Europäische Kommission vor diesem Hintergrund und angesichts der politischen Bedeutung der Arbeitnehmermitbestimmung für die kollektiven Arbeitsbeziehungen in Deutschland aufzufordern , ihre Stellungnahme in der mündlichen Verhandlung vor dem EuGH förmlich zurückzunehmen, wie dies bereits in anderen Verfahren geschehen ist? Die Bundesregierung legt ihre Prozessstrategie in laufenden Verfahren grundsätzlich nicht offen. Im Übrigen verweist die Bundesregierung auf die Antworten zu den Fragen 1 und 2. 4. Teilt die Bundesregierung die politische Einschätzung, dass die Feststellung eines Unionsrechtsverstoßes durch die Mitbestimmung seitens des EuGH bei den deutschen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern einen gravierenden Ansehensverlust des EuGH, der Europäischen Kommission und der Unionsrechtsordnung insgesamt auslösen würde, vergleichbar den negativen Reaktionen auf die Urteilsserie Viking (C-438/05), Laval (C-341/05) und Rüffert (C-346/06)? Das Verfahren in der Rechtssache „Erzberger“ ist für die Unternehmensmitbestimmung in Deutschland von großer Bedeutung und wird von Arbeitnehmerund Arbeitgebervertretern sowie der Bundesregierung wegen seiner potentiellen Auswirkungen genau verfolgt. Die Bundesregierung sieht keinen Verstoß gegen Unionsrecht und vertritt diese Auffassung auch vor dem Europäischen Gerichtshof . 5. Für den Fall, dass der EuGH einen Unionsrechtsverstoß durch die Mitbestimmungsgesetze feststellt und auch der Bundesgerichtshof der Auffassung des vorlegenden Kammergerichts folgt, dass zur Behebung der Rechtskollision eine unionsrechtskonforme Auslegung ausscheidet (KG Berlin, 14 W 89/15), welche Vorbereitungen trifft die Bundesregierung, um eine mitbestimmungsfreie Periode in deutschen Konzernunternehmen zu vermeiden oder wenigstens möglichst kurz zu halten? Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass die derzeitige Rechtslage nicht gegen Unionsrecht verstößt und erwartet daher, dass der Europäische Gerichtshof die Unionsrechtkonformität des Mitbestimmungsrechts bestätigen wird. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333