Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 1. Dezember 2016 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 18/10562 18. Wahlperiode 05.12.2016 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Wolfgang Gehrcke, Sevim Dağdelen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/10302 – Handreichung des Bundesamtes für Verfassungsschutz zur Beobachtung „extremistischer“ Bestrebungen von Flüchtlingen und Flüchtlingshelferinnen und -helfern V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Anfang August 2016 versandte das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) eine Publikation mit dem Titel „Wie erkenne ich extremistische und geheimdienstliche Aktivitäten? Eine Handreichung für Flüchtlingshelferinnen und - helfer“. Die Publikation zielt nach Aussage des BfV darauf ab, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dabei Hilfestellung zu geben, „extremistische“ Bestrebungen bei Flüchtlingen und Flüchtlingshelfern zu erkennen und zu unterbinden. In diesem Kontext werden „islamistische“, „ausländerextremistische“, „rechtsextremistische “ und „linksextremistische“ Bestrebungen benannt (vgl. Handreichung des BfV: „Wie erkenne ich extremistische und geheimdienstliche Aktivitäten? Eine Handreichung für Flüchtlingshelferinnen und -helfer“, S. 5 f.). In der Publikation werden verschiedene Charakteristika von, nach Ansicht des BfV, „extremistischen Gruppen“ definiert. Insbesondere die Charakterisierungen kurdischer Organisationen und „linksextremistischer Hilfeleistung“ erscheint dabei nach Auffassung der Fragesteller problematisch. So charakterisiert das BfV in der genannten Publikation beispielhaft eine Aktion, bei der sich Menschen schützend vor eine Unterbringung für Flüchtlinge stellen, gegen die eine fremdenfeindliche Demonstration stattfindet, als „linksextremistisch“. Nicht zuletzt stellt sich in diesem Zusammenhang nach Ansicht der Fragesteller die Frage, inwiefern Bürgerproteste gegen asylfeindliche Aufmärsche ein Aktionsfeld geheimdienstlicher Überwachung darstellen. Auch die Charakterisierung von mit der internationalen Anti-IS-Koalition zusammen kämpfenden Volksverteidigungseinheiten (YPG) als „terroristisch“, wirft Fragen auf. Das BfV wirft ihnen nicht näher benannte „terroristische Aktionen in Nordsyrien“ vor (vgl. ebd., S. 18 f.). Allerdings sind, wie die Bundesregierung auf eine Schriftliche Frage der Abgeordneten Sevim Dağdelen zur Antwort gab, „weder die Partei der Demokratischen Union (PYD), noch ihr bewaffneter Arm, die Volksverteidigungseinheiten (YPG) (inkl. die Frauenverteidigungsein -heit YPJ) vom VN-Sicherheitsrat als terroristische Vereinigungen gelistet“ (www.sevimdagdelen.de/7741-2/). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/10562 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Soweit im Folgenden von Kenntnissen der Bundesregierung die Rede ist, gehen die Fragesteller davon aus, dass sich die Bundesregierung durch entsprechende Nachforschungen und Nachfragen in Bezug auf die ihr unterstellten Behörden und Bediensteten entsprechende Erkenntnisse verschafft, soweit diese nicht vorliegen sollten. V o r b e me r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Die Bundesregierung ist nach sorgfältiger Abwägung zu der Überzeugung gelangt , dass die Beantwortung der Fragen 2d, 3c, 3d, Teile der Antwort zu 3e nicht offen erfolgen kann. Die Antworten sind aus Gründen des Staatswohls geheimhaltungsbedürftig . Arbeitsmethoden und Vorgehensweisen des Bundesamtes für Verfassungsschutz sind im Hinblick auf die künftige Auftragserfüllung besonders schutzbedürftig. Der Schutz des Aufklärungsprofils und der einzelnen Aufklärungsfähigkeiten stellen für die Aufgabenerfüllung des Bundesamtes für Verfassungsschutz einen wichtigen Grundsatz dar. Er dient der Aufrechterhaltung der Effektivität nachrichtendienstlicher Informationsbeschaffung. Eine Veröffentlichung von Einzelheiten zu den Aufklärungsaktivitäten ließen Rückschlüsse auf aktuelle Aufklärungsschwerpunkte und die nachrichtendienstliche Erkenntnislage zu. Eine Kenntnisnahme durch Unbefugte würde insoweit eine Schwächung der Aufgabenerfüllung des Bundesamtes für Verfassungsschutz zur Folge haben. Darüber hinaus unterliegen Fragen der Zusammenarbeit des Bundesamtes für Verfassungsschutz mit ausländischen Behörden einem besonderen Schutz. Im Rahmen der Zusammenarbeit der Nachrichtendienste werden Einzelheiten über die Ausgestaltung der Kooperation vertraulich behandelt. Eine öffentliche Bekanntgabe solcher Informationen entgegen der vorausgesetzten Vertraulichkeit ließe einen Rückgang von Informationen aus diesem Bereich befürchten, was wiederum zu einer Verschlechterung der Abbildung der Sicherheitslage durch das Bundesamt für Verfassungsschutz führen könnte. Es bestünde weiterhin die Gefahr , dass unmittelbare Rückschlüsse auf die Arbeitsweise, die Methoden und den Erkenntnisstand der anderen Nachrichtendienste gezogen werden können. Aus den genannten Gründen würde eine Beantwortung in offener Form für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland schädlich sein. Daher sind die Antworten zu den genannten Fragen ganz oder teilweise als Verschlusssache gemäß der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift des Bundesministeriums des Innern zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen (VS-Anweisung – VSA) mit dem VS-Grad „VS-Vertraulich“ eingestuft. Sie werden in dieser Form an die Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages übermittelt. 1. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über Aktivitäten von „extremistischen “ Personen bzw. Zusammenschlüssen im Bereich der Flüchtlingshilfe (bitte nach den einzelnen Phänomenbereichen und quantitativ aufschlüsseln und möglichst den Umfang der jeweiligen Aktivitäten benennen)? Im Phänomenbereich „Ausländerextremismus“ sind, bezogen auf die „Arbeiterpartei Kurdistans“ (PKK), in Deutschland mehr als 100 Fälle bekannt geworden, bei denen durch der PKK zuzurechnende Personen Aktivitäten in Bezug auf Flüchtlinge entfaltet wurden. Hierbei handelt es sich - neben sozialen Aktivitäten, wie z. B. Dolmetscherdiensten - in erster Linie um Versuche, Flüchtlinge in die vorhandenen PKK-Aktivitäten und Strukturen einzugliedern. Das Hauptziel der PKK ist es, Flüchtlinge mittelfristig in die Organisationsstrukturen einzugliedern. (Anmerkung: Sowohl in der Handreichung, als auch in der Fragestellung wird die Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/10562 umgangssprachliche Bezeichnung „Flüchtling“ gewählt. Gemeint sind alle in Deutschland schutzsuchenden oder schutzberechtigten Personen.) Deutsche Linksextremisten hingegen brachten sich vor allem auf dem Höhepunkt der „Flüchtlingsdiskussion“ in die Unterstützung von Flüchtlingen sowohl im Inland als auch im Ausland aktiv ein. Die dezentral organisierten Aktivitäten reichten dabei von der Sammlung von Sachspenden und deren Verteilung an den Grenzen der Europäischen Union und der Initiierung von „Fluchthilfekonvois“, bis zur finanziellen Unterstützung sogenannter Transitmigranten. Linksextremisten beteiligten sich darüber hinaus an Hausbesetzungen, die Migranten Wohnraum schaffen sollten. Das Aktionsfeld „Antirassismus“ spielt zudem eine Rolle bei verschiedensten Aktionen linksextremistischer Akteure. Im Bereich Islamismus liegen über 600 Hinweise auf Aktivitäten in Deutschland lebender Islamisten mit Bezug zu Migranten vor. Darunter befinden sich ca. 360 Hinweise zu unmittelbaren Kontaktaufnahmeversuchen. Art und Umfang der vor allem im Umfeld von Migrantenunterkünften erfolgenden Kontaktaufnahmen sind sehr heterogen. Zum Teil treten Islamisten unmittelbar an die Bewohner dieser Einrichtungen heran und verteilen Geld- und/oder Sachspenden (wie zum Beispiel Koranexemplare und Gebetsteppiche). Zusätzlich offerieren sie Unterstützung bei Behördengängen , bieten sich als Sprachmittler an oder laden zu einem Moscheebesuch oder zur Teilnahme an Feierlichkeiten ein. Gelegentlich wird den Migranten auch eine Unterkunft außerhalb ihrer Einrichtung oder eine allgemeine Unterstützung bei der Ausübung ihres Glaubens angeboten, unter anderem durch das Abhalten von Gebeten, religiösen Feiern oder Koranunterricht in Migrantenunterkünften. Aktivitäten von Rechtsextremisten in der Flüchtlingshilfe sind als nahezu ausgeschlossen zu betrachten. 2. Welche genauen Maßnahmen unternimmt das BfV, um festzustellen, ob sich unter freiwilligen Helferinnen und Helfern, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie Dolmetscherinnen und Dolmetschern in Unterkünften Personen aus den in der Publikation als extremistisch klassifizierten Personenkreisen befinden: Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) beobachtet im Rahmen der gesetzlichen Aufgabenwahrnehmung nach § 3 Absatz 1 des Bundesverfassungsschutzgesetzes (BVerfSchG), ob und inwiefern in Deutschland aktive Islamisten die sich durch das Eintreffen von Flüchtlingen bietende Gelegenheit nutzen, ihre Mitglieder - und Sympathisantenbasis durch Propaganda und Aktionen zu stärken. Zur Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben stehen dem BfV dabei grundsätzlich die Befugnisse gemäß §§ 8 ff. BVerfSchG zur Verfügung. a) Werden vom BfV oder nach Kenntnis der Bundesregierung von den Landesämtern für Verfassungsschutz (LfV) in Einzelfällen Anfragen über die Zugehörigkeit ehrenamtlicher oder freiberuflicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Unterkünften zu den in der Handreichung definierten Phänomenbereichen durchgeführt? Wenn ja, wie viele in welchem Zeitraum (bitte thematisch aufschlüsseln)? Vom BfV werden keine Anfragen über die Zugehörigkeit ehrenamtlicher oder freiberuflicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Unterkünften zu den in der Handreichung definierten Phänomenbereichen durchgeführt. Angaben darüber, Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/10562 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode ob und inwieweit die Landesämter für Verfassungsschutz (LfV) dies in eigener Zuständigkeit tun, liegen der Bundesregierung nicht vor. b) In welchem Umfang sind dem Bundesamt oder nach Kenntnis der Bundesregierung den LfV die Personen, welche eine ehrenamtliche oder freiberufliche Tätigkeit als Flüchtlingshelfer, Übersetzer oder dergleichen in Unterkünften ausführen, bekannt? Gibt es entsprechende Listen? Personen, die eine ehrenamtliche oder freiberufliche Tätigkeit als Flüchtlingshelfer , Übersetzer oder dergleichen in Unterkünften ausführen, werden nur im Zusammenhang mit der o. g. Aufgabenerfüllung bearbeitet. Der Umfang dieses Personenkreises ist nicht quantifizierbar. Entsprechende Listen werden nicht geführt. Ob und inwieweit die LfV in eigener Zuständigkeit tätig werden, ist der Bundesregierung nicht bekannt. c) Wie oft wurden nach Kenntnis der Bundesregierung Arbeitgeber bzw. Heimleitungen vom BfV angesprochen und darauf hingewiesen, dass bestimmte in Flüchtlingsunterkünften ehrenamtlich tätige Personen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Dolmetscherinnen und Dolmetscher linksextremistisch , rechtsextremistisch, PKK-nah oder islamistisch seien (bitte aufschlüsseln)? Derartige gezielte Ansprachen hat es bislang nicht gegeben. Die in der Frage genannten Handlungen müssten zudem stets in Einklang mit den einschlägigen Vorschriften des BVerfSchG stehen, insbesondere §§ 3, 19 Absatz 4 BVerfSchG. Sofern diese Handlungen zur Erfüllung der gesetzlich reglementierten Aufgaben des BfV als Sicherheitsbehörde erforderlich sein sollten, könnten sie im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben durchgeführt werden. d) Wurden oder werden nach Kenntnis der Bundesregierung Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Unterkünften vom Verfassungsschutz über die Handreichung hinaus mündlich oder schriftlich angesprochen, um Informationen über Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Ehrenamtliche oder Übersetzerinnen und Übersetzer, die im Verdacht stehen, linksextremistisch , rechtsextremistisch, PKK-nah oder islamistisch zu sein, zu melden? Auf die Vorbemerkung der Bundesregierung wird verwiesen.* 3. Inwieweit bewegen sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des BfV und nach Kenntnis der Bundesregierung, der LfV sowie des Bundesnachrichtendienstes (BND) oder Militärischen Abschirmdienstes (MAD) offiziell oder inoffiziell auf dem Gelände von Unterkünften zum Zweck der Ansprache, Observation oder aus anderen Gründen (bitte benennen und nach Phänomenbereich quantitativ aufschlüsseln)? Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bundessicherheitsbehörden dürfen sich im Rahmen ihrer Auftragserfüllung auch auf dem Gelände von Unterkünften bewegen . Eine Statistik darüber wird nicht geführt. * Das Bundesministerium des Innern hat die Antwort als „VS – Vertraulich“ eingestuft. Die Antwort ist in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages hinterlegt und kann dort nach Maßgabe der Geheimschutzordnung eingesehen werden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/10562 a) Nahmen oder nehmen nach Kenntnis der Bundesregierung Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter der genannten Nachrichtendienste an Mitarbeiterschulungen in Unterkünften offiziell oder inoffiziell teil, und wenn ja, mit welcher Aufgabenstellung? b) Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung Fälle, in denen Hilfsleistungen und Dolmetscherdienste aufgrund des Verdachts, den in der Handreichung beschriebenen Phänomenbereichen anzugehören, durch behördliche Intervention gestoppt worden sind (wenn ja, bitte nach Bereich und intervenierender Behörde aufschlüsseln)? Die Fragen 3a und 3b werden gemeinsam beantwortet. Nein. c) Gibt es Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter des BfV, die unter einer Legende in Notaufnahmen, Erstaufnahmen oder Gemeinschaftsunterkünften Informationen sammeln? Falls ja, wie viele? d) Gibt es Versuche, ehrenamtlich Tätige und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Flüchtlingsunterkünften oder Geflüchtete als Informanten des BfV innerhalb wie auch außerhalb des Geländes von Unterkünften anzuwerben , und falls ja, inwiefern spielten dabei finanzielle Anreize für die Anzuwerbenden eine Rolle? Die Fragen 3c und 3d werden gemeinsam beantwortet. Auf die Vorbemerkung der Bundesregierung wird verwiesen.* e) Wurde vom BfV, dem MAD oder dem BND sowie, nach Kenntnis der Bundesregierung, von den LfV versucht, Bewohner von Erstaufnahmeeinrichtungen innerhalb oder außerhalb von Unterkünften mit aufenthaltsrechtlichen oder finanziellen Mitteln für die Informationsgewinnung zu gewinnen? Falls ja, wie viele, und zur Informationsgewinnung in welchem Betätigungsfeld des BfV oder BND? Zum Schutz der Arbeitsweise und Methoden der Verfassungsschutzbehörden sowie zur Abwehr von Gefahren für etwaig eingesetzte V-Personen muss eine weitergehende Auskunftserteilung hinsichtlich der finanziellen Aspekte unterbleiben . Trotz der grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Pflicht des Bundesministeriums des Innern (BMI), Informationsansprüche des Deutschen Bundestages zu erfüllen, tritt hier nach sorgfältiger Abwägung der Belange im Einzelfall das Informationsinteresse des Parlaments hinter dem Verfassungsgrundsatz der wehrhaften Demokratie und der Bedeutung der betroffenen Grundrechtspositionen zurück . Aufgrund der Hochrangigkeit dieser Rechtsgüter und der möglichen Irreversibilität muss jede noch so geringe Möglichkeit des Bekanntwerdens ausgeschlossen werden. Hinsichtlich der aufenthaltsrechtlichen Aspekte wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen.* * Das Bundesministerium des Innern hat die Antwort als „VS – Vertraulich“ eingestuft. Die Antwort ist in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages hinterlegt und kann dort nach Maßgabe der Geheimschutzordnung eingesehen werden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/10562 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 4. Welche Quellen benutzt die Bundesregierung, um die Lage in Nordsyrien zu bewerten? Auf welche Quellen oder Erkenntnisse stützt sich der Verfassungsschutz bei der Darstellung, die YPG würde von der PYD und nicht von der parlamentarischen Selbstverwaltung der Region durch ihr Verteidigungsministerium befehligt? Bei ihrer Bewertung der Lage in Nordsyrien greift die Bundesregierung auf eine Vielzahl von Quellen zurück. Dazu gehören beispielsweise Informationen und Unterrichtungen durch VN-Organisationen wie UN OCHA oder das Büro des Syriensondergesandten . Auch innerhalb der EU oder der regelmäßig in Genf tagenden Task Forces der internationalen Syrienkontaktgruppe findet ein kontinuierlicher Austausch zur Lage in Nordsyrien statt. Außerdem steht die Bundesregierung in engem Kontakt mit Vertretern der syrischen Opposition, wie beispielsweise dem Hohen Verhandlungskomitee und der Nationalen Koalition. Darüber hinaus berichten verschiedenste Organisationen immer wieder über die Situation in Nordsyrien, darunter beispielsweise Amnesty International, das Syrian Network for Human Rights, das Syrian Observatory for Human Rights oder Human Rights Watch. Auch zahlreiche Think Tanks veröffentlichen Analysen über Nordsyrien. Der Bundesnachrichtendienst generiert aus HUMINT (Führung menschlicher Quellen), SIGINT (Fernmeldeaufklärung), IMINT (Auswertung von Satellitenund Luftbildern), OSINT (Beschaffung von Informationen aus allgemein zugänglichen Quellen) sowie im Erkenntnisaustausch mit anderen Nachrichtendiensten ein nachrichtendienstliches Gesamtlagebild, in das alle ihm zugänglichen Informationen einfließen. Das BfV bezieht sich bei der Darstellung, dass die YPG der militärische Arm der PYD sei, u. a. auf BND-Berichte und Berichte von Instituten, wie beispielsweise der „Stiftung Wissenschaft und Politik“ (SWP) in Berlin. Hier heißt es in der im Mai 2015 veröffentlichten Studie „Der Aufschwung der kurdischen Politik“, dass die YPG der militärische Ableger der PYD sei. Ferner wird in dieser Studie auch die militärische und politische Hegemonie der PYD in den kurdischen Siedlungsgebieten in Nordsyrien dargestellt. (siehe www.swpberlin.org/fileadmin/contents/ products/studien/2015_S10_srt.pdf, abgerufen am 24. November 2016). a) Inwiefern bezieht die Bundesregierung die Einschätzung des türkischen Geheimdienstes bzw. der Kurdischen Autonomieregierung im Nordirak (KRG) in die Bewertung der YPG mit ein? Soweit dem BfV derartige Einschätzungen vorliegen, werden diese unter Berücksichtigung ihrer Herkunft im Rahmen einer kritischen Bewertung berücksichtigt. Der Bundesnachrichtendienst bezieht die ihm zugänglichen Informationen in sein Gesamtlagebild mit ein. b) Inwiefern bezieht die Bundesregierung angesichts der militärischen Unterstützung der USA für die YPG Einschätzungen von US-Nachrichtendiensten bezüglich dieser Gruppierung in ihre Bewertung ein? Soweit dem BfV derartige Einschätzungen vorliegen, werden diese unter Berücksichtigung ihrer Herkunft im Rahmen einer kritischen Bewertung berücksichtigt. Der Bundesnachrichtendienst bezieht die ihm zugänglichen Informationen in sein Gesamtlagebild mit ein. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/10562 5. Wie begründet die Bundesregierung die in der Handreichung „Wie erkenne ich extremistische und geheimdienstliche Aktivitäten?“ getätigte Behauptung , die YPG setzten „terroristische Mittel“ in Nordsyrien ein (Handreichung BfV, S. 19)? a) Was genau versteht die Bundesregierung in diesem Zusammenhang unter „terroristischen Mitteln“? b) Welche Aktionen der YPG im Einzelnen bewertet die Bundesregierung als „terroristisch“ (bitte mit Quellenangabe aufzählen)? c) Gegen welche Gruppierungen oder Einzelpersonen richten sich die vom BfV der YPG unterstellten „terroristischen Mittel“ nach Kenntnis der Bundesregierung konkret? d) Auf welche Erkenntnisse und Quellen stützt sich die Bundesregierung bei dieser Einschätzung? e) Erstreckt sich diese Einschätzung des Gebrauchs „terroristischer Mittel“ auch auf die die YPG als maßgebliche Komponente beinhaltenden und von den USA militärisch im Kampf gegen den IS unterstützten „Demokratischen Kräfte Syriens“ (SDF), und inwiefern beeinflusst eine solche Einschätzung die Zusammenarbeit der Bundesregierung mit der Anti-IS- Koalition? Bei der Formulierung: „… führt … mit den „Volksverteidigungseinheiten“ („Yekineyen Parastina Gel“, YPG) einen bewaffneten Kampf unter Einsatz terroristischer Mittel.“ handelt es sich um ein redaktionelles Versehen. Die Formulierung wird in einer Neuauflage der Broschüre nicht mehr verwendet werden. 6. Ist der Bezug auf die Begriffe „Demokratische Autonomie“, „Demokratischer Konföderalismus“ und/oder auf Abdullah Öcalan für die Bundesregierung ausreichend, um eine Gruppe als Unterorganisation der PKK zu definieren ? Falls nein, welche Faktoren müssen hinzukommen? Der reine Bezug auf die in der Fragestellung genannten Begriffe und auf den Anführer der PKK, Abdullah Öcalan, ist für sich noch nicht ausreichend zur Einordnung einer Organisation als Unterorganisation der PKK. Als weitere Faktoren müssen eine ideologische Nähe zu und eine organisatorische Verknüpfung mit der PKK hinzutreten. Diese kann bspw. zum Ausdruck kommen in der Anerkennung des PKK-Anführers Öcalan, so dass dessen ideologische Vorgaben als verbindlich erachtet werden . Weiterhin wäre die Einbettung in den Organisationsaufbau der PKK ein Kriterium . Auch die enge Zusammenarbeit mit PKK-Strukturen sowie die Unterstützung der PKK, z. B. bei Demonstrationen, könnte als Indiz für die Einstufung als Unterorganisation der PKK gewertet werden. Die Mitgliedschaft einer Organisation in einem von der PKK dominierten Dachverband könnte möglicherweise ebenfalls als Bewertungskriterium herangezogen werden. 7. Aus welchen Gründen werden in der Handreichung im Falle der PKK lediglich „fiktive Fallbeispiele“ angeführt? Zielgruppe dieser Handreichung sind Personen und Organisationen, die sich in der Flüchtlingshilfe professionell oder ehrenamtlich engagieren. Sie sollen auf potentielle Berührungspunkte zu extremistischen und geheimdienstlichen Aktivitäten aufmerksam gemacht werden, die sich in ihrem Arbeitsfeld ergeben können. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/10562 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Die Handreichung soll dabei als Hilfestellung zum Erkennen von und zum Umgang mit Hinweisen dienen, die sich zu diesen Beobachtungsfeldern des Verfassungsschutzes ergeben. Durch eine Abstrahierung der Sachverhalte in fiktiven Beispielen konnten die Inhalte derart verdichtet werden, dass ein möglichst breiter Einblick in das Handlungsspektrum extremistischer Akteure im Hinblick auf Flüchtlinge erzeugt werden konnte. Darüber hinaus kann durch die Wahl fiktiver Beispiele eine längerfristige Aktualität der Handreichung gewährleistet werden. a) Sind der Bundesregierung vergleichbare reale Fälle bekannt? Falls ja welche? Die in den fiktiven Beispielen enthaltenen Informationen basieren auf konkreten Erkenntnissen des BfV. Der Bundesregierung sind reale Fälle bekannt, die den fiktiven Fällen ähnlich sind. Weitere Details können zum Schutz der Arbeitsweise und Methoden der Verfassungsschutzbehörden sowie zur Abwehr von Gefahren für etwaig eingesetzte V-Personen nicht mitgeteilt werden. Trotz der grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Pflicht der Bundesregierung, Informationsansprüche des Deutschen Bundestages zu erfüllen, tritt hier nach sorgfältiger Abwägung der Belange im Einzelfall das Informationsinteresse des Parlaments hinter dem Verfassungsgrundsatz der wehrhaften Demokratie und der Bedeutung der betroffenen Grundrechtspositionen zurück. Aufgrund der Hochrangigkeit dieser Rechtsgüter und der möglichen Irreversibilität muss jede noch so geringe Möglichkeit des Bekanntwerdens ausgeschlossen werden. Weitere Detailangaben zu den Fällen würden beteiligte Personen identifizierbar machen und diese dadurch an Leib und Leben gefährden. b) Inwieweit stellen nach Auffassung der Bundesregierung die Existenz von Rojava-Komitees und die Werbung für eine humanitäre Unterstützung der Region eine Form des „kurdischen Extremismus“ dar (bitte begründen)? Die in den PKK-Strukturen bestehenden – und von den PKK-Strukturen initiierten – sogenannte „Rojava-Komitees“ dienen als Mittel, um kurdisch-stämmige Flüchtlinge mittelfristig in die PKK-Strukturen in Deutschland einzubinden und so den organisatorischen Zusammenhalt der PKK in Deutschland zu stärken. Die reine, von den PKK-(nahen)-Strukturen losgelöste Werbung für eine humanitäre Unterstützung der Region stellt keine extremistische Betätigung dar. 8. Wie begründet die Bundesregierung die in der BfV-Publikation getätigte Behauptung einer „propagandistischen Instrumentalisierung ihrer Flüchtlingsunterstützung “ durch sogenannte „Linksextremisten“ (Handreichung BfV S. 28)? Diese Behauptung wird bereits in der Handreichung auf Seite 27 begründet: Die Hilfsleistungen von Linksextremisten für Flüchtlinge dienen als Teil von Kampagnen im Aktionsfeld „Antirassismus“ dazu, ihrem Vorwurf an den deutschen Staat Nachdruck zu verleihen, dass dieser Zuwanderer aus einer rassistischen Motivation heraus benachteilige, um so die Notwendigkeit seiner Beseitigung verdeutlichen zu können. Dem angeblichen „Rassismus“ von Staat und Behörden stellen sie ihre scheinbar selbstlosen Hilfeleistungen entgegen, die die „Ideale“ der von ihnen angestrebten „gerechteren“, tatsächlich jedoch autoritären Staats- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/10562 und Gesellschaftsordnung, versinnbildlichen sollen. Anhaltspunkte für eine Beteiligung von Linksextremisten an solchen Hilfs- oder Unterstützungsleistungen werden in den Antworten zu Frage 8a und 8b beispielhaft aufgeführt. a) Inwieweit und mit welcher Begründung stellt nach Auffassung der Bundesregierung die im Beispiel 1 angeführte Demonstration und der Schutz eines Flüchtlingsheims vor Rechtsextremisten eine, wie das BfV es schildert , „linksextremistische Aktivität“ dar? Das BfV stuft eine Demonstration dann als „linksextremistische Aktivität“ ein, wenn linksextremistische Personen oder Gruppierungen die Kundgebung initiiert bzw. angemeldet haben oder einen steuernden Einfluss nehmen. Dabei angeführte Parolen wie beispielsweise „No Border, No Nation, Stop Deportation“[sic] entsprechen im Aktionsfeld „Antirassismus“ dem linksextremistischen Duktus. b) Welche der in dem Beispiel genannten Parolen lassen nach Ansicht der Bundesregierung die Aktion zum Schutz einer Flüchtlingseinrichtung vor asylfeindlichen Protesten zu einer extremistischen Aktivität werden, und wie ist diese Auffassung zu begründen? Das BfV trifft seine Einschätzungen im genannten Kontext in erster Linie nicht aufgrund getätigter Parolen, sondern aufgrund der Zugehörigkeit zu linksextremistischen Gruppierungen der an einer Aktion beteiligten Personen. Getätigte Parolen geben lediglich einen zusätzlichen Hinweis auf einen möglichen extremistischen Hintergrund der Teilnehmer. c) Ist der Bundesregierung bekannt, dass am 7. November 2015 in Berlin ein großes Bündnis unter Einschluss aller im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien gegen einen asylfeindlichen Aufmarsch protestiert hat, und inwiefern wertet sie diesen Protest ebenfalls als ein Beispiel „extremistischer “ Aktivitäten? Das BfV wertet die Gegenveranstaltungen zu einem Aufzug „Asylchaos und Eurokrise “ der Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD) in Berlin am 7. November 2015 in Gänze nicht als linksextremistisch. Allerdings hatte zu den Protesten auch ein lokales Bündnis „antifaschistischer“ Gruppierungen aufgerufen, darunter die „Interventionistische Linke Berlin“, „Theorie Organisation Praxis“ (TOP B3rlin) sowie weitere örtliche linksextremistische Gruppierungen wie die „Antifaschistische Revolutionäre Aktion Berlin“, „Theorie, Kritik & Aktion Berlin“ und die „Antirassistische Initiative Berlin“. d) Welche der in Fallbeispiel 2 (S. 28) genannten Parolen lassen nach Ansicht der Bundesregierung die Aktion zum Schutz einer Flüchtlingseinrichtung vor asylfeindlichen Protesten zu einer extremistischen Aktivität werden – und warum? Auf die Antwort zu Frage 8a (Beispiel 1) wird verwiesen. Die angeführten Parolen wie „No Border, No Nation, Stop Deportation“[sic] oder der propagierte „Kampf gegen die ‚Festung Europa‘“ entsprechen dem linksextremistischen Duktus im Aktionsfeld „Antirassismus“. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/10562 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode e) Ist der Bundesregierung bekannt, dass zahlreiche Menschenrechtsorganisationen (www.proasyl.de/thema/ungarn/, www.zeit.de/politik/ausland/ 2016-09/amnesty-international-ungarn-fluechtlinge-misshandlungen) der Flüchtlingspolitik zahlreicher osteuropäischer Staaten schwere menschenrechtliche Defizite bescheinigen, und inwiefern wertet sie dies ebenfalls als „extremistisch“? Der Bundesregierung ist die in der Fragestellung genannte Kritik bekannt. Die Formulierung solcher Kritik wird von der Bundesregierung nicht als extremistisch bewertet. f) Inwieweit und unter welchen Umständen kann die Bundesregierung hinter den in der BfV-Handreichung genannten Meinungsäußerungen zur Flüchtlingsfrage eine Gefahr für die Sicherheit und Ordnung der Bundesrepublik Deutschland erkennen, die im konkreten Fall den Einsatz des BfV rechtfertigt? Für das Tätigwerden des BfV ist nicht das Vorliegen einer Gefahr für die Sicherheit und Ordnung maßgeblich, dieser Begriff entstammt vielmehr dem Bereich des Polizei- und Ordnungsrechts. Das BfV hingegen sammelt und wertet Informationen über (links)extremistische Bestrebungen aus. Aus der Broschüre, auf die sich die Anfrage bezieht, geht hervor, dass Linksextremisten versuchen, die Flüchtlingsproblematik für ihre eigenen – sehr unterschiedlichen – Interessen und Ziele zu instrumentalisieren. 9. Inwiefern sind der Bundesregierung grundsätzlich konkrete Aktivitäten ausländischer Nachrichtendienste im Zusammenhang mit Geflüchteten bekannt (Handreichung BfV, S. 29 ff.)? Der Bundesregierung sind solche Aktivitäten in nachfolgend aufgeführtem Umfang bekannt: a) Geheimdienste welcher Länder spielen dabei eine Rolle, und inwiefern ist deren diesbezügliche Tätigkeit in Deutschland mit der Bundesregierung abgestimmt? Ein nicht unerheblicher Anteil der beim BfV eingegangenen Hinweise auf ein Tätigwerden fremder Dienste in Deutschland mit Flüchtlingsbezug betrifft syrische Nachrichtendienste. Ein erheblich kleinerer Teil der Hinweise steht im Zusammenhang mit Aktivitäten irakischer und eritreischer Nachrichtendienste. Hierbei handelt es sich jeweils um nicht abgestimmtes nachrichtendienstliches Handeln. b) Sind entsprechende Aktivitäten des syrischen, türkischen oder iranischen Geheimdienstes bekannt (wenn ja, bitte beschreiben)? Zu syrischen Nachrichtendiensten liegen dem BfV Hinweise auf Ausforschungsund Anbahnungsversuche sowie vereinzelt auch auf Bedrohungssachverhalte vor. Aufklärungsschwerpunkt des iranischen Nachrichtendienstes „Ministry of Intelligence (MOIS)“ in Deutschland ist die Ausspähung und Bekämpfung oppositioneller iranischer Bewegungen; in seinem Fokus stehen insbesondere die „Volksmodjahedin Iran-Organisation“ (MEK) und ihr politischer Arm, der „Nationale Widerstandsrat Iran“ (NWRI). Aktuell sind jedoch keine Aufklärungsbemühungen des MOIS im Zusammenhang mit Flüchtlingen bekannt. Zu Aktivitäten des türkischen Nachrichtendienstes MIT im Sinne der Fragestellung liegen keine konkreten Anhaltspunkte vor. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 11 – Drucksache 18/10562 c) Welche ausländischen Geheimdienste werden als Partner und welche als Bedrohung eingeordnet? Eine effektive Spionageabwehr hat die Aktivitäten aller fremden Nachrichtendienste in Deutschland im Blick (Stichwort: „360°-Bearbeitung“). Eine pauschale Einteilung zwischen Partnerdiensten und sonstigen Diensten, die als sogenannte Bedrohung eingeordnet werden, ist aufgrund der unterschiedlich ausgeprägten Interessenslagen in den verschiedenen Phänomenbereichen im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit nicht möglich. 10. Welche Maßnahmen trifft das BfV konkret, um das Ausspähen regimekritischer Flüchtlinge durch Geheimdienste aus den Herkunftsländern zu unterbinden (Handreichung BfV, S. 30 ff.)? Alle dem BfV nach dem BVerfSchG zur Verfügung stehenden Mittel werden im Rahmen der Einzelfallprüfung nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit angewendet . Erhält das BfV Hinweise auf die Gefährdung einer Person durch einen fremden Nachrichtendienst, wird die gefährdete Person durch das BfV angesprochen und entsprechend sensibilisiert. Soweit das betreffende Hinweisaufkommen auf eine mögliche Gefährdung einer Person nicht konkret genug ist, werden geeignete Maßnahmen zur Verifizierung des Gefährdungshinweises unter Nutzung der im BVerfSchG aufgeführten Befugnisse ergriffen. Insbesondere bei der Übermittlung personenbezogener Daten gemäß §§ 17 ff. BVerfSchG werden die schutzwürdigen Belange der Betroffenen im Rahmen einer Einzelfallprüfung besonders berücksichtigt. Bei einer konkreten Gefährdung unterrichtet das BfV die für den Wohnsitz der gefährdeten Person zuständige Landespolizei, die in eigenen Zuständigkeit prüft, ob und inwieweit konkrete polizeiliche Schutzmaßnahmen für die betreffende Person zu ergreifen sind. a) Erstreckt sich der Schutz der Geflüchteten dabei nur auf Geheimdienste der Herkunftsländer oder auch auf andere fremde Geheimdienste (wenn ja, bitte aufschlüsseln auf welche und auf welche explizit nicht)? Das BfV beobachtet alle bekannt gewordenen (nicht abgestimmten) Tätigkeiten fremder Nachrichtendienste im Sinne des § 3 Absatz 1 Nummer 2 BVerfSchG zum Nachteil von Schutzsuchenden (Stichwort: „Oppositionellenaufklärung“). Eine ausschließliche Reduzierung der Beobachtung von Tätigkeiten auf Dienste der Herkunftsländer des Schutzsuchenden widerspricht dem gesetzlichen Auftrag des Verfassungsschutzes. Dies gilt für alle in Betracht kommenden Nachrichtendienste des Verfassungsschutzverbundes. b) Inwieweit wird das Schutzinteresse regimekritischer Flüchtlinge gegen das Interesse am Informationsaustausch mit anderen Geheimdiensten, z. B. dem türkischen, abgewogen? Im Rahmen der Einzelfallprüfung werden fachliche Interessen der Spionageabwehr auf der einen Seite mit den datenschutzrechtlichen und tatsächlichen Interessen des Betroffenen auf der anderen Seite intensiv abgewogen. Maßgeblich für die Übermittlung personenbezogener Daten an ausländische Nachrichtendienste im Sinne des § 19 Absatz 3 BVerfSchG ist u. a. die Feststellung, dass überwiegende schutzwürdige Interessen des Betroffenen dem nicht entgegenstehen. Das BfV ist sich der möglichen Sensibilität solcher Vorgänge bewusst und richtet sein Vorgehen zum Schutz Betroffener danach entsprechend aus. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/10562 – 12 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode c) Inwieweit nutzen die Behörden in Deutschland die durch Ausspähung von Geflüchteten in Deutschland durch fremde Geheimdienste gewonnene Daten? Wie vereint sich dies mit der in der Handreichung des BfV (S. 30) benannten „Gewährleistung eines wirksamen Schutzes von Flüchtlingen gegen Aktivitäten der Geheimdienste aus den jeweiligen Herkunftsländern “? Der Bundesregierung sind keine Fälle bekannt, in denen deutsche Behörden Informationen von Nachrichtendiensten aus dem Herkunftsland erhalten haben, die diese durch Ausspähung der Flüchtlinge in Deutschland gewonnen haben. Nicht abgestimmte geheimdienstliche Tätigkeiten fremder Nachrichtendienste in der Bundesrepublik Deutschland unterliegen zudem dem Beobachtungsauftrag des BfV gemäß § 3 Absatz 1 Nummer 2 BVerfSchG. Im Rahmen internationaler Zusammenarbeit nutzt die Spionageabwehr grundsätzlich von ausländischen Nachrichtendiensten im Ausland erhobene und dem BfV übermittelte personenbezogene Daten – auch von Flüchtlingen-, soweit die Voraussetzungen des § 3 Absatz 1 Nummer 2 BVerfSchG vorliegen. Eine etwaige weitergehende Speicherung, Veränderung und Nutzung dieser personenbezogenen Daten richtet sich u. a. nach den §§ 10 ff. BVerfSchG. In diesem Zusammenhang verifiziert das BfV durch geeignete Abwehrmaßnahmen mögliche Hinweise von ausländischen Nachrichtendiensten auf verdeckt agierende Agenten, die sich etwa als Flüchtlinge in entsprechenden Unterkünften aufhalten, um eine mögliche Gefährdung eines Mitflüchtlings durch einen fremden Nachrichtendienst frühzeitig unterbinden zu können. Insofern trägt die Nutzung dieser Daten auch zu einem wirksamen Schutz von Flüchtlingen gegen Aktivitäten von Nachrichtendiensten aus den jeweiligen Herkunftsländern bei. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333