Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Verteidigung vom 9. Dezember 2016 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 18/10623 18. Wahlperiode 13.12.2016 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Inge Höger, Wolfgang Gehrcke, Christine Buchholz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/10450 – Einsatz von Uranmunition durch die US-Armee im Syrien-Krieg V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die Mehrheit des Deutschen Bundestages hat am 10. November 2016 die Beteiligung der Bundeswehr am Krieg in Syrien um ein weiteres Jahr verlängert (Bundestagsdrucksache 18/9960). Die US-Regierung hat im Oktober 2016 bestätigt, dass die US-Armee im November 2015 bei mindestens zwei Luftschlägen in Syrien Munition mit abgereichertem Uran verwendet hat. Dies ist lediglich der neuste bekannte Fall in einer langen Kette von Militäreinsätzen mit Uranmunition, u. a. durch die USA, Großbritannien, Russland, China, die Türkei, Israel, Pakistan, Saudi Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Ägypten und Kuweit (vgl. Bundestagsdrucksache 18/3407). Der Einsatz von Uranmunition (DU-Munition, Depleted Uranium = Abgereichertes Uran) kann gravierende langfristige Folgen für die Menschen und die Umwelt haben. Darauf haben bereits sowohl die Weltgesundheitsorganisation (WHO) im Jahr 2003 als auch das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) 2001 und 2010 hingewiesen. Nach dem Einschlag von Uranmunition werden aufgrund der dabei entstehenden hohen Temperaturen Uran- und Uranoxid-Partikel freigesetzt, die sich weiträumig in der Umgebung verbreiten. Die Partikel werden auf verschiedenen Wegen – Atmung, Nahrungsaufnahme oder Hautkontakt – vom menschlichen Organismus aufgenommen und können in der Folge erhebliche Gesundheitsschäden , die durch Weitervererbung auch noch künftige Generationen betreffen, verursachen. Nach vielen Konflikten, in denen Uranmunition eingesetzt worden ist, wie z. B. im Golf-Krieg 1991, im ehemaligen Jugoslawien 1995 und 1999, in Afghanistan seit 2001 oder im Irak-Krieg 2003, wurden medizinische Auffälligkeiten festgestellt, die sich in einen direkten Zusammenhang zur Verwendung von Uranmunition bringen lassen (wie z. B. ein Anstieg der Krebsraten und der Miss- und Totgeburten oder Trinkwasserverseuchung). In einigen Fällen wurde diese Kausalität auch gerichtlich festgestellt: Ein schottisches Gericht hat mit der Zuerkennung einer Kriegsrente für den Golfkriegsveteranen Kenny Duncan im Jahr 2004 die Korrelation zwischen der Verwendung von Uranmunition und besonderen Erkrankungen anerkannt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/10623 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Erst im Mai 2016 hat ein Berufungsgericht in Rom einem italienischen Soldaten , der zwischen 1998 und 1999 im Rahmen einer Militärmission in Bosnien- Herzegowina mit abgereichertem Uran in Kontakt gekommen war, 1,8 Mio. Euro Entschädigung zugesprochen (www.stol.it/Artikel/Politik-im-Ueberblick/ Politik/Tod-wegen-Uran-Munition-Italien-verurteilt). Das Gericht stellt einen unmissverständlichen Kausalzusammenhang zwischen der Erkrankung des Soldaten und dessen Kontakt zur Uranmunition her (www.ilsole24ore.com/ pdf2010/Editrice/ILSOLE24ORE/ILSOLE24ORE/Online/_Oggetti_Embedded/ Documenti/2016/05/20/Vacca.pdf). Neben den bereits bestehenden, verheerenden Problemen, die aus dem syrischen Krieg resultieren, kommt nun voraussichtlich noch die Verseuchung durch US- Uranmunition hinzu. Die internationale Staatengemeinschaft erkennt zunehmend die verhängnisvollen Auswirkungen von Uranmunition an sowie die damit verbundenen möglichen Verletzungen des humanitären Völkerrechts, z. B. die Frage der Verhältnismäßigkeit , da aufgrund der Nach- und Nebenwirkungen der Einsatz nicht unbedingt als „durch militärische Erfordernisse gerechtfertigt“ betrachtet werden kann (Artikel 50 der Haager Landkriegsordnung). In jedem Falle ist der auch von UNEP 2001 und 2010 anerkannte Vorsorgeansatz („precautionary approach “) zu beachten, wonach eine Waffe erst dann zum Einsatz kommen darf, wenn zweifelsfrei belegt ist, dass sie keine Langzeitfolgen für die Umwelt und für die Gesundheit der Zivilbevölkerung hat. Leider weigert sich die Bundesregierung bislang, sich der Forderung vieler Staaten nach einer internationalen Ächtung von Uranmunition zu beteiligen. Am 1. November 2016 hat sich die Bundesregierung erneut enthalten, als der Erste Ausschuss zu Abrüstungs- und Fragen der internationalen Sicherheit der UN-Generalversammlung mehrheitlich eine Resolution beschlossen hat, die den Weg zur Ächtung von DU ebnen könnte (www.bandepleteduranium.org/ en/unga-first-l63-depleted-uranium-results). 1. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über den Einsatz von mindestens 5 100 Einheiten von Munition mit abgereichertem Uran durch die US- Armee im November 2015 in Syrien (www.uranmunition.org/die-usabestaetigen -dass-sie-abgereichertes-uran-in-syrien-verschossen-haben/)? Der Bundesregierung ist die diesbezügliche Presseberichterstattung bekannt. Darüber hinaus liegen ihr keine eigenen Erkenntnisse vor. 2. Zu welchem Zeitpunkt und auf welchem Wege hat die Bundesregierung über den Einsatz von Munition mit abgereichertem Uran durch die US-Armee im November 2015 in Syrien Kenntnis erhalten? Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. 3. Welche weiteren Einsätze von Munition mit abgereichertem Uran durch die US-Armee seit 1. Januar 2014 sind der Bundesregierung bekannt (weltweit)? Der Bundesregierung liegen dazu keine eigenen Erkenntnisse vor. 4. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über den Einsatz von Munition mit abgereichertem Uran im Syrien-Krieg sowie im Irak seit 1. Januar 2014, unabhängig davon, welche Armee oder Miliz sie einsetzt? Über den Einsatz dieser Waffen in Syrien und dem Irak liegen der Bundesregierung keine eigenen Erkenntnisse vor. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/10623 5. Welche Rolle hat der Einsatz von Munition mit abgereichertem Uran durch die US-Armee im November 2015 in Syrien bei den Gesprächen zwischen Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel und US-Präsident Barack Obama im November 2016 in Berlin gespielt? Zu Inhalten vertraulicher Gespräche der Bundeskanzlerin und von Mitgliedern des Bundeskabinetts mit Vertretern ausländischer Regierungen äußert sich die Bundesregierung grundsätzlich nicht. 6. Inwieweit hat die Bundesregierung in bilateralen Gesprächen, auf NATOund UN-Ebene, sowie im Kreise der Teilnehmer-Staaten der „Operation Inherent Resolve“ den Einsatz von Munition mit abgereichertem Uran durch die US-Armee im November 2015 in Syrien thematisiert? Der Bundesregierung liegen keine eigenen Erkenntnisse über einen solchen Einsatz vor. Dementsprechend war dieser auch nicht Thema von Gesprächen. 7. Welche Entschädigungsleistungen an die syrische Zivilbevölkerung plant die US-Regierung nach Kenntnis der Bundesregierung aufgrund der zu erwartenden Probleme in den Bereichen Umwelt und Gesundheit (https:// nwoobserver.wordpress.com/2009/11/15/huge-rise-in-birth-defects-in-falluja/), und inwieweit wird sich US-Bündnispartner Deutschland an dieser Entschädigung bzw. an Hilfsmaßnahmen beteiligen? Der Bundesregierung liegen keine eigenen Erkenntnisse über diesbezügliche Pläne vor. 8. Kann die Bundesregierung ausschließen, dass Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr im Rahmen ihres Einsatzes in der Türkei und in Syrien („Operation Inherent Resolve“) mit abgereichertem Uran in Kontakt kommen, bereits in Kontakt gekommen sind bzw. noch Kontakt haben werden? Der Bundesregierung liegen keine Informationen über Kontakte von Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr mit abgereichertem Uran im Rahmen ihres Einsatzes im Rahmen der Operation Inherent Resolve vor. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 9 verwiesen. 9. Welche Maßnahmen ergreift die Bundeswehr zum Schutz der Bundeswehrangehörigen vor abgereichertem Uran im Rahmen von „Operation Inherent Resolve“? Bundeswehrangehörige werden in der lehrgangsgebundenen einsatzlandspezifischen Ausbildung über möglicherweise zu treffende Schutzmaßnahmen unterrichtet . 10. Wie bewertet die Bundesregierung ihr Abstimmungsverhalten im Ersten Ausschuss zu Abrüstungs- und Fragen der internationalen Sicherheit der UN-Generalversammlung am 1. November 2016 angesichts des neuerlichen Bekanntwerdens eines Einsatzes von Uranmunition (www.irinnews.org/ analysis/2016/10/06/exclusive-iraq-war-records-reignite-debate-over-us-usedepleted -uranium)? Die von Indonesien und den anderen Staaten im Jahr 2016 in die VN-Generalversammlung eingebrachte Resolution zu den „Auswirkungen des Einsatzes von Waffen und Munition, die abgereichertes Uran enthalten“ konnte durch die Bundesregierung nicht unterstützt werden, da sie den aktuellen Forschungsstand zum Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/10623 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Thema (u. a. aus Untersuchungen des Umweltprogramms der Vereinten Nationen , der Internationalen Atomenergiebehörde, der Weltgesundheitsorganisation und der Europäischen Union) nicht angemessen widerspiegelt. Auch die Kernaussage des Berichtes des Wissenschaftlichen Ausschusses der Vereinten Nationen zur Untersuchung der Auswirkungen der atomaren Strahlung von Anfang Juli 2016 (Dokumentnummer A/71/46), dass Reste von abgereichertem Uran in der Umwelt kein nachgewiesenes radiobiologisches Risiko für die Bevölkerung vor Ort darstellen, war in der Resolution nicht berücksichtigt worden. In den Verhandlungen konnte trotz der Bemühungen der Bundesregierung keine dem wissenschaftlichen Stand angemessene Darstellung erreicht werden. Aus diesem Grund hatte sich Deutschland bereits bei der Abstimmung zur Vorgängerresolution im Jahr 2014 enthalten und diese Position im Jahr 2016 ebenso wie andere EU-Partner beibehalten. 11. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus dem neuerlichen Bekanntwerden eines Einsatzes von Uranmunition für ihre künftige Positionierung zur Ächtung von Munition mit abgereichertem Uran? Die Bundesregierung nimmt die sachliche Auseinandersetzung um mögliche Auswirkungen des Einsatzes von Munition mit abgereichertem Uran sehr ernst und verfolgt Forschungsergebnisse renommierter Wissenschaftler und unabhängiger Forschungsinstitute hierzu aufmerksam. Das Institut für Radiobiologie der Bundeswehr wertet mit Partnerforschungseinrichtungen fortlaufend aktuelle Publikationen zu diesem Thema aus. Auf der Grundlage dieser Studien liegt bisher kein wissenschaftlicher Beweis zur erhöhten Schädlichkeit von abgereichertem Uran für die Bevölkerung vor. Daher sieht die Bundesregierung aktuell keinen Anlass, ihre Positionierung zu ändern. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333