Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 13. Dezember 2016 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 18/10687 18. Wahlperiode 15.12.2016 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Annette Groth, Inge Höger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/10464 – Absprachen mit Dänemark zur Veränderung der „Konvention zur Verhinderung von Staatenlosigkeit“ und der Europäischen Menschenrechtskonvention V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Europaweit erleben wir im Zusammenhang mit dem Aufstieg des sog. Rechtspopulismus eine Verschärfung von Gesetzen, die die Rechte von Flüchtlingen und Migranten betreffen. Insbesondere im Kontext des bevorstehenden dänischen Vorsitzes im Ministerkomitee des Europarats ab November 2017 existieren nach Kenntnis der Fragesteller Projekte zur Änderung internationaler Konventionen, wie dem „Übereinkommen zur Verhinderung von Staatenlosigkeit “ der Organisation der Vereinten Nationen (UNO) und einer Veränderung der Interpretation der „Europäischen Menschenrechtskonvention“ (EMRK). Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) führt zurzeit eine Kampagne zur „Beendigung von Staatenlosigkeit“ bis zum Jahr 2024 durch (www.unhcr.org/ibelong-campaign-to-end-statelessness.html). Der ehemalige Hochkommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge, António Guterres, charakterisiert Staatenlosigkeit als „eine tiefgehende Verletzung der Menschenrechte einer Person“ (www.refworld.org/docid/545b47d64.html). Nach Angaben der Vereinten Nationen (VN) sind weltweit mindestens 10 Millionen Menschen von Staatenlosigkeit betroffen (www.unhcr.org/stateless-people.html). Im Jahr 1961 wurde aufgrund der Lage der Staatenlosen ein „Übereinkommen zur Verhinderung von Staatenlosigkeit“ erreicht. Diesem Übereinkommen sind 66 Nationen, darunter Dänemark und die Bundesrepublik Deutschland, beigetreten. Am 10. November 2016 verkündete die dänische Ausländer-, Integrations- und Wohnungsministerin Inger Støjberg im Rahmen einer Ausschusssitzung im dänischen Parlament, dass sich die dänische Regierung an neun weitere Regierungen gewandt hätte, um eine Änderung des „Übereinkommens zur Verhinderung von Staatenlosigkeit“ zu erreichen (www.ft.dk/webtv/video/20161/uui/td. 1349271.aspx?as=1). Weiterhin hat die dänische Regierung nach eigenen Angaben eine „Taskforce“ aus Beamten des Justizministeriums und des Außenministeriums berufen, um bis November 2017 die übrigen 46 Mitgliedstaaten des Europarats zu kontaktieren , mit dem Ziel, eine restriktivere Migrationspolitik möglich zu machen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/10687 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Dabei soll es um eine grundsätzliche Änderung der EMRK gehen. Zudem sollen nach Medienberichten die Befugnisse des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg eingeschränkt werden (http://politiken.dk/ indland/ECE3464102/ny-task-force-skal-udfordre-konventioner/). V o r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Zum dänischen Vorsitz im Ministerkomitee des Europarats, der von November 2017 bis Mai 2018 dauern wird, weist die Bundesregierung darauf hin, dass es übliche Praxis ist, dass die Mitgliedstaaten zu ihren geplanten Vorsitzprogrammen im Vorfeld andere Mitgliedstaaten konsultieren. Sondierungsgespräche zur Vorbereitung einer Präsidentschaft durch einen Mitgliedstaat sind insofern ein normaler Vorgang. Zum Hintergrund der vorbereitenden Arbeiten des dänischen Vorsitzes sei mit Blick auf den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) und das Schutzsystem der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) darauf hingewiesen , dass im Europarat seit langer Zeit eine Reformdiskussion geführt wird, die in einer Reihe von Regierungskonferenzen ihren Niederschlag fand (Konferenzen von Interlaken 2010, Izmir 2011, Brighton 2012 und Brüssel 2015). Die in diesem Kontext geführten Debatten, die auf der Internetseite des Europarates umfassend dokumentiert sind, haben unter anderem zur Ausarbeitung der Protokolle Nr. 14 und Nr. 15 und des Fakultativprotokolls Nr. 16 zur EMRK geführt. Die Bundesregierung hat dabei stets die Position vertreten, dass sie für eine Stärkung des Konventionssystems und für den Schutz des Individualbeschwerderechts nach Artikel 34 EMRK eintritt. Anlässlich der letzten Regierungskonferenz von Brüssel 2015 hat die Bundesregierung deutlich gemacht, dass sie den dort gesetzten Fokus der Reformdebatte für richtig erachtet, der sich auf eine bessere Umsetzung der EMRK in den Mitglied -staaten richtete. Dieser Fokus hat sich zu Recht in der Abschlusserklärung der Konferenz von Brüssel ausgedrückt. Vor diesem Hintergrund beantwortet die Bundesregierung die Fragen wie folgt: 1. War Deutschland unter den neun, nach Angaben der dänischen Ausländer-, Integrations- und Wohnungsministerin Inger Støjberg bezüglich der Veränderung des „Übereinkommens zur Verhinderung der Staatenlosigkeit“, kontaktierten Länder (www.ft.dk/webtv/video/20161/uui/td.1349271.aspx? as=1)? a) Falls ja, was war dabei die Haltung der Bundesregierung? b) Falls ja, was waren Inhalt und Ergebnis der Konsultation? c) Gab es nach Kenntnis der Bundesregierung entsprechende Konsultationen zwischen Dänemark und anderen EU-Mitgliedstaaten, und wenn ja, mit welchen? Die Fragen 1 bis 1c werden gemeinsam beantwortet. Nein. Außer der Beantwortung allgemeiner Fragen der dänischen Botschaft zur Anwendung und Auslegung des UN-Übereinkommens zur Verminderung der Staatenlosigkeit vom 30. August 1961 Anfang September 2016 gab es zu diesem Abkommen keine Kontakte mit der dänischen Regierung. Die Bundesregierung hat keine Kenntnis über Konsultationen zwischen Dänemark und anderen EU- Mitgliedstaaten im Sinne der Fragestellung. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/10687 2. Hat die Bundesregierung Kenntnis über andere Länder, mit welchen die dänische Regierung in dem benannten Rahmen in Kontakt getreten ist? Falls ja, welche Erkenntnisse gibt es über die angesprochenen Themen? Nein. 3. Inwieweit gibt es Überlegungen in der Bundesregierung im Rahmen des dänischen Vorsitzes im Europarat auf weitere Verschärfungen des Asylrechts oder des Staatsbürgerschaftsrechts zu drängen? Es gibt keine Überlegungen der Bundesregierung, innerhalb des Europarats auf Verschärfungen des Staatsangehörigkeitsrechts oder des Asylrechts zu drängen. 4. Gibt es Überlegungen in der Bundesregierung zur Veränderung des „Übereinkommens zur Verhinderung der Staatenlosigkeit“? Falls ja, in welchem Rahmen, und in welche Richtung gehen diese? Nein. 5. Hat die Bundesregierung mit anderen EU-Staaten über eine Veränderung des „Übereinkommens zur Verhinderung von Staatenlosigkeit“ kommuniziert? Wenn ja, mit welchen Staaten, und welchem Ergebnis? Nein. 6. Wie viele Staatenlose leben in Deutschland? Zum Stichtag 31. Oktober 2016 waren ausweislich des Ausländerzentralregisters 21 826 Staatenlose in Deutschland aufhältig. 7. Wie hat sich die Bundesregierung bisher für das im Jahr 2014 vom UNHCR ausgegebene Ziel eingesetzt, dass es bis 2024 keine Staatenlosigkeit mehr geben soll, und welche weiteren Schritte gedenkt sie zukünftig zu gehen (www.unhcr.org/ibelong-campaign-to-end-statelessness.html)? In Deutschland geborene Staatenlose, die seit fünf Jahren rechtmäßig ihren dauernden Aufenthalt in Deutschland haben, sind auf Antrag einzubürgern, wenn der Antrag vor Vollendung des 21. Lebensjahres gestellt wird und sie nicht rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von fünf Jahren oder mehr verurteilt wurden. Für das Verfahren gelten die Vorschriften des Staatsangehörigkeitsgesetzes – StAG (vgl. Artikel 2 des Gesetzes zur Verminderung der Staatenlosigkeit ). Sonstige Staatenlose sind als staatsangehörigkeitsrechtlich schutzbedürftig anerkannt . Für sie gelten Einbürgerungserleichterungen (vgl. Nr. 8.1.3.1 der Vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Innern zum Staatsangehörigkeitsgesetz [VAH – StAG]). Darüber hinaus erwerben in Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern (dazu zählen auch Staatenlose) die deutsche Staatsangehörigkeit nach § 4 Absatz 3 StAG durch Geburt im Inland, wenn ein Elternteil seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und ein unbefristetes Aufenthaltsrecht besitzt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/10687 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 8. Was sind nach Kenntnis der Bundesregierung die Ziele der von der dänischen Ausländer-, Integrations- und Wohnungsministerin erwähnten „Task Force“? Nach Kenntnis der Bundesregierung hat das dänische Justizministerium unter Beteiligung des dänischen Außenministeriums eine Arbeitsgruppe bzw. „Taskforce“ eingerichtet, die an der Vorbereitung des dänischen Vorsitzes im Ministerkomitee des Europarats bzw. seines Vorsitzprogramms (November 2017 bis Mai 2018) mitwirken soll. 9. Welche Länder hat die dänische Regierung nach Kenntnis der Bundesregierung im Sinne der benannten „Taskforce“ kontaktiert, und welchen Inhalt hatten diese Gespräche? Nach Kenntnis der Bundesregierung soll es bereits Kontakte mit britischen Fachkollegen gegeben haben. Über den Inhalt dieser Gespräche und welche Gespräche es mit anderen Mitgliedstaaten des Europarats gegeben haben könnte, ist der Bundesregierung bisher nichts bekannt. 10. Gab es bisher Kontakte der Bundesregierung zur dänischen „Taskforce“ oder sind solche für die Zukunft vorgesehen (http://politiken.dk/indland/ECE 3464102/ny-task-force-skal-udfordre-konventioner/)? Am 1. Dezember 2016 wurde der Leiter der „Taskforce“ auf seine Bitte zu einem Gespräch mit der Beauftragten der Bundesregierung für Menschenrechtsfragen im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz empfangen, an dem auch ein Vertreter des Auswärtigen Amts teilnahm. a) Falls ja, was war Inhalt der Kontakte? In dem o. g. Gespräch am 1. Dezember 2016 erläuterte die dänische Seite erste Überlegungen der dänischen Regierung zum Programm des kommenden dänischen Vorsitzes im Ministerkomitee des Europarats, insbesondere inwieweit die bisherigen Reformdebatten zum EGMR und dem EMRK-Schutzsystem im Europarat fortgesetzt werden könnten. Über die eigentliche Ausrichtung soll dann offenbar im Lichte von Sondierungsgesprächen mit verschiedenen Mitgliedstaaten entschieden werden. Die Bundesregierung hat das Gespräch begrüßt und deutlich gemacht, dass sie wie bisher für eine Stärkung des EGMR und des EMRK- Schutzsystems eintrete. Sie hat betont, dass es aktuell besonders wichtig erscheine , dass es an diesem System keine Abstriche gebe und Risiken in diese Richtung zu vermeiden seien. b) Falls ja, war das „Übereinkommen zur Verhinderung von Staatenlosigkeit “ teil der Gespräche, und wie war die Position der Bundesregierung dazu? Das Übereinkommen wurde in dem Gespräch vom 1. Dezember 2016 nicht angesprochen . Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/10687 c) War eine Änderung der EMRK Thema? Falls ja, worum dreht sich das Änderungsprojekt, und welche Position hat die Bundesregierung in diesem Rahmen vertreten? Eine Änderung der EMRK war insoweit Thema, als das noch anstehende Inkrafttreten des 15. Zusatzprotokolls und des Fakultativprotokolls Nr. 16 zur EMRK angesprochen wurde (s. Vorbemerkung der Bundesregierung). Die Bundesregierung hat deutlich gemacht, wie in der Antwort zu Frage 10a dargestellt, dass sie wie bisher für eine Stärkung des EGMR und des EMRK-Schutzsystems eintritt. 11. Gibt es Konsultationen der Bundesregierung mit Dänemark oder anderen EU-Staaten zur Veränderung der Interpretation der EMRK? Falls ja, in welchem Sinne? Nein. Die Interpretation der EMRK erfolgt nach Artikel 32 Absatz 1 EMRK durch den EGMR. Hinsichtlich eventueller Konsultationen mit anderen EU-Staaten liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. 12. Gibt es Konsultationen der Bundesregierung mit Dänemark oder anderen EU-Staaten zur Einschränkung der Interventionsmöglichkeiten des EGMR in die nationale Gesetzgebung? Nein. Hinsichtlich eventueller Konsultationen mit anderen EU-Staaten liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. 13. Haben Treffen der Bundesregierung mit Vertretern der dänischen Regierung betreffend der Vorbereitung des Vorsitzes im Europarat 2017 in Hinsicht auf mögliche Gesetzesverschärfungen, die Flucht und Migration betreffen, stattgefunden (falls ja, bitte ausführlich erläutern)? Nein. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333