Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 20. Dezember 2016 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 18/10742 18. Wahlperiode 21.12.2016 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/10576 – Registrierte Flüchtlinge aus der Türkei und ihre Asylersuchen V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Laut einem Bericht des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hat sich die Zahl der Asylsuchenden aus der Türkei im Jahr 2016 massiv erhöht. Von Januar bis Oktober 2016 sollen 4 437 Menschen aus der Türkei einen solchen Antrag gestellt haben. Im Vergleich dazu beliefen sich demnach die Zahlen für 2015 auf 1 767 registrierte Flüchtlinge aus der Türkei (www.spiegel.de/politik/ deutschland/tuerkei-immer-mehr-menschen-beantragen-asyl-in-deutschland-a- 1121874.html). Insbesondere vor dem Hintergrund des EU-Türkei-Abkommens , in dem die Türkei als ein angeblich sicheres Drittland für Flüchtlinge ausgewiesen wird, aber auch bezüglich der engen bilateralen Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei werfen diese Zahlen Fragen auf. 1. Womit stehen die gestiegenen EASY-Registrierungszahlen (EASY – Erstverteilung der Asylbegehrenden) von Geflüchteten aus der Türkei nach Einschätzung der Bundesregierung im Zusammenhang? Der Bundesregierung liegen hierzu keine gesicherten Erkenntnisse vor. Bei der Registrierung im EASY-System werden Motive oder Gründe der Asylsuchenden nicht erfasst. Spekulationen zu möglichen Ursachen für den Anstieg der Zahlen nimmt die Bundesregierung nicht vor. 2. Wie viele Geflüchtete aus der Türkei haben von Januar bis Ende November 2016 Asyl beantragt (bitte nach Monaten auflisten und jeweils den Anteil kurdischer Volkszugehöriger benennen)? Vom 1. Januar bis 30. November 2016 haben 5 166 türkische Staatsangehörige in Deutschland einen formellen Asylantrag gestellt. Der Anteil kurdischer Volkszugehöriger betrug 76,4 Prozent. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/10742 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Eine Aufgliederung nach Monaten kann der nachfolgenden Tabelle entnommen werden: Asylanträge türkischer Staatsangehöriger darunter: Anteil kurdischer Volkszugehöriger in % Jan-Nov 16* 5.166 78,4 Jan 16 119 79.8 Feb 16 226 87,2 Mrz 16 198 86,4 Apr 16 306 86,9 Mai 16 330 85,8 Jun 16 485 93,0 Jul 16 550 87,6 Aug 16 762 85,2 Sep 16 696 75,6 Okt 16 597 58,8 Nov16 702 58,7 * Hinweis: die Monatswerte enthalten keine nachträglichen Berichtigungen. Diese sind nur in den kumulierten Gesamtwerten des Zeitraumes Jan. bis Nov. 2016 enthalten. Deshalb weichen ggf. addierte Monatswerte von den tatsächlichen Gesamtwerten ab. 3. Wie viele Asylsuchende aus der Türkei wurden zwischen Januar und Ende November 2016 im EASY-System zur Erstaufteilung der Geflüchteten auf die Bundesländer registriert (bitte nach Monaten auflisten)? Vom 1. Januar bis 30. November 2016 wurden 4 187 türkische Staatsangehörige in Deutschland im EASY-System registriert. Eine Aufgliederung nach Monaten kann der nachfolgenden Tabelle entnommen werden: EASY-Zugang nach Monaten Jan-Nov16 4.187 Jan 16 328 Feb 16 322 Mrz 16 352 Apr 16 336 Mai 16 317 Jun 16 308 Jul 16 275 Aug 16 375 Sep 16 446 Okt 16 485 Nov16 643 Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/10742 4. Wie viele Personen aus der Türkei haben nach Kenntnis der Bundesregierung von Januar bis Ende November 2016 in anderen EU-Staaten Asyl beantragt (bitte nach Land und Anzahl aufschlüsseln)? Angaben zu anderen EU-Staaten im Sinne der Frage sind u. a. über die Datenbank von EUROSTAT (Statistisches Amt der Europäischen Union) öffentlich zugänglich . Darüber hinausgehende Angaben liegen der Bundesregierung nicht vor. 5. Inwieweit, zu welchem Zeitpunkt, und mit welchem Ergebnis war der Umgang mit Asylbegehren von Personen aus der Türkei im Jahr 2016 Thema innerhalb welcher EU-Gremien, und welche Position hat die Bundesregierung dabei vertreten? Die Europäische Kommission hat am 9. September 2015 einen Vorschlag über eine gemeinsame EU-Liste sicherer Herkunftsstaaten vorgelegt, die neben den Westbalkan-Staaten auch die Türkei enthält. Der Rat und das Europäische Parlament beraten derzeit im Trilog eine Änderung der Asylverfahrensrichtlinie (RL 2013/32/EU) zur Einführung einer EU-weiten Liste sicherer Herkunftsstaaten . Bisher beschränken sich die Verhandlungen auf die erforderlichen Anpassungen des Rechtstextes. Die Vorschläge für die konkrete Ausgestaltung der Länderliste (Türkei und Westbalkanstaaten) selbst waren bisher aus den Verhandlungen ausgeklammert. Das in diesem Zusammenhang angeforderte EASO-Gutachten zu den vorgeschlagenen Staaten liegt seit dem 16. November 2016 vor und wurde am 22. November 2016 in der Ratsarbeitsgruppe Asyl vorgestellt. Die Bundesregierung wird in Abhängigkeit von der Entwicklung in der Türkei in enger Abstimmung mit den europäischen Partnern und den EU-Institutionen über ihre weitere Haltung zur Einbeziehung der Türkei in eine künftige gemeinsame EU-Liste sicherer Herkunftsstaaten entscheiden. 6. Wie waren die Asylentscheidungen in den Jahren 2014 und 2015 bzw. im bisherigen Jahr (bis inklusive November 2016, bitte für das Jahr 2016 auch nach Monaten auflisten und für alle Jahre jeweils getrennt die Werte für kurdische Volkszugehörige angeben) in absoluten und relativen Zahlen (bitte jeweils nach Asylentscheidung bzw. gewährtem Status differenzieren und die bereinigte Gesamtschutzquote angeben)? Die nachfolgende Tabelle weist alle Asylentscheidungen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge zu türkischen Asylbewerbern für die erfragten Zeiträume aus, auch den Anteil der positiven Entscheidungen (Asyl-/Flüchtlingsanerkennung /subsidiärer Schutz/Abschiebungsverbot) an allen Entscheidungen. Mögliche weitere Quoten können ggf. aus den Daten der Tabelle ermittelt werden : Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/10742 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode davon: Asylentscheidungen des BAMF Asylentschei - dungen Anerkennung als Asylberech - tigte Anerkennungen als Flüchtling nach § 3 AsylG Gewährung von subsidiärem Schutz nach § 4 AsylG Feststellung eines Abschiebungs - verbots nach § 60 V/VII AufenthG Anteil der positiven Entscheidungen an allen Entschei - dungen (in Prozent) Ablehnungen sonstige Verfahrens - erledigungen (Einstellungen , Dublin - Verfahren) Jahr 2014 1.168 21 65 24 19 11,0 546 493 dar. Kurden 970 18 51 14 11 9,7 467 409 Jahr 2015 887 17 81 19 13 14,7 265 492 dar. Kurden 730 14 68 15 10 14,7 210 413 Jan-Nov 2016* 1.482 6 72 20 15 7,6 531 838 dar. Kurden* 1223 1 63 12 14 7,4 433 700 Jan 16 107 2 4 1 2 8,4 54 44 Feb 16 59 0 5 0 1 10,2 26 27 Mrz 16 61 0 2 0 0 3,3 20 39 Apr 16 68 0 3 0 0 4,4 25 40 Mai 16 65 0 2 0 0 3,1 23 40 Jun 16 144 0 6 2 5 9,0 74 57 Jul 16 138 0 5 1 2 5,8 49 81 Aug 16 155 2 7 2 2 8,4 42 100 Sep 16 142 0 4 4 0 5,6 19 115 Okt 16 190 1 13 2 1 8,9 46 127 Nov16 364 1 22 7 2 8,8 157 175 * Hinweis: die Monatswerte enthalten keine nachträglichen Berichtigungen. Diese sind nur in den kumulierten Gesamtwerten des Zeitraumes Jan. bis Nov. 2016 enthalten. Deshalb weichen ggf. addierte Monatswerte von den tatsächlichen Gesamtwerten ab. 7. Inwiefern können nach Kenntnis der Bundesregierung Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des BAMF eine Zuordnung von bei der Anhörung vorgebrachten Verfolgungsgründen der Asylsuchenden aus der Türkei nach – auch vermeintlichen – politischen Spektren treffen (z. B.: Gülen Bewegung, kurdisches Spektrum, linkes bzw. sozialistisches Spektrum, kemalistisches Spektrum )? Die Asylgründe werden im Bundesamt statistisch nicht erfasst, daher erfolgt auch keine Aufschlüsselung im Sinne der Fragestellung. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/10742 8. Inwiefern kann nach Kenntnis der Bundesregierung das Bundesamt für Verfassungsschutz , der Bundesnachrichtendienst oder das Bundeskriminalamt eine Zuordnung von bei der Anhörung vorgebrachten Verfolgungsgründen der Asylsuchenden aus der Türkei nach – auch vermeintlichen – politischen Spektren treffen; z. B. Gülen Bewegung, kurdisches Spektrum – HDP, DBP, PKK, KCK –, linkes bzw. sozialistisches Spektrum – MLKP, ESP, TKP- ML, DHKP-C, Halk Cephesi etc., kemalistisches Spektrum einschließlich der CHP (bitte auch falls eine teilweise Zuordnung möglich ist, diese angeben und aufschlüsseln)? Die Sachverhaltsaufklärung im Asylverfahren obliegt dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (§ 24 Absatz 1 Satz 1 des Asylgesetzes). Nur in konkreten Einzelfällen gibt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) Erkenntnisse aus dem Asylverfahren (§§ 18 Absatz 1a des Gesetzes über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz [BVerfSchG] 8 Absatz 1 des Gesetzes über den Bundesnachrichtendienst [BNDG]und 10 Absatz 1 des Gesetzes über den militärischen Abschirmdienst [MADG]) an die Nachrichtendienste weiter . Eine Zuordnung der Asylsuchenden durch das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV), den Bundesnachrichtendienst (BND) oder des Bundeskriminalsamts (BKA) im Sinne der Fragestellung wird nicht vorgenommen. 9. Welche Angaben kann die Bundesregierung zu den angegebenen häufigsten Fluchtgründen von Asylsuchenden aus der Türkei im Verlauf der letzten beiden Jahre bzw. aktuell nach dem gescheiterten Putsch Mitte Juli 2016 machen ? Es wird auf die Antwort zu Frage 7 verwiesen. 10. Kann die Bundesregierung eine Aufschlüsselung der innerhalb der letzten zwei Jahre nach Deutschland geflüchteten türkischen Staatsbürger nach Berufsgruppen darlegen (falls ja, bitte ausführlich, auch unvollständige Angaben bitte anführen)? Wie wird nach Kenntnis der Bundesregierung nach geltendem Recht über Asylanträge von türkischen Geflüchteten, die im Zentrum der aktuellen „Säuberungswelle“ des türkischen Staates infolge des gescheiterten Putsches stehen, entschieden? Eine Aufschlüsselung nach den Tätigkeitsbereichen der Asylerstantragsteller ist anhand der sogenannten SoKo-Daten („soziale Komponente“) möglich. Diese werden während der Asylerstantragstellung von volljährigen Personen mit Hilfe von Dolmetschern durch das BAMF auf freiwilliger Basis erhoben. Die SoKo- Daten sind eine reine Verwaltungsstatistik und erheben keinen wissenschaftlichen Anspruch. Es ist nicht auszuschließen, dass vermeintlich erwünschte Antworten gewählt werden und/oder die vorgegebenen Kategorien zwischen dem Herkunftsland und Deutschland nicht unmittelbar vergleichbar sind. Anhand der Frage „Welchen Beruf übten Sie als letztes aus?“ ist ein grober Überblick über die Qualifikationsstruktur der Schutzsuchenden möglich. Schlüsse auf die konkrete Position und das Qualifikationsniveau lassen sich hieraus nicht ziehen . Die Befragten wählen ihre Antwort aus 33 vorgegebenen Berufskategorien bzw. Branchenbezeichnungen sowie den Kategorien „ohne Arbeit“ und „Hausfrau , Rentner, Schüler, Student“. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/10742 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Die folgende Auswertung bezieht sich auf türkische Staatsangehörige im Alter von 18 Jahren und älter, die im Zeitraum 1. Januar 2015 bis 30. November 2016 einen Asylerstantrag beim BAMF gestellt haben. Teil der Auswertung sind die 33 Berufskategorien. Weitere 654 Personen gaben an, zuletzt im Bereich „Hausfrau , Rentner, Schüler, Student“ tätig gewesen zu sein. 270 Personen erklärten, sie seien zuletzt „ohne Arbeit“ gewesen. Rang Beruf/Branche Anzahl Anteil in Prozent 1 Landwirtschaft 307 12,1 2 Handwerk 279 11,0 3 Baugewerbe 270 10,6 4 Dienstleistungen 252 9,9 5 Hotel- und Gaststättengewerbe 210 8,3 6 Hilfstätigkeiten 155 6,1 7 Lehrende Berufe 120 4,7 8 Groß- und Einzelhandel 118 4,6 9 Nahrungsmittelverarbeitung 87 3,4 10 Künstlerisches, Mode 82 3,2 Andere 659 26,0 Summe 2539 100,0 Türkische Staatsangehörige können in Deutschland mit dem Asylantrag die Anerkennung als Asylberechtigter sowie internationalen Schutz beantragen. Bei jedem Asylantrag wird unabhängig vom Herkunftsland im Einzelfall geprüft, inwieweit ein Asylgrund vorliegt. Gemäß § 24 Absatz 1 Satz 1 des Asylgesetzes klärt das Bundesamt den Sachverhalt und erhebt die erforderlichen Beweise. Der jeweilige Entscheider des BAMF trifft seine Entscheidung über den Antrag aufgrund einer Gesamtschau aller relevanten Erkenntnisse, insbesondere der Erkenntnisse aus der persönlichen Anhörung. Im Rahmen der Anhörung muss der Schutzsuchende gemäß § 25 Absatz 1 Satz 1 des Asylgesetzes selbst die Tatsachen vortragen, die seine Furcht vor Verfolgung oder die Gefahr eines ihm drohenden ernsthaften Schadens begründen, und die erforderlichen Angaben machen. 11. Inwieweit ist nach Ansicht der Bundesregierung in diesen Fällen die Gefahr einer Verfolgung oder unmenschlicher Behandlung oder sonstiger Gefährdungen zu bejahen? Auf den zweiten Teil der Antwort zu Frage 10 wird verwiesen. 12. Inwieweit und auf welche Weise nimmt die Bundesregierung auf Asylverfahren Einfluss, bei denen eine Asylanerkennung zu diplomatischen Verwicklungen führen könnte (z. B. hohe Militärangehhörige, hochrangige oder gesuchte Gülen-Anhänger, PKK-Angehörige)? Die Bundesregierung nimmt keinen Einfluss auf einzelne Asylverfahren. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/10742 13. Ist der Bundesregierung die Zahl der Binnenflüchtlinge innerhalb der Türkei bekannt, insbesondere für die Jahre 2015 und 2016? Die Bundesregierung verfügt über keine eigenen Erkenntnisse zur Zahl der Binnenflüchtlinge innerhalb der Türkei. a) Wie ist deren Lage? Aus verschiedenen Quellen ergibt sich, dass die Lage der Binnenflüchtlinge problematisch ist. So gebe es von verschiedenen Seiten zwar Unterstützungsangebote für die Binnenflüchtlinge, jedoch seien zuletzt einige finanzielle Hilfen ausgeblieben , nachdem viele Kommunen im Südosten vom türkischen Innenministerium unter Zwangsverwaltung gestellt wurden und einige humanitäre Nichtregierungsorganisationen im Rahmen von Notstands-Dekreten geschlossen wurden. b) Inwieweit und aufgrund welcher Kenntnisse geht die Bundesregierung von einer baldigen Rückkehr der Binnenflüchtlinge in ihre Heimatorte, einem Verbleib an ihren gegenwärtigen Aufenthaltsorten oder einer weiteren Flucht ins Ausland aus? Die Aufhebung vieler Ausgangssperren im kurdisch geprägten Südosten ermöglicht grundsätzlich die Rückkehr an viele Heimatorte. Allerdings ist die Rückkehrperspektive unklar für Binnenflüchtlinge, deren Wohnungen und Häuser im Zuge der Kampfhandlungen oder durch den Abriss von Gebäuden nach Ende der Kampfhandlungen zerstört wurden. Alle Gesprächspartner und auch Amnesty International weisen darauf hin, dass die überwiegende Mehrheit der Binnenflüchtlinge in ihrer Heimatregion geblieben sei. Es habe bislang kaum Abwanderung in westliche Großstädte der Türkei gegeben und auch kaum ins Ausland. 14. Welche Prognosen hat die Bundesregierung zur weiteren Entwicklung der Zahl Asylsuchender aus der Türkei für das Jahr 2016 bzw. 2017, und aus welchen Quellen speisen sich diese Vorhersagen bzw. welche Annahmen und Faktoren spielen nach Auffassung der Bundesregierung hierbei eine Rolle (bitte ausführen)? Die Bundesregierung gibt keine Prognosen zu möglichen Zahlen von Asylsuchenden aus der Türkei ab. 15. Wie beurteilt die Bundesregierung die Lage von Flüchtlingen in der Türkei, insbesondere vor dem Hintergrund der Aussagen von Amnesty International, „die Unterbringung und der Zugang zu Nahrungsmitteln, Bildung, Gesundheitsversorgung und Arbeit ist schwieriger geworden, da in Städten lebende Flüchtlinge kaum staatliche Unterstützung erhalten. Die Unterbringung muss von ihnen selbst finanziert werden“ (www.amnesty.de/2016/6/3/tuerkeiungenuegender -schutz-fuer-fluechtlinge)? Nach VN-Angaben sind derzeit 2,76 Millionen syrische und ca. 286 000 Flüchtlinge und Migranten anderer Nationalitäten in der Türkei registriert. Syrer erhalten in der Türkei einen temporären Schutzstatus („temporary protection“), Nicht- Syrer können einen Antrag auf internationalen Schutz („international protection“) stellen. Damit sind jeweils ein Aufenthaltsrecht in der Türkei sowie ein Zugang zu grundlegenden Rechten wie Gesundheit, Bildung und ein Zugang zum Arbeitsmarkt verbunden. In wirtschaftlicher Hinsicht leben viele Flüchtlinge und Migranten in schwierigen Verhältnissen. Sie werden sowohl von der türkischen Regierung als auch von internationalen Gebern, türkischen und internationalen Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/10742 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Nichtregierungsorganisationen unterstützt. Nach eigenen Angaben hat die türkische Regierung bislang mehr als 12 Mrd. US-Dollar für Hilfsmaßnahmen ausgegeben . Deutschlands Beitrag für syrische Flüchtlinge und Aufnahmegemeinden in der Türkei seit dem Jahr 2012 beläuft sich auf rd. 270 Mio. Euro, hiervon rund 136,5 Mio. Euro für Maßnahmen der humanitären Hilfe sowie BMZ-Mittel i. d. H. v. 136,2 Mio. Euro für mittel- bis langfristige Maßnahmen, insbesondere für Schulen, Berufsbildung, Gemeindezentren und zur Beschäftigungsförderung. Schwerpunkte der humanitären Hilfe liegen in den Bereichen Ernährung, Wintervorsorge und medizinische Versorgung. Die EU hat im Rahmen der Flüchtlingsfazilität 3 Mrd. Euro zur Verbesserung der Lebenssituation von Flüchtlingen und Migranten in der Türkei bereitgestellt. Mit dem „Emergency Social Safety Net“ i. H. v. 348 Mio. Euro legt die Europäische Union (EU) in der Türkei gegenwärtig das größte humanitäre Hilfsprogramm in ihrer Geschichte auf. 16. Inwieweit hat die Bundesregierung Kenntnis über Proteste und Aufstände in Flüchtlingslagern in der Türkei, was weiß sie über den Hintergrund dieser Vorkommnisse, und welche Schlussfolgerungen zieht sie diesbezüglich hinsichtlich der Einschätzung der Türkei als angeblich sicherer Drittstaat (bitte ausführen)? Die Bundesregierung hat keine Erkenntnisse über Proteste und Aufstände in Flüchtlingslagern in der Türkei. 17. Inwieweit hat die Bundesregierung Berichte von Amnesty International über – fast tägliche – völkerrechtswidrige Abschiebungen von Flüchtlingen durch die Türkei bzw. über völlig unzureichende Bedingungen für Asylsuchende in der Türkei (www.amnesty.de/2016/6/3/tuerkei-ungenuegenderschutz -fuer-fluechtlinge) geprüft bzw. bestätigen können, was hat sie diesbezüglich unternommen, und welche Schlussfolgerungen hat sie hieraus gezogen , insbesondere in Hinblick auf die Einschätzung der Türkei als angeblich sicherer Drittstaat im Kontext des EU-Türkei-Abkommens (bitte zu beiden Berichten getrennt und differenziert antworten und gegebenenfalls besondere Ausführungen dazu machen, warum den Berichten von Amnesty International gegebenenfalls nicht nachgegangen wurde oder warum die Bundesregierung gegebenenfalls der Auffassung ist, dass diese Berichte anzuzweifeln sind)? Die Bundesregierung geht Berichten zu Abschiebungen von Asylsuchenden und zu den Lebensbedingungen in der Türkei regelmäßig nach. Dazu führt sie Gespräche mit der türkischen Regierung, Menschenrechts- und Hilfsorganisationen, den VN und der Europäischen Kommission. Die Türkei veröffentlicht allerdings keine Zahlen zu Abschiebungen. Die Berichte von Amnesty International konnten bislang nicht verifiziert werden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/10742 18. Inwieweit und mit welchen Mitteln kontrolliert die Bundesregierung, inwieweit die im Rahmen des EU-Türkei-Abkommens vereinbarte Einhaltung „einschlägiger internationaler Standards“ bezüglich der zurückgeschobenen Flüchtlinge eingehalten werden (Schriftliche Frage 12 der Abgeordneten Ulla Jelpke auf Bundestagsdrucksache 18/10443), und inwiefern beinhalten diese Standards auch Minimalanforderungen in Bezug auf die menschenwürdige Unterbringung, Versorgung, Gesundheitsversorgung und die Rechtssicherheit (bitte ausführen)? Die Bundesregierung informiert sich regelmäßig in Gesprächen mit den VN, Menschenrechts- und Hilfsorganisationen und der Europäischen Kommission über die Schutzstandards in die Türkei zurückgeführter Flüchtlinge und Migranten . Dabei sind auch die Lebensbedingungen der Flüchtlinge und Migranten Gegenstand der Gespräche. 19. Aus welchem Grund stellt die Aussage des UNHCR-Direktors Vincent Cochetal für die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die Schriftliche Frage 12 der Abgeordneten Ulla Jelpke auf Bundestagsdrucksache 18/10443 keinen ausreichenden Hinweis darauf dar, dass im Rahmen des EU-Türkei- Abkommens in die Türkei zurückverbrachte syrische Flüchtlinge dort keinerlei temporären Schutz erhalten hätten und dem Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) nach dem Putschversuch vom 15. Juli 2016 der Zugang zu Unterbringungen von Flüchtlingen in der Türkei verwehrt worden sei? Nach übereinstimmenden Angaben von UNHCR und der Europäischen Kommission haben von den 85 bis zum 27. November 2016 in die Türkei freiwillig zurückgekehrten syrischen Staatsangehörigen 75 Personen einen Antrag auf temporären Schutz gestellt. Alle Anträge wurden positiv beschieden. Die übrigen 10 syrischen Staatsangehörigen sind nach Syrien zurückgekehrt. UNHCR hat eigenen Angaben zufolge auch nach dem Putschversuch vom 15. Juli 2016 Zugang zu Flüchtlingslagern in der Türkei. 20. Für wie relevant hält die Bundesregierung Angaben des UNHCR und auf welche weiteren Quellen stützt sie sich bei ihrer Betrachtung der Lage der Flüchtlinge im Allgemeinen in der Türkei und im Speziellen der aus der EU Zurückgeschobenen? 21. Welche Anstrengungen hat die Bundesregierung unternommen, um die Aussagen des UNHCR-Europa-Direktors Vincent Cochetal (https://euobserver. com/migration/135279) zu überprüfen? Die Fragen 20 und 21 werden aufgrund des sachlichen Zusammenhangs gemeinsam beantwortet. Die Bundesregierung steht mit einer Vielzahl von staatlichen und zivilgesellschaftlichen Organisationen in Kontakt, die im Bereich der Flüchtlingshilfe tätig sind. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 19 verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/10742 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 22. Welche Einschätzung hat das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO) nach Kenntnis der Bundesregierung zu der Frage, ob die Türkei als sicherer Drittstaat angesehen werden kann, insbesondere nach dem gescheiterten Putsch vom Juli 2016, und falls eine solche Einschätzung nicht vorliegen sollte, warum setzt sich die Bundesregierung in den EU-Gremien nicht dafür ein, dass eine solche Analyse durch das EASO erstellt wird? EASO hat am 16. November 2016 einen umfangreichen Lagebericht zur Türkei vorgelegt. Das Mandat des EASO besteht darin, an der Umsetzung eines Gemeinsamen Europäischen Asylsystems mitzuwirken. Hierzu soll es als unabhängiges Kompetenzzentrum für Asylfragen Unterstützung leisten und die praktische Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten erleichtern, koordinieren und intensivieren . Politische und rechtliche Bewertungen sind von dem Mandat nicht umfasst . 23. Ist es zutreffend, dass sich die Bundesregierung in EU-Gremien über Berufungsentscheidungen in Griechenland beklagt, nach denen die Türkei im jeweiligen Einzelfall nicht als sicherer Drittstaat angesehen werden könne, weil dies eine schnelle Umsetzung der Vereinbarungen des EU-Türkei-Abkommens behindere (bitte ausführen und darlegen, welche Position die Bundesregierung zu dieser Frage vertritt), und falls dies zutrifft, wie ist dies damit vereinbar, dass rechtsstaatliche Verfahren und eine effektive Asylprüfung in jedem Einzelfall grundlegende Bestandteile des EU-Rechts sind und solche Prüfungen auch im Kontext des EU-Türkei-Abkommens zugesagt wurden? Die Bundesregierung kommentiert die Entscheidungen griechischer Behörden und Gerichte nicht. Gefordert wird allerdings seit längerem – so auch die Europäische Kommission – eine Beschleunigung der Asylverfahren, um die erhebliche Überbelegung in den Hotspots auf den griechischen Inseln zu reduzieren. In dem Zusammenhang unter-stützt die Bundesregierung Griechenland u. a. dadurch, dass sie nach entsprechenden Aufrufen durch EASO regelmäßig und im größeren Umfang als die anderen EU- Mitgliedstaaten Asylexperten in die griechischen Hotspots entsendet. 24. Inwieweit hält die Bundesregierung ihre noch im Juli 2016 und ausdrücklich im Widerspruch zum Flüchtlingskoordinator der Bundesregierung Peter Altmaier geäußerte Auffassung, die Türkei könne als sicherer Herkunftsstaat angesehen werden (Bundestagsdrucksache 18/9128, Antwort auf die Schriftliche Frage 14, S. 10), vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse zumindest im Rückblick für verfehlt, und inwieweit begründet diese nach Ansicht der Fragesteller bereits damals offenkundig falsche Einschätzung der Lage in der Türkei durch die Bundesregierung generelle Zweifel an der Verlässlichkeit solcher Einschätzungen bezüglich der vermeintlichen Sicherheit von Herkunftsstaaten (bitte ausführlich begründen)? Auf die Antwort zu Frage 5 wird verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333