Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur vom 22. Dezember 2016 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 18/10774 18. Wahlperiode 23.12.2016 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Stephan Kühn (Dresden), Dr. Valerie Wilms, Matthias Gastel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/10589 – Erfassung der Schwerstverletzten in der amtlichen Unfallstatistik V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die Reduzierung der Zahl der Schwerverletzten ist neben der Reduzierung der Anzahl der Getöteten im Straßenverkehr ein wichtiges Ziel der Verkehrssicherheitsarbeit des Bundes (vgl. Verkehrssicherheitsprogramm 2011, S. 24 und 56, und Halbzeitbilanz des Verkehrssicherheitsprogramms 2011, S. 14). Auch auf europäischer Ebene ist dieses Ziel anerkannt („Ein europäischer Raum der Straßenverkehrssicherheit: Leitlinien für die Politik im Bereich der Straßenverkehrssicherheit 2011-2020.“ KOM(2010) 389 endgültig). Zudem läuft derzeit eine Kampagne (http://etsc.eu/campaign-lets-go-for-a-european-target-toreduce -serious-road-injuries/) des Europäischen Verkehrssicherheitsrates ETSC mit dem Ziel, in der europäischen Verkehrssicherheitsarbeit ein quantitatives Reduktionsziel für die Zahl der Schwerverletzten festzulegen (vgl. http://etsc.eu/briefing-an-eu-target-to-reduce-seriously-injured-on-the-roads/). Entscheidend für eine passgenaue und zielgerichtete Bekämpfung von Straßenverkehrsunfällen ist die detaillierte Kenntnis der Unfallursachen und der Folgen. Bei Unfällen mit Personenschaden können unterschiedliche Verletzungsschweregrade auftreten, bis hin zum Tod. Derzeit werden in der amtlichen Verkehrsunfallstatistik in Deutschland drei Kategorien erfasst: „leicht verletzt“, „schwer verletzt“ und „getötet“. Aktuell werden Verkehrsunfallopfer dann als „schwer verletzt“ bezeichnet, wenn sie für mindestens 24 Stunden stationär in eine Klinik aufgenommen werden. Für den Bereich der Verletzten gibt es allerdings inzwischen Differenzierungsmöglichkeiten, die eine präzisere Verkehrsunfallstatistik und damit auch eine effizientere Verkehrssicherheitsarbeit ermöglichen würden. Diese Differenzierungen beruhen auf medizinische Verletzungsschwereskalen . Eine davon ist der Maximum Abbreviated Injury Severity Score (MAIS). Dieser wurde von der Europäischen Kommission als Basis für die Definition der sog. EU-Schwerverletzten gewählt. Demnach ist ein Unfallopfer laut EU-Definition „schwer verletzt“, das einen Verletzungsschweregrad ab MAIS 3 aufweist. Der Deutsche Verkehrssicherheitsrat e. V. (DVR) hat in Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/10774 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode einem Vorstandsbeschluss vom 19. April 2012 eine weitere Präzisierung vorgenommen : Als Untergruppe der „EU-Schwerverletzten“ könnten die „lebensgefährlich Verletzten“ herauskristallisiert werden, wenn neben der Ausprägung des Verletzungsschweregrades MAIS 3 eine intensivmedizinische Versorgung als Merkmalsausprägung hinzugenommen würde. Die Verkehrsministerkonferenz (VMK) hat in ihrer Tagung am 10./11. April 2013 unter Tagesordnungspunkt 6.2. einen Bericht des damaligen Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) zur Kenntnis genommen und beschlossen, die Einführung einer neuen Kategorie „Schwerstverletzte “ in der amtlichen Verkehrsunfallstatistik grundsätzlich zu unterstützen und die Einstufung von „Schwerstverletzten“ bei einem Verletzungsschweregrad von MAIS 3+ vorzusehen. Der neue Verletzungsschweregrad „Schwerstverletzte “ würde demnach der EU-Definition „Schwerverletzte“ entsprechen. Hiernach wurde dieser Beschluss der Innenministerkonferenz der Länder (IMK), der Justizministerkonferenz der Länder (JUMIKO) und der Gesundheitsministerkonferenz der Länder (GMK) zur Prüfung zugeleitet. Zwischenzeitlich haben sich alle drei Fachministerkonferenzen auf Basis von Berichten und Bewertungen ihnen untergeordneter Arbeitskreise und -gruppen gegen die Einführung einer neuen Kategorie ausgesprochen. 1. Stimmt die Bundesregierung weiterhin der Aussage zu, dass eine präzise Verkehrsunfallstatistik hinsichtlich der Verletzungsfolgen eine entscheidende Basis für zielgerichtete Verkehrssicherheitsarbeit darstellt? Wenn nein, warum nicht? Ja. 2. Sind die Forschungsprojekte des Bundes zu diesem Thema, die im Verkehrssicherheitsprogramm 2011 angekündigt wurden, zwischenzeitlich abgeschlossen ? Wenn ja, zu welchen Ergebnissen sind diese Forschungsprojekte gekommen, und wie bewertet die Bundesregierung diese? 3. Wo sind diese Ergebnisse veröffentlicht (wenn nein, bitte den aktuellen Sachstand erläutern und begründen)? 4. Hat die Bundesregierung zu der im Verkehrssicherheitsprogramm 2011 angekündigten Vereinheitlichung der Kategorien zwischenzeitlich einen konkreten Vorschlag erarbeitet? Wenn ja, wie lautet dieser? Wenn nein, warum nicht? 5. Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung zwischenzeitlich ergriffen, um sich für dieses Ziel einzusetzen? Hat die Bundesregierung andere Mitgliedstaaten der EU für dieses Ziel gewinnen können? Wenn ja, welche? Wenn nein, warum nicht? Die Fragen 2 bis 5 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Unter Mitwirkung von Deutschland hat die EU High Level Group “Road Safety” 2013 die Verwendung des Maximum Abbreviated Injury Scores (MAIS) mit einem Schwellenwert von MAIS3+ für „serious injuries“ festgelegt. Basierend auf Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/10774 dieser Definition waren alle Mitgliedstaaten dazu aufgefordert, erstmalig in 2015 Daten zur Anzahl der „seriously injured road users“ für das Jahr 2014 zu berichten . Damit ist sowohl die Unfallschwerekategorie „Getötet“ sowie „Schwerstverletzt “ definitorisch europaweit weitgehend vereinheitlicht. Eine Vereinheitlichung der leichteren Verletzungen ist nicht vorgesehen. Die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt), hat zur weiteren Bearbeitung eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe (AG „Serious Injuries“) eingerichtet. Ziel der AG ist es, sich mit der Definition für „Schwerstverletzte“ sowie der Art und dem Umfang der Erhebung von Schwerstverletztenzahlen zu befassen. 6. Wie viele Schwerstverletzte sind in Deutschland seit dem Jahr 2010 nach Kenntnis der Bundesregierung zu verzeichnen bzw. wurden der Europäischen Kommission gemeldet (bitte jahresweise angeben), und wie wurden die gemeldeten Zahlen ermittelt? 7. Wie ist die Anzahl der Schwerstverletzten für Deutschland nach Kenntnis der Bundesregierung berechnet worden, da dieses Merkmal derzeit im Rahmen der Verkehrsunfallaufnahme bzw. -sachbearbeitung nicht erfasst wird? Die Fragen 6 und 7 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Im Rahmen des GIDAS-Projektes erfolgt eine vertiefte Dokumentation der Unfallmerkmale in der Region Hannover und Dresden. Anhand eines statistischen Hochrechnungsverfahrens wurde die Zahl der Schwerstverletzten ermittelt. Danach betrug die Zahl der Schwerstverletzten in Deutschland für die Jahre 2014 und 2015 15 392 bzw. 15 442 (jeweils knapp 23 Prozent der Schwerverletzten). Diese Zahlen wurden entsprechend der Europäischen Kommission gemeldet. Für die Jahre 2010 bis 2013 liegen derzeit keine Informationen vor. 8. Unterscheiden sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Ergebnisse der Hochrechnungen, wenn Daten von GIDAS (German In-Depth Accident Study) oder des Trauma-Registers der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie e. V. verwendet werden? Wenn ja, warum, und auf welcher Datenbasis soll künftig die Anzahl ermittelt werden? Das TraumaRegister® DGU enthält auch Straßenverkehrsunfallopfer, die nicht polizeilich registriert wurden sowie solche, die nicht bei einem Straßenverkehrsunfall nach Definition des StVUnfStatG verunfallten (z. B. auf Privatgelände verunfallte Radfahrer oder Fußgängerstürze ohne Fahrzeugbeteiligung). Zur offiziellen Meldung der Zahl der Schwerstverletzten wird auch bis auf Weiteres die Zahl aus der GIDAS-Hochrechnung verwendet werden, da diese in Bezug auf die anderen Verletzungsschwerekategorien der amtlichen Unfallstatistik konsistent ist. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/10774 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 9. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Ablehnung einer Einführung einer neuen Kategorie durch die IMK, JUMIKO und GMK? Die insbesondere von der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder dargelegte Argumentation, dass der mit der Einführung des Merkmals „Schwerstverletzt“ verbundene Aufwand derzeit nicht im Verhältnis zum möglichen Informationszugewinn steht, wird seitens der Bundesregierung nicht in Frage gestellt. 10. Was hat die Bundesregierung getan, um die Fachministerkonferenzen von der Notwendigkeit der Einführung einer neuen Kategorie zu überzeugen? Auf Initiative des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) (ehem. BMVBS) wurden über die Verkehrsminister der Länder die Konferenzen der Innen-, Gesundheits- und Justizressorts dazu aufgefordert, die Rahmenbedingungen zu schaffen, um das Merkmal „schwerstverletzt“ nach der Abgrenzung MAIS3+ in die amtliche Straßenverkehrsunfallstatistik aufzunehmen. Dieser Vorgang wurde durch Gespräche bei der Arbeitsgemeinschaft Verkehrspolizeiliche Angelegenheiten (AG VPA) begleitet. 11. Haben die Fachministerkonferenzen nach Ansicht der Bundesregierung Argumente vorgetragen, die überzeugend gegen eine Aufnahme einer neuen Kategorie Schwerstverletzte sprechen? Es wird auf die Antwort zu Frage 9 verwiesen. 12. Plant die Bundesregierung eine neue Initiative, um die Einführung einer neuen Kategorie umzusetzen? Wenn ja, welche Schritte sind hierfür geplant? Wenn nein, warum nicht? 13. Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Arbeitsgemeinschaft Verkehrspolizeiliche Angelegenheiten (AG VPA) aus ihrem Bericht vom 10. Februar 2014 (Anlage zu TOP 13 der Sitzung der IMK vom 11./12. Februar 2014), nach der „eine ressortübergreifende Bearbeitung der Problemstellung “ (Bericht der AG VPA, S. 11) notwendig ist? Wenn ja, mit welchen Maßnahmen und Zwischenschritten will die Bundesregierung diese ressortübergreifende Bearbeitung initiieren und begleiten? Wenn nein, warum nicht? Die Fragen 12 und 13 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Derzeit sind keine Schritte für eine neue Initiative für die Implementierung der Kategorie „schwerstverletzt“ in die bundeseinheitliche Verkehrsunfallanzeige geplant , da kein neuer Sachstand eingetreten ist. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/10774 14. Fördert die Bundesregierung das Ziel, die „Empfehlung zur Erhebung bundeseinheitlicher Unfallmerkmale von Straßenverkehrsunfällen“ (EBUS) der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen e. V. (FGSV) um eine neue Unfallschwerekategorie zu ergänzen? Wenn ja, wie? Wenn nein, warum nicht? Die E-BUS (Empfehlungen zur Erhebung bundeseinheitlicher Unfallmerkmale von Straßenverkehrsunfällen) wurden im Rahmen einer Arbeitsgruppe der FGSV erarbeitet und im Jahr 2007 den Polizeien der Länder zur Verfügung gestellt. Eine Umsetzung der Empfehlungen wurde von den zuständigen Ländergremien insbesondere aus Gründen des Umstellungsaufwandes nicht befürwortet. Eine nachträgliche Ergänzung der E-BUS um eine neue Unfallschwerekategorie würde keine der bereits in der Anfrage skizzierten Herausforderungen lösen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333