Deutscher Bundestag Drucksache 18/1079 18. Wahlperiode 08.04.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Markus Tressel, Stephan Kühn (Dresden), Renate Künast, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Drucksache 18/808 – Erhalt des Schutzniveaus für Reisende bei Novellierung der Fluggastrechteverordnung Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die EU-Fluggastrechteverordnung (EG) Nr. 261/2004 gewährt Flugreisenden in der Europäischen Union (EU) im Fall von Verspätungen, Annullierungen, fehlender Informationen oder Betreuungsleistungen Entschädigungs- oder andere Ausgleichsansprüche (wie Hotelunterbringung, Verpflegung oder anderweitige Beförderung). Das Regelwerk besteht seit zehn Jahren und enthält als EU-Verordnung unmittelbar geltendes Recht. Seit Inkrafttreten der Fluggastrechteverordnung hat die Verordnung durch die Rechtsprechung der nationalen Gerichte sowie des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) in vielen Einzelbereichen Präzisierungen erfahren und wird durch diese Urteile nunmehr flankiert. Die Europäische Kommission hat im April 2013 – nach einem zweijährigen Konsultationsprozess – eine Novelle der Fluggastrechtverordnung vorgelegt (Bundesratsdrucksache 199/13). Die Novelle verfolgt das Ziel, eine Präzisierung unbestimmter Rechtsbegriffe herbeizuführen, die umfangreiche Kasuistik der nationalen Gerichte und des EuGH in den Verordnungstext einzuarbeiten und den Defiziten bei der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention im Bereich Luftverkehr zu begegnen. Das Europäische Parlament sieht in dem Entwurf der Europäischen Kommission eine deutliche Verschlechterung der „Ist-Situation“, sowohl im Hinblick auf einzelne Regelungsvorschläge als auch unter Würdigung des Verordnungsentwurfs in Gänze.1 Zentrale Kritikpunkte sind hierbei die Ausweitung der entschädigungslosen Wartezeit bei Verspätung, Annullierung oder Änderung von Abflugzeiten, die Verkürzung der Betreuungsleistungen und die Ausweitung der Liste der „außergewöhnlichen Umstände“ im Vergleich zur bestehenden Rechtslage. Gefordert wird darüber hinaus, eine Regelung zu InsolvenzabDie Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz vom 4. April 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. sicherungen in die Verordnung aufzunehmen. 1 Vergleiche Presseberichte zur Abstimmung am 5. Februar 2014, u. a. unter: www.tagesschau.de/ wirtschaft/eu-fluggastrechte102.html. Drucksache 18/1079 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Die Bundesregierung spricht sich in ihrem Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD für den Erhalt der „bestehenden Schutzniveaus“ aus.2 Im März 2014 wird der Ministerrat einen gemeinsamen Standpunkt erarbeiten, welcher die Grundlage für den Trilog mit der Europäischen Kommission und dem Europäischen Parlament darstellen wird. 1. Teilt die Bundesregierung die Auffassung des Europäischen Parlaments3 als auch einschlägiger Verbraucherschutzverbände, wie des vzbv4 (Verbraucherzentrale Bundesverband e. V.), dass für den „Erhalt des bestehenden Schutzniveaus “ die Beibehaltung der Schwellenwerte für Verspätungsentschädigungen von drei Stunden (Artikel 6 der Fluggastrechteverordnung i. V. m. Sturgeon-Urteil) eine zentrale Norm im Regelungsgefüge darstellt? Ob das bestehende Schutzniveau für Fluggäste erhalten bleibt, wofür sich die Bundesregierung bei der Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 261/2004 und 2027/97 einsetzt, bestimmt sich aus einer Gesamtschau aller mit der Änderungsverordnung geschaffenen Novellierungen. 2. Nachdem sich die Bundesregierung nach ihrem Koalitionsvertrag für die „Beibehaltung des bestehenden Schutzniveaus“ einsetzen will, welche Position vertritt die Bundesregierung vor dem Hintergrund dieser Aussage mit Blick auf die Schwellenwerte für die Verspätungsentschädigungen in den laufenden Verhandlungen in der Ratsarbeitsgruppe „Aviation“? Bei der Beratung des Kommissionsvorschlags im Rat der Europäischen Union setzt sich die Bundesregierung für einen insgesamt gerechten Ausgleich der Interessen der Fluggäste und der Luftfahrtunternehmen ein. Dabei sollten einerseits das insgesamt hohe Schutzniveau der Verordnungen (EG) Nr. 261/2004 und 2027/97 für die Fluggäste erhalten bleiben, andererseits aber auch unzumutbare Belastungen für die Luftfahrtunternehmen vermieden werden, die zu unerwünschten Leistungseinschränkungen oder unerwünschten Preisaufschlägen für die Fluggäste führen können. Dies gilt auch für die Frage der Voraussetzungen einer rechtserheblichen Ankunftsverspätung, deren Beratung – wie die Beratung zahlreicher anderer Fragen – im Rat der Europäischen Union noch nicht abgeschlossen ist. Die Bundesregierung hat sich dafür ausgesprochen, die Zeitschwellen für die Rechtserheblichkeit einer Ankunftsverspätung (Kommissionsvorschlag: entfernungsabhängig ab 5/9/12 Stunden) herabzusetzen und den Vorschlag des Europäischen Parlaments (entfernungsabhängig ab 3/5/7 Stunden) zu prüfen. Ob die Position der Bundesregierung im Rat Erfolg hat, ist aber zweifelhaft, da eine deutliche Mehrheit der Mitgliedstaaten derzeit den Kommissionsvorschlag unterstützt. 3. Welche Position vertritt die Bundesregierung mit Blick auf die zeitlichen Schwellenwerte für die Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen im Falle von Flugannullierungen? Bei den Beratungen zu den Zeitschwellen einer rechtserheblichen Ankunftsverspätung sind auch die Voraussetzungen und Rechtsfolgen der Annullierung in den Blick zu nehmen, nachdem der Rechtsdienst des Rates in einer vom Rat erbetenen Stellungnahme eine kohärente Regelung beider Ansprüche empfohlen hat, um dem Gleichbehandlungsgebot in der Auslegung des Gerichtshofs 2 Vergleiche Koalitionsvertrag „Deutschlands Zukunft gestalten“, S. 125. 3 Vergleiche Abstimmung am 5. Februar 2014. 4 PM: EU-Parlament muss Fluggastrechte schützen, vgl. www.vzbv.de/12806.htm. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/1079 der Europäischen Union nach der Entscheidung vom 19. November 2009 (Az. C-402/07 und C-432/07, Sturgeon) Rechnung zu tragen. Das schriftliche Gutachten zu dieser Problematik steht noch aus. Einem sodann von der Griechischen Präsidentschaft vorgelegten Vorschlag, wonach die von der Kommission vorgeschlagenen Zeitschwellen (entfernungsabhängig ab 5/9/12 Stunden) auch für die Annullierung maßgeblich sein sollen, hat die Bundesregierung im Rat widersprochen. Sie hat sich für eine Herabsetzung dieser Zeitschwellen und eine Prüfung des Vorschlags des Europäischen Parlaments (entfernungsabhängig ab 3/5/7 Stunden) eingesetzt. Ob die Position der Bundesregierung im Rat durchdringt, ist aber zweifelhaft, da eine deutliche Mehrheit der Mitgliedstaaten derzeit den Präsidentschaftsvorschlag unterstützt. 4. Stimmt die Bundesregierung der vom vzbv aufgrund einer Studie der Europäischen Kommission5 getroffenen Einschätzung zu, dass etwas weniger als 0,5 Prozent aller Flüge mehr als drei Stunden Verspätung haben und etwa 0,1 Prozent aller Flüge so große Verspätungen aufweisen, dass sie oberhalb der von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen Schwellenwerte von fünf, neun und zwölf Stunden je nach Flugdistanz liegen? 5. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass durch die von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen neuen Entschädigungsregeln rund 70 Prozent der heute Anspruchsberechtigten diesen Anspruch verlieren würden6? Die Fragen 4 und 5 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Der Bundesregierung liegen neben der Folgenabschätzung der Europäischen Kommission vom 13. März 2013 (Ratsdokument 7615/13, ADD 1, Aviation 47, Concon 47, Codec 616) keine Erkenntnisse zu der Anzahl der verspäteten Flüge ab drei bzw. – entfernungsabhängig – ab fünf/neun/zwölf Stunden vor; die Anzahl der nach den jeweiligen Zeitschwellen rechtserheblich verspäteten Flüge ist daher aus eigenen Erkenntnissen nicht zu ermitteln. Der Bundesregierung liegen neben der Folgenabschätzung der Europäischen Kommission vom 13. März 2013 (Ratsdokument 7615/13, ADD 1, Aviation 47, Concon 47, Codec 616) keine Erkenntnisse zu der Anzahl der verspäteten Flüge ab drei bzw. – entfernungsabhängig – ab fünf/neun/zwölf Stunden vor; die Zahl der jeweils Anspruchsberechtigten ist daher aus eigenen Erkenntnissen nicht ermittelbar . 6. Falls ja, hält die Bundesregierung diese Folge für eine sinnvolle und angemessene Neuregelung? Falls nein, wie schätzt die Bundesregierung die Entwicklung der Anspruchsberechtigten auf eine Entschädigung ein, wenn die Schwellenwerte nach dem Vorschlag der Europäischen Kommission deutlich angehoben werden? Es wird auf die Antwort zu den Fragen 1 bis 5 verwiesen. 5 Commission Staff Working Paper SEC(2011) 428 final. 6 Prof. Ronald Schmidt, Luftverkehrsrecht UNI Dresden unter www.sueddeutsche.de/reise/eu-zu- flugverspaetungen-rechtlos-reisen-1.1758047. Drucksache 18/1079 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 7. Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Fragesteller, dass das bisherige Entschädigungssystem auch dem Zweck der Sanktionierung von missbräuchlichem Handeln einzelner Airlines dient, und sieht die Bundesregierung die Gefahr, dass durch die Ausweitung von entschädigungslos hinzunehmenden Wartezeiten diese Sanktionswirkung verloren geht und Flugzeiten künftig zu unverbindlichen Absichtserklärungen erklärt werden? Die Auffassung der Fragesteller, dass das bisherige Entschädigungssystem auch dem Zweck der Sanktionierung von Luftfahrunternehmen dient, wird von der Bundesregierung nicht geteilt. Ausgleichsleistungen nach der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 dienen – wie der Name bereits deutlich macht – dem Ausgleich von den Fluggästen durch Nichtbeförderung, Annullierung und Verspätung entstandenen Nachteilen. 8. Wie beurteilt die Bundesregierung die wirtschaftliche Belastung der Verbraucher und der Unternehmen angesichts der Tatsache, dass durch eine Ausweitung von Verspätungsgrenzwerten die wirtschaftliche Risikoverteilung von den Airlines auf die Verbraucher abgeschoben wird (verlorene Arbeits - und Freizeit, verpasste Termine), und wodurch sieht die Bundesregierung diese Verschiebung als gerechtfertigt an? Die Beratungen im Rat der Europäischen Union zur Frage der Zeitschwellen für die Rechtserheblichkeit der Ankunftsverspätung sind noch nicht abgeschlossen. Die Griechische Ratspräsidentschaft strebt eine Allgemeine Ausrichtung im Rat der Europäischen Union für Juni 2014 an. Daran wird sich – voraussichtlich im Herbst 2014 – der Trilog mit der Europäischen Kommission und dem Europäischen Parlament anschließen. Ob am Ende eine Reduzierung der vorgeschlagenen Zeitschwellen für die Rechtserheblichkeit der Ankunftsverspätung erreicht werden kann, bleibt abzuwarten. Welche Belastungen oder Entlastungen für Fluggäste und Luftfahrtunternehmen mit der Änderungsverordnung verbunden sind, beurteilt sich am Ende der Beratungen aufgrund einer Gesamtbewertung aller Vorschriften. 9. Sieht die Bundesregierung einen eigenen Regelungsbedarf für den Fall der Verschiebung der Abflugzeiten nach hinten, und wenn ja, welche Position vertritt sie mit Blick auf eine solche Regelung? Die Bundesregierung unterstützt die Aufnahme von Regelungen für das Verschieben der planmäßigen Abflugzeit nach hinten und das Vorziehen der planmäßigen Abflugzeit nach vorne in die Verordnung (EG) Nr. 261/2004. Anders als eine Regelung für das Verschieben nach hinten, ist eine Regelung für das Vorziehen nach vorne jedoch äußerst kompliziert, weil zahlreiche unterschiedliche Fallgestaltungen interessengerecht zu lösen sind. Die Bundesregierung beteiligt sich in den Beratungen des Rates aktiv daran, eine solche Lösung zu finden. Sollte sich dies als nicht möglich erweisen, gewährleistet aber auch das geltende Recht in diesen Fällen einen angemessenen Ausgleich von Nachteilen. Dies gilt insbesondere für Pauschalreisen, die von Änderungen der planmäßigen Abflugzeit überwiegend betroffen sein dürften und für die die pauschalreiserechtlichen Gewährleistungsregelungen bei großen Verschiebungen und Vorverlegungen der Flugzeit Ansprüche gewähren. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/1079 10. Welche Position vertritt die Bundesregierung hinsichtlich der Entschädigung im Fall von Annullierungen? Es wird auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen. 11. Welche Position vertritt die Bundesregierung zu der Frage, wie viele Übernachtungen und welche Kosten pro Übernachtung die Fluggesellschaft tragen sollte, wenn ein Fluggast im Falle außergewöhnlicher Umstände nicht weiterbefördert werden kann? Die Bundesregierung unterstützt eine Begrenzung der Betreuungsleistungen im Falle außergewöhnlicher Umstände. Die lang anhaltende Schließung des Luftraums infolge der Vulkanasche hat insoweit Regelungsbedarf gezeigt: Trägt – wie im Fall außergewöhnlicher Umstände – das Luftfahrtunternehmen nicht die Verantwortung für die Annullierung oder Verspätung, sollten die für die Verpflegung und Unterbringung des Fluggastes anfallenden finanziellen Lasten in der Regel begrenzt sein und auf die Beteiligten verteilt werden. Dabei zieht die Bundesregierung bezüglich der Höhe der Übernachtungskosten flexible Regelungen vor, die den Fluggast zur Kostenminderung anhalten. 12. Sieht die Bundesregierung eine Benachteiligung der Verbraucher durch Regelungen, die vom Fluggast verlangen, Zubringer- und Anschlussflüge sowie Hin- und Rückflüge in der vorgegebenen Reihenfolge zu absolvieren, und welche Position vertritt die Bundesregierung mit Blick auf Forderungen , die sogenannte No Show Policy der Fluggesellschaften für unzulässig zu erklären? Die Bundesregierung hat mit den Verbänden der Verbraucher und der Luftfahrtunternehmen in einer Verbandsanhörung am 21. Februar 2014 in dieser Frage eine Verständigung dahingehend erzielen können, dass bei einem Flugticket, bei dem die Hin- und Rückreise in einem kostengünstigen Paket angeboten wurden, ein Rückbeförderungsrecht des Fluggastes bestehen bleiben soll, ggf. auch gegen Zuschlag, wenn das Luftfahrtunternehmen den Fluggast bei Vertragsschluss entsprechend informiert hat. Nur so kann ein weiteres Angebot kostengünstiger No-Show-Tickets – gerade auch im Interesse der Fluggäste – erhalten bleiben. Hierfür setzt sich die Bundesregierung in den Beratungen des Rates ein. 13. Wie ist die Position der Bundesregierung hinsichtlich des Vorschlags der Europäischen Kommission, Rückflüge und Anschlussflüge unterschiedlich zu behandeln? Welche Position vertritt die Bundesregierung bei den laufenden Verhandlungen in Brüssel bezüglich der Erfassung von Ausgleichsansprüchen bei der Nutzung intermodaler Verkehrsformen, wie Rail&Fly, durch die novellierte Verordnung? Zum ersten Teil der Frage (Satz 1) wird auf die Antwort zu Frage 12 verwiesen. Es ist unbestreitbar, dass an den Schnittstellen der Fahr- und Fluggastrechteverordnungen , wenn Fahr- bzw. Fluggäste ein Verkehrsmittel als Zubringer zur Anschlussbeförderung durch ein anderes Verkehrsmittel wählen, ein Regelungsbedarf besteht. Dies liegt an der von der EU gewählten Regelungsstruktur verkehrsträgerspezifischer Verordnungen. Daran liegt es aber zugleich, dass diese Fragen nicht in einer einzigen verkehrsträgerspezifischen Verordnung gelöst werden können: Eine Verordnung betreffend Fluggastrechte kann nur Leistungs- störungen bei der Luftbeförderung regeln, nicht aber Leistungsstörungen bei der Bahnbeförderung, aufgrund derer eine Anschlussbeförderung mit dem Flugzeug Drucksache 18/1079 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode nicht erreicht wird. Aber selbst die Regelung einer Leistungsstörung bei der Luftbeförderung zu regeln, die zu einem Verpassen einer Anschlussbeförderung mit einem anderen Verkehrsträger (etwa einem Schiff) führt, kann nicht durch eine Ausdehnung der Fluggastrechteverordnung auf die Schiffsbeförderung gelöst werden. Denn das nach der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 haftende ausführende Luftfahrtunternehmen kann weder Betreuungsleistungen noch Unterstützungsleistungen beim Verpassen des anderen Verkehrsträgers (z. B. Schiff am Schiffsanleger) erbringen. Diese Fälle können nur in einer alle Verkehrsträger betreffenden Verordnung angemessen geregelt werden, deren Vorlage die Europäische Kommission bereits erwogen hat. 14. Welche Bedeutung misst die Bundesregierung dem Thema Intermodalität bei, und wie will die Bundesregierung dazu beitragen, dass auch der Luftverkehr an vernetzter Mobilität beiträgt und hierzu auch Kundenverantwortung übernimmt? Die Bundesregierung ist sicher, dass durch eine intelligente Vernetzung der Verkehrsträger die Effizienz des Verkehrssystems insgesamt gestärkt wird und die besonderen Vorzüge jedes Verkehrsträgers optimal genutzt werden können. So findet die Verknüpfung der Flughäfen mit den Verkehrsträgern Straße und Schiene auf den Ebenen des Nah-, Regional- und Fernverkehrs statt. Im Sinne der Stärkung des Luftverkehrsstandortes Deutschland kommt hierbei der hinreichenden Anbindung an das Fernverkehrsnetz der Bahn über IC/ICE-Trassen für die interkontinental operierenden Flughäfen eine besondere Rolle zu. In Deutschland verfügen derzeit die Flughäfen Frankfurt/Main, Düsseldorf, Berlin-Schönefeld, Köln/Bonn und Leipzig/Halle über einen Fernbahnhof. Diese Verknüpfung wurde auch durch Bundesmittel ermöglicht. Die Luftverkehrsunternehmen haben mit der Deutschen Bahn AG sogenannte Rail-andFly -Vereinbarungen getroffen, die den Fluggästen eine kostengünstige An- und Abreise ermöglichen. Hinsichtlich der unterschiedlichen Regelungen für die Beförderung auf der Schiene und in der Luft einschließlich unterschiedlicher Haftungsregime wird auf die Antwort zu Frage 13 verwiesen. 15. Wie will die Bundesregierung ausschließen, dass Airlines künftig gewöhnliche technische Defekte als „außergewöhnliche Umstände“ heranziehen können, um sich Entschädigungszahlungen zu entziehen? Die bei Ausgleichsleistungen zur Enthaftung führenden „außergewöhnlichen Umstände“ sollen erstmals in der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 – in Anlehnung an die insoweit restriktive Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union – definiert und durch einen Annex, in dem die rechtserheblichen außergewöhnlichen Umstände, einschließlich der technischen Defekte, gelistet sind, konkretisiert werden. 16. Wäre es nach Einschätzung der Bundesregierung als „außergewöhnlicher Umstand“ zu werten, wenn eine Fluggesellschaft einen bei der Wartung festgestellten technischen Defekt in rechtlich einwandfreier Weise als nicht sicherheitsrelevant einstuft, wenn dann aber während des Fluges ein weiterer Defekt entdeckt wird, der in Kumulation mit dem ersten Defekt den Weiterflug unmöglich macht? Würde nach Einschätzung der Bundesregierung in diesem Fall diejenige Fluggesellschaft, die ihren rechtlichen Spielraum bei der Sicherheitsmarge Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/1079 ausnutzt, durch die weite Definition des Begriffs der „außergewöhnlichen Umstände“ einen ungerechtfertigten Vorteil erhalten? Eine gesetzliche Regelung muss stets abstrakt und generell sein, um die zahlreichen individuellen Fälle angemessen erfassen zu können. Sie wird niemals jeden denkbaren individuellen Fall aus sich heraus lösen können. Ob in individuellen Fällen ein außergewöhnlicher Umstand vorliegt, wird stets eine gerichtliche Entscheidung bleiben müssen. 17. Sieht die Bundesregierung ein Sicherheitsrisiko dadurch gegeben, dass die jetztige Formulierung darauf abstellt, wann der Fehler gefunden wurde, und es für die Airlines hierdurch vorteilhaft ist, den Fehler erst während des Fluges zu entdecken, statt bei vorheriger Wartung? Wenngleich das mit der Frage unterstellte Verhalten eher lebensfremd sein dürfte, dringt die Bundesregierung schon seit langem darauf, nur solche technischen Defekte im Rahmen der außergewöhnlichen Umstände als rechtserheblich anzuerkennen, die bei ordnungsgemäßer Wartung nicht zu erkennen waren. Andernfalls gingen Wartungsfehler zulasten der Fluggäste. 18. Wie versteht die Bundesregierung Sinn und Zweck der Ausschlussfrist nach Artikel 16a des Verordnungsentwurfs, und welche Rechtsfolge hätte es für den Fluggast aus Sicht der Bundesregierung, wenn der Fluggast nach Ablauf der Frist einen Anspruch geltend macht? Die Wirkung einer Fristversäumung nach Artikel 16a Absatz 2 bedarf noch weiterer Beratung im Rat. 19. Wird sich die Bundesregierung im Zuge der Novellierung dafür einsetzen, dass es im Zuge der Novellierung der Fluggastrechteverordnung auch zu einer verbindlichen Regelung zur Frage der Insolvenzabsicherung von Fluggesellschaften kommen wird? Die Europäische Kommission hat in ihrer Mitteilung „Schutz der Fluggäste bei Insolvenz des Luftfahrtunternehmens“ vom 18. März 2013 (Ratsdokument 7656/13, AVIATION 49, Conson 48) mit Recht darauf hingewiesen, dass die Schutzbedürftigkeit von Fluggästen vor Insolvenzen nicht mit der Schutzbedürftigkeit von Pauschalreisenden vor Insolvenzen vergleichbar ist, da nach der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 die Solvenz des Luftfahrtunternehmens Voraussetzung für die Erteilung und den Erhalt der Betriebsgenehmigung durch die nationalen Luftfahrtbehörden sei. Gleichwohl hat die Kommission mit dieser Mitteilung zahlreiche weitere Maßnahmen zur Stärkung dieser Solvenzprüfung eingeleitet und eine Evaluierung nach zwei Jahren angekündigt. Vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen will die Kommission über die Vorlage eines Regelungsentwurfs zur Insolvenzsicherung entscheiden. Diesen Maßnahmen und ihrer Evaluierung sollte die Verordnung nicht vorgreifen. Gesamtherstellung: H. 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