Deutscher Bundestag Drucksache 18/1087 18. Wahlperiode 07.04.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Katrin Kunert, Kathrin Vogler, Jan Korte, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/784 – Bilanz und sicherheitspolitische Rahmenbedingungen der NATO-Operation Active Fence Turkey Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Der Deutsche Bundestag hat am 14. Dezember 2012 erstmals der Entsendung bewaffneter Streitkräfte zur Verstärkung der integrierten Luftverteidigung der NATO in der Türkei zugestimmt. Ziel der NATO-Operation „Active Fence Turkey“ (AF TUR) soll sein, die territoriale Integrität des NATO-Bündnispartners vor Angriffen im Zusammenhang mit dem Bürgerkrieg in Syrien zu schützen . Die Türkei hatte zuvor um Bündnisbeistand ersucht und beruft sich auf ihr Recht auf kollektive Selbstverteidigung nach Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen. Nach Angaben des türkischen Generalstabs sind unmittelbar vor dem NATO-Einsatz vermehrt Artilleriegeschosse und Mörsergranaten auf der türkischen Seite der ca. 900 km langen türkisch-syrischen Landgrenze detoniert , bei denen Zivilistinnen und Zivilisten getötet bzw. verletzt wurden. Allerdings hat selbst die türkische Regierung den grenzüberschreitenden Beschuss als nicht vorsätzlich und nicht gegen die Türkei gerichtet bewertet. Darüber hinaus wurden als Einsatzgrund auch die Chemiewaffen und ballistischen Raketensysteme Syriens angeführt, die eine Reichweite von ca. 700 km besitzen und deren Einsatz im Fall eines möglichen Regimesturzes nicht völlig ausgeschlossen schien (vgl. Bundestagsdrucksache 17/11783). Die Plausibilität des Bedrohungsszenarios, mit dem der NATO-Einsatz gerechtfertigt wurde und gerechtfertigt wird, hängt damit fast vollständig von der subjektiven Bewertung durch die handelnden Personen ab. Eine konkrete, unmittelbar bestehende Bedrohung der territorialen Integrität der Türkei war und ist nach Auffassung der Fragesteller nicht vorhanden. Hinzu kommt, dass die syrische Regierung am 14. Oktober 2013 der Chemiewaffenkonvention der Vereinten Nationen beigetreten ist und die Produktions-, Misch- und Abfüllanlagen für chemische Kampfstoffe bereits zum 1. November 2013 unter Aufsicht der internationalen Organisation für das Verbot chemischer Waffen Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Auswärtigen Amts vom 3. April 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. (OPCW) unbrauchbar gemacht wurden (vgl. Bundestagsdrucksache 18/262). Bis Mitte 2014 sollen der Abtransport und die Zerstörung der chemischen Kampfstoffe und deren Ausgangsprodukte abgeschlossen sein. Drucksache 18/1087 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Der Beitritt Syriens zur UN-Chemiewaffenkonvention und die bereits durchgeführten Maßnahmen zur Chemiewaffenbeseitigung haben bislang nicht zu einer veränderten Lagebeurteilung durch die NATO und die Bundesregierung geführt. Der Deutsche Bundestag hat am 29. Januar 2014 das Bundeswehrmandat für AF TUR um ein weiteres Jahr verlängert. Die Mandatsobergrenze von 400 Soldatinnen und Soldaten blieb ebenfalls unverändert. Der deutsche Beitrag zur NATO-Operation AF TUR bemisst sich vor allem in der Verlegung von Patriot-Flugabwehrraketen (Phased Array Tracking Radar to Intercept On Target), militärischen Sonderfahrzeugen sowie der Entsendung von bis zu 400 Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr. Der Stationierungsort des deutschen Einsatzkontingents befindet sich im südostanatolischen Kahramanmaraş. Allerdings ist die Patriot-Raketenabwehr in technischer Hinsicht gegen Artilleriebeschuss und Mörsergranaten von vornherein wirkungslos. Bezogen auf den unmittelbaren Schutz der türkischen Bevölkerung an der Landesgrenze zu Syrien ergibt der Einsatz aus militärischer Sicht somit keinen Sinn. In der Praxis erhält die Türkei durch die NATO-Operation jedoch eine offensive politische Rückendeckung für ihre nach Auffassung der Fragesteller interessengeleitete Einflussnahme im syrischen Bürgerkrieg und ihren Anspruch auf eine Regionalmachtrolle im Nahen Osten. Die Interessenverflechtung der Türkei ergibt sich nicht nur durch die Aufnahme einer großen Zahl von Bürgerkriegsflüchtlingen. Gegenwärtig müssen ca. 700 000 geflüchtete Syrerinnen und Syrer mit Nahrungsmitteln, Trinkwasser , Unterkunft, Medikamenten und ärztlicher Behandlung versorgt werden. Gleichzeitig agiert die Türkei mit Blick auf den Bürgerkrieg in Syrien nicht neutral oder deeskalierend. Militante islamistische Gotteskrieger aus dem Ausland nutzen die Türkei als Transitland nach Syrien. Ebenso werden Waffenlieferungen an aufständische Gruppierungen geduldet, darunter auch offen dschihadistisch -salafistische Organisationen wie z. B. die Al-Nusra-Front, die laut Human Rights Watch für zahlreiche organisierte Massaker an der syrischen Zivilbevölkerung verantwortlich ist und enge Beziehungen zum Terrornetzwerk Al-Qaida im Irak und in Syrien unterhält (vgl. www.hrw.org/reports/2013/10/ 10/you-can-still-see-their-blood, abgerufen am 26. Februar 2014). Darüber hinaus sabotiert die türkische Regierung die Versuche eigener Selbstverwaltung in den mehrheitlich von Kurdinnen und Kurden bewohnten Gebieten Syriens, die sich derzeit unter der De-facto-Kontrolle von kurdischen Sicherheitskräften stehen. Die Türkei hat sämtliche Grenzübergänge zu den syrischen Gebieten, die von kurdischen Sicherheitskräften kontrolliert werden, geschlossen und blockiert selbst humanitäre Hilfslieferungen (www.dw.de vom 15. Januar 2014 „Eindrücke von einer Reise in den Norden Syriens“, www. zeit.de vom 20. August 2013 „Syriens Konflikt vergiftet die Türkei“). Angesichts dessen muss eine Bilanz der bisherigen NATO-Operation AF TUR gezogen und die Haltung der Bundesregierung zu den politischen Rahmenbedingungen des Einsatzes geklärt werden. 1. Wie haben sich die einsatzbedingten Zusatzausgaben für die deutsche Beteiligung an der NATO-Operation AF TUR i. H. v. 25,1 Mio. Euro im Mandatierungszeitraum vom 15. Dezember 2012 bis 31. Januar 2014 tatsächlich entwickelt, und wie verteilen sich die Ausgaben auf die einzelnen militärischen Fähigkeitsbereiche bei diesem Einsatz (bitte detailliert aufschlüsseln )? Die tatsächliche Entwicklung der einsatzbedingten Zusatzausgaben, finanziert aus Einzelplan 14 Kapitel 14 03 Titelgruppe 08, für die deutsche Beteiligung an der NATO-Operation Active Fence Turkey (AF TUR) stellt sich für den Mandatierungszeitraum vom 15. Dezember 2012 bis 31. Januar 2014 wie folgt dar: Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/1087 2. Wie teilen sich die geplanten einsatzbedingten Zusatzausgaben für die deutsche Beteiligung an der NATO-Operation AF TUR i. H. v. 19,5 Mio. Euro für den Mandatierungszeitraum vom 1. Februar 2014 bis 31. Januar 2015 auf die einzelnen militärischen Fähigkeitsbereiche bei diesem Einsatz auf (bitte detailliert aufschlüsseln)? Die Ausgabenplanung der einsatzbedingten Zusatzausgaben, finanziert aus Einzelplan 14 Kapitel 14 03 Titelgruppe 08, für die deutsche Beteiligung an der NATO-Operation Active Fence Turkey stellt sich für den Mandatierungszeitraum 1. Februar 2014 bis 31. Januar 2015 wie folgt dar: 3. Wie hoch sind die Gesamtausgaben der NATO für AF TUR seit Beginn des Militäreinsatzes gewesen, und welcher Kostenanteil entfällt hierbei auf die einzelnen NATO-Mitglieder (bitte nach Beitragshöhe und Mitgliedsland auflisten)? Für Active Fence Turkey hat die NATO kein gesondertes Budget eingerichtet, sondern trägt die Kosten für ihre Unterstützung (vornehmlich Führungs- und Kommunikationsleistungen) im Rahmen des regulären Betriebs der NATOKommandostruktur , ihrer Einrichtungen und Programme. Die Kosten für AF TUR werden daher aus dem NATO-Militärhaushaltsanteil zu „NATO Command Structure, Entities and Programmes“ getragen, wo sie dem „ACCS Support Budget“ zugeordnet sind. Bislang betrugen diese Kosten insgesamt 2,755 Mio. Euro. Der deutsche Beitrag wird aus Einzelplan 14 Kapitel 14 22 Titel 687 01 im Rahmen der regulären Zahlungsabrufe des gesamten Titels geleistet. Eine gesonderte Inrechnungstellung und Zahlung erfolgt nicht. Der Finanzierung des laufenden Betriebs der NATO-Kommandostruktur liegt eine fixe Kostenteilung zwischen den 28 NATO-Mitgliedern zugrunde. Aus dieser ergibt sich die folgende Aufteilung der o. g. Kosten: Republik Albanien (0,0843 Prozent): 2 323 Euro Ausgabenbereich: Planung: IST-Ausgaben (31. Januar 2014): Personalausgaben 10,22 Mio. Euro 5,23 Mio. Euro Nicht aufteilbare sächliche Verwaltungsausgaben 11,91 Mio. Euro 9,48 Mio. Euro Erhaltung von Wehrmaterial 2,86 Mio. Euro 2,09 Mio. Euro Militärische Beschaffungen 0,11 Mio. Euro 0,28 Mio. Euro Gesamt: 25,10 Mio. Euro 17,08 Mio. Euro Ausgabenbereich: Planung: Personalausgaben 6,72 Mio. Euro Nicht aufteilbare sächliche Verwaltungsausgaben 8,42 Mio. Euro Erhaltung von Wehrmaterial 4,00 Mio. Euro Militärische Beschaffungen 0,25 Mio. Euro Militärische Anlagen 0,10 Mio. Euro Gesamt: 19,49 Mio. Euro Königreich Belgien (2,1048 Prozent): 58 000 Euro Drucksache 18/1087 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Republik Bulgarien (0,3068 Prozent): 8 455 Euro Königreich Dänemark (1,3409 Prozent): 36 951 Euro Bundesrepublik Deutschland (14,8882 Prozent): 410 277 Euro Republik Estland (0,1004 Prozent): 2 766 Euro Französische Republik (11,1726 Prozent): 307 885 Euro Hellenische Republik (0,9500 Prozent): 26 179 Euro Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland (11,1677 Prozent): 307 750 Euro Republik Island (0,0492 Prozent): 1 355 Euro Italienische Republik (8,8000 Prozent): 242 503 Euro Kanada (5,9358 Prozent): 163 574 Euro Republik Kroatien (0,3115 Prozent): 8 584 Euro Republik Lettland (0,1447 Prozent): 3 988 Euro Republik Litauen (0,2143 Prozent): 5 905 Euro Großherzogtum Luxemburg (0,1393 Prozent): 3 839 Euro Königreich der Niederlande (3,2855 Prozent): 90 539 Euro Königreich Norwegen (1,5082 Prozent): 41 562 Euro Republik Polen (2,4908 Prozent): 68 639 Euro Portugiesische Repulik (0,8500 Prozent): 23 424 Euro Rumänien (1,0629 Prozent): 29 291 Euro Slowakische Republik (0,4563 Prozent): 12 574 Euro Republik Slowenien (0,2323 Prozent): 6 402 Euro Königreich Spanien (4,8892 Prozent): 134 733 Euro Tschechische Republik (0,9344 Prozent): 25 749 Euro Republik Türkei (3,6794 Prozent): 101 394 Euro Ungarn (0,7005 Prozent): 19 303 Euro Vereinigte Staaten von Amerika (22,2000 Prozent): 611 769 Euro 4. Wie hat sich die Personalstärke und die Personalzusammensetzung des deutschen Einsatzkontingents im Mandatierungszeitraum vom 15. Dezember 2012 bis 31. Januar 2014 entwickelt (bitte möglichst nach Quartal, Fähigkeitsbereich /Dienstgrad und Geschlecht aufschlüsseln)? Die Personalstärke und -zusammensetzung hat sich seit der Verlegung im Januar 2013 über den bisherigen Einsatzzeitraum nur geringfügig geändert und ist nachfolgend dargestellt. Datum Stärke Offz (m) Offz (w) Uffz (m) Uffz (w) Msch (m) Msch (w) MilPf 14. 1. 2013 56 19 4 31 1 1 0 0 25. 3. 2013 300 53 2 180 12 52 1 0 24. 6. 2013 297 48 5 171 13 54 6 0 30. 9. 2013 300 49 4 168 14 61 3 1 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/1087 Offz = Offiziere, Uffz = Unteroffiziere, Msch = Mannschaften, MilPf = Militärpfarrer 5. Wie viele Patriot-Flugabwehrraketen wurden seit Mandatsbeginn aus Deutschland in die Türkei verlegt und dort stationiert? Seit Mandatsbeginn wurden insgesamt 104 PATRIOT-Lenkflugkörper in die Türkei verlegt. 6. Wie viele Patriot-Flugabwehrraketen wurden seit Beginn der NATO-Operation AF TUR aus anderen NATO-Mitgliedstaaten in die Türkei verlegt und dort stationiert (bitte nach Herkunftsland, Stückzahl und Stationierungsort aufschlüsseln)? Neun Lenkflugkörper aus deutschen Beständen, die den Niederlanden leihweise bis zum Januar 2015 überlassen wurden, wurden ebenfalls in die Türkei verlegt. Zu durch die Niederlande und die USA in nationaler Zuständigkeit verlegten Lenkflugkörpern kann die Bundesregierung keine Angaben machen. 7. Welche ballistischen Raketen oder konventionellen (ggf. auch tieffliegenden ) Luftziele und Marschflugkörper können mit den aus Deutschland gelieferten Patriot-Flugabwehrraketen zuverlässig abgefangen werden? Das Waffensystem PATRIOT wirkt gegen das herkömmliche Zielspektrum aus der Luft (Flugzeuge, Drehflügler, Unbemannte Luftfahrzeuge sowie Marschflugkörper in den Höhenbereichen tief bis sehr hoch [ca. 100 m bis 24 000 m]). Darüber hinaus können mit dem Waffensystem PATRIOT ballistische Flugkörper kurzer bis mittlerer Reichweite (< 1 000 km) abgefangen werden. 8. Wie viele militärische Sonderfahrzeuge aus der ABC-Abwehrtruppe wurden seit Mandatsbeginn aus Deutschland in die Türkei verlegt (bitte nach Fahrzeugtyp und Stückzahl aufschlüsseln)? Seit Mandatsbeginn wurden insgesamt 19 Sonderfahrzeuge verlegt. Diese schlüsseln sich wie folgt auf: 30. 12. 2013 281 47 5 157 13 56 3 0 10. 3. 2014 288 44 5 160 13 63 2 1 Transportpanzer FUCHS KWS – ABC-Aufklärung 2 Lkw mit Dekontaminationsrüstsatz (TEP 90 / HEP 70) 8 Einsatzfahrzeug Spezialisierte Kräfte MUNGO/Probenahme 6 Quad/Probenahme 3 Datum Stärke Offz (m) Offz (w) Uffz (m) Uffz (w) Msch (m) Msch (w) MilPf Drucksache 18/1087 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 9. Welche konkreten Aufgaben werden von den deutschen Bundeswehrsoldatinnen und -soldaten bei der luftgestützten Frühwarnung im Rahmen der Luftraumüberwachung von AF TUR übernommen, und wie gestaltet sich die Interoperabilität mit den anderen NATO-Streitkräftekontingenten in der Praxis? Der Einsatz von luftgestützter Frühwarnung im Rahmen der Luftraumüberwachung erfolgt nach Maßgabe des Supreme Allied Commander Europe (SACEUR). Deutsche Soldatinnen und Soldaten sind dabei Teil der Luftfahrzeugbesatzungen . Es wurden bisher noch keine Flüge zur luftgestützten Frühwarnung im Rahmen der Luftraumüberwachung von AF TUR mit deutschen Soldatinnen bzw. Soldaten durchgeführt. Das deutsche Einsatzkontingent AF TUR ist über Datenanbindung an den NATO Luftwaffen-Gefechtsstand in Ramstein angeschlossen. Über diesen erfolgt der Datenaustausch mit den anderen beteiligten Nationen und der NATOLuftraumüberwachung . Durch Nutzung eines standardisierten NATO-Datenprotokolls ist hierbei Interoperabilität gewährleistet. 10. Wie beurteilt die Bundesregierung die Zusammenarbeit der Bundeswehr mit den türkischen Streitkräften vor Ort? Die Zusammenarbeit mit den türkischen Streitkräften vor Ort verläuft kooperativ und sachorientiert. 11. Wurden für die Einsatzteilnahme nach Kenntnis der Bundesregierung auch gezielt Bundeswehrsoldatinnen und -soldaten mit türkischem Migrationshintergrund geworben, und falls ja, wie viele der an der NATO-Operation AF TUR teilnehmenden Bundeswehrsoldatinnen und -soldaten haben einen türkischen Migrationshintergrund? Die Bundeswehr wirbt für die Einsatzteilnahme nicht gezielt um Soldatinnen und Soldaten mit türkischem Migrationshintergrund. Gleichwohl werden aktive Soldatinnen und Soldaten mit entsprechenden Sprachkenntnissen gesucht, die sich als Sprachmittler bzw. -assistenten freiwillig zur Verfügung stellen. Im deutschen Einsatzkontingent leisten derzeit sechs Soldaten mit türkischem Migrationshintergrund ihren Dienst. Davon arbeiten fünf als Sprachmittler bzw. -assistenten. 12. Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung ergriffen, um die Akzeptanz der deutschen Bundeswehrsoldatinnen und -soldaten in der türkischen Bevölkerung zu steigern? Informationen zur landestypischen und kulturellen Besonderheiten sind Teil der Einsatzausbildung aller deutschen Soldatinnen und Soldaten. Zusätzlich ist für Führungspersonal die Teilnahme an einer intensiven Schulung mit folgenden Themen vorgesehen: militärische und politische Hintergründe, Landeskunde, geschichtliche Entwicklung, interkulturelle, religiöse und gesellschaftliche Besonderheiten . Seitens des deutschen Einsatzkontingentes werden Kontakte zum lokalen türkischen Militär (Kasernenkommandant und Kommandeur der in der Liegenschaft stationierten Einheit) sowie zu zivilen Ansprechpartnern (Bürgermeister der Stadt und des Provinzgouverneurs Kahramanmaraş) gepflegt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/1087 13. Welche Maßnahmen hat nach Kenntnis der Bundesregierung die türkische Regierung/türkische Armee ergriffen, um die Akzeptanz für die Präsenz von NATO-Streitkräften, darunter auch deutsche Bundeswehrsoldatinnen und -soldaten, in der türkischen Bevölkerung zu erhöhen? Zu diesbezüglichen Einzelmaßnahmen der türkischen Regierung bzw. der türkischen Streitkräfte liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. Das türkische Außenministerium veröffentlichte am 25. Januar 2013 eine Erklärung als Reaktion auf einen Übergriff auf deutsche Soldaten in Iskenderun, welche den Einsatz der deutschen Soldatinnen und Soldaten würdigt. Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hat sich wiederholt öffentlich sowohl in der Türkei als auch in Deutschland bei der Bundesregierung für ihre Entscheidung zur Stationierung von PATRIOT-Raketen und den diesbezüglichen Einsatz deutscher Soldaten bedankt, zuletzt im Rahmen seines Besuchs in Berlin am 4. Februar 2014. 14. Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Zustimmung in der türkischen Bevölkerung zu dem NATO-Einsatz im Allgemeinen und zur Anwesenheit der deutschen Streitkräfte in der Türkei im Besonderen entwickelt ? Die Zustimmung der türkischen Bevölkerung zu NATO-Einsatz und Anwesenheit der deutschen Streitkräfte hat sich grundsätzlich positiv entwickelt. 15. Wie viele sicherheitsrelevante Vorfälle haben sich im Mandatierungszeitraum vom 15. Dezember 2012 bis 31. Januar 2014 im Zusammenhang mit dem NATO-Einsatz ereignet (bitte mit Datum und Art des Vorfalls auflisten )? Am 22. Januar 2013 wurden fünf deutsche Soldaten in Zivil in Iskenderun von einer organisierten Gruppe von ca. 40 türkischen Zivilpersonen bedrängt. Die deutschen Soldaten flüchteten in umliegende Geschäfte und begleitende türkische Sicherheitskräfte griffen sofort ein. Es wurde kein Soldat verletzt. Am 10. April 2013 erfolgte ein Verkaufsangebot von Betäubungsmitteln an einen deutschen Soldaten. Am 17. April 2013 wurde der Versuch einer Einflussnahme gegenüber einer Freundin eines Soldaten via Facebook gemeldet. Am 4. November 2013 wurde der Verdacht auf versuchte Informationsabschöpfung aufgrund gehäuften Aufkommens eingehender Anrufe auf dienstlichen Mobiltelefonen gemeldet. 16. Welche Pläne hat die NATO für den Fall eines Angriffsszenarios gegen ihre in der Türkei stationierten Streitkräfte durch bewaffnete syrische Konfliktparteien vorbereitet? a) Existieren Pläne für eine militärische Reaktion der NATO-Streitkräfte im Fall eines mutmaßlich provozierten Angriffs syrischer Konfliktparteien , und falls ja, wie sehen diese Pläne aus? b) Beinhalten diese Pläne auch Angriffe auf das syrische Staatsterritorium zur Ausschaltung etwaiger Bedrohungsursachen? c) Inwieweit wird in diesen Plänen zwischen den innersyrischen Konfliktparteien unterschieden (reguläre syrische Armee, bewaffnete Hilfstruppen/irreguläre Milizen der syrischen Regierung, säkulare bewaffnete Oppositionskräfte/Freie Syrische Armee, islamistisch-dschihadistische Gruppen), von denen die mutmaßlichen Angriffe ausge- hen? Drucksache 18/1087 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode d) Mit welchen Maßnahmen plant die Bundesregierung im Fall eines solchen Einsatzszenarios die stärkere Verwicklung der Bundeswehr in den syrischen Bürgerkrieg zu verhindern? Die Stationierung von PATRIOT-Flugabwehrraketensystemen erfolgt im Rahmen der stehenden Planungen der integrierten Luftverteidigung der NATO auf Grundlage eines sogenannten „Standing Defence Plan“. Darüber hinausgehende Planungen wären bei Feststellung einer Verschärfung der krisenhaften Entwicklung durch den NATO-Rat zu beauftragen. 17. Wie beurteilt die Bundesregierung die hygienischen und sanitären Unterbringungsbedingungen der Bundeswehrsoldatinnen und -soldaten am Stationierungsort , und wie viele Beschwerden sind ihr in diesem Zusammenhang bekannt geworden? Die hygienischen und sanitären Unterbringungsbedingungen werden als akzeptabel bewertet. Hierzu existieren im Übrigen keine standardisierten Vorgaben seitens der NATO. Mit dieser Thematik wurde der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages im Rahmen mehrerer Eingaben befasst. Die beklagten Mängel erstreckten sich dabei sowohl auf die Unterbringung in Hotelunterkünften zu Beginn des Einsatzes, als auch auf die aktuelle Unterbringung in der GAZI-Kaserne . Im Einzelnen wurden u. a. zu schmal dimensionierte Abflussrohre, Schimmelbefall an den Wänden sowie eine nicht ausreichende Anzahl an Toiletten kritisiert . Im Dezember 2013 wurde ein deutsches Sanitärmodul in Betrieb genommen , um die Situation vor Ort zu verbessern. 18. Wie viele Fälle von körperlichen Angriffen/gewalttätigen Auseinandersetzungen sind der Bundesregierung innerhalb der NATO-Streitkräfte seit Einsatzbeginn bekannt geworden, und in wie vielen Fällen waren daran auch deutsche Bundeswehrsoldatinnen und -soldaten beteiligt oder davon betroffen? Am 23. Februar 2013 kam es am Rande des Besuches des Bundesministers der Verteidigung zu einer Auseinandersetzung mit Handgreiflichkeiten zwischen deutschen Soldaten und einem türkischen Brigadegeneral sowie einem türkischen Oberst, über die dem Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages ausführlich berichtet wurde. Zu körperlichen Angriffen auf bzw. gewalttätige Auseinandersetzungen mit verbündeten NATO-Angehörigen liegen der Bundesregierung keine Informationen vor. 19. Wie viele Fälle von posttraumatischen Belastungsstörungen und anderen stressassoziierten Erkrankungen von Bundeswehrsoldatinnen und -soldaten , die ggf. auch bereits vor Einsatzantritt bestanden haben können (vgl. Längsschnittstudie der Technischen Universität Dresden 2013), sind der Bundesregierung im Mandatierungszeitraum vom 15. Dezember 2012 bis 31. Januar 2014 bekannt geworden? Die genaue Anzahl der Soldaten und Soldatinnen, die aufgrund ihrer Teilnahme am Einsatz Active Fence an einer psychischen Gesundheitsstörung erkrankten, kann nicht angegeben werden. Eine statistische Erfassung explizit für diesen Einsatz erfolgt nicht. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/1087 20. Welche Maßnahmen hat die türkische Regierung nach Kenntnis der Bundesregierung vor dem Ersuchen um Bündnisbeistand der NATO selbständig ergriffen, um Verletzungen der territorialen Integrität des türkischen Staatsgebiets und der Gefährdung der türkischen Zivilbevölkerung im Zusammenhang mit den grenzüberschreitenden bewaffneten Auseinandersetzungen in Syrien entgegenzuwirken bzw. diese zu unterbinden? Die türkische Regierung hat seit Ausbruch des Konflikts in Syrien die Grenzbefestigungsanlagen teilweise verstärkt und die Grenzüberwachung insgesamt intensiviert (u. a. Verstärkung der Truppen entlang der türkisch-syrischen Grenze, Luftraumüberwachung). Seit einem Vorfall am 3. Oktober 2012, bei dem fünf türkische Zivilisten in Akҫakale durch Granateneinschlag von syrischem Gebiet getötet wurden, wird Beschuss von syrischer Seite von den türkischen Streitkräften regelmäßig mit begrenztem, gezielten Gegenfeuer erwidert. Am 4. Oktober 2012 verabschiedete das türkische Parlament ein Mandat, das die Regierung zu grenzüberschreitenden Militäreinsätzen ermächtigt. Das Mandat wurde am 3. Oktober 2013 um ein Jahr verlängert. 21. Welcher Zeitraum verstrich vom ersten bekannt gewordenen grenzüberschreitenden Beschuss an der syrisch-türkischen Grenze bis zum formellen Antragsersuchen der türkischen Regierung um Bündnisbeistand der NATO am 21. November 2012? Nach Kenntnis der Bundesregierung ereignete sich der erste Einschlag syrischer Granaten in dem türkischen Grenzort Akçakale, bei dem fünf Zivilisten getötet wurden, am 3. Oktober 2012. 22. Welche Konsultationen haben während dieses Zeitraums innerhalb der NATO bezüglich der Sicherheitslage an der syrisch-türkischen Grenze und zur Vorbereitung eines möglichen gemeinsamen Vorgehens der NATOMitglieder stattgefunden, und welche Ergebnisse wurde dabei erzielt? Die NATO hat die Situation im Grenzgebiet zwischen der Türkei und Syrien sowohl im Rahmen von formellen Treffen des Nordatlantikrates als auch in informellen Formaten erörtert. Die NATO hat dabei wiederholt ihrem Bündnispartner Türkei ihre Solidarität und Bereitschaft zur Unterstützung, falls nötig, versichert . 23. Womit hat die türkische Regierung bei der NATO die Notwendigkeit ihres erneuten Ersuchens vom 8. November 2013 zur Fortsetzung der NATOOperation AF TUR konkret begründet? Die Türkei hat ihr Ersuchen um Fortsetzung des NATO-Einsatzes Active Fence Turkey damit begründet, dass im Hinblick auf die fortgesetzte Instabilität entlang der südöstlichen Grenze des Bündnisgebietes die Gründe für die Verstärkung der türkischen Luftverteidigungskapazitäten unverändert bestehen. In seinem Schreiben vom 8. November 2013 bezog sich der Ständige Vertreter der Türkei bei der NATO außerdem auf die Einschätzung des Alliierten Oberbefehlshabers der NATO (SACEUR), wonach die grundsätzliche Einschätzung von Risiken und der Bedrohung für die Türkei unverändert bleibt und das Risiko , dem die Türkei durch die syrischen ballistischen Raketen ausgesetzt ist, weiterhin glaubhaft ist. Drucksache 18/1087 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 24. Wie wirken sich nach Einschätzung der Bundesregierung der Beitritt Syriens zur UN-Chemiewaffenkonvention und die praktische Kooperationsbereitschaft der syrischen Regierung bei der Vernichtung der Chemiewaffenbestände auf das Bedrohungsrisiko für die Türkei aus? Die potenzielle Bedrohung der Türkei durch das Arsenal syrischer Chemiewaffen besteht so lange fort, wie die syrische Regierung ihre vertragliche Verpflichtung zur Vernichtung sämtlicher Bestände an Chemiewaffen noch nicht nachweislich in vollständiger Form umgesetzt hat. Auch nach der vollständigen Vernichtung der syrischen Chemiewaffenbestände besteht nach Einschätzung der Bundesregierung die Gefahr gewaltsamer Übergriffe auf das türkische Staatsgebiet durch konventionelle Mittel fort. 25. Bei welcher Gelegenheit und mit welchem Ergebnis wurde innerhalb der NATO über eine mögliche veränderte Bedrohungslage für die Türkei diskutiert , nachdem die syrische Regierung bei der Vernichtung ihrer Chemiewaffen mit den Vereinten Nationen kooperiert, und inwieweit hat dieses Verhalten der syrischen Regierung die militärische Lagebeurteilung der NATO beeinflusst? Auf die Antwort zu Frage 24 wird verwiesen. 26. Worauf gründet die Bundesregierung ihre Einschätzung, dass es trotz dieser Kooperationsbereitschaft der syrischen Regierung bei der Vernichtung der Chemiewaffenbestände noch ein Restrisiko für den Einsatz dieser Waffen gebe (vgl. Bundestagsdrucksache 18/262)? Gemäß der Resolution 2118 des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen und den Beschlüssen des Exekutivrats der Organisation für das Verbot Chemischer Waffen (OVCW) vom 27. September 2013 (EC-M-33/DEC.1) und vom 15. November 2013 (EC-M-34/DEC.1) hätte die syrische Regierung bis zum 31. Dezember 2013 alle Priorität-1-Chemikalien (Chemiewaffen und deren Schlüsselkomponenten ) sowie bis zum 5. Februar 2014 alle Priorität-2-Chemikalien (so genannte Dual-Use-Industriechemikalien) außer Landes bringen sollen. Trotz umfassender Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft hat die syrische Regierung diese beiden Termine nicht eingehalten. Die Chemikalien des syrischen Chemiewaffen-Programms wurden bisher nur zögerlich zum Seehafen in Latakia verbracht. Nach jüngsten Angaben der OVCW (Stand 17. März 2014) haben bisher 45,6 Prozent der Chemiewaffen Syrien verlassen. Im Übrigen hat Syrien zwar alle Produktionsstätten zur Herstellung von chemischen Waffen inaktiviert, ein Teil dieser Anlagen ist jedoch noch nicht vollständig zerstört . Solange nicht der vollständige Abtransport aller relevanten Chemikalien aus Syrien erfolgt ist, besteht ein grundsätzliches Risiko für deren Einsatz. Bis auf weiteres verbleibt auch ein Restrisiko eines terroristischen Einsatzes. 27. Wie viele Zivilistinnen und Zivilisten wurden nach Kenntnis der Bundesregierung in der Türkei vor dem Beginn der NATO-Operation AF TUR durch mutmaßlichen Artillerie- oder Mörsergranatenbeschuss aus Syrien getötet bzw. verletzt, und auf welche Informationsquellen stützt sich die Bundesregierung bei diesen Angaben? Bis Januar 2013 wurden laut Medienberichten fünf Zivilisten durch mutmaßli- chen Artillerie- oder Mörsergranatenbeschuss aus Syrien getötet, mindestens fünf weitere wurden verletzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 11 – Drucksache 18/1087 28. Wie viele Zivilistinnen und Zivilisten wurden nach Kenntnis der Bundesregierung in der Türkei seit Beginn der NATO-Operation AF TUR durch mutmaßlichen, grenzüberschreitenden Beschuss aus Syrien getötet oder verletzt? Im Jahr 2013 wurde laut Medienberichten ein Zivilist durch mutmaßlichen Artillerie - oder Mörsergranatenbeschuss aus Syrien getötet. Seit Jahresbeginn 2014 sind laut Medienberichten keine Todesopfer in Folge von mutmaßlichem, grenzüberschreitendem Beschuss aus Syrien zu verzeichnen. Informationen zur Zahl Verletzter liegen nicht vor. 29. Wie hoch waren nach Kenntnis der Bundesregierung die Ausgaben der türkischen Regierung für die humanitäre Nothilfe für Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien seit Beginn der Kämpfe? Die Ausgaben der türkischen Regierung für humanitäre Nothilfe für Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien seit Beginn des Konflikts werden von der türkischen Regierung auf ca. 2,5 Mrd. US-Dollar beziffert. 30. Welche zivilen bzw. finanziellen Beiträge hat die Bundesregierung seit Ausbruch des Bürgerkriegs geleistet, um die Türkei bei der Bewältigung der humanitären Notlage der syrischen Bürgerkriegsflüchtlinge zu unterstützen (bitte nach Jahr, Maßnahme/Verwendungszweck und Betrag auflisten )? Seit 2012 hat die Bundesregierung 24,4 Mio. Euro für Maßnahmen humanitärer Hilfe für syrische Bürgerkriegsflüchtlinge in der Türkei bereitgestellt. Im Jahr 2012 belief sich die Hilfe auf 1,8 Mio. Euro, im Jahr 2013 auf 21,1 Mio. Euro, im Jahr 2014 bislang auf 1,5 Mio. Euro. Diese Mittel teilen sich folgendermaßen auf: ● 6 Mio. Euro an das Welternährungsprogramm (WFP) für Maßnahmen der Ernährungshilfe zugunsten syrischer Flüchtlinge in der Türkei (2013). ● 3,5 Mio. Euro an den Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) zur Unterstützung der syrischen Flüchtlinge in der Türkei (2013). ● 14,8 Mio. Euro an deutsche humanitäre Nichtregierungsorganisationen für Maßnahmen zugunsten der syrischen Flüchtlinge in der Türkei sowie türkischer Aufnahmegemeinden in den Sektoren Gesundheit, Ernährungshilfe, Unterkunft, Wasser und der Verteilung von Hilfsgütern (2012 bis 2014). 31. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Transitnutzung des türkischen Staatsterritoriums durch gewaltbereite Dschihadisten, die aus Drittstaaten über die Türkei nach Syrien einreisen wollen, und um welche Drittstaaten/Herkunftsländer handelt es sich dabei vorwiegend? Der Bundesregierung liegen Erkenntnisse der Bundessicherheitsbehörden vor, wonach die Türkei das maßgebliche Transitland für Dschihadisten darstellt, die sich nach Syrien begeben wollen. Dabei werden sowohl Land- als auch Luftwege genutzt. Bereits durch ihre geographische Lage ist die Türkei bevorzugtes Transitland. Verglichen mit anderen an Syrien angrenzenden Ländern weist die Türkei aufgrund der stark ausgeprägten Tourismusbranche eine hervorragende Infrastruktur auf, die auch von Dschihadisten genutzt wird. Darüber hinaus ist für EU-Staatsangehörige in der Regel eine visumsfreie Einreise möglich. Soweit hier bekannt stammen diese Dschihadisten überwiegend aus dem europäischen und afrikanischen Raum sowie aus dem Nordkaukasus, aber auch aus den USA, Australien, Kanada, Saudi-Arabien, Afghanistan und Pakistan. Drucksache 18/1087 – 12 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 32. Bei welcher Gelegenheit und mit welchem Ergebnis hat die Bundesregierung die türkische Regierung dazu aufgefordert, gegen die Einreise von gewaltbereiten Dschihadisten über türkisches Territorium nach Syrien geeignete Maßnahmen zu ergreifen? Maßnahmen gegen die Durchreise von Dschihadisten sind Gegenstand von Gesprächen auf allen Ebenen zwischen der Bundesregierung und der türkischen Regierung. Hierbei werden auch geeignete Maßnahmen gegen die Einreise in die Türkei erörtert, beispielsweise Einreiseverweigerungen oder aufenthaltsbeendende Maßnahmen. Solche Maßnahmen in der Türkei erfolgen dabei durch die dort zuständigen Behörden in Wahrnehmung der eigenen staatlichen Souveränität und auf Basis der eigenen einschlägigen Rechtsvorschriften. 33. Welche Rücksprachen hat die NATO seit Ausbruch des syrischen Bürgerkriegs mit dem Bündnismitglied Türkei geführt, um die Reisetätigkeit von gewaltbereiten Dschihadisten aus Drittstaaten über die Türkei nach Syrien durch geeignete Maßnahmen zu unterbinden, und welche Ergebnisse wurden dabei erzielt? Die NATO steht zu der Operation „Active Fence“ in ständigem Kontakt mit den zuständigen türkischen Stellen. Für Gespräche über die mögliche Reisetätigkeit von gewaltbereiten Dschihadisten aus Drittstaaten über die Türkei nach Syrien besteht keine Zuständigkeit der NATO. Sie verfügt nicht über entsprechende eigene nachrichtendienstliche Erkenntnisse. 34. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über illegale Waffenlieferungen nach Syrien, die über türkisches Territorium abgewickelt werden, und was hat die türkische Regierung nach Kenntnis der Bundesregierung bislang dagegen unternommen? Der türkische Generalstab veröffentlicht regelmäßig Informationen zu beschlagnahmten Handfeuerwaffen, die im türkischen Grenzgebiet zu Syrien durch türkische Grenzsicherungskräfte sichergestellt wurden. Eine Verifizierung dieser Angaben ist im Einzelnen nicht möglich. Die Beantwortung der Frage 34 kann nur in Teilen offen erfolgen, da die erbetene Auskunft Rückschlüsse auf die Art der Erkenntnisgewinnung sowie die Vorgehensweisen des Bundesnachrichtendienstes zuließe. Der Schutz der Aufklärungsmethoden und der einzelnen Aufklärungsfähigkeiten stellen für die Aufgabenerfüllung des Bundesnachrichtendienstes einen wichtigen Grundsatz dar. Er dient der Aufrechterhaltung der Effektivität nachrichtendienstlicher Informationsbeschaffung durch den Einsatz spezifischer Fähigkeiten und damit dem Staatswohl. Eine öffentliche Kenntnisnahme dieser Informationen würde zu einer Schwächung der dem Bundesnachrichtendienst zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zur Informationsgewinnung führen. Dies würde für die Auftragserfüllung des Bundesnachrichtendienstes erhebliche Nachteile zur Folge haben. Sie kann für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland schädlich sein. Deshalb sind die entsprechenden Informationen als Verschlusssache gemäß der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift des Bundesministeriums des Innern zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen (VSAnweisung ) mit dem VS-Grad „VS – Vertraulich“ eingestuft und als Anlage 1 bei der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages hinterlegt.* * Das Auswärtige Amt hat die Antwort als „VS – Vertraulich“ eingestuft. Die Antwort ist in der Geheim- schutzstelle des Deutschen Bundestages hinterlegt und kann dort nach Maßgabe der Geheimschutzordnung eingesehen werden. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 13 – Drucksache 18/1087 35. Wie viele Waffen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung seit Beginn der NATO-Operation AF TUR durch die türkischen Behörden beschlagnahmt , und welche Angaben kann die Bundesregierung zur Herkunft und Art der beschlagnahmten Waffen machen (bitte detailliert aufschlüsseln)? 36. Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse vor, wonach in der Vergangenheit auch illegale Waffenlieferungen (einschließlich Klein- und Handfeuerwaffen etc.) aus Deutschland über türkisches Territorium nach Syrien stattgefunden haben, und falls ja, um welche Waffen handelt es sich dabei, und welche Konsequenzen wurden daraus gezogen? Hierzu liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. 37. Welche aktuellen Erkenntnisse hat die Bundesregierung bezüglich der Passierbarkeit der türkisch-syrischen Grenze für Zivilpersonen, humanitäre Güter und medizinische Hilfe entlang derjenigen Grenzgebiete, die auf syrischer Seite unter der De-facto-Kontrolle von kurdischen Sicherheitskräften stehen? Die Grenzübergänge im genannten Gebiet sind nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit geschlossen. Nach Aussage der türkischen Regierung werden Grenzübergänge in akuten Notsituationen sowie Bedrohungslagen für syrische Flüchtlinge temporär geöffnet. 38. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über eigene Grenzsicherungsmaßnahmen bzw. Grenzbefestigungen der Türkei entlang der türkisch -syrischen Grenze, und wie sehen diese Maßnahmen aus? Nach Kenntnis der Bundesregierung wurde in der Provinz Hatay die Grenzbe- Zeitpunkt Güter Ort / Bemerkung Januar 2013 51 Schrotgewehre 110 Luftgewehre 86 Zielfernrohre 86 Gewehrmagazine 104 Pistolenmagazine 50 375 Schuss Munition Ort unbekannt Fünf Sicherstellungen in der 5. KW 2013 November 2013 Drei mit Chemikalien beladene Fahrzeuge Reyhanli Verdacht auf Sprengstoffherstellung November 2013 Explosivstoffe in einem Frachtcontainer versteckt Iskenderun Schiff aus Ägypten November 2013 1 200 „Gefechtsköpfe“, evtl. Geschossrohlinge Adana Laut späterer Erklärung zivile Metalllieferung Januar 2014 Lkw mit Raketen, Munition und evtl. Schutzwesten Kirikhan/Provinz Hatay Pressehinweise auf eine Beteiligung des türkischen Nachrichtendienstes sind ohne hinreichenden Beleg März 2014 1 Pistole 20 Schrotgewehre 500 Schrotpatronen Ort unbekannt/ Sicherstellungen im Zeitraum 7. bis 13. März 2014 festigung durch Ausheben eines Grabens verstärkt; im Stadtgebiet von Nuseybin Drucksache 18/1087 – 14 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode (Provinz Mardin) wurde ein 1,3 Kilometer langer und 2,2 Meter hoher Grenzzaun errichtet. Die in den Fragen 38 und 39 begehrten Auskünfte sind einer offenen Beantwortung nicht zugänglich. Diese ließe Rückschlüsse auf die nachrichtendienstliche Erkenntnislage und damit auf bestehende Aufklärungsschwerpunkte und mittelbar auf die Herkunft der Information zu. Im Ergebnis würde dadurch die Funktionsfähigkeit des Bundesnachrichtendienstes beeinträchtigt, was wiederum für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland nachteilig wäre. Deshalb sind die entsprechenden Informationen als Verschlusssache gemäß der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift des Bundesministeriums des Innern zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen (VS-Anweisung) mit dem VSGrad „VS – Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft und werden als Anlage 2 an den Deutschen Bundestag übermittelt.* 39. Welche politische Haltung nimmt die türkische Regierung nach Kenntnis der Bundesregierung gegenüber der De-facto-Selbstverwaltung in den mehrheitlich von der kurdischen Bevölkerung bewohnten Gebieten Syriens ein, und worauf ist diese Haltung nach Einschätzung der Bundesregierung zurückzuführen? Auf die Antwort zu Frage 38 wird verwiesen.* 40. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Sicherheitslage, die humanitäre und wirtschaftliche Situation der Bevölkerung in den Gebieten , die derzeit unter der De-facto-Kontrolle von kurdischen Sicherheitskräften stehen? Nach Einschätzung der Bundesregierung ist die Sicherheitslage in den Gebieten, die derzeit unter der De-facto-Kontrolle von bewaffneten kurdischen Gruppen stehen, vor dem Hintergrund anhaltender gewaltsamer Auseinandersetzungen zwischen bewaffneten kurdischen und islamistischen Gruppen gespannt. Nach Erkenntnis der Bundesregierung sind die Gebiete nicht wie andere Gebiete in Syrien von systematischen Bombardierungen und Artilleriebeschuss durch Regierungstruppen betroffen. Die Versorgungslage ist schwierig. Lebensmittel sowie andere Versorgungsgüter und verschiedene Dienstleistungen sind eingeschränkt verfügbar. Viele Güter sind für die Bevölkerung nicht mehr finanzierbar. Ein Großteil der Bevölkerung ist auf Unterstützung von Hilfsorganisationen angewiesen. Darüber hinaus sichern Geldsendungen aus dem Ausland für viele Menschen das Überleben. Die Strom- und Wasserversorgung funktioniert nur eingeschränkt. Auch die Wasserqualität wird aufgrund fehlender Kontrollen als minderwertig eingestuft. Die traditionell wichtige Landwirtschaft in den Gebieten wird nur noch eingeschränkt betrieben. Gründe hierfür sind vor allem die fehlende Bewässerung aufgrund eines massiven Treibstoffmangels sowie der schlechte Zustand der Felder, aber auch Saat- und Pflanzgutmangel sowie fehlendes Startkapital. * Das Auswärtige Amt hat die Antwort als „VS – Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft. Die Antwort ist im Parlamentssekretariat des Deutschen Bundestages hinterlegt und kann dort von Berechtigten eingesehen werden. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 15 – Drucksache 18/1087 41. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Zusammensetzung der bewaffneten Sicherheitskräfte in den Gebieten unter kurdischer Selbstverwaltung , und in welchem Umfang sind nach Kenntnis der Bundesregierung ggf. auch nicht kurdische Bevölkerungsgruppen daran beteiligt? Die Gebiete, die den Anspruch auf eine kurdische Selbstverwaltung erheben, verfügen über keine klar definierten Grenzen. Vor diesem Hintergrund sind exakte Angaben über die Zusammensetzung der bewaffneten Sicherheitskräfte, die sich in jenen Regionen aufhalten, nicht möglich. Nach Erkenntnissen der Bundesregierung werden die Gebiete, die Anspruch auf eine kurdische Selbstverwaltung erheben, grundsätzlich vor allem von den Kräften der so genannten „Volksverteidigungseinheiten“ (YPG) dominiert. Außerdem halten sich in diesen Gebieten teilweise auch Angehörige der syrischen Sicherheitskräfte auf. Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse darüber vor, dass diesen Formationen auch Angehörige nichtkurdischer Bevölkerungsgruppen in größerer Zahl angehören. 42. Wie viele Bürgerkriegsflüchtlinge halten sich nach Kenntnis der Bundesregierung gegenwärtig in den unter kurdischer Selbstverwaltung stehenden Gebieten Syriens auf, und wie ist ihre humanitäre und wirtschaftliche Versorgungssituation einzuschätzen? Die Gebiete, die den Anspruch auf eine kurdische Selbstverwaltung erheben, verfügen über keine klar definierten Grenzen. Vor diesem Hintergrund sind exakte Angaben über die Zahl der Bürgerkriegsflüchtlinge, die sich in diesen Gebieten aufhalten, nicht möglich. Nach Einschätzung der Bundesregierung leiden die in diesen Gebieten befindlichen Binnenvertriebenen, wie auch die sonstige Bevölkerung, massiv unter Preissteigerungen der Güter des täglichen Bedarfs und sind auf Hilfe angewiesen. Die Vereinten Nationen gehen alleine in der größten Region Hassakeh mit einem traditionell hohen kurdischen Bevölkerungsanteil von 500 000 Menschen aus, die der Hilfe bedürfen, darunter rund 250 000 Binnenvertriebene v. a. aus den angrenzenden Provinzen. In Syrien gehen die Vereinten Nationen von mindestens 6,5 Millionen Binnenvertriebenen aus. 43. Wie ist nach Kenntnis der Bundesregierung die Selbstverwaltung in den mehrheitlich kurdisch besiedelten Gebieten Syriens politisch organisiert, und inwieweit werden die verschiedenen Bevölkerungsgruppen daran beteiligt ? Nach Erkenntnissen der Bundesregierung befinden sich die Strukturen einer Selbstverwaltung in den mehrheitlich kurdisch besiedelten Gebieten Syriens derzeit noch im Aufbau. Nach eigenen Aussagen der Akteure sollen dabei alle Bevölkerungsgruppen beteiligt werden. Belastbare Erkenntnisse über eine Beteiligung der verschiedenen Bevölkerungsgruppen liegen der Bundesregierung nicht vor. 44. Bei welcher Gelegenheit und mit welchem Ergebnis hat die Bundesregierung gegenüber der türkischen Regierung die Situation der Bevölkerung in den unter kurdischer Selbstverwaltung stehenden Gebieten Syriens thematisiert und die türkische Seite auf die Notwendigkeit von Zugangsmöglichkeiten der dortigen Zivilbevölkerung zu humanitärer Hilfe hingewiesen ? Die Bundesregierung erörtert mit Partnerregierungen u. a. im Rahmen der Gruppe „Friends of the Syrian People“, der auch die Türkei angehört, regelmä- Drucksache 18/1087 – 16 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode ßig die Situation der Bevölkerung in allen Gebieten Syriens. Deutschland und die Türkei setzen sich nachdrücklich dafür ein, humanitären Organisationen sicheren und ungehinderten Zugang zu allen Gebieten Syriens zu ermöglichen und haben die Verabschiedung der Resolution 2139 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen begrüßt, in der die internationale Gemeinschaft die syrische Regierung mit Nachdruck auffordert, umgehend sicheren und ungehinderten humanitären Zugang auch über Konfliktlinien und Grenzen hinweg zu gewähren , um sicherzustellen, dass humanitäre Hilfe alle Bedürftigen erreicht. 45. Wie sehen die generellen Verfahrensmodalitäten in der NATO zur Aufhebung von Bündnisfällen aus, die ggf. bei einer möglichen Beendigung der NATO-Operation AF TUR zur Anwendung kämen? Der Einsatz kann nur durch einen einstimmigen Beschluss des Nordatlantikrats beendet werden. 46. Unter welchen Voraussetzungen würde sich die Bundesregierung innerhalb der NATO für die Aufhebung des Bündnisfalls und die Beendigung der NATO-Operation AF TUR einsetzen? Sobald die Bundesregierung zu dem Schluss kommt, dass die dem Einsatz zugrundeliegende Gefährdung nicht mehr fortbesteht und die Voraussetzungen für den Einsatz damit nicht mehr gegeben sind, würde sie in Abstimmung mit der Türkei und den anderen am Einsatz beteiligten Bündnispartnern eine zeitnahe Beendigung des Einsatzes anstreben. 47. Unter welchen Voraussetzungen wäre die Bundesregierung bereit, auch bei der Aufrechterhaltung des Bündnisfalls zumindest die deutsche Beteiligung an der NATO-Operation AF TUR zu beenden? Die Bundesregierung zieht eine einseitige Beendigung der deutschen Beteiligung am Einsatz nicht in Betracht. Auf die Antwort zu Frage 46 wird verwiesen. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333