Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Auswärtigen Amts vom 17. Januar 2017 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 18/10953 18. Wahlperiode 19.01.2017 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Annette Groth, Inge Höger, Christine Buchholz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/10728 – Menschenrechtliche Situation der Geflüchteten in Bulgarien V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Bulgarien wird vorgeworfen, dass Zurückweisungen (Push-Backs) von Geflüchteten und Migrantinnen und Migranten durch die Grenzpolizei vorgenommen werden. Laut Amnesty International sind die Aufnahmebedingungen für Asylsuchende äußerst schlecht. Integrationspläne für anerkannte Flüchtlinge fehlen völlig (www.amnesty.de/jahresbericht/2016/bulgarien). Es gibt weiterhin „Bedenken hinsichtlich der Aufnahmebedingungen für Asylsuchende, insbesondere in Bezug auf Essen, Unterkunft und Zugang zu Gesundheitsfürsorge sowie Hygieneartikeln“ (www.amnesty.de/jahresbericht/2016/bulgarien). Ein afghanischer Flüchtling berichtet, dass ihm „in Bulgarien die Polizei sein Geld und das Mobiltelefon abgenommen [habe]“ (vgl. Winter auf der Balkanroute, Neues Deutschland, 5. Dezember 2016, S. 8). Nachdem Geflüchtete im bulgarischen Flüchtlingslager Harmanli gegen die aus ihrer Sicht unhaltbaren Zustände protestiert hatten, ging die Polizei mit Wasserwerfern und Gummigeschossen gegen die Geflüchteten vor. Dabei wurden durch die bulgarischen Behörden 400 Flüchtlinge festgenommen (www. tagesschau.de/ausland/krawalle-bulgarien-fluechtlinge-101.html). Die Geflüchteten zündeten Matratzen und Autoreifen an, nachdem in dem Lager Krankheiten wie Krätze, andere Hautkrankheiten und angeblich auch Malaria ausgebrochen waren (www.tagesschau.de/ausland/krawalle-bulgarien-fluechtlinge-101. html). In dem Zen-trum waren bei 128 Flüchtlingen vor allem Hautkrankheiten und Virusinfektionen festgestellt worden (www.welt.de/politik/ausland/article 159676493/Ausgangssperre-wegen-Krankheiten-in-Fluechtlingslager.html). Repressionen gegen Flüchtlinge sind in Bulgarien an der Tagesordnung (www. fr-online.de/panorama/fluechtlinge-gestrandet-in-serbien,1472782,34992080. html). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/10953 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 1. Welche konkreten Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über die menschenrechtliche Lage von Geflüchteten in Bulgarien vor? Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der deutschen Botschaft Sofia haben sich im Jahr 2016 mehrfach mit Vertretern bulgarischer Behörden getroffen, um die Lage der Flüchtlinge im Land zu erörtern. Daneben besuchen Botschaftsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter regelmäßig Aufnahmeeinrichtungen für Flüchtlinge in Bulgarien (zuletzt im November 2016 Vrajdebna und im Dezember 2016 Harmanli). Bei Besuchen von verschiedenen Flüchtlingseinrichtungen konnten sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Botschaft davon überzeugen, dass die Zentren zwar sehr einfach, aber funktionell eingerichtet sind. Die Unterbringung erfolgt in Mehrbettzimmern und beheizbaren Räumen. Waschgelegenheiten sind vorhanden . Bei den Besichtigungen waren die Einrichtungen stets in sauberem Zustand. Klagen wurden von Flüchtlingen gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Botschaft nicht geäußert. Nach den der Bundesregierung vorliegenden Informationen geht die Bundesregierung davon aus, dass die bulgarischen Einrichtungen grundlegenden Anforderungen für die Unterbringung von Flüchtlingen entsprechen. Sowohl bei den Besichtigungen der Aufnahmeeinrichtungen als auch bei den Gesprächen war der Wille der bulgarischen Behörden zu erkennen, europäische Mindeststandards bei der Behandlung und Unterbringung von Schutzsuchenden einzuhalten. Die Situation der Flüchtlinge in Bulgarien ist aber auch vor dem Hintergrund der teilweise schwierigen Lage im Land zu sehen. Derzeit leben 31 Prozent der bulgarischen Bevölkerung (rund 2,2 Millionen Menschen) unterhalb der Armutsgrenze, das heißt, sie verdienen weniger als 160 Euro im Monat. Das notleidende Gesundheitswesen befindet sich in einem noch lange andauernden Reformprozess . 2. Welche konkreten Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über die gesellschaftliche Stimmung gegenüber Geflüchteten in Bulgarien vor, nachdem in den letzten Monaten eine Reihe von Demonstrationen gegen Geflüchtete stattgefunden hat? Der Bundesregierung sind Ergebnisse bulgarischer Meinungsumfragen der letzten Monate bekannt, die eine zunehmend kontroverse und von Ängsten getragene Stimmung in der bulgarischen Bevölkerung aufzeigen. 3. Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung die Zahl der Ausschreitungen und Übergriffe gegen Geflüchtete in Bulgarien (bitte nach konkreten Übergriffen und Ausschreitungen aufschlüsseln)? Weder führt die Bundesregierung Übersichten über derartige Vorfälle in Bulgarien , noch sind ihr entsprechende Übersichten von offizieller bulgarischer Seite bekannt. 4. Sind der Bundesregierung Übergriffe gegen Geflüchtete durch bulgarische Behörden und Angehörige des Grenzschutzes bekannt, und wenn ja, welche? Der Bundesregierung sind entsprechende Medienberichte bekannt. Darüber hinaus liegen der Bundesregierung keine eigenen Erkenntnisse vor. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/10953 5. Werden nach Informationen der Bundesregierung auch weiterhin Push- Backs durch bulgarische Grenzbehörden durchgeführt? Entsprechende Medienberichte und Vorwürfe bezüglich sogenannter „Push Backs“ an der bulgarischen Grenze sind der Bundesregierung bekannt. Darüber hinaus liegen der Bundesregierung keine konkreten Informationen vor. a) Wenn ja, welche konkreten Schritte unternimmt die Bundesregierung, um diese mit internationalem Recht nicht zu vereinbarenden Zurückweisungen von Geflüchteten zu unterbinden? b) Wenn nein, wer überwacht die Einhaltung des internationalen Rechts an der bulgarisch-türkischen Grenze? Die Fragen 5a und 5b werden zusammengefasst beantwortet. Die Überwachung der Einhaltung des internationalen Rechts an nationalen Grenzen obliegt dem jeweiligen Staat. Die Einhaltung internationalen Rechts gerade auch beim Umgang mit Flüchtlingen ist der Bundesregierung ein wichtiges Anliegen . Die Situation im Grenzgebiet und die Lage der Flüchtlinge in Bulgarien sind daher auch regelmäßig Gegenstand bilateraler Gespräche. 6. Wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Frontex sind aktuell an der bulgarisch-türkischen Grenze eingesetzt? Derzeit sind in Bulgarien im Rahmen von Frontex insgesamt 77 Gastbeamtinnen und -beamte aus EU-Mitgliedstaaten im Einsatz (Stand 1. Januar 2017). 7. Wie viele deutsche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Behörden sind aktuell an der bulgarisch-türkischen Grenze im Rahmen von Frontex eingesetzt ? Derzeit sind in Bulgarien 20 deutsche Polizeibeamtinnen und -beamte im Rahmen von Frontex im Einsatz (Stand 1. Januar 2017). 8. Gibt es von Seiten der deutschen Frontex-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter konkrete Informationen über Menschenrechtsverletzungen an der bulgarisch -türkischen Grenze, und wenn ja, welche konkreten Sachverhalte wurden hier genannt? Von den deutschen Polizeibeamtinnen und -beamten wurden keine Vorkommnisse dieser Art gemeldet. 9. Wie viele Geflüchtete befinden sich aktuell in den verschiedenen Einrichtungen für Flüchtlinge in Bulgarien (bitte nach Einrichtungen aufschlüsseln )? In den Unterkünften in Harmanli, Ovtcha Kupel, Vrazhdebna, Voena Rampa, Banya und Pastrogor befanden sich nach Angaben der bulgarischen Behörden am 29. Dezember 2016 insgesamt 4 334 Personen. In den Unterkünften in Sofia und Lyubimets befanden sich zu diesem Datum insgesamt 1 226 Personen. 10. Welche konkreten Informationen liegen der Bundesregierung zu problematischen Standards in den bulgarischen Einrichtungen für Geflüchtete vor? Es wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/10953 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 11. Wie viele Geflüchtete wurden seit 1. Januar 2015 von Deutschland nach Bulgarien abgeschoben (bitte nach Monaten aufschlüsseln)? Die Zahl der Rückführungen aus der Bundesrepublik Deutschland nach Bulgarien in den Jahren 2015 und 2016 stellt sich wie folgt dar (Angaben für den Dezember 2016 lagen zum Zeitpunkt der Beantwortung noch nicht vor): Rückführungen nach Bulgarien Monat 2015 2016 Januar 6 11 Februar 14 12 März 20 25 April 6 28 Mai 10 15 Juni 11 23 Juli 12 17 August 12 20 September 9 13 Oktober 7 18 November 13 13 Dezember 8 noch nicht erfasst Gesamt 128 195 12. Werden von Seiten des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge „Zugehörige besonders verletzlicher Gruppen“ (www.proasyl.de/wp-content/uploads/ 2015/12/Dublin_Ratgeber_Erste_Hilfe_2015.pdf, S. 15) nach Bulgarien abgeschoben ? a) Wenn ja, warum hat sich diese Position des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge seit dem Jahr 2015 verändert? b) Wenn nein, was ist die offizielle Begründung für die Aussetzung von Abschiebungen nach Bulgarien für Zugehörige besonders verletzlicher Gruppen? Die Fragen 12 bis 12b werden zusammengefasst beantwortet. Im Rahmen des Dublin-Verfahrens prüft das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in jedem Einzelfall, ob Voraussetzungen für die Ausübung des Selbsteintrittsrechts vorliegen. Insbesondere bei besonders schutzbedürftigen Personen (Artikel 21 der Richtlinie 2013/33/EU – Aufnahme-RL) wird vom BAMF generell und nicht nur mit Bezug auf Bulgarien sorgfältig geprüft, ob eine Überstellung im konkreten Einzelfall eine unzumutbare Härte darstellen würde. Diesbezüglich gab es seit 2015 keine Änderungen der Position des BAMF. 13. Welche konkreten Verstöße gegen menschenrechtliche Standards für Geflüchtete in Bulgarien sind der Bundesregierung bekannt? Über die Medienberichterstattung hinausgehende Erkenntnisse über etwaige Verletzungen menschenrechtlicher Standards durch bulgarische Behörden liegen der Bundesregierung nicht vor. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/10953 14. Teilt die Bundesregierung die Aussagen von Amnesty International, dass es weiterhin „Bedenken hinsichtlich der Aufnahmebedingungen für Asylsuchende , insbesondere in Bezug auf Essen, Unterkunft und Zugang zu Gesundheitsfürsorge sowie Hygieneartikeln“ gibt (www.amnesty.de/ jahresbericht/2016/bulgarien)? Nach den der Bundesregierung vorliegenden Informationen geht die Bundesregierung davon aus, dass die bulgarischen Einrichtungen grundlegenden menschenrechtliche Anforderungen für die Unterbringung von Flüchtlingen entsprechen . Des Weiteren wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. 15. Wie beurteilt die Bundesregierung die Aussage in der „Frankfurter Rundschau “, dass „Repressionen gegen Flüchtlinge in Bulgarien an der Tagesordnung “ sind (www.fr-online.de/panorama/fluechtlinge-gestrandet-in-serbien, 1472782,34992080.html)? Der hier zitierte Artikel ist der Bundesregierung bekannt. Er bezieht sich jedoch inhaltlich vor allem auf die Situation der Flüchtlinge in Serbien. Bezüglich der Situation in Bulgarien wird auf die Antworten zu Frage 3 und Frage 4 verwiesen. 16. Welche konkreten Schritte unternimmt die Bundesregierung, um die mit internationalem Recht und mit EU-Recht nicht zu vereinbarende geplante Abschiebung von Tausenden von Geflüchteten aus Bulgarien zu unterbinden (www.spiegel.de/politik/ausland/fluechtlingslager-harmanli-bulgarien-willtausend -fluechtlinge-abschieben-a-1123198.html)? Die Bundesregierung verfügt über keine Erkenntnisse, wonach Bulgarien sich bei der Behandlung von Flüchtlingen nicht an geltendes internationales Recht und EU-Recht hält. 17. Teilt die Bundesregierung die Aussage bulgarischer Behörden, dass „Bulgarien Unruhestifter unter Flüchtlingen künftig internieren und von der Außenwelt abschotten“ will (Überfordertes Bulgarien, Neue Züricher Zeitung, S. 4.)? 18. Hält die Bundesregierung eine solche Abschottung von Geflüchteten, wie sie in Frage 5 aufgezeigt wurde, mit der Genfer Flüchtlingskonvention und europäischem Recht vereinbar? a) Wenn ja, mit welchen rechtlichen Grundlagen lässt sich ein solches Vorgehen gegen Geflüchtete begründen? b) Wenn nein, was wird die Bundesregierung konkret unternehmen, um eine solche menschenrechtlich nicht zu vertretende Isolation von Geflüchteten zu verhindern? Die Bundesregierung geht davon aus, dass der Rückbezug in Frage 18 nicht Frage 6, sondern Frage 17 betrifft. Die Fragen 17 bis 18b werden aufgrund des inhaltlichen Zusammenhangs gemeinsam beantwortet. Der Bundesregierung liegen hierzu keine konkreten, über entsprechende Medienberichte hinausgehenden Informationen vor. Nach Kenntnis der Bundesregierung wurden bislang von bulgarischer Seite auch keine entsprechenden Maßnahmen ergriffen. Grundsätzlich gilt aber: Nach Artikel 2 der Genfer Flüchtlingskonvention sind Flüchtlinge ausdrücklich verpflichtet, Gesetze und sonstige Rechtsvorschriften des Aufenthaltslandes „sowie die zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung getroffenen Maßnahmen zu beachten.“ Maßnahmen, die Bulgarien als Aufenthaltsstaat zur Durchsetzung Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/10953 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode dieser Verpflichtung trifft, sind an den allgemeinen Vorschriften, insbesondere der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) zu messen. Danach sind freiheitsentziehende Maßnahmen nicht generell unzulässig, müssen aber insbesondere mit Artikel 5 und Artikel 3 der EMRK und mit dem Recht der Europäischen Union, insbesondere der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (ABl. L 180 vom 29. Juni 2013, S. 96), vereinbar sein. Eine Bewertung über die Zulässigkeit solcher Maßnahmen kann nur im Einzelfall und gemessen an der Art und Weise ihrer Umsetzung vorgenommen werden. 19. Welche konkreten Informationen liegen der Bundesregierung über die „Bürgerwehren “ vor, die nach Medienberichten „auf brutale Art und Weise“ an der bulgarisch-türkischen Grenze Jagd auf Geflüchtete machen (www.zdf. de/politik/auslandsjournal/buergerwehren-in-bulgarien-auslandsjournal-vom- 08-06-2016-100.html)? Der Bundesregierung liegen hierzu keine über entsprechende Medienberichte hinausgehenden, konkreten Informationen vor. 20. Welche konkreten Schritte durch die Bundesregierung oder die EU-Institutionen wurden unternommen, um dieses illegale Vorgehen der selbsternannten Bürgerwehren an der bulgarisch-türkischen Grenze zu stoppen? Das Thema wurde bilateral gegenüber der bulgarischen Seite kritisch angesprochen . 21. Wurden nach Informationen der Bundesregierung Mitglieder dieser Bürgerwehren durch die bulgarische Justiz wegen ihres illegalen Handels strafrechtlich verfolgt und gerichtlich verurteilt? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333