Deutscher Bundestag Drucksache 18/1105 18. Wahlperiode 09.04.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Christine Buchholz, Sevim Dağdelen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/904 – Erkenntnisse über Kontakte deutscher Rechtsextremisten in die Ukraine und Präsenz rechtsextremer ukrainischer Kräfte in Deutschland Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r In der Ukraine hat als Ergebnis monatelanger, von der Bundesregierung und anderen Staaten der Europäischen Union (EU) unterstützter Proteste eine neue Regierung die Macht übernommen. Dieser gehören zum ersten Mal in der Geschichte der unabhängigen Ukraine Mitglieder rechtsextremer Organisationen an. Hierzu zählen unter anderem die Minister für Verteidigung, Landwirtschaft und Umwelt, die der „Allukrainischen Allianz Swoboda“ angehören. Die Fragestellerinnen und Fragesteller sowie die Bundesregierung haben bereits im vorigen Jahr im Rahmen einer Kleinen Anfrage zahlreiche Belege für die rechtsextreme Ausrichtung dieser Partei angeführt (vgl. Bundestagsdrucksache 17/14603). So hetzte Parteichef Oleg Tjagnibok öffentlich gegen „Juden und andere Schädlinge“, die Swoboda-Fraktion knüpft freundschaftliche Kontakte zur NPD, die Partei veranstaltet in den von ihr dominierten galizischen Landesteilen Aufmärsche zu Ehren der Waffen-SS. Swoboda stellt sich in die Tradition der Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN) und der Ukrainischen Aufständischen Armee (UPA) – faschistische Organisationen, die während des Zweiten Weltkrieges Zehntausende polnischer Zivilisten, jüdischer Flüchtlinge und ukrainischer Bürger umbrachten, die ihren Führungsanspruch infrage stellten. Die Machtübernahme der bürgerlich-rechtsextremen Koalition in Kiew geht einher mit einem teilweisen Zusammenbruch der Sicherheitsorgane dort, in deren Folge es nach verschiedenen Medienberichten zu massiven Verfolgungen regierungskritischer, insbesondere antifaschistischer Kräfte kommt (https://linksunten.indymedia.org/de/node/107460). Die Gewaltbereitschaft von Swoboda belegen unter anderem auch Berichte auf der Partei-Homepage, denen zufolge schon lange vor Ausbruch der Gewalttätigkeiten in Kiew Swoboda-Aktivisten in Galizien Amtsträger und Politiker der Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 7. April 2014 übermittelt . Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Partei der Regionen mittels „Hausbesuchen“ unter Druck gesetzt haben, um ihre Ämter aufzugeben. In Galizien wurde mit Billigung der Behörden eine „Nationalgarde“ gebildet (http://portal.lviv.ua/news/2014/01/27/142456.html), bereits im Januar 2014 wurden in den Distrikten Iwano-Frankiwsk und Terno- Drucksache 18/1105 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode pil (dessen Bürgermeister dem NPD-Blatt „Deutsche Stimme“ ein Interview gegeben hat) die Partei der Regionen und die Kommunistische Partei verboten (http://portal.lviv.ua/news/2014/01/26/134600.html). Weitere rechtsextreme Organisationen („Rechter Sektor“, UNA/UNSO u. a.) haben während der Proteste in Kiew maßgeblich zur gewalttätigen Eskalation beigetragen. Die Fragestellerinnen und Fragesteller halten es für plausibel, dass deutsche Rechtsextreme auf die Regierungsbeteiligung ukrainischer Faschisten reagieren . Nach einem Bericht der „Berliner Zeitung“ (9. März 2014) erwartet die NPD-Jugendorganisation zu ihrem „Europakongress“ in Leipzig auch Abgesandte des „Rechten Sektors“. Die Fragestellerinnen und Fragesteller befürchten zudem, dass auch in Deutschland lebende Swoboda-Anhänger ihre Aktivitäten verstärken könnten. Auch asylrelevante Auswirkungen der Entwicklung sind aus Sicht der Fragestellerinnen und Fragesteller nicht auszuschließen. 1. Wie werden nach Kenntnis der Bundesregierung die Vorgänge in der Ukraine im rechtsextremen Spektrum der Bundesrepublik Deutschland interpretiert (bitte möglichst nach den relevanten Akteuren im rechtsextremen Spektrum, wie Parteien, nichtparteiförmige Zusammenschlüsse und rechtsextreme Publizistik aufschlüsseln)? 2. Wie werden dabei nach Kenntnis der Bundesregierung von deutschen Rechtsextremisten die unterschiedlichen rechtsextremen Zusammenschlüsse der Ukraine bzw. solche Zusammenschlüsse, die in erheblichem Ausmaß von Rechtsextremen geführt werden, wahrgenommen und beurteilt ? Die Haltung deutscher Rechtsextremisten zu den Vorgängen in der Ukraine muss im Kontext ihrer Einstellungsmuster zu Russland betrachtet werden. Grundsätzlich besteht in ihrer Wahrnehmung beider Länder ein schwer aufzulösender Widerspruch. In einer Vielzahl von Wortmeldungen deutscher Rechtsextremisten wird Russland als unverzichtbarer strategischer Partner für eine Gegenmachtbildung zu den USA dargestellt. Die Parteinahme für ukrainische Nationalisten lässt sich mit dieser Position schwerlich in Einklang bringen. Wie bereits in der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 17/14603 vom 22. August 2013 dargestellt, versuchen insbesondere die „Nationaldemokratische Partei Deutschlands“ (NPD) und deren Jugendorganisation „Junge Nationaldemokraten “ (JN) Kontakte zu ukrainischen Rechtsextremisten aufzunehmen. Das hohe Interesse von NPD/JN an den Geschehnissen in der Ukraine bedeutet allerdings nicht, dass diesem Land eine große Bedeutung beigemessen wird. Der Werdegang der rechtspopulistischen und nationalistischen Partei Swoboda, die bei ukrainischen Parlamentswahlen Mandate erringen konnte und in die Regierungskoalition eingetreten ist, soll der eigenen Anhängerschaft als realistisches Erfolgsmuster auch für deutsche Nationalisten vorgeführt werden. 3. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über Reisebewegungen deutscher Rechtsextremisten in die Ukraine und ukrainischer Rechtsextremisten nach Deutschland seit Erstellung der Bundestagsdrucksache 17/14603? Entgegen der ursprünglichen Ankündigung haben keine Angehörigen der ukrainischen Gruppierung „Prawy Sektor“ (Rechter Sektor) an dem „Europakongress “ der NPD-Jugendorganisation JN, der am 22. März 2014 in Kirchheim Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/1105 (Thüringen) stattfand, teilgenommen. Soweit der Bundesregierung bekannt, soll ihnen die Ausreise aus der Ukraine verweigert worden sein. Der Bundesregierung liegen im Übrigen weder zu Reisebewegungen deutscher Rechtsextremisten in die Ukraine noch zu Reisebewegungen ukrainischer Rechtsextremisten nach Deutschland weitergehende Erkenntnisse vor. 4. Welche über die auf Bundestagsdrucksache 17/14603 genannten hinausgehenden Erkenntnisse hat die Bundesregierung über Kontakte ukrainischer Rechtsextremisten zu deutschen Rechtsextremisten (bitte möglichst vollständig unter Angabe der jeweiligen ukrainischen und deutschen Organisationen angeben)? Der Bundesregierung liegen hierzu keine weitergehenden Erkenntnisse vor. 5. Wie oft haben sich Vertreter der Bundesregierung bzw. der deutschen Botschaft in Kiew seit Beginn der Proteste auf dem Kiewer Unabhängigkeitsplatz mit Vertretern a) von der Swoboda und b) anderer rechtsextremer Organisationen getroffen (bitte Datum und Gesprächspartner sowie jeweilige Organisation vollständig angeben), und was war Gegenstand der Gespräche? Seit Beginn der Proteste bis zum 21. Februar 2014 gab es Treffen mit den Vorsitzenden der drei Oppositionsfraktionen im EU-Kreis bzw. bei den gemeinsamen Unterrichtungen der Opposition im Gewerkschaftshaus. Die Treffen dienten vor allem dem Informationsaustausch im Hinblick auf die andauernden Proteste. Am 20./21. Februar 2014 haben sich die drei Außenminister des Weimarer Dreiecks mit den drei Vorsitzenden der damaligen Opposition, darunter auch mit dem Parteivorsitzenden von „Swoboda“, Oleg Tjahnybok, in der deutschen Botschaft in Kiew sowie im Amtssitz des ukrainischen Präsidenten getroffen. Im Ergebnis wurde das Blutvergießen in Kiew beendet. Am 13. März 2014 fand ein Treffen zwischen dem Deutschen Botschafter und dem mittlerweile zurückgetretenen Verteidigungsminister Ihor Tenjuch von der Partei „Swoboda“ statt. Das Thema des Gespräches war die Entwicklung auf der Krim. Die deutsche Botschaft in Kiew pflegt in Wahrnehmung ihrer Aufgaben Kontakte zu Regierung und Opposition. Darunter befinden sich bisweilen auch populistische oder nationalistische Parteien unterschiedlicher Ausrichtung und Zielsetzung, so auch die jetzt an der Regierung beteiligte Partei „Swoboda“. 6. Hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, ob es seit Beantwortung der Kleinen Anfrage auf Bundestagsdrucksache 17/14603 weitere, mit Bundesmitteln geförderten Veranstaltungen (etwa deutscher Stiftungen) gegeben hat, an denen sich Vertreter der Partei Swoboda oder anderer ukrainischer rechtsextremer Organisationen beteiligt haben (bitte ggf. Details und Kosten nennen)? Der Bundesregierung liegen hierzu keine weitergehenden Erkenntnisse vor. Drucksache 18/1105 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 7. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Präsenz der Partei Swoboda oder anderer rechtsextremer Organisationen in Deutschland (bitte detailliert unter Nennung von Organisationsstrukturen, Büros, Medien , Mitgliederstärken usw. aufschlüsseln), und welche Aktivitäten haben diese seit dem 11. November 2013 unternommen? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. 8. Inwiefern ist die Partei Swoboda (angesichts ihrer offenen Verehrung für die faschistisch-terroristische OUN/UPA) oder andere rechtsextreme ukrainische Vereinigungen in Deutschland Beobachtungsobjekt des Bundesamtes für Verfassungsschutz oder, nach Kenntnis der Bundesregierung , eines Landesamtes? Weder die Partei „Swoboda“ noch rechtsextreme ukrainische Vereinigungen sind Beobachtungsobjekte der Verfassungsschutzbehörden in Deutschland. 9. Mit welchen ukrainischen Behörden oder Behörden dritter Länder stehen Bundessicherheitsbehörden in Kontakt, um Informationen über Swoboda oder andere rechtsextreme ukrainische Organisationen bzw. deutsche Rechtsextremisten, die Kontakte in die Ukraine pflegen, zu erlangen, an sie weiterzuleiten bzw. auszutauschen? Inwiefern ist das Gemeinsame Abwehrzentrum gegen Rechtsextremismus (GAR) hierin eingebunden? Welche Erkenntnisse wurden hierbei erlangt? Die deutschen Sicherheitsbehörden verfolgen die Entwicklung in der Ukraine, insbesondere im Hinblick auf eine mögliche Zusammenarbeit mit deutschen Rechtsextremisten, mit großer Aufmerksamkeit. Bislang liegen jedoch keine Erkenntnisse vor, die eine Zusammenarbeit mit ukrainischen Behörden oder Behörden anderer Länder im Rahmen der gesetzlichen Aufgabenstellung erfordern . Im Gemeinsamen Abwehrzentrum gegen Rechtsextremismus (GAR) wurde das Thema „Kontakte deutscher Rechtsextremisten nach Russland und in die Ukraine“ am 20. März 2014 erörtert. Ein abschließendes Fazit lässt sich noch nicht ziehen. 10. Welchen Einfluss haben die Partei Swoboda oder andere ukrainische rechtsextreme Organisationen in Deutschland nach Einschätzung der Bundesregierung (soweit möglich hier bitte auch allfällige Einschätzungen der Länder einfließen lassen) auf nichtextremistische Ukrainerinnen und Ukrainer in Deutschland? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. 11. In welchem Verhältnis stehen nach Kenntnis der Bundesregierung die Ukrainische Freie Universität in München oder andere, in Bayern ansässige ukrainische „Exil“-Einrichtungen zur Partei Swoboda, anderen rechtsextremen ukrainischen Organisationen und solchen Zusammenschlüssen , die die Tradition der OUN/UPA pflegen? Nach Kenntnis der Bundesregierung sind dem Freistaat Bayern keine Verbindungen der „Ukrainischen Freien Universität“ zur Partei „Swoboda“ oder zu rechtsextremen Organisationen bekannt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/1105 Der durch Internetrecherche erstmals bekannt gewordene „Bund ukrainischer Studenten e. V.“ gibt als Kontakt auf seiner Internetseite eine Postfachadresse in München an. Diese Gruppierung ist dem Freistaat Bayern in Zusammenhang mit rechtsextremistischen Aktivitäten ebenfalls nicht bekannt. Über weitere, in Bayern ansässige ukrainische „Exil-Einrichtungen“ mit Verbindungen zur Partei „Swoboda“, zu rechtsextremen ukrainischen Organisationen und zu den genannten Zusammenschlüssen liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. 12. Hat es bezüglich der 24 verletzten Maidan-Protestierer, die von der Bundeswehr zur Behandlung nach Deutschland transportiert wurden, eine Voruntersuchung gegeben, inwiefern sich diese in Zusammenhang mit den Protesten an Gewalt- oder anderen Straftaten beteiligt haben, und wenn ja, wer hat diese mit welchem Ergebnis durchgeführt? a) Wer hat, nach welchen Kriterien, die Auswahl getroffen, welche Verletzten konkret nach Deutschland gebracht werden? b) Inwiefern waren Angehörige der Partei Swoboda, von Swoboda kontrollierter Behörden oder andere rechtsextreme Organisationen an dieser Auswahl beteiligt? Die Auswahl der 24 in Deutschland zu behandelnden ukrainischen Patienten (darunter fünf Polizisten) erfolgte durch eine militärärztliche Beratergruppe der Bundeswehr vor Ort auf Grundlage einer Liste, die der Gesundheitsausschuss des ukrainischen Parlaments zuvor der deutschen Botschaft in Kiew übermittelt hatte. Die Auswahl erfolgte ausschließlich nach medizinischen Kriterien mit dem Ziel, Menschen, die bei den gewaltsamen Auseinandersetzungen in der Ukraine schwer verletzt wurden, eine adäquate medizinische Versorgung zu ermöglichen . 13. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über Veranstaltungen insbesondere in den Swoboda-Hochburgen im Westen der Ukraine im Zusammenhang mit der Ehrung der OUN/UPA sowie der Waffen-SS Galizien seit Mai 2013? Der Bundesregierung sind Pressemeldungen über solche Veranstaltungen bekannt . Es liegen ihr keine weitergehenden Erkenntnisse hierzu vor. 14. Welche rechtsextremen Organisationen gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung in der Ukraine, und welche Rolle hatten diese bei den Auseinandersetzungen mit der früheren Regierung? Welche Kenntnis hat die Bundesregierung über die Mitgliederschaft bzw. Anhängerschaft dieser Organisationen? Insgesamt ist die Landschaft politischer Parteien, Organisationen und Gruppen in der Ukraine heterogen und volatil. Insofern ist eine abschließende Aufzählung von Parteien, Organisationen und Gruppen, die der extrem rechten Szene in der Ukraine zuzurechnen sind, nur eingeschränkt möglich. Ergänzend wird auf die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 18/863 vom 18. März 2014 verwiesen. Nach Kenntnis der Bundesregierung waren unter den – weit überwiegend friedlichen – Protestierenden auf dem Majdan auch Angehörige rechtsgerichteter, teils rechtsextremer Gruppierungen. So nahmen „Kampftrupps“ des ultrarechten Sektors – so genannte Sotnyas – an den Auseinandersetzungen teil. Im Zuge der Eskalationen ab Januar 2014 be- Drucksache 18/1105 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode teiligten sich an den Straßenkämpfen Majdan-Selbstverteidigungskräfte mit einer geschätzten Gesamtstärke von bis zu 3 500 bis 4 000 Kämpfern. 15. In welchem Verhältnis stehen diese Organisationen jeweils mit nichtrechtsextremistischen politischen Akteuren der Protestbewegung, und welcher Art ist dieses Verhältnis? Nach Kenntnis der Bundesregierung haben auf dem Majdan Gruppierungen unterschiedlichster politischer Ausrichtung gemeinsam demonstriert. 16. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung von möglicherweise asylrelevanten (staatlichen und nichtstaatlichen) Verfolgungshandlungen gegen Kritikerinnern und Kritiker der neuen Regierung, insbesondere Antifaschistinnen und Antifaschisten, Jüdinnen und Juden, nationalen Minderheiten , Aktivistinnen und Aktivisten aus dem LGBTTI-Spektrum (Spektrum der Gesellschaft Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender und Intersexuellen), aktiven Mitgliedern und Politikerinnen und Politikern der Partei der Regionen, der Kommunistischen Partei, der Vereinigung Borotba und anderer linker Organisationen durch staatliche und nichtstaatliche Akteure? Um welche Akteure genau handelt es sich dabei im Einzelnen, und wie ist ihr Verhältnis zum „Rechten Sektor“ sowie zur Swoboda? Die Bundesregierung hat keine Kenntnis von entsprechenden möglicherweise asylrelevanten Verfolgungshandlungen. 17. Was ist der Bundesregierung allgemein zu einer möglichen drohenden Straflosigkeit bei kriminellen Handlungen in der West- und Zentralukraine bekannt, was zu drohender Straflosigkeit insbesondere bei Straftaten, die aus den Reihen der Swoboda und des „Rechten Sektors“ gegen die in Frage 14 genannten Gruppen, gegen Flüchtlinge und Migrantinnen und Migranten verübt werden, und welche weitere Entwicklung erwartet die Bundesregierung in dieser Hinsicht angesichts der Besetzung des Postens des Generalstaatsanwalts mit einem prominenten Mitglied der Swoboda? Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse vor, die auf eine drohende Straflosigkeit bei kriminellen Handlungen in der West- und Zentralukraine hindeuten . In den vergangenen Jahren gab es immer wieder Hinweise auf politisch motivierte Strafverfahren. Diese sind jedoch nicht geografisch zuzuordnen und standen auch nicht im Zusammenhang mit Straftaten gegen die in Frage 16 genannten Gruppen oder gegen Flüchtlinge sowie Migranten. 18. Welche Staaten der Europäischen Union führen nach Kenntnis der Bundesregierung die Ukraine auf einer Liste der „sicheren Herkunftsländer“, und werden derzeit auch in diese Staaten der Europäischen Union Überstellungen ukrainischer Schutzsuchender im Rahmen der Dublin-Zuständigkeitsordnung durch die Bundesrepublik Deutschland vorgenommen? Nach Erkenntnissen der Bundesregierung vom Dezember 2013 führen die EUMitgliedstaaten Luxemburg und das Vereinigte Königreich die Ukraine auf einer Liste der sicheren Herkunftsstaaten. In diese Länder wurden keine ukrainischen Staatsangehörigen überstellt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/1105 19. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung zu einer vermehrten Einreise in Staaten der Europäischen Union von Asylsuchenden, die zuvor in der Ukraine aufhältig waren, dort zum Teil ein Asylverfahren durchlaufen haben oder eine Anerkennung als Flüchtlinge nach der Genfer Flüchtlingskonvention erhalten haben und nun wegen der instabilen Verhältnisse und Angst vor rassistischen Übergriffen die Ukraine verlassen? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. 20. Wurde die Lage in der Ukraine innerhalb der für Asylfragen zuständigen Gremien der Europäischen Union (Ratsarbeitsgruppen etc.) und beim Europäischen Asyl-Unterstützungsbüro EASO beraten, und wenn ja, mit welchen Ergebnissen? Die Lage in der Ukraine wurde bislang nicht innerhalb der für Asylfragen zuständigen EU-Gremien beraten. 21. Inwiefern handelt es sich bei diesen Verfolgungen nach Auffassung der Bundesregierung um (staatliche oder nichtstaatliche) asylrelevante politische Verfolgungen, und inwiefern bereitet sich das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge auf mögliche Asylanträge verfolgter regierungskritischer oder antifaschistischer Ukrainerinnen und Ukrainer vor? Welche weiteren Maßnahmen hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bezüglich Asylverfahren von Ukrainerinnen und Ukrainern eingeleitet? Werden aktuelle Asylverfahren von Ukrainerinnen und Ukrainern entschieden , oder wird zunächst die weitere Entwicklung abgewartet? Inwiefern bei einem Asylbewerber eine asylrelevante politische Verfolgung vorliegt , lässt sich nur nach einer Prüfung des konkreten Einzelfalls beurteilen. Diese Prüfung obliegt zunächst dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), dessen Entscheidungen voller gerichtlicher Nachprüfung unterliegen. Das BAMF kann dabei nur bereits gestellte Asylanträge prüfen; „mögliche“ Asylanträge sind einer asylrechtlichen Prüfung nicht zugänglich. Das BAMF beobachtet die Situation in der Ukraine und verfolgt die weiteren Entwicklungen . Entscheidungen über Asylanträge von ukrainischen Staatsangehörigen werden getroffen, soweit dies im Einzelfall möglich ist. 22. Wie viele a) deutsche Polizisten und b) weitere Mitarbeiter von Bundessicherheitsbehörden sind seit dem 21. November 2013 mit jeweils welchem Auftrag an welchen Orten in der Ukraine eingesetzt worden, und welche Erkenntnisse haben sie dort nach Kenntnis der Bundesregierung über die gewalttätigen Zusammenstöße vor und nach dem Regierungswechsel gewonnen? Antwort zu Frage 22a Das BKA ist bereits seit dem 1. Juli 1996 mit einem Verbindungsbeamten (VB) in Kiew vertreten. Der BKA-VB ist organisatorisch an die deutsche Botschaft in Kiew angegliedert. Der VB des BKA nimmt sowohl operative als auch strategische Aufgaben wahr. In operativer Hinsicht orientiert sich sein kriminalpolizeilicher Einsatz an konkreten, polizeilich relevanten Sachverhalten. Dabei ver- tritt er die Interessen der deutschen Polizei, insbesondere des BKA, durch Infor- Drucksache 18/1105 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode mationsgewinnung und Informationsaustausch und unterstützt ferner sonstige deutsche Strafverfolgungsbehörden. Der BKA-VB in Kiew hat zu den im November 2013 begonnen Demonstrationen in Kiew und den damit einhergehenden Veränderungen Erkenntnisse ausschließlich aus öffentlich zugänglichen Quellen erlangt. Die Bundespolizei ist vertreten durch: ● einen Grenzpolizeilichen Verbindungsbeamten (GVB) an der deutschen Bot- schaft in Kiew. Der Auftrag des GVB umfasst insbesondere die aufgabenbezogene Aufklärung in Form der Informationssammlung, -auswertung und -analyse, ● einen Dokumenten- und Visumberater (DVB) an der deutschen Botschaft in Kiew. Der Auftrag des DVB ist die Beratung von Luftfahrtunternehmen zur Verhinderung der Beförderung unvorschriftsmäßig ausgewiesener Reisender, die Durchführung von Schulungen in der Erkennung von Urkundenfälschungen und den Schengener Einreisebestimmungen für Luftfahrtunternehmen, Auslandsvertretungen sowie die örtliche Grenzpolizei, ● vier Beamte im Hausordnungs- und Objektschutzdienst (HOD) an der deutschen Botschaft in Kiew und ● drei Polizeivollzugsbeamte an den Dienstorten Kotovsk und Kuchurhan in der Internationalen Polizeimission „European Union Border Assistance Mission to Moldova and Ukraine“ (EUBAM). Der Grenzpolizeiliche Verbindungsbeamte, der Dokumenten- und Visumsberater der Bundespolizei und die Beamten im Haussicherungs- und Ordnungsdienst haben im Rahmen ihrer dienstlichen Tätigkeit und ihres Aufenthaltes vor Ort Erkenntnisse über die gewalttätigen Zusammenstöße vor und nach dem Regierungswechsel erlangt (u. a. durch Medienberichte und Gespräche mit ukrainischen Ortskräften, die in der Deutschen Botschaft tätig sind). Auch die deutsche Zollverwaltung ist mit einem Verbindungsbeamten (VB) vertreten , dieser ist organisatorisch an die deutsche Botschaft in Kiew angegliedert. Darüber hinaus sind derzeit fünf Zollbeamte der „European Union Border Assistance Mission to Moldova and Ukraine“ (EUBAM)“ mit Sitz in Odessa zugewiesen . Sie sind an den Dienstorten Odessa, Kotovsk und Rozdilna eingesetzt. Auch die Polizeivollzugs- und Zollbeamten, die in der EUBAM eingesetzt sind, erlangten solche Erkenntnisse u. a. durch Medienberichterstattungen und Gespräche mit anderen Angehörigen der Mission. Antwort zu Frage 22b Der BND erfüllt seinen gesetzlichen Auftrag, Erkenntnisse über das Ausland zu gewinnen, die von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland sind, gemäß § 1 Absatz 2 des Bundesnachrichtendienstgesetzes (BNDG). Dabei bedient sich der BND der gem. § 3 BNDG i. V. m. § 8 Absatz 2 des Bundesverfassungsschutzgesetzes gesetzlich eingeräumten nachrichtendienstlichen Mittel zur Beschaffung von Informationen. Die Erkenntnisse zur politischen, wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Lage in der Ukraine werden dabei durch eine komplexe Zusammenarbeit sowohl von Mitarbeitern vor Ort als auch Mitarbeitern in der Zentrale gewonnen. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/1105 23. Welche Initiativen hat die Bundesregierung unternommen, um die Verantwortlichkeit für die tödlichen Schüsse auf dem Maidan aufzuklären, die nach Auffassung des neuen ukrainischen Innenministers auf eine „dritte Kraft“ zurückgehen (vgl. u. a. Neues Deutschland vom 7. März 2014). Es ist Aufgabe der ukrainischen Behörden, die genannten Vorfälle aufzuklären. Die von der ukrainischen Generalstaatsanwaltschaft geleiteten Ermittlungen haben nach Aussage des Generalstaatsanwalts vom 20. März 2014 erste konkrete Ergebnisse hervorgebracht. Einige Schützen seien ermittelt worden. Genauere Angaben könnten vorerst aus ermittlungstaktischen Gründen nicht öffentlich gemacht werden. Eine ukrainische Kommission zur Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen unter starker Beteiligung der Zivilgesellschaft, darunter dem Vorsitzenden einer jüdischen Dachorganisation, ist bereits gegründet worden. Die Vereinten Nationen haben auf Einladung der ukrainischen Regierung eine Menschenrechts-Beobachtungsmission eingerichtet, um Fälle von mutmaßlichen Menschenrechtsverletzungen zu untersuchen. Die Mission besteht aus internationalen und ukrainischen Mitarbeitern und hat die Arbeit bereits aufgenommen . Darüber hinaus hat der Europarat die Einsetzung eines „International Advisory Panel“ zur Aufklärung der Gewalttaten auf dem Majdan beschlossen. Die Bundesregierung hat sich gegenüber der ukrainischen Regierung und in internationalen Institutionen mehrfach und mit Nachdruck für eine umfassende und transparente Aufklärung aller Gewaltakte in Kiew ausgesprochen und die ukrainische Regierung zur Nutzung der z. B. vom Europarat angebotenen Expertise aufgefordert. Die ukrainische Regierung hat in diesen Gesprächen mehrfach ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen bekräftigt. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333