Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie vom 31. Januar 2017 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 18/11068 18. Wahlperiode 02.02.2017 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Klaus Ernst, Wolfgang Gehrcke, Christine Buchholz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/10725 – Offene Fragen zum Freihandelsabkommen CETA V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die Bundesregierung werde das CETA-Abkommen in seiner Gesamtheit nach Übermittlung der übersetzten Texte an den Rat durch die Europäische Kommission abschließend prüfen, teilte diese in der Antwort zu Frage 7 der Kleinen Anfrage auf Bundestagsdrucksache 18/9048 mit. Konkrete Ergebnisse der Prüfung sind bisher jedoch nicht bekannt, obwohl der konsolidierte Text seit dem 1. August 2014 und die endgültige Fassung seit dem 5. Juli 2016 vorliegen und insbesondere der deutschen Vertreter im Rat CETA bereits seine Zustimmung erteilt hat. Voraussichtlich im Februar nächsten Jahres wird das Europäische Parlament über CETA abstimmen. Anschließend wird die vorläufige Anwendung des Abkommens in Kraft treten. Es ist daher an der Zeit, dass die Bundesregierung auch Fragen zu Einzelaspekten in CETA beantworten kann und beantwortet. Dies ist die erste von drei kleinen Anfragen zu CETA und enthält Fragen zur Ratifizierung, zu den CETA-Ausschüssen, zum Investitionsschutz und zu der Regulierungszusammenarbeit. V o r b e me r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Das Umfassende Wirtschafts- und Handelsabkommen mit Kanada (CETA) wurde in Deutschland seit Jahren parallel zum Verhandlungsprozess intensiv parlamentarisch begleitet, so wie es die Mitwirkungsrechte des Deutschen Bundestages vorsehen. Sowohl verschiedene Ausschüsse als auch das Plenum des Deutschen Bundestages wurden regelmäßig mit dem Abkommen befasst. Die Bundesregierung leitet alle ihr von der EU übermittelten Dokumente zu den Verhandlungen über Handelsabkommen der EU und der EU-Mitgliedstaaten an den Deutschen Bundestag weiter. Das umfasst alle Dokumente des Handelspolitischen Ausschusses, also insbesondere Positionspapiere, Textvorschläge sowie Stellungnahmen von der Europäischen Kommission und anderen EU-Mitglied- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/11068 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode staaten sowie ihre eigenen, in den Verhandlungen im Rahmen des dafür zuständigen Handelspolitischen Ausschusses abgegebenen schriftlichen Stellungnahmen . Über alle Sitzungen des Handelspolitischen Ausschusses verfasst die Bundesregierung detaillierte Drahtberichte, die ihre Position sowie die Position der Europäischen Kommission und der anderen Mitgliedstaaten wiedergeben und die auch an den Deutschen Bundestag übermittelt werden. In derselben Weise berichtet die Bundesregierung über Sitzungen des Ausschusses der Ständigen Vertreter, die Aspekte aus Verhandlungen über ein Handelsabkommen wie CETA zum Gegenstand haben, sowie in Form von Vor- und Nachberichten sowie Drahtberichten über Sitzungen des Handelsministerrats. Darüber hinaus fertigt die Bundesregierung seit 2010 halbjährlich Berichte für den Deutschen Bundestag zu aktuellen Fragen der Handelspolitik im Zeitraum der jeweiligen Ratspräsidentschaften. Die Bundesregierung verfasst zudem regelmäßig Berichte für den Deutschen Bundestag zum Stand der Verhandlungen und zu Einzelthemen. Vor dem Hintergrund dieser umfassenden Unterrichtungen weist die Bundesregierung darauf hin, dass sie die Protokollerklärungen anderer EU-Mitgliedstaaten nicht kommentiert oder auslegt. Ferner kommentiert sie nicht die Ausarbeitungen der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages, die dieser auf Anforderung einzelner Abgeordneter verfasst und die der Bundesregierung nicht übermittelt werden. Im Übrigen weist die Bundesregierung darauf hin, dass eine Reihe von Fragen der vorliegenden Kleinen Anfrage erhebliche inhaltliche Überschneidungen mit den derzeit laufenden Verfahren zu CETA vor dem Bundesverfassungsgericht aufweist. Angesichts der Identität der Fragesteller mit Antragstellern vor dem Bundesverfassungsgericht führt dies aus Sicht der Bundesregierung zu besonderen verfahrenstechnischen Herausforderungen. Vor diesem Hintergrund beantwortet die Bundesregierung die vorgelegten Fragen wie folgt: I. Ratifizierung 1. Wie lautet der derzeitige weitere Zeitplan zur Ratifizierung von CETA in Deutschland, auf EU-Ebene und in Kanada? Nach den der Bundesregierung vorliegenden Informationen sieht die derzeitige Planung im Europäischen Parlament eine Befassung des Plenums mit CETA für die Sitzungswoche vom 13. bis 16. Februar 2017 vor. In der Folge wird dann eine Ratifikation durch alle Mitgliedstaaten erforderlich sein. In Deutschland kann die Ratifikation durch den Bundespräsidenten erst nach Inkrafttreten des erforderlichen Vertragsgesetzes erfolgen. Die zeitlichen Anforderungen des Parlaments für diesen Zustimmungsprozess kann die Bundesregierung nicht vorhersagen. Über den kanadischen Zeitplan liegen der Bundesregierung keine Informationen vor. 2. Richtet sich die Ratifizierung von CETA nach Auffassung der Bundesregierung nach Artikel 23 des Grundgesetzes (GG) oder nach Artikel 59 Absatz 2 Satz 1 GG i. V. m. dem Lindauer Abkommen (bitte begründen), und wie und wann hat die Bundesregierung die Länder entsprechend beteiligt (vgl. Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages WD 3 – 3000 – 240/16)? Die Ratifikation richtet sich nach Artikel 59 Absatz 2 Satz 1 GG. Das Lindauer Abkommen ist nicht einschlägig. Die Beteiligung der Länder richtet sich nach Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/11068 dem Gesetz über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union (EUZBLG). Im Übrigen verweist die Bundesregierung auf ihre Vorbemerkung. 3. Wie ist der Stand der Prüfung durch die Bundesregierung, ob der Bundesrat über CETA mittels eines Zustimmungs- oder eines Einspruchsgesetzes abstimmt ? Teilt die Bundesregierung die Einschätzung des Wissenschaftlichen Dienstes (vgl. Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 244/16), dass dazu in einem ersten Schritt festzustellen ist, welche Regelungsgegenstände in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen, wofür das Gutachten des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zum Freihandelsabkommen zwischen EU und Singapur von großer Bedeutung ist, und dass in einem zweiten Schritt für jede einzelne in die nationale Zuständigkeit fallende Regelung zu prüfen wäre, ob sie ein Zustimmungserfordernis auslöst? Oder auf welcher Grundlage genau läuft diese Prüfung ab? Die Prüfung der Bundesregierung bzgl. der Frage, ob das Vertragsgesetz ein Zustimmungs - oder ein Einspruchsgesetz sein wird, ist noch nicht abgeschlossen. Sie erfolgt auf Grundlage der verfassungsrechtlichen Vorgaben in Verbindung mit den Regelungsinhalten des Abkommens. Im Übrigen verweist die Bundesregierung auf ihre Vorbemerkung. 4. Beabsichtigt die Bundesregierung, den Entwurf für ein Ratifikationsgesetz erst nach dem EuGH-Gutachten und einer gründlichen Prüfung der Zustimmungsbedürftigkeit der einzelnen CETA-Regelungen vorzulegen (bitte begründen )? Das Vertragsgesetz wird nicht vor einer Zustimmung des Europäischen Parlaments zu CETA vorgelegt werden. Ferner werden anhängige Gerichtsverfahren sowie die Verfahrensabläufe im deutschen Parlament in die Entscheidung über den weiteren Zeitplan mit einzubeziehen sein. 5. Welche Möglichkeiten hat die Bundesregierung bzw. die Europäische Union, nach der Beschlussfassung über die Unterzeichnung und vorläufige Anwendung im Rat, Klarstellungen bzgl. der Unabhängigkeit der Richter, unbestimmter Rechtsbegriffe, der Einführung von Sanktionsmöglichkeiten zum Schutz der Arbeitnehmerrechte, der Schutzvorbehalte für die öffentliche Daseinsvorsorge etc. – ggf. gegen den Willen Kanadas – durchzusetzen? Die Bundesregierung geht davon aus, dass CETA hinreichend klar ist. Zudem bewirkt das Gemeinsame Auslegungsinstrument eine hinreichende Klarstellung des Abkommens. Die Bundesregierung verweist im Übrigen auf die im Abkommen angelegten Möglichkeiten für die Festlegung von Auslegungen mit bindender Wirkung. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/11068 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 6. Zu welchem Zeitpunkt hatten nationale oder regionale Parlamente und Regierungen nach Auffassung der Bundesregierung die Möglichkeit, inhaltliche Verbesserungen zu CETA einzubringen – dies mit Blick auf die von Paul Magnette, Ministerpräsident der Wallonie, kritisierte mangelnde Einbeziehung und die Tatsache, dass Konkretisierungen nicht im CETA-Vertrag stattfinden konnten, sondern auf ein sogenanntes gemeinsames Auslegungsinstrument sowie Protokollerklärungen zurückgegriffen werden musste? Die Bundesregierung äußert sich nicht zu den innerstaatlichen Beteiligungsmechanismen der Parlamente in anderen Mitgliedstaaten. In Deutschland richtet sich der Umfang der in Artikel 23 GG verfassungsrechtlich verankerten Beteiligung des Bundestags in Angelegenheiten der Europäischen Union nach dem Gesetz über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union (EUZBBG) sowie dem Integrationsverantwortungsgesetz . Danach hat der Deutsche Bundestag die Möglichkeit, eine Stellungnahme abzugeben, die die Bundesregierung ihren Verhandlungen zugrunde zu legen hat (§ 8 Absatz 1 und 2 EUZBBG). Auf dieser Grundlage hat die Bundesregierung den Deutschen Bundestag fortlaufend informiert und stand und steht in regelmäßigem Austausch mit ihm. Auch hat der Deutsche Bundestag am 22. September 2016 eine entsprechende Stellungnahme abgegeben, die die Bundesregierung ihren Verhandlungen zugrunde gelegt hat. Im Übrigen verweist die Bundesregierung auf die europarechtliche Kompetenzabgrenzung im Bereich der Handelspolitik sowie die entsprechende Befassung des Europäischen Parlaments. 7. Welche Pläne hat die Bundesregierung, um zukünftig zu verhindern, dass wesentliche Teile eines Freihandelsabkommens in der Phase des Genehmigungsverfahrens in Frage gestellt werden? Die Bundesregierung wird sich auch weiterhin an die vorgesehenen Vorgaben und Verfahren zur Verabschiedung von ausgehandelten Freihandelsabkommen halten. 8. Wie ist der Stand der Prüfung durch die Bundesregierung, ob für die Beschlüsse im Rat zur Unterzeichnung und vorläufigen Anwendung von CETA ein rechtliches Einstimmigkeitserfordernis vorlag (s. Antwort auf die Schriftliche Frage 4 auf Bundestagsdrucksache 18/9295 des Abgeordneten Klaus Ernst)? Die Bundesregierung war im Vorfeld davon ausgegangen, dass der Rat die Beschlüsse zur Unterzeichnung und vorläufigen Anwendung von CETA einstimmig fassen würde (s. Antwort der Bundesregierung vom 25. Juli 2016 auf die Schriftliche Frage 4 des Abgeordneten Klaus Ernst auf Bundestagsdrucksache 18/9295). Diese Beschlüsse sind in der Folge auch einstimmig gefasst worden. Insofern erübrigt sich die weitere Frage, ob in diesem Fall auch ein rechtliches Einstimmigkeitserfordernis vorlag. 9. Wie genau wurde der im Bericht der Bundesregierung an den Wirtschaftsausschuss zum CETA-Sachstand vom 8. Oktober 2015 festgestellte Verbesserungsbedarf zur Stärkung des Schutzes der kulturellen Vielfalt in CETA umgesetzt? Die kulturelle Vielfalt ist in CETA bereits geschützt, vgl. u. a. die umfassende Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 18/5043. Die Bundesregierung hatte sich im Rahmen Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/11068 der Rechtsförmlichkeitsprüfung von CETA dafür eingesetzt, diesen Schutz zu bekräftigen . Diesem Anliegen wurde durch das Gemeinsame Auslegungsinstrument Rechnung getragen. II. CETA-Ausschüsse 10. Was konkret sind die „internen Anforderungen und […] Verfahren“ (Artikel 26.3 Absatz 2 CETA)? Die etwaigen internen Anforderungen bzw. internen Verfahren gemäß Artikel 26.3 Absatz 2 CETA ergeben sich aus der jeweiligen Beschlussmaterie und dem jeweiligen Vertragspartner. 11. Wie verhält sich das zur Protokollerklärung Nummer 24 von Österreich? Wie wird die Mitwirkung des Deutschen Bundestages und des Europäischen Parlaments gewährleistet? Die Bundesregierung verweist auf ihre Vorbemerkung und auf die Antwort zu Frage 10. Im Übrigen verweist sie auf die Regelungen der Artikel 23 und 59 Absatz 2 GG und die Regelungen des EUZBBG sowie auf Artikel 218 Absatz 10 AEUV. 12. Warum sieht die Protokollerklärung Nummer 19 das Erfordernis eines einvernehmlichen Standpunkts nur für Ausschuss-Beschlüsse vor, die in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen, obwohl das Bundesverfassungsgericht dies auch für die Reichweite des Integrationsprogramms berührende Beschlüsse vorschreibt (Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 13. Oktober 2016 – 2 BvR 1368/16 u. a., Rn. 65)? Soweit der Wortlaut der Erklärung Nr. 19 sich nicht auf sämtliche möglichen Beschlüsse des Gemeinsamen Ausschusses bezieht, sondern auf solche, die in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen, entspricht dies der Konzeption der vom Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 13. Oktober 2016 (2 BvR 1368/ 16, 2 BvR 1444/16, 2 BvR 1823/16, 2 BvR 1482/16, 2 BvE 3/16) als Blaupause empfohlenen Regelung zum Luftverkehrsabkommen mit den USA. 13. Wann werden die mit CETA etablierten Ausschüsse das erste Mal zusammentreten ? 14. Wie werden die Vertreter der EU im Ausschuss bestimmt (Artikel 26.1 Absatz 1 CETA), und gehören dazu auch Vertreter der Mitgliedstaaten? 15. Haben die Ausschüsse ihre Verfahren festgelegt (vgl. Artikel 21.6 Absatz 4 Buchstabe a CETA etc.)? Was versteht die Bundesregierung darunter, dass das Forum für die Zusammenarbeit in Regulierungsfragen gem. Artikel 21.6 Absatz 4 Buchstabe a CETA sein Mandat festlegt? Die Fragen 13 bis 15 werden aufgrund ihres Sachzusammenhangs zusammen beantwortet . Der Bundesregierung ist kein Zeitplan für die Ausschüsse bekannt. Die genaue Besetzung der Ausschüsse wurde noch nicht festgelegt. Das Forum für die Zusammenarbeit in Regulierungsfragen wird gemäß der ausdrücklichen Regelung in der zitierten Vorschrift Artikel 21.6 Absatz 4a CETA sein Verfahren erst auf seiner ersten Sitzung festlegen. Soweit es um die Festlegung des Mandats gemäß Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/11068 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Artikel 21.6 Absatz 4 a CETA gehen wird, geht die Bundesregierung davon aus, dass es sich dabei um die Festlegung einer Arbeitsgrundlage im Rahmen der Vorgaben des Artikels 21.6 Absatz 1 bis 4 CETA handeln wird. III. Investitionsschutz 16. Ist die Definition bzw. sind die Bestandteile des Begriffes FET – fair and equitable treatment (gerechte und billige Behandlung) in Artikel 8.10 Absatz 2 CETA nach Auffassung der Bundesregierung abschließend (bitte begründen )? Artikel 8.10 Absatz 2 CETA lautet: „Eine Vertragspartei verstößt gegen die Verpflichtung zu der in Absatz 1 genannten gerechten und billigen Behandlung, wenn eine Maßnahme oder Reihe von Maßnahmen Folgendes darstellt“. Damit ist nach Auffassung der Bundesregierung festgelegt, dass ein Verstoß gegen den FET- Grundsatz nur in den in Absatz 2 a bis e aufgeführten Fallgruppen vorliegt. Diese sind: (i) Rechtsverweigerung in straf-, zivil- oder verwaltungsrechtlichen Verfahren , (ii) eine grundlegende Verletzung rechtsstaatlichen Verfahrens, einschließlich einer grundlegenden Verletzung der Pflicht zur Transparenz, in Gerichts- und Verwaltungsverfahren, (iii) offenkundige Willkür, (iv) gezielte Diskriminierung aus offenkundig ungerechtfertigten Gründen wie Geschlecht, Rasse oder religiöser Überzeugung. Weitere Fälle können nur als Verstoß angesehen werden, wenn die Vertragsparteien sich darüber einigen, Artikel 8.10 Absatz 2 f CETA. 17. Was ist unter grundlegender Verletzung rechtsstaatlicher Grundsätze und offensichtlicher Willkür (Artikel 8.10 Absatz 2 Buchstaben b und c CETA) zu verstehen? Es handelt sich um eine Auslegungsfrage, die gemäß Artikel 8.31 CETA zu beantworten ist. Wie alle völkerrechtlichen Verträge, nationalen Verfassungen und sonstige Rechtsvorschriften enthält auch CETA auslegungsfähige Rechtsbegriffe, um komplexe Lebenssachverhalte abschließend beurteilen zu können. Nach Artikel 8.31 Absatz 3 CETA können die Vertragsparteien die genaue Auslegung der von CETA verwendeten Begriffe auch noch im Nachhinein verbindlich vorgeben, also auch die der Begriffe „grundlegende Verletzung rechtsstaatlicher Grundsätze“ und „offensichtliche Willkür“. Sofern die Vertragsparteien im Einzelfall keine Auslegung vorgeben, darf das Investitionsgericht diese Begriffe unter Beachtung der strengen Regeln des Artikel 8.31 Absatz 1 CETA und des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge vom 23. Mai 1969 (WVK) auslegen. Nach Artikel 31 Absatz1 WVK ist ein völkerrechtlicher Vertrag „nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte seines Zieles und Zweckes auszulegen“. Neben dem Vertragswortlaut und der Präambel sind dabei nach Artikel 31 Absatz 2 WVK auch alle zwischen den Parteien anlässlich der Vertragsunterzeichnung ausgetauschten Übereinkünfte und Urkunden (z. B. das gemeinsame Auslegungsinstrument zu CETA) zu berücksichtigen. Bei der Auslegung von CETA ist also immer auch das right to regulate zur berücksichtigen , da es sowohl in der Präambel als auch in Artikel 8.9 CETA steht. Zusätzlich können bei der Auslegung andere zwischen den Vertragsparteien geltenden völkerrechtlichen Abkommen (z. B. der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte), eine zwischen den Vertragsparteien bestehende Übung und nach Artikel 32 und 33 alle offiziellen Sprachversionen herangezogen werden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/11068 Die Begriffe der Willkür und der Rechtsstaatlichkeit werden seit Jahrzehnten nicht nur in der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung, sondern auch im Völkerrecht verwendet. Der Begriff der Willkür wird beispielsweise in Artikel 9, 12 15 und 17 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948 verwendet; der Begriff der Rechtsstaatlichkeit z. B. in der Präambel der Europäischen Menschenrechtskonvention . 18. Nach welchem Verfahren können die Vertragsparteien weitere Bestandteile des FET-Grundsatzes festlegen? a) Welche internen Anforderungen und Verfahren i. S. d. Artikels 26.3 Absatz 2 CETA gelten hier? b) Findet nach Auffassung der Bundesregierung hierauf die Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts zur demokratischen Rückkopplung von Ausschussbeschlüssen (Urteil vom 13. Oktober 2016 – 2 BvR 1368/16, Rn. 71) Anwendung? c) Ist die Protokollerklärung Nummer 19 (Ratsdokument 13463/1/16/REV 1) einschlägig? Die Fragen 18 bis 16c werden gemeinsam beantwortet. Der Ratsbeschluss über die vorläufige Anwendung von CETA nimmt Artikel 8.10, der den FET-Grundsatz enthält, von der vorläufigen Anwendung aus. Die Europäische Kommission hat zudem vor der Unterzeichnung von CETA zum Ratsprotokoll erklärt, dass sie nicht beabsichtigt, während der vorläufigen Anwendung dem Rat einen Vorschlag zur bindenden Auslegungen von CETA zu unterbreiten. Die Bundesregierung geht deshalb davon aus, dass während der vorläufigen Anwendung von CETA der FET-Grundsatz nicht Gegenstand einer bindenden Auslegung der Vertragsparteien sein wird. Das Bundesverfassungsgericht hat in dem genannten Eilverfahren keine abschließende Prüfung der Rechtslage vorgenommen. Die Maßgabe, die es in seinem Urteil vom 13. Oktober 2016 zum Ausschusswesen formuliert hat, betrifft die Zeit der vorläufigen Anwendung und ist durch die Bundesregierung vor Unterzeichnung von CETA umgesetzt worden, s. Beschluss des BVerfG vom 7. Dezember 2016, veröffentlicht am 12. Januar 2017. 19. Was ist unter einer spezifischen Erklärung, die ein berechtigtes Vertrauen begründet und auf die sich ein Investor verlassen hat i. S. d. Artikels 8.10 Absatz 4 CETA, zu verstehen? Gibt es hier unterschiedliche Interpretationen? Die Bundesregierung verweist auf die ersten beiden Absätze der Antwort zu Frage 17. Nach dem Duden ist „spezifisch“ ein Synonym für „unverkennbar“ und „unverwechselbar“. Das englische Wort „specific“ des englischen CETA-Vertragstextes , bedeutet „konkret“ bzw. „bestimmt“. Entsprechend beschreibt der zitierte Passus nach Auffassung der Bundesregierung eine eindeutige Erklärung, im Sinne eines konkreten Versprechens, auf dessen Einhaltung der Investor zu Recht vertrauen durfte und auf die sich der Investor verlassen hat. Andere Interpretationen sind der Bundesregierung nicht bekannt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/11068 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 20. Inwiefern ist nach Auffassung der Bundesregierung ausgeschlossen, dass eine gesetzliche Verbesserung von Arbeitnehmerrechten (bspw. die Erhöhung des Mindestlohns oder die Erweiterung der betrieblichen Mitbestimmung ) gegen den FET-Grundsatz in Artikel 8.10 CETA verstößt (bitte die genaue Ausnahmeregelung angeben und darunter subsummieren)? Nach Artikel 8.10 Absatz 2 CETA stellen staatliche Maßnahmen einen Verstoß gegen FET dar, wenn sie in eine der dort genannten Fallgruppen grob rechtsstaatswidrigen Verhaltens fallen. Diese sind: (i) Rechtsverweigerung in straf-, ziviloder verwaltungsrechtlichen Verfahren, (ii) eine grundlegende Verletzung rechtsstaatlichen Verfahrens, einschließlich einer grundlegenden Verletzung der Pflicht zur Transparenz, in Gerichts- und Verwaltungsverfahren, (iii) offenkundige Willkür , (iv) gezielte Diskriminierung aus offenkundig ungerechtfertigten Gründen wie Geschlecht, Rasse oder religiöser Überzeugung. Es ist für die Bundesregierung nicht ersichtlich, dass eine verfassungsgemäß zustande gekommene Erhöhung des Mindestlohnes oder eine Erweiterung der betrieblichen Mitbestimmung in eine dieser Fallgruppen fallen könnte. 21. Wie kann die Bundesregierung konkret ausschließen, dass eine Regelung der Unternehmensmitbestimmung, wodurch den Eigentümern das Recht genommen wird, sämtliche Vorstandmitglieder nach eigenen Vorstellungen auszusuchen , unter die Definition einer indirekten Enteignung nach Artikel 8.12 Absatz 1 i. V. m. Anhang 8A Absatz 1 Buchstabe b fällt? Zählt die Mitbestimmung zu den berechtigten Gemeinwohlzielen nach Anhang 8A Absatz 3? Nach Annex 8-A Absatz 3 CETA stellen alle legitimen Maßnahmen im öffentlichen Interesse keine indirekte Enteignung dar, es sei denn, sie sind offenkundig überzogen. Ausländische Investoren können daher aus Sicht der Bundesregierung verfassungskonforme Regelungen zur Unternehmensmitbestimmung nicht erfolgreich in Frage stellen. 22. Was könnten zum Beispiel „vernünftige Erwartungen“ eines Investors i. S. d. Anhangs 8A Absatz 2 Buchstabe c konkret sein und was nicht? Die Bundesregierung verweist auf die ersten beiden Absätze der Antwort zu Frage 17. Zum Beispiel kann ein Investor vernünftigerweise erwarten, dass der Staat einen mit ihm geschlossen Vertrag, der mit deutschem und europäischem Recht vereinbar ist, einhält und dieser Vertrag wenn, dann nur im Einklang mit den vertraglichen Bestimmungen und geltendem Recht beendet wird. Ein Investor kann dagegen nicht generell erwarten, dass gesetzliche Regelungen auf Dauer unverändert bleiben, s. a. Artikel 8.9 Absatz 2 CETA. 23. Welche konkrete Maßnahme könnte zum Beispiel „offenkundig überzogen“ i. S. d. Anhangs 8A Absatz 3 sein, und welche nicht? Die Bundesregierung verweist auf die ersten beiden Absätze der Antwort zu Frage 17. Offenkundig überzogen wäre es z. B., wenn ein Staat einem Investor unter vorsätzlichem Verstoß gegen geltendes Recht und ohne Vorwarnung die Betriebsgenehmigung wegen einer einmalig versehentlich nicht gezahlten Abgabe in Höhe von 10 Euro entzöge und dadurch eine Betriebsschließung mit Millionenverlusten herbeiführte. Nicht offenkundig überzogen und zulässig wäre in einem solchen Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/11068 Fall z. B. die Vollstreckung der 10 Euro nebst Zinsen und evtl. fälliger Strafen vom Konto des Investors im Rahmen der geltenden gesetzlichen Bestimmungen und Verfahren. 24. Wie nimmt die Ratchet-Klausel ein Verbot von Rekommunalisierung aus (bitte konkret am CETA-Vertrag begründen)? Auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 2 der Kleinen Anfrage auf Bundestagsdrucksache 18/9193 wird verwiesen. 25. Kann die Bundesregierung ausschließen, dass das momentane Niveau der Privatisierung und Liberalisierung der Postdienste in der EU mit CETA unumkehrbar festgeschrieben wird (bitte konkret am CETA-Vertrag begründen )? Ja. CETA enthält keine Regelung, die das momentane Niveau der Privatisierung und Liberalisierung der Postdienste in der EU unumkehrbar festschreibt. Insbesondere stellt CETA nicht die Möglichkeit in Frage, in der EU im Wege der Regulierung die Sicherstellung einer flächendeckenden Grundversorgung mit Postdienstleistungen zu erschwinglichen Preisen zu verfolgen und entsprechende Regulierungen weiter zu entwickeln. 26. Wie kann die Bundesregierung konkret ausschließen, dass kanadische Investoren erfolgreich gegen die Subventionierung ihrer im öffentlichen Auftrag tätigen Konkurrenten (bspw. Ausgleichszahlungen an Träger der freien Wohlfahrtspflege, Krankenhäuser oder gemeinnütziger Wohnungsgesellschaften ) vor dem Investitionsgericht wegen indirekter Enteignung klagen (vgl. Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages WD 7 – 3000 – 228/15, S. 13 f.)? Nach Artikel 8.9 Absatz 3 CETA stellt der Beschluss einer Vertragspartei, eine Subvention nicht zu gewähren, keinen Verstoß gegen die Bestimmungen des Investitionsschutzes dar, sofern keine spezifische gesetzliche oder vertragliche Verpflichtung zur Gewährung der Subvention besteht. Artikel 8.15 Absatz 5b) CETA stellt zusätzlich klar, dass ausländische Investoren bei Subventionen schlechter behandelt werden dürfen als inländische. Außerdem handelt es sich bei der Förderung von Krankenhäusern, der freien Wohlfahrtspflege und bezahlbaren Wohnraums um legitime Maßnahmen im öffentlichen Interesse nach Annex 8-A Nr. 3 CETA, um im gesamten Bundesgebiet eine gute medizinische Versorgung, ausreichend Wohnraum sowie andere Sozialdienstleistungen in guter Qualität anzubieten . (vgl. auch Antwort zu Frage 21). Im Übrigen verweist die Bundesregierung auf ihre Vorbemerkung. 27. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass Kanada auf Investorengerichte in CETA verzichten würde, aber die EU-Seite nicht bereit ist (vgl. http:// norberthaering.de/de/27-german/news/699-magnette; bitte begründen)? Eine derartige Position Kanadas ist der Bundesregierung nicht bekannt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/11068 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode IV. Regulierungszusammenarbeit 28. Was bedeutet die Verpflichtung in Artikel 21.2 Absatz 4 CETA, die Regulierungszusammenarbeit weiterzuentwickeln, um unnötige Handels- und Investitionshemmnisse zu vermeiden, um das Wettbewerbs- und Innovationsklima zu verbessern, auch durch Hinarbeit auf kompatible Regulierung, auf Anerkennung der Gleichwertigkeit und auf Konvergenz, und um transparente , effiziente und effektive Regelungsprozesse zu fördern, die den Gemeinwohlzielen und dem Auftrag der Regelungsinstanzen gerecht werden, konkret? Der Artikel 21.2 Absatz 4 CETA verankert die generelle Zielsetzung, die Regulierungszusammenarbeit zwischen den Vertragsparteien weiterzuentwickeln und die konkreten, bei der Regulierungszusammenarbeit zu verfolgenden Zielsetzungen . 29. Wie verhält sich diese Verpflichtung zum Grundsatz der Freiwilligkeit der Regulierungszusammenarbeit in Artikel 21.2 Absatz 6 CETA? Wie verhält sich der Grundsatz der Freiwilligkeit zur Arbeit des Forums für die Zusammenarbeit in Regulierungsfragen – vor dem Hintergrund, dass zumindest die Einsetzung des Forums nicht freiwillig sein dürfte (vgl. Artikel 21.6 Absatz 1 CETA), ebenso wie die Prüfungstätigkeit des Forums bzgl. laufender oder zu erwartender Regelungsvorhaben, welche die Durchführung des Kapitels 21 fördern soll, nicht unter dem Vorbehalt der Zustimmung aller Vertragsparteien steht? Die Regulierungszusammenarbeit fußt auf dem Grundsatz der Freiwilligkeit. Wesentlich für das Prinzip der Freiwilligkeit der Regulierungszusammenarbeit ist es, dass die Vertragsparteien sich darüber einigen müssen, in welchem Bereich ein gemeinsames Interesse an einer Zusammenarbeit besteht. Liegt die Regulierungszusammenarbeit im gemeinsamen Interesse der Vertragsparteien, sollen im Fall einer Zusammenarbeit die in Artikel 21.2 Absatz 4 CETA aufgeführten Ziele verfolgt werden. Die Einrichtung des Regulierungsforums – der alle Vertragsparteien mit dem Abschluss des Abkommens freiwillig zustimmen – sowie dessen Prüfung laufender oder zu erwartender Regelungsvorhaben daraufhin, ob sie sich für eine Regulierungszusammenarbeit eignen, ändert nichts am Grundsatz der Freiwilligkeit der Kooperation. 30. Hält es die Bundesregierung für verfassungsrechtlich problematisch, dass Artikel 21.6 Absatz 3 CETA nicht sicherstellt, dass in dem Forum auch Vertreter der Mitgliedstaaten vertreten sind (bitte begründen)? Artikel 21.6 Absatz 3 CETA sieht vor, dass sich das Forum aus maßgeblichen Beamten beider Vertragsparteien zusammensetzt. Zu den Vertragsparteien zählen auch die Mitgliedstaaten der EU, so dass auch Vertreter der EU-Mitgliedstaaten vertreten sein können. 31. Wie verhält sich Artikel 21.3 Buchstabe a CETA (Schutz des Lebens, der Gesundheit und der Sicherheit des Menschen, Schutz des Lebens und der Gesundheit von Tieren und Pflanzen und Schutz der Umwelt) zu den Zielvorgaben in Artikel 21.2 Absatz 4? Artikel 21.2 Absatz 4 CETA beschreibt die Grundsätze der Regulierungszusammenarbeit und die dabei angestrebten Ziele, während Artikel 21.3 a CETA als eine der inhaltlichen Ziele der Regulierungszusammenarbeit die Förderung des Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 11 – Drucksache 18/11068 Schutzes des Lebens, der Gesundheit und der Sicherheit des Menschen sowie die Förderung des Schutzes des Lebens und der Gesundheit von Tieren und Pflanzen und des Schutzes der Umwelt festschreibt. 32. Was ist unter einer Regulierungszusammenarbeit gemäß Artikel 21.4 Buchstaben g, h, o, r und 21.6 Absatz 2 Buchstaben c und d CETA zu verstehen, und welche Konsequenzen hat die Regulierungszusammenarbeit hier jeweils ? Die Bundesregierung kann hierzu keine Antwort geben, da das Abkommen noch nicht in Kraft getreten ist und noch keine Regulierungszusammenarbeit auf Grundlage des Abkommens stattfindet. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333