Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur vom 2. Februar 2017 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 18/11086 18. Wahlperiode 06.02.2017 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Oliver Krischer, Annalena Baerbock, Bärbel Höhn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/10915 – Pläne der Bundesregierung für einheitliches elektronisches Ticketing (eTicketing) in Deutschland V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die Menschen in Deutschland verändern ihre Mobilität und sind öfter multimodal – also mit verschiedenen Verkehrsmitteln – unterwegs und kombinieren Angebote je nach Bedarf und Angebot wenn sie von A nach B wollen. Die heute bekannte Trennung zwischen öffentlichen Angeboten und Individualverkehr löst sich zunehmend auf, weil nicht mehr das Fahrzeug selbst, sondern das Vorankommen im Mittelpunkt steht. Mit der steigenden Flexibilität wächst auch der Wunsch nach Übersichtlichkeit der Angebote, nach nachvollziehbaren Preisen und unkomplizierter Nutzung. Auch wenn es heute vielerorts schon möglich ist, per App Mobilitätsangebote in Sekundenschnelle in Anspruch zu nehmen – sei es die Buchung eines S-Bahn-Fahrscheins, die Reservierung eines Carsharing -Autos, das Mitfahren in einem Taxishuttle oder das Ausleihen eines Fahrrads –, fehlt oftmals die Vernetzung und das bundesweit einheitliche Angebot. Den Kern dieser vernetzten Mobilität bildet ein gut ausgebauter und preiswerter öffentlicher Verkehr. Er gehört in Städten und genauso in ländlichen Räumen zur Daseinsvorsorge. Dazu gibt es bereits erste Ansätze der Verknüpfung und Vereinfachung für eine nahtlose und bequeme Kombination verschiedener Verkehrsmittel auf Vertriebsebene . Nicht nur die Deutsche Bahn AG, der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen , sondern auch die Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (siehe u. a. „Mobilität für alle“, Frankfurter Rundschau vom 27. Juni 2016) arbeiten seit geraumer Zeit an solchen Konzepten. Nun hat auch der Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur Alexander Dobrindt den dringenden Handlungsbedarf erkannt und sich des Themas angenommen (siehe dpa- Meldung „Dobrindt plant digitale Fahrkarten für alle Städte“ vom 6. Januar 2017). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/11086 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode V o r b e me r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Am Beginn dieses Jahres sind zwölf Verbundvorhaben im Rahmen des Förderprogramms „eTicketing und digitale Vernetzung im Öffentlichen Personenverkehr “ des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) gestartet . In der entsprechenden Presseberichterstattung sind einige Sachverhalte zum Teil missverständlich dargestellt. Beispielsweise ist die Bezeichnung „Aktionsplan “ nicht präzise. Gemeint ist die Roadmap „Digitale Vernetzung im Öffentlichen Personenverkehr“, die am 21. Juni 2016 verabschiedet worden ist. Bei den in den Medien genannten 370 Unternehmen handelt es sich um jene Verkehrsunternehmen und -verbünde, die bereits einen Teilnahmevertrag für das (((eTicket Deutschland unterzeichnet haben. 1. Welche Studien, Analysen etc. hat die Bundesregierung bisher für ihren Vorschlag als Grundlage genommen, sind diese öffentlich zugänglich, falls ja, wo, und falls nein, warum nicht? 2. Wo ist der Aktionsplan für digitale Fahrkarten des Bundesverkehrsministers Alexander Dobrindt öffentlich abrufbar? Falls er nicht öffentlich abrufbar ist, warum nicht, und ab wann soll er öffentlich abrufbar sein? 3. Welche Ministerien waren an der Erstellung des Aktionsplans beteiligt? Die Fragen 1 bis 3 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Das BMVI hat im Frühjahr 2015 einen Dialog- und Stakeholderprozess als Initiative zur digitalen Vernetzung im Öffentlichen Personenverkehr (ÖPV) gestartet. Im Rahmen verschiedener Workshops auf der Entscheider- und Expertenebene wurden die relevanten Handlungs- und Entscheidungsträger folgender Akteure eingebunden: Länder, Kommunen, Verkehrsunternehmen und -verbünde, Industrie sowie Kunden. Auf Länderebene wurden die jeweils für Verkehr zuständigen Ministerien beteiligt. Erster Meilenstein war eine Roadmap, die gemeinsam mit allen Akteuren erarbeitet und am 21. Juni 2016 verabschiedet wurde. Die Roadmap skizziert die Handlungserfordernisse, die notwendigen Schritte und die entsprechenden Verantwortlichkeiten für einen digital vernetzten ÖPV. Das Dokument ist über die Internetseite www.bmvi.de öffentlich abrufbar. 4. Welche rechtlichen Grundlagen müssen nach Kenntnis der Bundesregierung geändert werden, damit der öffentliche Personennahverkehr gemäß dem Aktionsplan in allen deutschen Städten ab 2019 mit einer einzigen elektronischen Chipkarte bzw. einem Handyticket genutzt werden kann, und welche Gesetzesänderungen bereitet die Bundesregierung bereits vor? Nach Auffassung der Bundesregierung sind zur Herstellung eines digital vernetzten ÖPV zunächst keine Änderungen von Bundesgesetzen notwendig. Gleichwohl bedarf es unter Umständen der Anpassung des rechtlichen Rahmens auf der Ebene der für den Öffentlichen Personennahverkehr zuständigen Länder und Kommunen, um die Einführung einer interoperablen Lösung für ganz Deutschland zu beschleunigen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/11086 5. Welche Kosten entstehen nach (vorläufigen) Berechnungen der Bundesregierung durch die vom Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt angekündigte Umstellung auf digitale Fahrkarten für die Verkehrsunternehmen sowie den Bundeshaushalt? 6. Um welche 370 Verkehrsunternehmen handelt es sich, die sich am Vorschlag des Bundesverkehrsministers beteiligen sollen, und welche Gespräche gab es dazu bisher (bitte unter Angabe der Teilnehmer und Ergebnis des Gesprächs)? Die Fragen 5 und 6 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Die Bundesregierung hat ein einheitliches Vorgehen initiiert und finanziell unterstützt , damit es nicht zu „Insellösungen“ einzelner Unternehmen bzw. Verbünde kommt, die im Nachhinein nicht oder nur zu sehr hohen Kosten miteinander vernetzbar sind. Zunächst wurden die Entwicklung eines gemeinsamen Standards (VDV-Kernapplikation) für das (((eTicket Deutschland und dessen Anwendung gefördert. Von 2006 bis 2015 hat das BMVI dafür insgesamt mehr als 14 Mio. Euro aufgewendet. Mittlerweile haben bereits rund 370 Verkehrsunternehmen und -verbünde einen Teilnahmevertrag für (((eTicket Deutschland mit der VDV eTicket Service GmbH & Co. KG unterzeichnet. Es ist Ziel der Bundesregierung, zum einen vorhandene Systeme, die bereits den Standard der VDV-Kernapplikation verwenden, besser miteinander zu vernetzen. Zum anderen sollen die Grundlagen dafür geschaffen werden, dass bei neuen Systemen bzw. Systemerweiterungen die Interoperabilität gewahrt wird. Die Investitionen in den Ausbau der einzelnen Systeme vor Ort müssen von den für den Öffentlichen Personennahverkehr zuständigen Ländern und Kommunen sowie den Verkehrsunternehmen und -verbünden selbst geleistet werden. Mit der Förderrichtlinie „eTicketing und digitale Vernetzung im Öffentlichen Personenverkehr“ beteiligt sich das BMVI finanziell an der Umsetzung der in der Roadmap enthaltenen Maßnahmen. Dafür stehen im Zukunftsinvestitionsprogramm für die Jahre 2016 bis 2018 insgesamt 16 Mio. Euro für die anteilige Förderung von Forschungs- und Entwicklungsprojekten zur Verfügung. Die für die Verkehrsunternehmen entstehenden Kosten bei der Umstellung auf elektronische Fahrscheine können seitens der Bundesregierung nicht beziffert werden. Die Verkehrsunternehmen und -verbünde entscheiden in eigenem Ermessen , ob und in welcher Ausgestaltung ein eTicket eingeführt wird. Die Höhe der Kosten ist somit abhängig von den jeweiligen Rahmenbedingungen vor Ort. 7. Inwieweit kann die Bundesregierung die Verkehrsunternehmen verpflichten, an einem deutschlandweit einheitlichen Vertriebssystem teilzunehmen und mit der neuen Verrechnungsstelle zusammenzuarbeiten? Die Roadmap „Digitale Vernetzung im Öffentlichen Personenverkehr“ beschreibt nicht nur Visionen und Ziele, sondern auch konkrete Maßnahmen, die es umzusetzen gilt. Ein deutschlandweites Clearing – ähnlich dem Roaming im Mobilfunkbereich – stellt nach Branchenmeinung einen wichtigen, aber bislang fehlenden Baustein für bundesweites eTicketing dar. Die Maßnahme ist auch Bestandteil der Roadmap. Im Rahmen des Förderprogramms wird die Entwicklung eines solchen Clearingsystems bundesseitig unterstützt. Eine Möglichkeit zur verpflichtenden Teilnahme besteht seitens der Bundesregierung nicht. Allerdings wird die digitale Vernetzung im ÖPV insgesamt nur realisiert werden können, wenn alle Beteiligten ihren Beitrag leisten. Gerade die Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/11086 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Verkehrsunternehmen und -verbünde als Leistungserbringer, aber auch die Länder und Kommunen als Leistungsbesteller sind dabei besonders gefordert. In diesem Zusammenhang wird auch auf die Antwort zu Frage 4 verwiesen. 8. Gab es von Seiten der Unternehmen, Verbände, Datenschützer oder Wissenschaftler Bedenken zur Einführung digitaler Fahrkarten, und falls ja, welche? Grundlegende Bedenken sind nicht bekannt. 9. Soll nach 2019 weiterhin der Kauf von Papiertickets für Busse und Bahnen möglich sein, oder ist eine komplette Umstellung auf digitale Fahrkarten geplant ? Die Verkehrsunternehmen und -verbünde entscheiden in eigenem Ermessen, ob und gegebenenfalls wie lange Papierfahrscheine weiter im Sortiment bleiben. 10. Hat die Bundesregierung die Implementierung von „deutschlandweiten Mobilitätsplattformen , die überregional Fahrgastinformationen verknüpfen und die Buchung von eTickets ermöglichen“ (siehe dpa-Äußerungen von Alexander Dobrindt am 6. Januar 2017) in der Vergangenheit gefördert, und wenn ja, in welcher finanziellen Höhe und über welches Förderprogramm, und falls nein, warum nicht? Die Bundesregierung hat bereits in der Vergangenheit die Herstellung der Grundlagen für deutschlandweite Mobilitätsplattformen unterstützt. Bezüglich der Förderung für das (((eTicket Deutschland wird auf die Antwort zu den Fragen 5 und 6 verwiesen. Darüber hinaus hat das BMVI bislang mehr als 5 Mio. Euro zur Entwicklung der Durchgängigen Elektronischen Fahrgastinformation (DELFI) im Forschungsprogramm Stadtverkehr aufgewendet. Sowohl (((eTicket Deutschland als auch DELFI sind wichtige Bausteine für die überregionale Vernetzung. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie fördert seit Juli 2016 das Projekt OPTIMOS (www.eticket-deutschland.de/optimos/). Das Projekt will ein offenes Ökosystem für die Nutzung sicherer Identitäten bei mobilen Diensten definieren und dieses am Beispiel des nationalen Systems zum eTicketing im Öffentlichen Personenverkehr prototypisch umsetzen. Bestehende Angebote, wie zum Beispiel Bezahldienste, sollen mit sicheren Identitätslösungen kombiniert und die Einbindung von mobilen Endgeräten im ÖPV verbessert werden. Die Ergebnisse fließen in die internationale Standardisierung ein. Das BMWi fördert das Projekt mit rd. 1,8 Mio. Euro, weitere 2 Mio. Euro werden von den Projektpartnern eingebracht . 11. Sieht das vom Bundesminister Alexander Dobrindt vorgeschlagene Konzept auch die Verknüpfung von Fernverkehr (Schiene und Fernbus) sowie öffentlichem Personennahverkehr (ÖPNV) vor (bitte begründen)? Die Roadmap hat einen digital vernetzten Öffentlichen Personenverkehr zum Ziel. Die Deutsche Bahn AG, der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) und der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer (bdo) sind als Stakeholder im Rahmen der Initiative zur digitalen Vernetzung im ÖPV beteiligt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/11086 12. Zu welchem Zeitpunkt sieht der Vorschlag des Bundesministers Alexander Dobrindt auch das Leihen von Mietwagen und das Bezahlen von Gebühren im Parkhaus vor, und wie soll das konkret ausgestaltet sein? Das Thema Multimodalität ist ein wichtiger Bestandteil der Roadmap. Für die jeweilige Ausgestaltung entsprechender Plattformen und die Bereitstellung von Mobilitätsdienstleistungen sind die Aufgabenträger sowie die Verkehrsunternehmen und -verbünde vor Ort verantwortlich. 13. Welche konkrete Aufgabe hat die Clearingstelle, die bis 2018 fertiggestellt sein soll, wie sieht ihr konkreter Handlungsauftrag aus, und mit welcher Summe wird sie finanziert? Die Entwicklung eines Clearingsystems ist eine zentrale Voraussetzung für die Vernetzung von eTicketing-Systemen sowie die Herstellung der Interoperabilität. Für Geschäftsvorfälle mit Verbindlichkeiten unterschiedlicher Unternehmen besteht derzeit kein System zur Klärung der Forderungen. Das geplante Clearingsystem soll sowohl Forderungen für eTicket-Systeme und den anschließenden Zahlungsausgleich ermitteln als auch bereits im Vorfeld von Fahrten Tarifauskünfte für angefragte Verbindungen bereitstellen können. Dazu werden sowohl Schnittstellen für Kapitalforderungen und für Produktanfragen aus Fahrplanauskunftssystemen wie auch eine automatisierte Fahrpreisermittlung entwickelt und anschließend in mehreren Verkehrsräumen erprobt. Das Projekt der VDV eTicket Service GmbH & Co. KG, welches maßgeblich zur Umsetzung einer in der Roadmap skizzierten Maßnahme beiträgt, wird im Rahmen des Förderprogramms „eTicketing und digitale Vernetzung im Öffentlichen Personenverkehr“ mit rund 840 000 Euro durch das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur unterstützt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333