Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Auswärtigen Amts vom 2. Februar 2017 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 18/11102 18. Wahlperiode 07.02.2017 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Frank Tempel, Jan van Aken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/10768 – Verlauf der „Operation Sophia“ im Mittelmeer und Erkenntnisse über Fluchtrouten und Schleuserstrukturen V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Seit April 2015 führt die Europäische Union eine Militärmission im Mittelmeer durch, die unter der Bezeichnung „EUNAVFOR MED“ bzw. „Operation Sophia “ zur Aufklärung von Schleusernetzwerken beitragen soll. Seit Beginn der Phase 2i des Einsatzes im Oktober 2015 dürfen die eingesetzten Kriegsschiffe in internationalen Gewässern Boote anhalten und durchsuchen sowie beschlagnahmen , umleiten oder vernichten, wenn der Verdacht besteht, dass diese zur Schleusung von Flüchtlingen verwendet werden bzw. wurden. Der Militäreinsatz ist in der Öffentlichkeit umstritten, da er nach Ansicht von Kritikerinnen und Kritikern bewirkt, dass Schleuser, die sich der Festnahme entziehen bzw. Verluste durch die Vernichtung von Booten verringern wollen, dazu übergehen, weniger seetaugliche Boote einzusetzen, sie nicht mit ausreichend Treibstoff auszustatten und bei Erreichen internationaler Gewässer die Flüchtlinge führerlos zurückzulassen. Diese Einschätzung findet sich auch in einem Bericht des EU-Ausschusses des britischen Parlaments vom Mai 2016 (www.publications.parliament.uk/pa/ld201516/ldselect/ldeucom/144/14402. htm). Der Ausschuss stellt darin fest, die Mission habe bislang nicht wesentlich zur Störung der Schleusernetzwerke beigetragen. Darauf deutet auch der Bericht des italienischen Konteradmirals Enrico Credendino an den EU-Militärstab hin, in dem es heißt, dass mittlerweile 90 Prozent der Versuche, nach Europa zu gelangen, auf der zentralen Mittelmeerroute zwischen Libyen und Italien unternommen werden (augengeradeaus.net, 4. Dezember 2016). Während Credendino keinen direkten Einfluss der Operation auf die Fluchtbewegungen im Mittelmeer sieht, gibt die Bundeswehr an, dass die Seenotrettung „in gewisser Weise“ das Geschäft der Schleuser befördere („EU-Mission im Mittelmeer: Fragen und Antworten zur Phase 2“, www.bundeswehr.de vom 1. Dezember 2015). Offenkundig ist jedenfalls, dass die Überfahrten über das Mittelmeer riskanter geworden sind. Im Jahr 2016 ist die Zahl der Todesfälle nach Angaben des UN- Flüchtlingshilfswerks UNHCR höher als jemals zuvor („Mediterranean death toll soars to all-time high“, www.unhcr.org vom 25. Oktober 2016). Die Organisation Ärzte ohne Grenzen meldete am 2. Dezember 2016, es seien bislang Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/11102 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 4 690 Tote registriert worden, 1 000 mehr als im Jahr 2015 (KAA, 2. Dezember 2016). Die Fragesteller weisen darauf hin, dass sie in dieser Anfrage die Begriffe „Boote“ und „Schiffe“ synonym verwenden und bitten dies bei der Beantwortung zu berücksichtigen. V o r b e me r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Die Operation EUNAVFOR MED Sophia, Teil der Gemeinsamen Sicherheitsund Verteidigungspolitik der Europäischen Union, hat die Kernaufgabe, das Geschäftsmodell der Schleuser zu bekämpfen. Daneben hat die Operation die Zusatzaufgaben Ausbildung und Fähigkeitsaufbau der libyschen Küstenwache und das Waffenembargo der Vereinten Nationen gegenüber Libyen auf hoher See durchzusetzen. Darüber hinaus erfüllen die Einheiten der Operation ihre völkerrechtliche Verpflichtung zur Seenotrettung. 1. Welche Erkenntnisse bzw. Lagebilder zu Fluchtrouten und Schleusernetzwerken konnten nach Kenntnis der Bundesregierung bisher im Verlauf der Operation EUNAVFOR MED gewonnen werden? Die meisten Abfahrten der von den Migranten und Flüchtlingen genutzten Boote aus Libyen finden aktuell im Westen des Landes statt. Schwerpunkt ist die Küstenregion zwischen Tripolis und Tunesien, besonders die unmittelbare Umgebung der dortigen Küstenstädte. Nach Kenntnis der Operation EUNAVFOR MED Sophia werden derzeit die Schleusertätigkeiten in Libyen schwerpunktmäßig an Land vorgenommen. Da die Einheiten der Operation EUNAVFOR MED Sophia gemäß Beschluss der Europäischen Union und dem Mandat des Deutschen Bundestages ausschließlich außerhalb der 12-Seemeilen-Grenze Libyens operieren, können sie die Hoheitsgewässer innerhalb der 12-Seemeilen-Grenze und den Küstenstreifen nur eingeschränkt aufklären. Die Bundesregierung verweist darüber hinaus auf ihre Antwort zu Frage 28a der Kleinen Anfrage der Bundestagsfraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 18/6544 vom 30. Oktober 2015. a) Inwiefern konnten auch Erkenntnisse über Organisationen und zentrale Persönlichkeiten aus dem Schleusermilieu gewonnen werden, Hierzu liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. b) in welchen Dateien sind diese Erkenntnisse nach Kenntnis der Bundesregierung gespeichert, und Grundsätzlich werden entsprechende Daten gemäß nationaler Vorgaben im System JASMIN (Joint Analysis System Military Intelligence) abgelegt. Hierbei handelt es sich um ein nationales Computernetzwerk des Systems Militärisches Nachrichtenwesen. Die Bundesregierung verweist darüber hinaus auf ihre Antwort zu den Fragen 21 und 22 der Kleinen Anfrage der Bundestagsfraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 18/6544 vom 30. Oktober 2015. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/11102 c) an welche Behörden von Drittstaaten wurden personengebundene Informationen weitergeleitet? Grundsätzlich werden entsprechende Daten innerhalb der GSVP-Operation EUNAVFOR MED Sophia und bei Bedarf auch an die Behörden des für aus Seenot geretteten Migranten und Flüchtlingen im Einzelfall festgelegten sicheren Hafens weitergegeben. 2. Welchen konkreten Nutzen haben nach Kenntnis der Bundesregierung die gewonnenen Erkenntnisse zur Bekämpfung der Schleuser? a) Inwiefern werden diese Erkenntnisse operationalisiert? b) Inwiefern haben die Erkenntnisse zur Einleitung von Strafverfahren in Deutschland oder im Ausland bzw. zur Anforderung von Rechtshilfe (an welche Staaten) geführt? Die Fragen 2 bis 2b werden zusammengefasst beantwortet. Die bisher gewonnenen Erkenntnisse tragen zu einem besseren Lagebild der Operation EUNAVFOR MED Sophia bei und werden in der Zusammenarbeit mit anderen Akteuren, zum Beispiel Frontex, geteilt, um das Lagebild aller beteiligten Akteure zu verbessern. Die Bundesregierung hat keine Kenntnis darüber, inwiefern Erkenntnisse der Operation EUNAVFOR MED Sophia über Fluchtrouten oder Schleusernetzwerke zur Einleitung von Strafverfahren geführt haben. c) Inwiefern haben die Erkenntnisse zur Auflösung von Schleuserorganisationen oder zur Festnahme zentraler Persönlichkeiten der Schleuserszene geführt (bitte angeben, in welchem Land die Festnahme erfolgte)? Hierzu liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. d) Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus diesen Erkenntnissen , und welche ziehen nach ihrer Kenntnis die anderen am Militäreinsatz beteiligten Staaten? Die Bundesregierung und die anderen an der GSVP-Operation EUNAVFOR MED Sophia beteiligten Mitgliedsstaaten der Europäischen Union sehen sich in der fortgesetzten Notwendigkeit bestätigt, das Geschäftsmodell von Schleusern zu bekämpfen, die weiterhin das Leben von abertausend Menschen gefährden. 3. Welchen Einfluss hatte die Operation bislang nach Einschätzung der Bundesregierung auf Schleusernetzwerke? Angetroffene Schleuser müssen auf Hoher See damit rechnen, dass ihre Schiffe umgeleitet und beschlagnahmt werden. Dies schränkt den Bewegungsspielraum der Schleuser ein und verringert die Möglichkeit der Schleuser, Boote mehrfach wiederzuverwenden. a) Inwiefern sind diese nach Einschätzung der Bundesregierung in der Lage, durch die Operation allfällig erlittene Rückschläge zu kompensieren, und Der Bundesregierung liegen keine Informationen vor, inwieweit Schleuser in der Lage sind, Rückschläge zu kompensieren. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/11102 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode b) wie beurteilt sie angesichts von Meldungen, dass mittlerweile 90 Prozent der übers Mittelmeer kommenden Flüchtlinge die zentrale Route wählen, die durch das Einsatzgebiet von EUNAVFOR MED führt, die Wirkung der Operation? Die vielfältigen Faktoren, die zu einer Veränderung der absoluten und relativen Zahlen der zentralen Mittelmeerroute führen, lassen keinen unmittelbaren Rückschluss auf die Wirksamkeit der Operation zu. Im Weiteren wird auf die Antwort zu Frage 21 verwiesen. 4. Welche strategischen, taktischen oder konzeptionellen Änderungen ihres „Geschäftsmodells“ haben nach Kenntnis der Bundesregierung Schleuser aus dem Verlauf von EUNAVFOR MED vorgenommen? Im Verlauf der Operation EUNAVFOR MED Sophia konnte beobachtet werden, dass für die Überfahrt vermehrt Schlauchboote genutzt werden. Diese sind für eine Überfahrt nach Italien zumeist weder geeignet noch ausreichend ausgestattet. In einigen Fällen wird die Bootsführung Migranten und Flüchtlingen überlassen, die hierdurch zum Teil einen finanziellen Nachlass auf die Schleusergebühr erhalten . 5. Inwiefern kann die Bundesregierung Berichte bestätigen, denen zufolge Schleuser seit Beginn der Operation vermehrt auf weniger bzw. gar nicht mehr hochseetaugliche Boote zurückgreifen oder davon absehen, die Boote mit einer für die Überfahrt bis Italien ausreichenden Treibstoffmenge auszustatten oder eigenes Personal im Vorfeld einer Entdeckung durch ausländische Schiffe von den Booten abziehen und diese führerlos lassen bzw. nicht dafür ausgebildeten Flüchtlingen überlassen? Inwiefern hält sie solche Berichte für plausibel, und welche Schlussfolgerungen zieht sie daraus? Die Schleuser kalkulieren die im Seegebiet vor der libyschen Küste fahrenden Schiffe in ihren Modus Operandi mit ein, da alle Schiffe nach internationalem Seerecht verpflichtet sind, Seenothilfe zu leisten. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 21 verwiesen. 6. Wie viele Meldungen über verdächtige Boote bzw. Bewegungen wurden den am Einsatz beteiligten Staaten seit Beginn der Operation übermittelt bzw. von den eingesetzten Booten selbst kommuniziert (bitte jeweils nach Quartalen und Urhebern der Meldung aufgliedern)? Hierzu liegen der Bundesregierung keine statistischen Erfassungen vor. 7. Wer an Bord eines Militärschiffes trifft nach Kenntnis der Bundesregierung jeweils die Entscheidung, ob ein Schiff bzw. Boot als „schleuserverdächtig“ anzusehen ist und angehalten, durchsucht, umgeleitet oder zerstört wird? Welche Kriterien gibt es für die Feststellung, ob ein Boot als schleuserverdächtig anzusehen ist, insbesondere dann, wenn nicht gewissermaßen „auf frischer Tat“ Flüchtlinge darauf angetroffen werden (bitte ggf. entsprechende Rundbriefe, Einschätzungshilfen, Anordnungen usw. zusammenfassen oder beifügen)? Die Entscheidung, ob ein Schiff oder Boot als verdächtig eingestuft wird, obliegt dem Kommandanten der jeweiligen seegehenden Einheit. Diese Entscheidung wird im Rahmen einer situationsangepassten Beurteilung der Lage vorbereitet. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/11102 8. Wie oft wurden nach Kenntnis der Bundesregierung im Verlauf der Operation EUNAFVOR MED Boote a) angehalten, b) durchsucht, c) umgeleitet oder d) zerstört (bitte jeweils nach einzelnen Quartalen aufgliedern sowie angeben, wessen Landeskräfte die jeweiligen Maßnahmen durchgeführt haben, welcher Art die Schiffe bzw. Boote waren, und welchen mutmaßlichen Wert diese hatten sowie bzgl. zerstörter Boote bitte zusätzlich den Grund für die Zerstörung angeben)? Die Beantwortung der Fragen 8a bis 8d erfolgt zusammengefasst. Der Bundesregierung liegen Erkenntnisse nur zu den durch deutsche Einheiten getroffenen Maßnahmen vor. Deutsche Einheiten haben bisher in einem Fall – am 9. Juli 2016 – ein verdächtiges Boot angehalten, durchsucht und abschließend den italienischen Behörden übergeben. Im Zusammenhang mit den erfolgten Seenotrettungen wurden bisher in 351 Fällen im Nachgang zu Rettungsoperationen die jeweils seeuntauglichen Boote der in Not geratenen Personen nach deren Anbordnahme durch Operation EUNAVFOR MED Sophia Einheiten versenkt, um eine Gefahr für die internationale Seeschifffahrt auszuschließen. 9. In wie vielen Fällen wurde nach Kenntnis der Bundesregierung bislang im Rahmen der Operation EUNAVFOR MED Gewalt gegen (nicht am Einsatz beteiligte) Personen angedroht bzw. angewendet, a) von welchen Einsatzkräften wurde die Maßnahme ausgeführt, b) gegen wie viele Personen richtete sich die Gewaltanwendung bzw. -drohung , c) wann ereignete sich die Maßnahme, d) was war der Grund, und e) was waren die näheren Umstände der Maßnahme? Die Beantwortung der Fragen 9a bis 9e erfolgt zusammengefasst. Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse über die Androhung oder Anwendung von Gewalt gegen (nicht am Einsatz beteiligte) Personen vor. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/11102 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 10. Wie viele Personen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung seit Beginn der Operation direkt an Bord von Schiffen festgenommen? a) Wohin wurden diese Personen verbracht, b) wer hat die Festnahmen vorgenommen, und c) welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung darüber, gegen wie viele dieser Personen ein Strafverfahren eingeleitet, eine Anklage erhoben, ein Gerichtsverfahren begonnen bzw. ein Urteil gesprochen wurde (bitte möglichst ausführlich aufgliedern und angeben, in welchen Ländern die Verfahren liefen, in wie vielen Fällen ein Schuldspruch ergangen ist, und wie hoch das Strafmaß war)? Die Beantwortung der Fragen 10 bis 10c erfolgt geschlossen. Deutsche Einheiten der Operation EUNAVFOR MED Sophia haben bisher in einem Fall Insassen eines verdächtigen Schleuserbootes an Bord genommen und im italienischen Ausschiffungshafen an Land gebracht (siehe auch Antwort zu Frage 8). Zum weiteren Verfahren der italienischen Behörden liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. Zu vergleichbaren Maßnahmen von Einheiten anderer an EUNAVFOR MED Operation Sophia beteiligter Staaten liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. 11. Inwiefern trifft es zu, dass Schleuser dazu übergangen sind, „als Fischer getarnt die verlassenen Boote wieder zurückzuschleppen“ und dabei einige festgenommen worden sind (www.augengeradeaus, wie oben), und a) wie oft war dies bisher der Fall (bitte nach Quartalen seit Beginn der Operation aufgliedern), b) die Kräfte welcher Staaten waren an solchen Festnahmen beteiligt, und c) anhand welcher Kriterien werden Personen auf ansonsten verlassenen Schiffen als mutmaßliche Schleuser identifiziert? Die Fragen 11 bis 11c werden zusammengefasst beantwortet. Im Rahmen der Operation EUNAVFOR MED Sophia liegen in Einzelfällen Beobachtungen vor, dass in unmittelbarer Nähe von Seenotrettungsoperationen kleinere Boote beziehungsweise deren Insassen das Geschehen beobachtet und darauf spekuliert haben könnten, sich des verlassenen Bootes oder zumindest des zugehörigen Außenbordmotors bemächtigen zu können. Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse vor, ob es sich hierbei um Schleuser handelte, die ihr Boot wiederverwenden wollten, oder ob es sich um Unbeteiligte handelte, die lediglich an dem Boot oder dem Motor als potentiellem Nutz- oder Wertgegenstand interessiert waren. 12. Inwiefern haben die von der Bundeswehr eingesetzten Kampfschwimmer bislang spezifische Beiträge beim Vorgehen gegen Schleuser geleistet, und welcher Art waren diese Beiträge? Einsätze der Spezialkräfte unterliegen grundsätzlich der Geheimhaltung. Dies dient nicht zuletzt auch dem Schutz der eingesetzten Soldatinnen und Soldaten. Die Unterrichtung des Deutschen Bundestages über Einsätze von Spezialkräften erfolgt auf der Grundlage der Entschließung des Deutschen Bundestages vom 4. Dezember 2008 (Plenarprotokoll 16/193, Bundestagsdrucksache 16/11230). Danach werden die Vorsitzenden und stellvertretenden Vorsitzenden sowie die Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/11102 Obleute des Verteidigungsausschusses und des Auswärtigen Ausschusses auf vertraulicher Basis über Einsätze der Spezialkräfte informiert. 13. Inwiefern steht den Eigentümern der beschlagnahmten, umgeleiteten, durchsuchten oder zerstörten Boote der Rechtsweg offen, um Entschädigungen zu verlangen, und inwiefern sind bereits entsprechende Forderungen erhoben worden? Der Bundesregierung sind bislang keine entsprechenden Schadensersatzforderungen bekannt. Die Frage eines eventuellen Rechtswegs stellt sich daher bislang nicht. 14. Inwiefern werden nach Kenntnis der Bundesregierung im Rahmen der Operation EUNAVFOR MED Erkenntnisse über verdächtige Boote an die libysche Küstenwache übermittelt, und in wie vielen Fällen hat die libysche Küstenwache innerhalb bzw. außerhalb libyscher Hoheitsgewässer Flüchtlingsboote zum Umkehren veranlasst bzw. die Passagiere nach Libyen zurückverbracht ? Die Operation EUNAVFOR MED Sophia übermittelt keine Erkenntnisse über verdächtige Boote an die libysche Küstenwache. Die Bundesregierung hat keine Erkenntnisse dazu, ob die libysche Küstenwache hochseetaugliche Boote zum Umkehren veranlasst hat. Nach Kenntnis der Bundesregierung hat die libysche Küstenwache im Zeitraum vom 1. Januar bis 31. Oktober 2016 2 230 Menschen aus Seenot gerettet. 15. Welche Gremien sowie Informations- und Kommunikationsplattformen sind für die Operation EUNAVFOR MED von Belang, was ist jeweils deren spezifische Funktion sowie ihr spezifischer Beitrag, wie sind diese zusammengesetzt (bitte die Zusammensetzung nach Staaten, Personenzahl sowie Funktion aufgliedern), und welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus den bisherigen Erfahrungen mit diesen Gremien bzw. Plattformen? Der Informationsaustausch der Operation EUNAVFOR MED Sophia erfolgt wesentlich über das operativ-taktische Hauptquartier (Force Headquarters – FHQ) in See sowie das strategische Hauptquartier (Operational Headquarters – OHQ) in Rom, wo jeweils Verbindungsoffiziere fast aller beteiligten Nationen eingesetzt sind. Deutschland ist mit zwei Verbindungsoffizieren im FHQ sowie 17 Soldaten im OHQ vertreten. Darüber hinaus besteht zwischen FRONTEX und dem OHQ in Rom ein regelmäßiger Informationsaustausch. Ferner existiert SHADE MED (Shared Awareness and De-Confliction in the Mediterranean), dessen letztes Zusammentreffen Anfang November 2016 stattgefunden hat. Im Weiteren wird hier auf die Antwort der Bundesregierung auf die Schriftliche Frage 14 des Abgeordneten Wolfgang Gehrcke, Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 18/8523 vom 13. Mai 2016 verwiesen. Darüber hinaus hat die Operation EUNAVFOR MED Sophia zur Abstimmung der Ausbildungsmaßnahmen mit der libyschen Küstenwache das sogenannte „Senior Officer’s Team“ im OHQ eingerichtet. Die Bundesregierung unterstützt die Beteiligung der Operation EUNAVFOR MED Sophia an Gremien, Informations- und Kommunikationsplattformen, die zu einer besseren Zusammenarbeit mit anderen staatlichen, zivilen und multilateralen Akteuren führt sowie das Lagebild aller Beteiligten verbessert. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/11102 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 16. Wie genau gestaltet sich nach Kenntnis der Bundesregierung der Unterstützungsbeitrag der NATO-Operation ACTIVE ENDEAVOUR für EUNAVFOR MED, und inwiefern hat die NATO bislang relevante Beiträge für Verdachtsmeldungen oder Durchsuchungen, Umleitungen, Beschlagnahmungen oder Zerstörungen von Booten geleistet? Welche Absichten zur weiteren Zusammenarbeit der NATO-Mission mit der EU-Operation sind beabsichtigt? Die NATO-Operation ACTIVE ENDEAVOUR (OAE) wurde mit Beginn der NATO Operation SEA GUARDIAN im November 2016 beendet. Die deutsche Beteiligung an OAE endete bereits am 15. Juli 2016. Der Beteiligung deutscher Soldatinnen und Soldaten an der Folgeoperation SEA GUARDIAN hat der Deutsche Bundestag am 29. September 2016 zugestimmt. Die NATO-Verteidigungsminister haben auf ihrem Treffen am 26. und 27. Oktober 2016 in Brüssel beschlossen, die Operation EUNAVFOR MED Sophia in den Bereichen Informationsaustausch und Logistik zu unterstützen. Während des NATO-Außenministertreffens am 6. und 7. Dezember 2016 beschlossen die Außenminister eine vertiefte NATO-EU Kooperation, die unter anderem auch eine engere Zusammenarbeit zwischen den maritimen Einsätzen im Mittelmeer der NATO (SEA GAURDIAN) und der EU (Operation EUNAVFOR MED Sophia) beinhaltet. Die der EU zur Verfügung gestellten Daten fließen in ein Gesamtlagebild ein; die Bundesregierung hat keine Erkenntnisse, ob aufgrund von spezifischen NATO- Informationen Einheiten der Operation EUNAVFOR MED Sophia Schleuserboote durchsucht oder beschlagnahmt haben. 17. Welche Formen der Interaktion zwischen den an der Operation beteiligten Kriegsschiffen sowie Schiffen von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung, wie bewertet sie diese, und welche Schlussfolgerungen zieht sie daraus? Die italienische Rettungsleitstelle (Maritime Rescue Coordination Center, MRCC) in Rom hat die Koordination von Seenotrettungsoperationen für das Operationsgebiet EUNAVFOR MED Sophia auch aufgrund einer fehlenden libyschen Rettungsleitstelle übernommen. Hierzu verfügt sie über ein Lagebild der im Operationsgebiet befindlichen Schiffe und Boote, sowohl von Operation EUNAVFOR MED Sophia, von Nichtregierungsorganisationen als auch von anderen Akteuren. Bei Kenntnis eines Seenotfalls überprüft das MRCC die Verfügbarkeit von Schiffen und Booten in räumlicher Nähe zur Unglücksstelle und koordiniert die Seenotrettung . Die Zusammenarbeit zwischen den an der Operation beteiligten Kriegsschiffen und den Schiffen der Nichtregierungsorganisationen im Rahmen der Seenotrettung , etwa zur Übergabe an Bord befindlicher Personen, die zuvor aus Seenot gerettet wurden, zur weiteren Verbringung nach Italien, findet in Einzelfällen statt und wird durch das MRCC koordiniert. Darüber hinaus gab es auch Vorfälle, in denen Einheiten der Operation EUNAVFOR MED Sophia auf Hilferufe von Nichtregierungsorganisationen reagiert haben, um diese zu schützen. Die Zusammenarbeit im Rahmen von Seenotrettungsmaßnahmen verlief bisher aus Sicht der Bundesregierung erfolgreich. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/11102 18. Wie viele Flüchtlinge wurden bislang im Verlauf von a) deutschen Schiffen, Seit 23. Juni 2015 wurden im Zentralen Mittelmeer 9 455 Menschen durch deutsche Schiffe, die an der Operation EUNAVFOR MED Sophia beteiligt waren, unmittelbar aus Seenot gerettet (Stand: 19. Januar 2017). b) anderen an der Operation beteiligten Schiffen und Seit 23. Juni 2015 wurden im Zentralen Mittelmeer nach Kenntnis der Bundesregierung 22 641 Menschen durch andere Einheiten der Operation EUNAVFOR MED Sophia aus Seenot gerettet (Stand: 19. Januar 2017). c) anderen Schiffe (der internationalen Handelsschifffahrt, von NGOs usw.) Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. aus Seenot gerettet (bitte nach Quartalen seit Beginn der Operation aufgliedern und jeweils soweit möglich nach Herkunftsländern, Alter und Geschlecht differenzieren)? Die Gesamtzahl aller durch Einheiten der Operation EUNAVFOR MED Sophia Geretteten beträgt 32 096, davon sind 25 126 Männer, 5 026 Frauen und 1 944 Kinder bzw. Neugeborene (Stand: 19. Januar 2017). Eine quartalsweise Erfassung der durch die Operation EUNAVFOR MED Sophia geretteten Menschen sowie deren Herkunftsländern liegt der Bundesregierung nicht vor. Nach einem Bericht der Europäischen Agentur für Grenz- und Küstenwache sind im Verlauf des Jahres 2016 181 272 Personen im Einsatzgebiet der FRONTEX Joint Operation Triton illegal nach Italien eingereist. Davon wurden ungefähr 89 Prozent aus Seenot gerettet. Der Bericht differenziert nicht nach Herkunft, Geschlecht oder Alter und auch nicht danach, welches Schiff oder welche Organisation die Seenotrettung durchgeführt hat. 19. Ist es nach Kenntnis der Bundesregierung vorgekommen, dass Flüchtlinge an Bord von Schiffen der Operation genommen und von dort in einen nordafrikanischen Staat gebracht worden sind, und wenn ja a) wann gab es solche Rückführungen, b) wie viele Personen waren davon betroffen, c) was war der Grund für die Rückführung, d) inwiefern wurde den Flüchtlingen die Gelegenheit gegeben, einen Asylwunsch zu stellen, und wie wurde damit verfahren, e) von welchen Schiffen (entsendender Staat) erfolgten die Rückführungen, und f) wohin erfolgte die Rückführung? Die Fragen 19 bis 19f werden zusammengefasst beantwortet. Nach Kenntnis der Bundesregierung sind die hier nachgefragten Ereignisse nicht vorgekommen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/11102 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 20. Welche über die zitierte Meldung hinausgehenden Informationen kann die Bundesregierung zum Inhalt des Berichts von Konteradmiral Enrico Credendino übermitteln? Die Bundesregierung wird den Bundestag auch weiterhin über den Einsatz der Operation EUNAVFOR MED Sophia umfassend informieren. Hat sie nähere Informationen, wie sich die darin angegebene Summe von 275 bis 325 Mio. Euro, die lybische Küstenstädte angeblich aus der Flüchtlingsmigration ziehen, berechnet? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Informationen vor. 21. Inwiefern bewertet die Bundesregierung die Operation von EUNAVFOR MED und/oder die Aktivitäten von NGOs als pull-Faktor bei der Flüchtlingsmigration , und welche Schlussfolgerungen zieht sie daraus? Ziel der Bundesregierung ist die Umsetzung der im Mandat für die Operation EUNAVFOR MED Sophia festgeschriebenen Aufgaben: Bekämpfung des Geschäftsmodells der Schleuser, Beitrag zur Ausbildung und zum Fähigkeitsaufbau der libyschen Küstenwache und Durchsetzung des VN-Waffenembargos gegenüber Libyen auf Hoher See. Darüber hinaus hat die Erfüllung der völkerrechtlichen Verpflichtung zur Seenotrettung für die Bundesregierung höchste Priorität. Die Bundesregierung sieht mit Sorge, wie Schleuser ihr Geschäftsmodell auf die Seenotrettung durch die verschiedenen Akteure ausrichten. Zunehmend werden zu viele Menschen auf nicht seetaugliche Boote mit völlig unzureichender Ausstattung verbracht und damit verstärkt gefährdet, bereits innerhalb der libyschen Territorialgewässer in Seenot zu geraten und ihr Leben zu verlieren. Damit ist auch die Bedeutung der Operation seit Oktober 2016 gestiegen, die libysche Küstenwache zu befähigen, Seenotrettungen im Einklang mit internationalem Recht und internationalen Standards durchzuführen und zugleich Schleuseraktivitäten möglichst frühzeitig zu verhindern. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333