Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 7. Februar 2017 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 18/11111 18. Wahlperiode 09.02.2017 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Andrej Hunko, Jan van Aken, Christine Buchholz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/10962 – Erweiterung des Schengener Informationssystems V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Das Schengener Informationssystem (SIS) ist ein zentralisiertes, großes Informationssystem zur Durchführung von Personen- und Sachkontrollen (z. B. von Reisedokumenten oder Fahrzeugen) an den Schengener Außengrenzen, das der besseren Zusammenarbeit der Strafverfolgungs- und Justizbehörden von 29 europäischen Ländern dienen soll (Kommissionsdokument COM (2016) 880 final ). In seiner 2. Generation (SIS II) verfügt das System über neue Funktionen und Gegenstandskategorien, darunter neue Kategorien für Sachausschreibungen ; die Möglichkeit, Abfragen im zentralen System (statt in der nationalen Kopie der Datenbank) durchzuführen; die Möglichkeit, Personen- und Sachausschreibungen miteinander zu verknüpfen; biometrische Daten (Fingerabdrücke und Gesichtsbilder); Anhängen einer Kopie des Europäischen Haftbefehls direkt an die Ausschreibung von Personen; Angaben über missbräuchlich verwendete Identitäten zur Verhinderung eines Identitätsbetrugs. Mit mehreren Durchführungsmaßnahmen wurden die Funktionen des SIS II auch zum Zweck der Terrorismusbekämpfung ausgeweitet (Ratsdokument 14260/16). Unter anderem stiegen danach die jährlichen verdeckten Ausschreibungen nach Artikel 36 Absatz 3 des SIS-II-Beschlusses rapide an („Anzahl der Personenausschreibungen zum Zwecke der verdeckten oder gezielten Kontrolle im Interesse der nationalen Sicherheit“, Ratsdokument 14260/16, S. 11). Die von der Europäischen Kommission eingesetzte Hochrangige Expertengruppe für Informationssysteme und Interoperabilität erörtert die Verbesserung der Datenqualität von SIS-Ausschreibungen . Die Europäische Kommission berät außerdem mit den Mitgliedstaaten , gemeinsame Kriterien für die verschiedenen Kategorien von SIS-Ausschreibungen im Zusammenhang mit Terrorverdächtigen festzulegen. Das Ziel ist gesondert auszuweisen, wie viele Ausschreibungen „ausländische terroristische Kämpfer/Terroristen“ betreffen. Der Ausschuss SIS/VIS entschied, die Ausschreibungen zwecks gezielter Kontrolle sowie die Ausschreibungen zum Zwecke der verdeckten oder gezielten Kontrolle, die unverzüglich gemeldet werden müssen, um die Art des Vergehens, einschließlich der Kategorie „Akti- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/11111 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode vitäten mit Terrorismusbezug“, zu ergänzen. Die Änderung ist aufgrund mehrerer operationeller und technischer Fragen zurückgestellt, die von verschiedenen Mitgliedstaaten aufgeworfen wurden (Ratsdokument 14260/16, S. 10). Die europäische Agentur für das Betriebsmanagement von IT-Großsystemen (eu- LISA) arbeitet derzeit an einer technischen Bewertung verschiedener Alternativen . Der Europäischen Kommission zufolge gibt es in den Mitgliedstaaten, die das SIS II nutzen, zurzeit ungefähr zwei Millionen Endnutzer (COM (2016) 880 final ). In der Mitteilung „Solidere und intelligentere Informationssysteme für das Grenzmanagement und mehr Sicherheit“ (COM (2016) 205 final vom 6. April 2016) fordert die Europäische Kommission eine Überarbeitung des SIS dahingehend , dass es auch die Nutzung von Gesichtsbildern für die biometrische Identifizierung umfasst. In einem Gesetzgebungsvorschlag will die Europäische Kommission eine Reihe weiterer Maßnahmen zur Optimierung der Wirksamkeit des SIS vorschlagen. Hierzu gehört eine biometrische Suchfunktion für Fingerabdrücke . Acht Mitgliedstaaten werden hierzu im Jahr 2017 eine Testphase vornehmen. 1. Welche Defizite sieht die Bundesregierung derzeit im Zusammenhang mit der Eingabe von Daten in die Datensysteme der Europäischen Union, insbesondere bezogen auf das SIS II, das Europol-Informationssystem (EIS) und die Kontaktstellen bei Europol? Aus Sicht der Bundesregierung ist es in Anbetracht der weiterhin abstrakt hohen Gefährdungslage erforderlich, dass die Datensysteme der Europäischen Union und die Kontaktstellen von allen Mitgliedstaaten umfassend genutzt werden, um einen schnellen und vollumfänglichen Informationsaustausch sicherstellen zu können. Auf europäischer Ebene wird zurzeit unter Federführung der Europäischen Kommission geprüft, inwieweit die Informationsarchitektur angepasst werden muss, um eine Vernetzung der Informationssysteme untereinander zu gewährleisten und dabei zugleich grund- und datenschutzrechtliche Vorgaben zu beachten. Die Bundesregierung arbeitet an diesem Prozess aktiv mit und wird die Vorschläge sorgfältig prüfen. a) In welchen Situationen sind die Polizei und die Geheimdienste nicht oder nicht ausreichend in der Lage, Person, Identität und Erkenntnisse in Europa sicher zusammenzuführen (Präsident des Bundeskriminalamts – BKA – Holger Münch auf der BKA-Herbsttagung, 16. November 2016)? Die Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder greifen mittel- und unmittelbar auf europäische Datenbestände und solche anderer Mitgliedstaaten zu, die nur über spezifische Wege nach verschiedenen und zum Teil hochkomplexen rechtlichen, technischen und fachlichen Regelungen erschließbar sind. So können beispielsweise bei Vorliegen der rechtlichen Voraussetzungen zum Zwecke der Strafverfolgung nach dem Verfahren nach dem Beschluss 2008/615/JI des Rates vom 23. Juni 2008 (sogenannter Prümer Beschluss) sowie in den europäischen Datenbanken Visa-Informationssystem und Eurodac Fingerabdruck-Recherchen durchgeführt werden. Dabei werden drei völlig unterschiedliche Zugriffswege und Verarbeitungsprozesse genutzt, die getrennt voneinander ablaufen. Die teilweise erforderlichen Mehrfachabfragen sind zudem mit zeitlichen Aufwänden verbunden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/11111 b) Welche gesetzgeberischen und/oder technischen Hindernisse stehen einer Überwindung dieser Defizite auf nationaler Ebene entgegen? Mit dem am 1. Februar 2017 vom Kabinett beschlossenen Gesetz zur Neustrukturierung des Bundeskriminalamtsgesetzes wurde zeitgleich das Projekt „Polizei 2020“ gestartet. Durch das Gesetz soll der rechtliche Rahmen für eine grundlegende Modernisierung der polizeilichen IT-Systeme geschaffen werden. Die bisherige polizeiliche Datenlandschaft soll als Teil eines groß angelegten Modernisierungsprojektes durch ein übergreifendes Informationssystem beim BKA gebündelt werden. Durch diese Maßnahmen sollen Defizite auf nationaler Ebene ausgeräumt werden. 2. Mit welchen Maßnahmen will die Bundesregierung die Erhebung, Überprüfung und Verknüpfung von Informationen für die Aufspürung von an Terrorismus und Aktivitäten mit Terrorismusbezug beteiligten Personen und ihrer Reisebewegungen verbessern? Auf die Antworten zu den Fragen 10, 11, 12, 12b und 13 wird verwiesen. Weitergehende Maßnahmen sind von der Bundesregierung momentan nicht vorgesehen . 3. Welche Haltung vertritt die Bundesregierung inzwischen zur Frage, inwiefern das Schengener Informationssystem (SIS II) auch DNA-Daten speichern und verarbeiten sollte, bzw. wann könnte die Prüfung der Bundesregierung zu dieser Frage vermutlich abgeschlossen sein (Bundestagsdrucksachen 18/8872, 18/9973, 18/10775)? Die Europäische Kommission hat mit dem Ziel der kontinuierlichen Verbesserung des Schengener Informationssystems der zweiten Generation (SIS II) Möglichkeiten zur weiteren Steigerung von Wirksamkeit, Effizienz, Bedeutung und Kohärenz sowie zur Förderung des EU-weiten Mehrwerts des SIS II identifiziert, und zwar sowohl auf zentraler Ebene als auch in einigen Mitgliedstaaten, in denen die technischen und operativen Lösungen verbesserungsfähig sind. Sie hat in diesem Zusammenhang am 21. Dezember 2016 drei Verordnungsvorschläge zur Stärkung der operativen Wirksamkeit und Effizienz des Schengener Informationssystems (SIS) vorgelegt. Darin werden erstmals konkrete Regelungsvorschläge unterbreitet, ob und in welchen Fällen DNA-Profile einer SIS- Fahndung beigefügt werden können. Die in den Verordnungsvorschlägen aufgezeichneten Regelungen werden derzeit von der Bundesregierung sorgfältig bewertet. Ein Zeitpunkt, wann diese Beratungen abgeschlossen sein werden, kann derzeit nicht genannt werden. Insoweit wird auf die Antwort zu Frage 26 verwiesen. 4. Welche Haltung vertritt die Bundesregierung inzwischen zur Frage, inwiefern Ausschreibungen nach Artikel 36 SIS II auch die Festnahme ermöglichen sollten, auch wenn kein Europäischer Haftbefehl vorliegt, bzw. wann könnte die Prüfung der Bundesregierung zu dieser Frage vermutlich abgeschlossen sein (Bundestagsdrucksachen 18/8872, 18/9973, 18/10775)? In den von der Europäischen Kommission vorgelegten Verordnungsentwürfen (VO-E) sind Festnahmemöglichkeiten auf Basis des Artikels 36 VO-E für den Bereich der polizeilichen Kooperation und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen derzeit nicht enthalten. Ein Abstimmungsbedarf der Bundesregierung zur aufgeworfenen Frage stellt sich derzeit nicht. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/11111 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 5. Welche Mindeststandards sollten die im SIS II eingetragenen Daten aus Sicht der Bundesregierung erfüllen? In den einschlägigen Rechtsgrundlagen (Beschluss 2007/533/JI des Rates vom 12. Juni 2007 über die Einrichtung, den Betrieb und die Nutzung des SIS II, Verordnung (EG) Nr. 1987/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über die Einrichtung, den Betrieb und die Nutzung des SIS II sowie dem sogenannten SIRENE-Handbuch) sind Regelungen zur Datenqualität bzw. den Mindeststandards enthalten. Darüber hinaus verlangt das nationale polizeiliche Auskunfts- und Informationssystem INPOL als Quellsystem für das SIS II bereits bei der Eingabe von Daten hohe Standards. Hierdurch ist sichergestellt , dass bei deutschen SIS-Ausschreibungen ein einheitlicher Standard gewährleistet ist. 6. Welche eingeschränkten oder uneingeschränkten Zugangsrechte sollten aus Sicht der Bundesregierung für den Zugang von Europol zum SIS II eingeräumt werden? Auf die Antwort zu Frage 26 wird verwiesen. 7. Welche Vorschläge und Forderungen enthält ein vom BKA in Abstimmung mit dem Bundesministerium des Innern erstelltes und mit mehreren Mitgliedstaaten abgestimmtes Positionspapier hinsichtlich der verstärkten Einbindung von Europol bzw. einer verstärkten Koordinierungsrolle der Agentur für Aufgaben der Terrorismusbekämpfung (BKA-Präsident Holger Münch auf der BKA-Herbsttagung, 16. November 2016)? Die Bekämpfung des internationalen Terrorismus setzt eine enge Zusammenarbeit der Polizei- und Sicherheitsbehörden aller Mitgliedstaaten in Europa voraus. Auf Initiative der Europäischen Kommission soll die Rolle EUROPOLs im Bereich der Terrorismusbekämpfung nochmals geschärft werden, um einem internationalen Phänomen auch internationale Handlungskonzepte gegenüberzustellen . Insbesondere das European Counter Terrorism Centre (ECTC) unter dem Dach von EUROPOL wäre eine geeignete Plattform für den operativen und strategischen Austausch zwischen den Mitgliedstaaten und sollte daher gestärkt werden . Die konkrete Ausgestaltung des ECTC bedarf weiterer Diskussionen und Vereinbarungen zwischen den Mitglied-staaten und EUROPOL. 8. Auf welche Weise wird die Einführung einer recherchierbaren Fingerabdruckfunktionalität im SIS II (SIS II-AFIS) in Deutschland umgesetzt (Bundestagsdrucksache 18/9762)? Die Europäische Kommission hat die European Agency for the operational management of Large-Scale IT Systems in the area of freedom, security and justice (eu-LISA) mit der Umsetzung der recherchierbaren Fingerabdruckfunktionalität beauftragt. Es ist geplant, ein Automatisiertes Fingerabdruckidentifizierungssystem (AFIS) in einer ersten Phase nur auf zentraler Ebene bei eu-LISA unter Mitwirkung von sechs Pilotmitgliedstaaten zu implementieren. Deutschland ist einer dieser Staaten. Die endgültige Architektur zur Anbindung an das zentrale SIS II AFIS der eu-LISA steht in Abhängigkeit zu den Ergebnissen aus dem noch durchzuführenden Piloten Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/11111 a) Welche deutschen Behörden nehmen hierfür an einem EU-Pilotprojekt teil, wann soll dieses Pilotprojekt beginnen bzw. beendet sein? Das Pilotprojekt wurde Mitte 2016 gestartet und soll Anfang 2018 mit dem Pilotbetrieb starten. Das Bundeskriminalamt (BKA) unterstützt eu-LISA bei der technischen Umsetzung. b) Wo werden entsprechende Anwendungen getestet? Derzeit finden noch keine Tests statt. c) Welche weiteren Mitgliedstaaten und Agenturen sowie sonstige Einrichtungen werden nach Kenntnis der Bundesregierung an der Testphase des AFIS teilnehmen? Nach derzeitigem Kenntnisstand nehmen am EU-Pilotprojekt Niederlande, Luxemburg , Schweiz, Portugal, Österreich und Deutschland teil. 9. In welchen Fällen ist deutschen Behörden eine Abfrage der EU-Fingerabdruckdatenbank Eurodac erlaubt, auch wenn noch kein Abgleich im nationalen Fingerabdrucksystem, im Prüm-Verbund und im VISA-System erfolgte (BKA-Präsident Holger Münch auf der BKA-Herbsttagung, 16. November 2016)? Ein direkter Abgleich von Daten mit der Eurodac-Datenbank ist zulässig für asylund aufenthaltsrechtliche Zwecke im Zusammenhang mit der Speicherung und Übermittlung der Fingerabdrücke an die Eurodac-Datenbank nach Artikel 9 Absatz 1 sowie in den Fällen nach Artikel 17 Absatz 1 der Eurodac-Verordnung (VO). Für den Zugriff zu Zwecken der Gefahrenabwehr und Strafverfolgung nach Artikel 19 Eurodac-VO ist eine vorherige Abfrage in den Datenbanken/Verfahren gemäß Artikel 20 Absatz 1 Eurodac-VO Voraussetzung. Ein sofortiger Abgleich der Eurodac-Datenbank ist in diesen Fällen somit grundsätzlich nicht zulässig, eine Ausnahme regelt Artikel 19 Absatz 3: „In dringenden Ausnahmefällen, in denen es zur Abwendung einer gegenwärtigen Gefahr, die im Zusammenhang mit terroristischen Straftaten oder mit sonstigen schweren Straftaten steht, erforderlich ist, kann die Prüfstelle bei Erhalt eines Antrags seiner benannten Behörde die Fingerabdruckdaten unverzüglich der nationalen Zugangsstelle übermitteln und nachträglich überprüfen, ob alle Voraussetzungen für die Beantragung des Abgleichs gemäß Artikel 20 oder Artikel 21 erfüllt sind […]“. 10. Welche neuen Ausschreibungskategorien sollten aus Sicht der Bundesregierung in das SIS II aufgenommen werden, und welcher Zweck würde damit verfolgt? Die Bundesregierung prüft fortlaufend, ob die Fahndungsmöglichkeiten des SIS den Erfordernissen weiterhin gerecht werden. Konkrete neue Ausschreibungskategorien fordert die Bundesregierung momentan nicht. a) In welchen Fällen sollten aus Sicht der Bundesregierung SIS-Ausschreibungen zwingend werden? Nach Auffassung der Bundesregierung sollten Fahndungsnotierungen, die die Voraussetzungen einer SIS-Ausschreibungskategorie erfüllen, grundsätzlich auch schengenweit erfolgen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/11111 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode b) Was ist der Bundesregierung über die Pläne zur Einrichtung einer neuen „Ermittlungsanfrage“ im SIS II bekannt, und wie soll diese umgesetzt werden? Der Verordnungsvorschlag der Europäischen Kommission im Bereich der polizeilichen Kooperation und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen sieht neben den vorhandenen gezielten und verdeckten Kontrollen nach Artikel 36 eine weitere Ausschreibungsmöglichkeit vor, die zwischen verdeckter und gezielter Kontrolle einzuordnen ist. Die Einführung und mögliche Umsetzung einer solchen neuen Personenfahndung ist derzeit Bestandteil der Erörterungen auf europäischer Ebene und innerhalb der Bundesregierung. Die Prüfung der Bundesregierung zu dieser Frage ist noch nicht abgeschlossen. 11. Welche Fälle bzw. welche Ausschreibungen von „ausländischen Kämpfern“ im SIS II erfordern aus Sicht der Bundesregierung eine unverzügliche Meldung , und inwiefern sollte dies auch sogenannte Rückkehrer umfassen? Aus Sicht der Bundesregierung erfordern grundsätzlich sämtliche im SIS II ausgeschriebenen „ausländischen Kämpfer“ eine sofortige Meldung (Hinweis „SO- FORTMAßNAHME“). Dies umfasst auch sogenannte Rückkehrer. 12. Was ist der Bundesregierung über Diskussionen unter den EU-Mitgliedstaaten über die Aufnahme von SIS-Ausschreibungen „Aktivitäten mit Terrorismusbezug “ oder „Vergehen mit Terrorismusbezug“ bekannt? Derartige Diskussionen unter den EU-Mitgliedstaaten sind der Bundesregierung nicht bekannt. Schengenfahndungen können gemäß Artikel 20 Absatz 3 Buchstabe n des Beschlusses 2007/533/JI des Rates vom 12. Juni 2007 über die Einrichtung , den Betrieb und die Nutzung des Schengener Informationssystems der zweiten Generation (SIS II-Ratsbeschluss) um die Datenkategorie „Art der Straftat “ ergänzt werden. Als Art der Straftat ist unter anderem der Wert „Aktivität mit Terrorismusbezug“ vorgesehen. a) Wann und wie soll dies zukünftig umgesetzt werden? Die Möglichkeit zur Ergänzung von Fahndungen um die Art der Straftat und damit um die Ergänzung „Aktivität mit Terrorismusbezug“ ist durch die rechtliche Grundlage des SIS II-Ratsbeschlusses gegeben. b) Für welche Personen oder Fälle sollte aus Sicht der Bundesregierung die Kennzeichnung „Aktivitäten mit Terrorismusbezug“ oder „Vergehen mit Terrorismusbezug“ vergeben werden? Die Ergänzung der Art der Straftat und damit die Kennzeichnung „Aktivität mit Terrorismusbezug“ ist für alle Personenfahndungen möglich und sollte im Bedarfsfall in einer Ausschreibung aufgeführt werden. c) Für welche Ausschreibungen im SIS II sollte die Kennzeichnung „Aktivitäten mit Terrorismusbezug“ oder „Vergehen mit Terrorismusbezug“ aus Sicht der Bundesregierung möglich werden? Auf die Antwort zu Frage 12b wird verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/11111 d) Auf welche Weise könnte eine Ausschreibung oder Kennzeichnung aus Sicht der Bundesregierung auch darstellen, was von den auf der Ausschreibung beruhenden Maßnahmen erwartet wird? Die Angabe der Art der Straftat und damit der Kennzeichnung „Aktivität mit Terrorismusbezug “ stellt eine Ergänzung zu einer Fahndung dar. Die zu treffenden Maßnahmen im Trefferfall ändern sich dadurch nicht. Die zu treffenden Maßnahmen ergeben sich aus der Ausschreibung wie auch aus den einschlägigen Rechtsgrundlagen (SIS II-Ratsbeschluss, SIS II-Ratsverordnung). 13. Welche operationellen und technischen Fragen zur Aufnahme der Art des Vergehens, einschließlich der Kategorie „Aktivitäten mit Terrorismusbezug “ sind der Bundesregierung bekannt, die von verschiedenen Mitgliedstaaten aufgeworfen wurden und zu denen eu-LISA an einer technischen Bewertung gebeten wurde? Die Art der Straftat ist als Datenkategorie im SIS II-Ratsbeschluss verankert und insoweit seit Inbetriebnahme des SIS II verfügbar. Im Rahmen der Maßnahmen zur Bekämpfung des Phänomens der sogenannten ausländischen Kämpfer wurde als untergesetzliche Maßnahme die Art der Straftat gemäß Artikel 20 Absatz 3 Buchstabe n SIS II-Ratsbeschluss technisch für Ausschreibungen zu Personen nach Artikel 36 SIS II-Ratsbeschluss verfügbar gemacht. 14. Was ist der Bundesregierung über Diskussionen unter den EU-Mitgliedstaaten zu Richtkriterien für die Eingabe von Informationen über „ausländische Kämpfer“ in das SIS II und die Europol-Datenbanken bekannt? Auf europäischer Ebene wurden Richtkriterien für die Eingabe von Informationen über „ausländische Kämpfer“ in das SIS II und die Europol-Datenbanken vereinbart. a) Welche Personen würden aus Sicht der Bundesregierung ein solches Kriterium erfüllen, und nach welcher Maßgabe könnten diese Personen im SIS II eingetragen werden? Ausschreibungen im SIS zu sogenannten ausländischen Kämpfern können ausschließlich nach Maßgabe der einschlägigen Rechtsgrundlagen SIS II-Ratsbeschluss und Verordnung (EG) Nr. 1987/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über die Einrichtung, den Betrieb und die Nutzung des Schengener Informationssystems der zweiten Generation (SIS II-Ratsverordnung ) erfolgen. b) Auf welche Weise sollten diese Kriterien rechtsverbindlich werden? Die Richtkriterien sollen ein gemeinsames europäisches Begriffsverständnis sicherstellen , haben jedoch keinen rechtverbindlichen Charakter. c) Inwiefern könnten diese Kriterien auch Angehörige oder andere Kontaktpersonen mutmaßlicher „ausländischer Kämpfer“ umfassen? Die Richtkriterien sollen auch auf Unterstützer sogenannter ausländischer Kämpfer Anwendung finden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/11111 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 15. Auf welche Weise haben deutsche Behörden die „europa-weit vereinbarte Qualifizierung der Fahndungen im Schengener Informationssystem zu sogenannten Foreign Fighters“ umgesetzt, und worin besteht die vom BKA-Präsident Holger Münch auf der BKA-Herbsttagung am 16. November 2016 angekündigte „Interimslösung“, mit der das BKA „nach 4 Monaten handlungsfähig “ war? Mittels einer Interimslösung konnten SIS-Ausschreibungen gemäß Artikel 36 SIS II-Ratsbeschluss aus dem deutschen Bestand um die Art der Straftat und damit mit „Aktivität mit Terrorismusbezug“ gekennzeichnet werden (siehe Antwort zu Frage 13). Diese Zwischenlösung wurde durch eine katalogbasierte Umsetzung im polizeilichen Auskunfts- und Informationssystem abgelöst. 16. Welche Haltung vertritt die Bundesregierung zur Frage, ob Personen, von denen angenommen wird, dass sie sich im Prozess der Radikalisierung befinden , im SIS II eingetragen werden sollten? Den Behörden bekannte Personen, die sich im Prozess der Radikalisierung befinden , werden im Rahmen des Gefährderprogramms überprüft und bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen als Gefährder gelistet. Entsprechend den nationalen Ausschreibungen werden in Deutschland als Gefährder gelistete Personen mit einer Fahndungsnotierung nach Artikel 36 SIS II-Ratsbeschluss zur verdeckten Kontrolle mit dem Hinweis „SOFORTMAßNAHME“ oder anderen Maßnahmen im SIS II ausgeschrieben und gekennzeichnet. a) Welche Kriterien sieht die Bundesregierung hierzu als sinnvoll an? Auf die Antwort zu Frage 16 wird verwiesen. b) Inwiefern sollten aus Sicht der Bundesregierung auch „extremistische Redner“ im SIS II eingetragen werden, und welche Kriterien sollten hierfür gelten? Auch „extremistische Redner“ können nur nach Vorliegen der Fahndungsvoraussetzungen im SIS II ausgeschrieben. Eine Überprüfung der Voraussetzungen erfolgt im jeweiligen Einzelfall. 17. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, inwiefern die Regierung Großbritanniens ein „Opt-In“ zum Austausch biometrischer Daten im Rahmen des Vertrages von Prüm erklären will oder dies bereits tat (ibtimes.co.uk vom 2. November 2016, „UK set to opt into sharing of crime-fighting DNA and fingerprint data across the EU“)? Mit Schreiben vom 22. Januar 2016 informierte der ständige Vertreter des Vereinigten Königreichs in Brüssel die Europäische Union über die Entscheidung des britischen Parlaments, u. a. die 'Prümer Ratsbeschlüsse' (2008/615/JI und 2008/616/JI) nach der zuvor erfolgten opt-out Entscheidung dennoch umzusetzen . Dieser Entscheidung vorausgegangen war ein im Jahr 2015 absolviertes Pilotprojekt zwischen Deutschland und Großbritannien zum Austausch von DNA-Profilen auf Basis der einschlägigen Ratsbeschlüsse. Mit Presseerklärung vom 22. September 2016 informierte das Bundesministerium des Innern im Rahmen eines Treffens zwischen dem Bundesminister des Innern, Dr. Thomas de Maizière, und der Innenministerin des Vereinigten König- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/11111 reichs, Frau Amber Rudd, dass auf Basis des im Jahr 2015 absolvierten Pilotprojekts zum Austausch von DNA-Daten „für eine effektive Sicherheitszusammenarbeit […] ein Pilotprojekt zum Austausch von Fingerabdruckdaten zwischen dem Vereinigten Königreich und Deutschland“ geprüft werde. Zurzeit befindet sich das BKA in Kontakt mit den britischen Behörden, um die Wirkbetriebsaufnahme des daktyloskopischen Datenaustauschs dort zu unterstützen . 18. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, inwiefern die Eingliederung des sogenannten FIU.NET (als Netzwerk der Zentralstellen für Verdachtsmeldungen von Finanztransaktionen) in Europol tatsächlich zu einer Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen zentralen Meldestellen (nicht nur beim BKA) und Europol führte (Bundestagsdrucksache 18/6239)? Gegenwärtig befasst sich EUROPOL mit der Integration der FIU.net (Financial Intelligence Units) Anwendung. Zusammenarbeitsformen auf Ebene der Zentralstellen und EUROPOL werden derzeit abgestimmt. Die geplanten Maßnahmen, wie beispielsweise der Abgleich von FIU-Daten mit Daten der EUROPOL „Focal Points“, lassen einen Mehrwert erwarten. Es ist davon auszugehen, dass durch den Abgleich von Polizei- und Finanzdaten neue Erkenntnisse gewonnen und damit Ermittlungsansätze generiert werden können. Insbesondere im Bereich der Bekämpfung der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung erscheint dieser Ansatz vielversprechend. 19. Inwiefern und auf welche Weise ist der im Rahmen des FIU.NET geplante Abgleich verdächtiger Transaktionen bzw. Konten unter den nationalen Zentralstellen nach Kenntnis der Bundesregierung inzwischen umgesetzt? Der Abgleich verdächtiger Transaktionen/Konten unter den nationalen Zentralstellen ist bislang nicht umgesetzt. 20. In welchem Verfahren will das BKA umsetzen, die grenzüberschreitende Informationsübermittlung aus und nach Deutschland nicht mehr nur über die Zentralstelle BKA als Ein- und Ausgangsstelle vorzunehmen, sondern den Bundesländern das Europol-Informationssystem SIENA „schrittweise“ für den Direktverkehr zur Verfügung zu stellen (BKA-Präsident Holger Münch auf der BKA-Herbsttagung, 16. November 2016)? Das Verfahren setzt auf einem Pilotprojekt des Bundeskriminalamtes mit den Bundesländern Baden-Württemberg und Bayern vom 30. Juni 2016 bis 15. Oktober 2016 auf. Inhalt des Projektes war die Erprobung des Direktverkehrs der Bundesländer mit den EU-Mitgliedstaaten, EUROPOL sowie den assoziierten europäischen Drittstaaten mit operativen Abkommen, zunächst im Bereich der Bekämpfung der Eigentumskriminalität. Ziel des Projektes war es, über den europäischen Kommunikationskanal SIENA (Secure Information Network Application ) – durch eine Dezentralisierung unter permanenter Beteiligung des BKA als nationale Zentralstelle – eine erhebliche Beschleunigung des innereuropäischen polizeilichen Informationsaustauschs herbei zu führen. Nach erfolgreichem Projektende wurde gemäß Entscheidung der 179. Sitzung der AG Kripo (September 2016) ein nationaler SIENA-Roll-Out in Deutschland beschlossen . Den Bundesländern wird aktuell die Möglichkeit eingeräumt, den Beitritt zum SIENA-Direktverkehr, zunächst unter den im Projekt erprobten Rahmenbedingungen im Deliktsbereich der Eigentumskriminalität, zu vollziehen. Eine Erweiterung auf weitere Deliktsbereiche soll „schrittweise“ erfolgen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/11111 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 21. Wo wollen die polizeilichen und/oder geheimdienstlichen Bundes- und Landesbehörden einen „bundesweiten Datenpool für strategische Auswertungen , gemeinsame Lagebilder und länderübergreifende Schwerpunktsetzungen “ einrichten, der die sogenannten Sondererhebungen überflüssig machen soll (BKA-Präsident Holger Münch auf der BKA-Herbsttagung, 16. November 2016)? Die Planungen für die strategische Komponente des Polizeilichen Informationsund Analyseverbundes (PIAV-Strategisch) sehen eine zentrale Speicherung strategisch relevanter polizeilicher Daten im Bundeskriminalamt vor. An diesem Verbund sind die Polizeien der Bundesländer, das Zollkriminalamt, die Bundespolizei und das Bundeskriminalamt beteiligt. 22. Welche weiteren Vorhaben in Bezug auf die Erleichterung des nationalen und internationalen Datentausches soll die Arbeitsgruppe der Innenministerkonferenz , die unter Beteiligung des BKA „weitere Schritte und eine Umsetzungsstrategie “ hierzu entwickeln soll, zunächst prüfen (BKA-Präsident Holger Münch auf der BKA-Herbsttagung, 16. November 2016), und wann soll der Abschlussbericht vorliegen? Von einer Arbeitsgruppe der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder (IMK) mit dem Auftrag, „weitere Schritte und eine Umsetzungsstrategie “ zu entwickeln, ist der Bundesregierung nichts bekannt. Gemeint sein könnte die Bund-Länder-Projektgruppe des Arbeitskreises II „Innere Sicherheit“ der IMK (AK II), deren Einrichtung der AK II in dessen 251. Sitzung vom 12./13. Oktober 2016 unter TOP 11 beschlossen hat. Die Projektgruppe hat den Auftrag, zur Frühjahrssitzung 2017 des AK II einen ersten Sachstandsbericht mit Vorschlägen eines verbesserten Informationsmanagements und einer darauf aufbauenden modernen und harmonisierten IT-Architektur einschließlich einer angemessenen Bund-Länder-Verwaltungs- und Zusammenarbeitsstruktur und der Prüfung zur Bildung eines Investitionsbudgets vorzulegen. 23. Wo wird die deutsche nationale Kopie des SIS II betrieben, um das Risiko zu minimieren, dass deutsche Behörden bei einem Ausfall der Netzverbindung oder des zentralen SIS II nicht über die Option verfügen, wieder auf das SIS-1+ zuzugreifen? Die deutsche nationale Kopie des SIS II wird zur Erhöhung der Ausfallsicherheit in zwei Rechenzentren des BKA betrieben. Das SIS II hat ersatzlos das SIS1+ abgelöst. Ein Parallelbetrieb von SIS1+ und SIS II fand nicht statt und war auch nicht vorgesehen. 24. Wie viele Personen sind mit Stichtag 31. Dezember 2016 im SIS II nach Artikel 36 gespeichert (bitte nach Artikel 36 Absatz 2 und Absatz 3 SIS-II- Beschluss differenzieren)? Mit Stichtag 31. Dezember 2016 waren im SIS II folgende Anzahl an Personen nach Artikel 36 SIS II-Ratsbeschluss gespeichert: Artikel 36 Absatz 2 SIS II-Ratsbeschluss: 86 373 Artikel 36 Absatz 3 SIS II-Ratsbeschluss: 9 735. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 11 – Drucksache 18/11111 25. Wie viele Personen sind mit Stichtag 31. Dezember 2016 im SIS II zum Zwecke der verdeckten oder gezielten Kontrolle zur unverzüglichen Meldung gespeichert? Mit Stichtag 31. Dezember 2016 waren im SIS II 6 463 Ausschreibungen zu Personen gemäß Artikel 36 mit dem Zusatz „Sofortmaßnahme“ gespeichert. 26. Bis wann will die Bundesregierung den Gesetzgebungsvorschlag der Europäischen Kommission, der eine Reihe von Maßnahmen zur Optimierung der Wirksamkeit des SIS enthält, prüfen und bewerten (Pressemitteilung der Europäischen Kommission vom 21. Dezember 2016)? Die Prüfungen innerhalb der Bundesregierung dauern an. Ein Zeitpunkt hinsichtlich des Abschlusses dieser Bewertungen kann derzeit nicht vorausgesagt werden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333