Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie vom 8. Februar 2017 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 18/11122 18. Wahlperiode 10.02.2017 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Klaus Ernst, Annette Groth, Inge Höger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/10811 – Liberalisierung des Dienstleistungshandels mit dem TiSA-Abkommen (Trade in Services Agreement) V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Seit 2012 laufen die öffentlich weitgehend „geheimen“ Verhandlungen zur Formulierung eines TiSA-Abkommens (TiSA: Trade in Services Agreement), mit dem der Dienstleistungshandel der daran beteiligten Nationen stärker liberalisiert werden soll. An den Verhandlungen ist auch die EU beteiligt und so die Bundesregierung mittelbar eingebunden. Informiert wird der Deutsche Bundestag über die TiSA-Verhandlungen ähnlich wie über die Handelsabkommen CETA (EU mit Kanada) und TTIP (EU mit USA): Dokumente werden elektronisch zur Verfügung gestellt und über den Verlauf der Verhandlungen wird allgemein informiert. Eine tiefergehende inhaltliche politische und öffentliche Debatte des Parlaments gab es bisher nicht. Parlamentarische Mitwirkungsrechte beim TiSA sind nicht vorgesehen und werden von der Bundesregierung auch nicht angemahnt. Ebenso wenig gibt es bislang belastbare Studien, Gutachten und Ausarbeitungen zu möglichen Effekten von TiSA-Bestimmungen (wie sie in Kapitelentwürfen bereits vorliegen und/oder in die Verhandlungen eingebracht werden), beispielsweise für den europäischen Daten- oder Verbraucherschutz , die Arbeitsgesetzgebung oder die Erbringung öffentlicher Dienstleistungen . Das Abkommen soll den Handel mit Dienstleistungen liberalisieren und „neue“ verbindliche Regeln für deren Regulierung festlegen. Dienstleistungen machen in den Ländern der TiSA-Verhandlungsgruppe den Großteil der Wirtschaftstätigkeiten aus; entsprechend werden Änderungen bei deren Regulierung fast alle Aspekte von Arbeit, Leben und Politik betreffen. Die im Jahr 2016 veröffentlichten vorläufigen Vertragskapitel (https://netzpolitik.org//2016/neue-tisaleaks -handelsinteressen-gehen-vor-datenschutz-netzneutralitaet-und-it-sicherheit/; www.ituc-csi.org/IMG/pdf/ituc-tisa-report_de.pdf) zeigen den umfassenden Geltungsbereich. Es behandelt u. a. Transport- und Energieleistungen, Einzelhandel , elektronischen Handel, Expresszustelldienste, Telekommunikation, Bankleistungen, Leistungen im Gesundheits- und im privaten Bildungswesen. Im Unterschied zum Warenhandel unterliegen Dienstleistungen gewöhnlich keinen Einfuhrzöllen oder anderen nichttarifären Handelshemmnissen. „Hürden “ des Dienstleistungshandels sind deshalb originär europäische, nationale Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/11122 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode und lokale Vorschriften wie Eigentumsbeschränkungen, Lizenzanforderungen, Qualitätsstandards, Finanzregelungen zu Universaldienstleistungen und öffentlichen Dienstleistungen etwa im Gesundheits- oder Bildungswesen. Das TiSA soll Vorschriften abbauen, die kommerzielle Ziele und Aktivitäten von Dienstleistungsunternehmen begrenzen. Logischerweise rücken damit stets Themen im Zusammenhang mit ausländischen Investitionen, gemeinwohlorientierter Regulierung und der befristeten Freizügigkeit von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in den Mittelpunkt. Praktisch wird ein TiSA-Abkommen das künftige Recht der demokratischen Regulierung von Dienstleistungen verändern können, sei es in Deutschland oder einem anderen Mitgliedsland der Europäischen Union. 1. Wann wird nach Kenntnis der Bundesregierung das TiSA-Verhandlungsmandat der Europäischen Kommission veröffentlicht, bzw. wird die Bundesregierung sich für eine Veröffentlichung einsetzen? Wenn nein, warum nicht? Das Verhandlungsmandat wurde im März 2015 auf der Internetseite der Europäischen Kommission veröffentlicht: http://ec.europa.eu/trade/policy/in-focus/tisa/. Dieser Link ist auch auf der Homepage des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie veröffentlicht. 2. Wie sieht nach Kenntnis der Bundesregierung der aktuelle Zeitplan für die TiSA-Verhandlungen aus? 3. Rechnet die Bundesregierung angesichts der neuen US-Administration mit einem veränderten Zeitplan der TiSA-Verhandlungen oder mit signifikanten inhaltlichen Änderungen am bisherigen Vertragstext? Wenn ja, in welchen Bereichen? Wenn nein, warum nicht? Die Fragen 2 und 3 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Derzeit stehen keine Termine für weitere Verhandlungsrunden fest. Wenn die neue US-Administration ihre Tätigkeit aufgenommen hat, soll über den neuen Zeitplan entschieden werden. Die Bundesregierung hat keine Erkenntnisse über die Haltung der zukünftigen US-Administration zu TiSA. 4. Wird der vorläufige Vertragstext allen Abgeordneten und Mitarbeitern des Deutschen Bundestages uneingeschränkt zugänglich sein, oder wird er vergleichbaren Restriktionen wie TTIP-Kapitel unterliegen und in den entsprechenden Räumen des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) ausgelegt? Alle Entwürfe für die TiSA-Abkommenstexte werden nach Erhalt durch die Bundesregierung an den Deutschen Bundestag weitergeleitet und sind so allen Abgeordneten zugänglich. Beschränkungen wie bei TTIP bestehen nicht. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/11122 5. Wie könnte konkret eine bessere parlamentarische Mitwirkung bei den TiSA-Verhandlungen umgesetzt werden, oder wird die Übermittlung von Dokumenten und deren Kennzeichnung als „vertraulich“, „nur für den Dienstgebrauch“ oder „limited/restricted“ an die Abgeordneten des Bundestages weiterhin als Beleg demokratischer Mitwirkung bei solchen Verhandlungen verstanden? Auf die Antwort zu Frage 4 wird verwiesen. Durch die uneingeschränkte Übermittlung aller TiSA-Verhandlungsdokumente sowie die regelmäßige Unterrichtung des Deutschen Bundestages durch die Bundesregierung, z. B. in den Drahtberichten zum Handelspolitischen Ausschuss Dienstleistungen und Investitionen, den Vor- und Nachberichten zu den Handelsministerräten und den regelmäßigen Berichten zur Handelspolitik sieht die Bundesregierung die Möglichkeiten der demokratischen Mitwirkung des Deutschen Bundestages als gewahrt an. Ferner veröffentlicht die Europäische Kommission seit der 14. Verhandlungsrunde im Oktober 2015 regelmäßig schriftliche Berichte zu den Verhandlungsrunden. 6. Wie setzt sich sonst die Bundesregierung für eine wirkliche, frühzeitige und öffentliche Transparenz der TiSA-Verhandlungen und die parlamentarische Mitwirkung im laufenden Verfahren ein, oder bleibt die breite Öffentlichkeit und damit auch die politische Debatte darauf angewiesen, von TiSA-Angeboten der EU-Verhandlungsführer und entsprechenden Dokumenten durch „leaks“ informiert zu werden? Auf die Antwort zu Fragen 4 und 5 wird verwiesen. Neben den Informationen, die auf den Internetseiten der Europäischen Kommission und der Bundesregierung zur Verfügung gestellt werden, führt das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie regelmäßig Gespräche und Informationsveranstaltungen zu handelspolitischen Themen mit Nichtregierungsorganisationen, Verbands- und Gewerkschaftsvertretern durch. 7. Welche praktischen Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus den anhaltenden öffentlichen Protesten, der breiten inhaltlichen Kritik in Europa und Nordamerika an der intransparenten Verhandlungsführung rund um die Abkommen CETA und TTIP für die TiSA-Verhandlungen, die aus Sicht der Fragesteller noch intransparenter ablaufen? 8. Hält die Bundesregierung die restriktive Informationspolitik und den weitgehenden Ausschluss der breiten Öffentlichkeit für richtig bzw. die eingeschränkte Beteiligung nationaler Parlamente bei den möglichen Effekten von internationalen Abkommen wie CETA, TTIP und TiSA bis auf die kommunale Ebene für hilfreich angesichts der massiven Legitimationsprobleme der europäischen Politik und des nach wie vor bestehenden Demokratiedefizits der EU-Institutionen? Die Fragen 7 und 8 werden gemeinsam durch Verweis auf die Antworten zu den Fragen 4, 5 und 6 beantwortet. Die Bundesregierung teilt im Übrigen nicht die Auffassung eines bestehenden Demokratiedefizits der EU-Institutionen. 9. Inwiefern setzt sich die Bundesregierung für eine grundlegende Prüfung des europäischen Ansatzes bei internationalen Verhandlungen von Handels- und Investitionsschutzabkommen ein, und welche praktischen Konsequenzen für die laufenden TiSA-Verhandlungen resultieren daraus? Die Leitlinien für die Verhandlungen von Handels- und Investitionsschutzabkommen der EU werden jeweils in einem Verhandlungsmandat des Rates festgelegt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/11122 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Auch für TiSA hat der Rat der Europäischen Kommission als Verhandlungsführerin einstimmig ein Verhandlungsmandat erteilt. Die Bundesregierung sieht keinen Bedarf, hieran Änderungen vorzunehmen. Daneben hat die Europäische Kommission im Oktober 2015 übergeordnete Ziele der EU-Handelspolitik in ihrer „Trade for All“-Strategie definiert, die von der Bundesregierung geteilt werden . 10. Wie stellt die Bundesregierung sicher, dass die Debatte nach Vorlage eines vorläufigen TiSA-Vertragstextes im Bundestag in einem ausreichenden Zeitrahmen stattfindet und die jeweiligen Ausschüsse eine sorgfältige inhaltliche Prüfungen zu den möglichen Folgen von TISA-Bestimmungen u. a. für die Erbringung von Dienstleistungen, den nationalen Datenschutz oder die Freizügigkeit von Personen und das Arbeitsrecht durchführen können? Auf die Antworten zu den Fragen 4 und 5 wird verwiesen. Die zeitliche Ausgestaltung der parlamentarischen Befassung obliegt dem Deutschen Bundestag. 11. Werden mit Vorlage des vorläufigen TiSA-Vertragstextes entsprechend belastbare Wirkungsstudien zu ökonomischen, sozialen und regulatorischen Folgen für zentrale Kernbereiche (u. a. Arbeits- und Verbraucherschutz, regulatorische Konsequenzen, Datenschutz, Freizügigkeit von Dienstleistern sowie deren Vergütungssystemen und deren Besteuerung) in Auftrag gegeben und vorgelegt? Die Europäische Kommission hat im Dezember 2013 bei dem unabhängigen Gutachter Ecorys ein Sustainability Impact Assessment in Auftrag gegeben, für welches im Dezember 2016 der Zwischenbericht veröffentlicht wurde. Der Abschlussbericht wird für 2017 erwartet. 12. Wenn für solche Studien kein Bedarf gesehen wird, wie stellt sich die Bundesregierung eine in Ansätzen faktenbasierte und objektive Entscheidungsfindung des Deutschen Bundestages über ein TiSA-Abkommen vor? Auf die Antwort zu Frage 11 wird verwiesen. 13. Wie bewertet die Bundesregierung die sehr engen, massiven Konsultationen der EU-Repräsentanten mit Unternehmensvertretern und deren Lobbyorganisationen zu den TiSA-Verhandlungen, wie sie etwa durch eine jüngste Auswertung der zivilgesellschaftlichen Organisation LobbyControl (www. lobbycontrol.de/2016/12/tisa-hochprozenige-lobbypower/) vorgelegt wurde? Die Bundesregierung setzt sich sowohl auf nationaler wie auch auf europäischer Ebene für eine Bessere Rechtsetzung in einem transparenten Prozess ein, der Bürgerinnen und Bürger sowie Interessenträger im gesamten Verlauf einbezieht . Nach Kenntnis der Bundesregierung pflegt die Europäische Kommission in diesem Sinne einen Austausch mit allen an TiSA interessierten Akteuren , d. h. sowohl mit Unternehmensvertretern wie auch zivilgesellschaftlichen Organisationen. Unter anderem organisiert die Europäische Kommission regelmäßig sogenannte Civil Society Dialogues (zuletzt am 13. Januar 2017), an denen zahlreiche zivilgesellschaftliche Organisationen teilnehmen. Die Registrierung für die Dialoge steht allen gesellschaftlichen Akteuren bzw. Gruppen, die sich in den politischen Meinungsbildungsprozess einbringen, offen (siehe http://trade.ec.europa.eu/civilsoc/organisations.cfm). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/11122 14. Stellt eine solche Abstimmung europäischer Verhandlungsführer mit Unternehmensvertretern und deren Lobbyorganisationen eine ausgewogene, demokratische Basis für die Formulierung eines Verhandlungsmandates der Europäischen Kommission, für europäische Angebote im Verhandlungsprozess und eine Zustimmung zu Vertragskapiteln dar? Auf die Antwort zu Frage 13 wird verwiesen. Klarstellend weist die Bundesregierung darauf hin, dass der Rat das Verhandlungsmandat erteilt und anschließend über die europäischen Verhandlungsangebote sowie – nach einem erfolgreichen Verhandlungsabschluss – über die Zustimmung zu dem Abkommen entscheidet . 15. Sollte dieser privilegierte Zugang zu politischen Entscheidungsträgern unbedenklich sein, knüpft die Bundesregierung ihre Zustimmung zum TiSA-Abkommen eventuell daran, dass ein vergleichbar quantitativer wie qualitativer Zugang von Bürgerinnen und Bürgern, Beschäftigten, Gewerkschaften, Verbraucher - und Umweltschutzverbänden eine Mindestbedingung für die Ratifikation eines Vertragstextes ist? Wenn ja, wie soll dies gewährleistet werden, und welche Maßnahmen werden durchgesetzt? Wenn nein, wie wird ein gleichwertiger Zugang zu den Verhandlungsführern und die Formulierung von Positionen jenseits spezifischer Unternehmensinteressen überhaupt möglich? Auf die Antworten zu den Fragen 13 und 14 wird verwiesen. Im Übrigen ist Voraussetzung für die Ratifikation eines Vertragstextes die parlamentarische Zustimmung . 16. Hat die Bundesregierung die Unterzeichnung der ILO-Konventionen (ILO: International Labour Organization) zu den Kernarbeitsnormen als Kernbedingung aller TiSA-Vertragspartner eingefordert, oder ist sie der Ansicht, das TiSA sei nicht der richtige Ort dafür? 17. Sollten nicht einmal die ILO-Kernarbeitsnormen als Mindestbedingungen für das TiSA-Abkommen gelten und dort rechtsverbindlich aufgenommen sein, welchen konkreten Wert haben dann entsprechende Absichtserklärungen und „rote Linien“, wie sie etwa das Europäische Parlament für die TiSA- Verhandlungen im Hinblick auf die Arbeitsstandards im Dienstleistungssektor formuliert? 18. Soll es bei dem TiSA einen vertraglich ausformulierten und fixierten Sanktionsmechanismus geben, wenn Dienstleister gegen geltende Arbeits-, Sozial - und Umweltstandards verstoßen? Wenn nein, warum setzt sich die Bundesregierung nicht dafür ein und knüpft ihre Zustimmung an einen solchen Mechanismus? Die Fragen 16 bis 18 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Die Bundesregierung setzt sich prinzipiell und mit Nachdruck dafür ein, die Ratifizierung und innerstaatliche Umsetzung der ILO-Kernarbeitsnormen durch einen möglichst großen Kreis von Staaten zu fördern. Zugleich ist TiSA systematisch sowie inhaltlich als Fortführung des WTO-Abkommens GATS konzipiert mit dem Ziel, TiSA in Zukunft zu multilateralisieren, d. h. auf möglichst viele WTO-Mitglieder auszuweiten. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/11122 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Die Bundesregierung unterstützt diese Zielsetzungen. Die Bundesregierung unterstützt ebenfalls die Absicht der Europäischen Kommission, in TiSA – wie in allen Handelsabkommen der EU – eine sogenannte „Arbeitsmarktklausel“ aufzunehmen . Diese besagt, dass ausländische Dienstleister die nationalen Lohn- und Arbeitsbedingungen beachten müssen. Damit wird sichergestellt, dass Arbeitsstandards nicht abgesenkt werden. 19. Werden bei den TiSA-Verhandlungen ähnliche Vorbehalte der Bundesregierung im Hinblick auf die Zuständigkeit der EU-Kommission in bestimmten inhaltlichen Fragen formuliert, wie sie über Protokollnotizen zu CETA vorgelegen haben? Wenn nein, warum nicht? Die Frage, ob es sich bei TiSA wie bei CETA um ein gemischtes Abkommen handelt und ob Vorbehalte der Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Zuständigkeitsverteilung mit der Europäischen Kommission in die Ratsbeschlüsse aufgenommen werden, kann erst dann beantwortet werden, wenn der finale Entwurf für das Abkommen vorliegt. 20. Wie wird konkret im TiSA-Abkommen die öffentliche Daseinsvorsorge geschützt und das „Recht zur Regulierung“ juristisch klar festgeschrieben? Zum Schutz der Daseinsvorsorge wurden umfangreiche Vorbehalte in das Abkommen aufgenommen. Entscheidend ist dabei, dass die EU und Deutschland sich die bestehenden und auch zukünftigen Spielräume zur Gestaltung der Daseinsvorsorge und zur Regulierung insbesondere in den Bereichen Bildung, Gesundheit , Soziales, Wasserversorgung, Kultur und Medien auf allen staatlichen Ebenen erhalten. Die Absicherungen gehen so weit, wie dies die deutschen Verpflichtungen aus dem GATS (die seit 20 Jahren bestehen) zulassen – hinter diese Verpflichtungen (z. B. im Bereich Bildung, Umwelt oder bei sozialen Diensten) kann Deutschland aber nicht zurückgehen. Für den Bereich der Daseinsvorsorge werden von Deutschland keine neuen Verpflichtungen zur Marktöffnung übernommen . 21. Für welche Dienstleistungen hat die Bundesregierung signalisiert, entsprechende Verpflichtungen zur Liberalisierung einzugehen? 22. Für welche Anwendungsbereiche im TiSA-Abkommen hat die Bundesregierung über die gemeinsame Liste hinaus „individuelle“ Regelungen für sich in Anspruch genommen, bzw. wird sie noch solche für Deutschland formulieren und in die Verhandlungen einbringen? 23. Welche Ausnahmen sind bisher in die Verpflichtungsliste für Deutschland aufgenommen worden (in welchen Abschnitten und für welche Anwendungsbereiche im TiSA)? Die Fragen 21 bis 23 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Die Verpflichtungen sowie Beschränkungen und Vorbehalte ergeben sich aus den EU-Annexlisten zu TiSA, deren aktuelle Fassung im November 2016 auf der Internetseite der Europäischen Kommission veröffentlicht wurde (http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2016/november/tradoc_155096.pdf). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/11122 24. Wie werden die sensiblen Bereiche audiovisuelle und kulturelle Dienstleistungen rechtssicher vor Verpflichtungen im TiSA geschützt, wo laut BMWi mit Hinweis auf das GATS-Abkommen (GATS: General Agreement of Trade in Services) von 1994 keine generellen Definitionen und Ausnahmenregelungen aufgenommen werden können (siehe Bundestagsdrucksache 18/2447), aber über das GATS hinaus keine völkerrechtlich verbindlichen Verpflichtungen eingegangen werden sollen? Der Schutz der Kultur in TiSA erfolgt – wie in allen bisherigen Handelsabkommen der EU auch – über die Ausgestaltung der Verpflichtungen und Vorbehalte in den Annexen des Abkommens. Im November 2016 hat die Europäische Kommission einen Entwurf der EU-Verpflichtungen für TiSA im Internet veröffentlicht (vgl. Antwort zu den Fragen 21 bis 23). Darin sind für die EU und Deutschland explizit Absicherungen für Beihilfen (einschließlich Kulturförderung), audiovisuelle Dienste (u. a. Rundfunk), Theater, Museen und sonstige Kultureinrichtungen vorgesehen. 25. Wie sollen für Deutschland bzw. Europa öffentliche Dienstleistungen von den TiSA-Bestimmungen rechtssicher ausgeschlossen werden, wenn sie nach üblicher GATS-Konzeption erstens nicht eindeutig definiert sind und zweitens die drei zentralen Kriterien (Dienstleistungen, die in hoheitlicher Ausübung, nicht auf kommerzieller Grundlage und nicht im Wettbewerb erstellt werden) etwa im Kulturbereich gar nicht mehr erfüllt werden? Auf die Antworten der Bundesregierung zu den Fragen 1 und 2 der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 18/2447 wird verwiesen . Die in TiSA vorgesehene Bereichsausnahme für „Dienstleistungen, die in Ausübung hoheitlicher Gewalt erbracht werden“, stammt aus dem GATS-Abkommen , das seit 20 Jahren im Rahmen der WTO gilt. Sie betrifft im Kern Aufgaben , die mit dem Gewaltmonopol des Staates verknüpft sind, und hat nichts mit kulturellen Angeboten wie Theatern oder Museen zu tun. Die Bundesregierung und die Europäische Kommission haben dies auch nie so dargestellt. 26. Welche Konsequenzen ergeben sich für die Bundesregierung aus den bisherigen Verstößen und den Umgehungen des nationalen und europäischen Datenschutzes durch international tätige Dienstleistungsunternehmen für die entsprechenden TiSA-Kapitel? 27. Welche Datenschutzbestimmungen sollen beim TiSA konkret gelten, und wie sind die entsprechenden Absätze formuliert? 28. Unterstützt die Bundesregierung die Europäische Kommission bei der Formulierung einer Verordnung, dass Dienstleister dazu angehalten werden, personenbezogene Daten auf Servern im EU-Rechtsgebiet zu speichern, um damit die Prüfung der Einhaltung europäischer Datenschutzbestimmungen effektiver zu gewährleisten? 29. Inwiefern wird der Konflikt gelöst zwischen dem Datenschutz, zu dem laut TiSA-Kerntext zwar Maßnahmen zum Schutz der Privatsphäre von Personen in den jeweiligen Ländern ergriffen werden dürfen, und dem kommerziellen Interesse der Dienstleister, dass diese Maßnahmen nur so lange und so weit reichen dürfen, wie sie konsistent mit den Vereinbarungen im TiSA sind (siehe https://netzpolitik.org/2016/das-tisa-abkommen-datenschutz-undnetzneutralitaet -koennen-als-handelshemmnis-ausgehebelt-werden/)? Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/11122 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 30. Wie soll das europäische Datenschutzniveau konkret gehalten werden, wenn im vorläufigen TiSA-Kapitel zu E-Commerce entsprechende Hindernisse zur Sammlung, Verarbeitung und kommerziellen Weitergabe der Daten oder Übertragung an Dritte mit dem Hinweis auf das konkrete Geschäft und Geschäftsmodell ausgehebelt werden können (ebd.)? 31. Wie wird der effektive Schutz personen- und unternehmensbezogener europäischer Daten im Ausland beim TiSA dann überhaupt generell garantiert, wo schon der Ansatz des Rahmenabkommens „Safe Harbour“ in den USA vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) als unzureichend zurückgewiesen wurde und das Folgeabkommen „Privacy Shield“ kaum substantielle Verbesserungen beinhaltet (siehe https://netzpolitik.org/2016/privacy-shieldneue -grundlage-fuer-transatlantischen-datenverkehr-gilt-jetzt-noch/) und mit den bisherigen Formulierungen wie etwa beim E-Commerce im TiSA Letzteres umgangen werden kann? 32. Wenn vor dem EuGH auch gegen das Folgeabkommen „Privacy Shield“ geklagt wird, wie bereits angekündigt und dieses gleichfalls als unzureichend eingestuft würde, inwiefern würde ein mögliches TiSA-Abkommen davon betroffen sein, bzw. wie könnte das europäische Datenschutzniveau gesichert werden? Die Fragen 26 bis 32 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Nach dem derzeitigen Verhandlungsstand wird im Hinblick auf den Datenschutz in TiSA die generelle Ausnahmevorschrift aus Artikel XIV(c)(ii) GATS übernommen werden, derzufolge bestehende oder zukünftig eingeführte Datenschutzregelungen durch das Abkommen nicht berührt werden. Ferner sollen – soweit erforderlich – weitere Ausnahmeregelungen in den speziellen Kapiteln wie z. B. elektronischer Geschäftsverkehr aufgenommen werden. Die Europäische Kommission hat sich in den TiSA-Verhandlungen hierzu noch nicht positioniert. Die Bundesregierung hat sich im Handelspolitischen Ausschuss Dienstleistungen und Investitionen dafür bereits ausgesprochen, dass eventuelle Regelungen zu grenzüberschreitenden Datentransfers in TiSA die europäischen Vorschriften zum Datenschutz weder unterlaufen noch aushebeln dürfen und dass die Flexibilität Deutschlands und der EU gewahrt bleiben muss, die Regeln im Bereich des Datenschutzes auch zukünftig weiter zu entwickeln. Ergänzend zu Frage 28: Ein solcher Verordnungsvorschlag der Europäischen Kommission ist der Bundesregierung nicht bekannt. 33. Liegt das TiSA-Entwurfskapitel (Annex) zu Energiedienstleistungen mittlerweile vor (siehe Antwort der Bundesregierung, Plenarprotokoll 18/192, Anlage 6), und was beinhaltet es? Der Annex zu energiebezogenen Dienstleistungen ist noch nicht fertig ausverhandelt . Die letzte vorliegende Fassung des Kapitelentwurfs wurde am 4. Juli 2016 an den Deutschen Bundestag weitergeleitet. Der Annex bezieht sich auf Dienstleister , die ihre Dienstleistungen Energieunternehmen anbieten wie z. B. Ingenieurs - und Beratungsdienstleistungen oder Wartung, Reparatur und Leasing. Das ist auch der Grund, warum der Annex nicht nach Art der Energiequelle unterscheidet . Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/11122 34. Welchen rechtlichen Charakter und welche Implikationen hat der Begriff „Technologieneutralität“ bei Energiedienstleistungen, und warum sieht die Bundesregierung konkret durch die mögliche Auslegung des Begriffs keine „Gefährdung“ für die Regulierung von Energiedienstleistungen und die Förderung wie den Ausbau regenerativer Energien (ebd.)? Auf die Antwort zu Frage 33 wird verwiesen. Aussagen zur Förderfähigkeit bestimmter Energieträger werden in dem Annex nicht getroffen. Ferner enthält der Annex auch keine Vorschriften, die das „Right to regulate“ des Staates in Frage stellen würden. Vielmehr enthält der Annex in seiner derzeitigen Fassung eine Klarstellung, dass es keine Auswirkungen auf das Recht der Parteien gibt, Regulierung zum Schutz u. a. der Umwelt, der öffentlichen Gesundheit und der Sicherheit zu treffen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333