Deutscher Bundestag Drucksache 18/1119 18. Wahlperiode 10.04.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Julia Verlinden, Oliver Krischer, Christian Kühn (Tübingen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/901 – Eigenstromprivileg und Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Energieerzeugungsanlagen mit Kraft-Wärme-Kopplung (KWK), die gleichzeitig sowohl Strom als auch Wärme produzieren, sind besonders energieeffizient und damit ressourcen- und klimaschonend. Insbesondere in Industrieprozessen mit Bedarf an Prozesswärme wird KWK eingesetzt, da hier Strom und Wärme gleichermaßen zum Einsatz kommen können. Aber auch für die Wärmeversorgung von Wohngebäuden sowie für die Versorgung von Nah- und Fernwärmenetzen werden KWK-Anlagen genutzt. Ziel der Bundesregierung ist es, den Anteil der KWK an der Nettostromerzeugung in Deutschland auf einen Wert von 25 Prozent bis zum Jahr 2020 zu erhöhen . Um die Nutzung der KWK zu fördern, ist bisher der selbstgenutzte Strom aus einer entsprechenden Anlage von der Umlage nach dem Erneuerbare -Energien-Gesetz (EEG) befreit. Nun will die Bundesregierung mit der anstehenden Novelle des EEG diese Befreiung für alle KWK-Anlagen aufheben – unabhängig davon, mit welchem Brennstoff sie betrieben werden. Als Begründung führt die Bundesregierung an, dass immer mehr Unternehmen durch die Eigenstromproduktion aus dem EEG-Umlagesystem ausscheren und so zu höheren Belastungen der verbleibenden, nicht privilegierten Stromverbraucher beitragen. 1. Wie viele KWK-Anlagen sind nach Informationen der Bundesregierung seit dem Jahr 2009 in Betrieb gegangen (bitte nach Jahren, Anzahl, Energieträgern und elektrischer Leistung aufschlüsseln)? Im Rahmen der amtlichen Statistik liegen der Bundesregierung keine allgemeiDie Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie vom 7. April 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. nen Daten zur Inbetriebnahme von KWK-Anlagen vor. Drucksache 18/1119 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Im Hinblick auf die seit dem Jahr 2009 durch das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG) geförderten Anlagen ergibt sich folgendes Bild: Inbetriebnahmejahr Anzahl elektr. Leistung in MWel Energieträger 2009 1 24 Steinkohle 4 23 Braunkohle 4 335 439 Erdgas 517 15 Flüssiggas 120 6 Heizöl 150 2 Biomasse 16 39 Ersatzbrennstoffe, Müll Summe 5 143 547 2010 0 0 Steinkohle 8 77 Braunkohle 2 936 456 Erdgas 307 13 Flüssiggas 104 3 Heizöl 145 62 Biomasse 13 180 Ersatzbrennstoffe, Müll Summe 3 513 791 2011 0 0 Steinkohle 3 4 Braunkohle 4 048 326 Erdgas 321 19 Flüssiggas 125 3 Heizöl 158 6 Biomasse 10 234 Ersatzbrennstoffe, Müll Summe 4 665 592 2012 0 0 Steinkohle 0 0 Braunkohle 5 090 684 Erdgas 419 36 Flüssiggas 64 14 Heizöl 115 3 Biomasse 3 16 Ersatzbrennstoffe, Müll Summe 5 691 752 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/1119 Für das Jahr 2013 liegen beim zuständigen Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle noch Zulassungsanträge für größere KWK-Anlagen mit einer elektrischen Leistung von ca. 350 MWel vor, die in Bearbeitung sind und gemäß § 6 Absatz 2 KWKG noch zugelassen werden können. Die Zahlen für das Jahr 2013 können sich demnach noch erhöhen. 2. Wie hat sich nach Informationen der Bundesregierung die Menge des selbstverbrauchten Stroms aus KWK, der von der EEG-Umlage befreit ist, durch Industrieunternehmen und private Verbraucher in diesem Zeitraum aufgeschlüsselt nach Jahren entwickelt (bitte in Kilowattstunden und mit dem eingesparten Betrag in Euro angeben und nach Unternehmen und privaten Verbrauchern aufschlüsseln)? Im Rahmen der amtlichen Statistik liegen der Bundesregierung keine entsprechenden Daten zur selbst verbrauchten Strommenge vor. Im Rahmen der Mittelfristprognose der Übertragungsnetzbetreiber für die Entwicklung der EEG-Umlage wurde der Umfang des Eigenverbrauchs in der Industrie auf 44,3 TWh geschätzt (vgl. www.netztransparenz.de/de/JahresMittelfristprognosen .htm). In welchem Umfang die genannte Strommenge dabei in KWK-Anlagen erzeugt wird, ist nicht bekannt. Im Rahmen der amtlichen Statistik werden Daten zur Stromerzeugung in KWKAnlagen in der Industrie erfasst (Statistisches Bundesamt, Formular 067, ab einer elektrischen Brutto-Leistung von 1 MW). Demnach wurden im Jahr 2012 in Industrie-KWK-Anlagen ab einer Leistung von 1 MW rund 28,3 GWh Strom erzeugt. Ob und in welchem Umfang diese von den Industrieunternehmen auch selbst verbraucht worden sind, ist nicht bekannt. 3. Wie hat sich nach Informationen der Bundesregierung die Menge der selbstverbrauchten Wärme aus KWK durch Industrieunternehmen und private Verbraucher seit dem Jahr 2009 entwickelt (bitte in Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr angeben und nach Unternehmen und privaten Verbrauchern aufschlüsseln)? Im Rahmen der amtlichen Statistik werden keine Daten zur in der Industrie in KWK-Anlagen erzeugten und dann selbst verbrauchten Wärme erhoben. 2013 0 0 Steinkohle 3 2 Braunkohle 5 505 878 Erdgas 496 85 Flüssiggas 64 2 Heizöl 81 1 Biomasse 32 10 Ersatzbrennstoffe, Müll Summe 6 181 977 Inbetriebnahmejahr Anzahl elektr. Leistung in MWel Energieträger Die in KWK-Anlagen der Industrie (ab 1 MW) erzeugte Wärme beträgt nach Angaben des Statistischen Bundesamtes: Drucksache 18/1119 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 2009: 285 368 Terajoule 2010: 312 714 Terajoule 2011: 303 862 Terajoule 2012: 302 850 Terajoule Im Hinblick auf die diesbezügliche Wärmeerzeugung und/oder den Wärmeverbrauch in privaten Haushalten werden im Rahmen der amtlichen Statistik keine entsprechenden Daten erhoben. 4. Wie hat sich nach Informationen der Bundesregierung die Menge des insgesamt von der EEG-Umlage befreiten Stroms, also des privilegierten Letztverbrauchs, seit dem Jahr 2009 nach Jahren aufgeschlüsselt entwickelt (bitte in Kilowattstunden und mit dem eingesparten Betrag in Euro angeben )? Die Besondere Ausgleichsregelung begrenzt nach § 40 ff. EEG 2012 die von stromintensiven Unternehmen des produzierenden Gewerbes und Schienenbahnen zu entrichtende EEG-Umlage der Höhe nach. Eine vollständige Befreiung der Unternehmen von der EEG-Umlage erfolgt nicht. Die Berechnung des Umfanges der Begünstigung durch die Besondere Ausgleichsregelung erfolgt auf Basis der privilegierten Strommengen. Die privilegierte Strommenge ist die in den jeweiligen Antragsverfahren nachgewiesene Strommenge des letzten abgeschlossenen Geschäftsjahres des Unternehmens vor Antragstellung. Die begünstigte Strommenge kann im Begrenzungsjahr, welches auf das Antragsjahr folgt, höher oder niedriger als die privilegierte Strommenge sein. Dies ist insbesondere von den jeweiligen konjunkturellen Verhältnissen und den individuellen wirtschaftlichen Verhältnissen der begrenzten Unternehmen abhängig. Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle gibt die Summe der von den Unternehmen jeweils individuell eingesparten EEG-Umlage an. Dies ist die reine betriebswirtschaftliche Sicht und berücksichtigt nicht die Auswirkungen der Besonderen Ausgleichsregelung auf die EEG-Umlage. Aus den EEG-Umlageberechnungen der Übertragungsnetzbetreiber lässt sich unter Berücksichtigung der volkswirtschaftlichen Effekte eine finanzielle Entlastung der Industrie im Jahr 2013 von rund 4 Mrd. Euro und für das Jahr 2014 von rund 5,1 Mrd. Euro ableiten. Das tatsächliche Entlastungsvolumen ergibt sich hier auch aus dem tatsächlichen Stromverbrauch der energieintensiven Industrie in den jeweiligen Jahren. Eine solche Rechnung beruht allerdings auf der Annahme, dass die betroffenen Begrenzungszeitraum privilegierte Strommenge in GWh Ersparnis in Mrd. € 2014 107 101 6,5 2013 96 368 5,0 2012 85 402 3,0 2011 75 974 2,6 2010 86 594 1,7 2009 82 594 1,0 Unternehmen auch ohne Besondere Ausgleichsregelung ihre Produktion in Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/1119 Deutschland in vollem Umfang aufrechterhalten würden. Nicht berücksichtigt werden die Wettbewerbsnachteile, die der deutschen stromintensiven Industrie durch eine Abschaffung der Besonderen Ausgleichsregelung entstünden und die eine Verlagerung oder Schließung von Produktionsstätten zur Folge haben könnten. 5. Welche konkreten Auswirkungen auf die Höhe der EEG-Umlage wird nach Informationen der Bundesregierung die Belastung des Eigenstromverbrauchs mit der EEG-Umlage, wie im Eckpunktepapier zur EEG-Reform vom Bundesminister für Wirtschaft und Energie, Sigmar Gabriel, vorgesehen , haben, und welche Auswirkungen haben alternative von der Bundesregierung geplante Szenarien für die Belastung des Eigenstromverbrauchs mit der EEG-Umlage auf die Höhe der EEG-Umlage (bitte nach Alt- und Neuanlagen, Größenklassen, fossiler Stromerzeugung ohne KWK, KWK und erneuerbare Energien aufschlüsseln)? Die Regelungen zum Eigenverbrauch im Rahmen der EEG-Novelle befinden sich derzeit in der Ressortabstimmung. Eine Quantifizierung ist daher derzeit nicht möglich. 6. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus den Entwicklungen beim selbstgenutzten Strom aus KWK und bei der insgesamt privilegierten Strommenge im Hinblick auf die EEG-Umlage und im Hinblick auf die Ziele des Klimaschutzes? Im Hinblick auf die Entwicklung selbstgenutzten Stromes auch in KWK-Anlagen wird die geplante Novelle des EEG Regelungen zur Belastung dieses Stromes mit der EEG-Umlage enthalten. Die Begründung zu dem Gesetzentwurf wird Ausführungen zur Motivation und Zielrichtung dieses Ansatzes enthalten. Darüber hinaus ist die Bundesregierung der Ansicht, dass im Hinblick auf den Ausbau von KWK als effizienter und klimafreundlicher Technologie das KWKG das spezifische Instrument der Förderung von Stromerzeugung ist. Die Frage, inwieweit hier mit Blick auf die Ziele des Klimaschutzes Handlungsbedarf besteht, wird im Rahmen der Evaluierung des KWKG geprüft. 7. Welche konkreten Auswirkungen auf den Ausbau der KWK erwartet die Bundesregierung durch die geplante Belastung des selbstgenutzten Stroms aus KWK-Anlagen mit einer anteiligen EEG-Umlage, und auf welche Angaben stützt sie sich bei dieser Einschätzung? Durch eine anteilige Belastung selbst genutzten Stroms werden Investitionen in KWK-Anlagen weniger attraktiv, soweit ihr Geschäftsmodell in hohem Maße auf einer Vermeidung des durch EEG-Umlage belasteten Fremdstrombezugs beruht. Hierdurch werden insbesondere bestehende strukturelle Fehlanreize für solche Investitionen beseitigt. 8. Welche Auswirkung hat nach Einschätzung der Bundesregierung die Streichung des Eigenstromprivilegs von KWK-Anlagen auf die Wärmeversorgung in Quartieren mit bestehenden und geplanten KWK-Anlagen? Die Regelungen zum Eigenverbrauch im Rahmen der EEG-Novelle befinden sich derzeit in der Ressortabstimmung. Die Begründung zu dem Gesetzentwurf wird Ausführungen zu den Auswirkungen enthalten. Drucksache 18/1119 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 9. Wie beurteilt die Bundesregierung die rechtliche Zulässigkeit für die Teilbelastung von Eigenstrom aus KWK- und anderen Anlagen zur Stromerzeugung mit der EEG-Umlage? Die Bundesregierung prüft bei jedem Gesetzgebungsvorschlag die rechtliche Zulässigkeit der von ihr vorgeschlagenen Regelungen. Die Gesetzesbegründung wird hierzu Ausführungen enthalten. 10. Hält die Bundesregierung, wie im Eckpunktepapier vom Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel angekündigt, an der Einführung einer Bagatellgrenze in Höhe von 10 Kilowatt fest, und wenn ja, auf welcher wissenschaftlichen Grundlage plant die Bundesregierung eine Bagatellgrenze ausgerechnet in dieser Höhe einzuführen? Wenn nein, welche Bagatellgrenze plant die Bundesregierung für die Befreiung des Eigenstromverbrauchs von der EEG-Umlage einzuführen? Der Entwurf für die Novelle des EEG wird derzeit in der Bundesregierung abgestimmt . Der Gesetzentwurf soll in Kürze vom Kabinett verabschiedet und dann dem Bundestag zugeleitet werden. 11. Hält die Bundesregierung an ihrem Ziel fest, den Anteil der KWK an der Nettostromerzeugung in Deutschland auf einen Wert von 25 Prozent bis zum Jahr 2020 zu erhöhen, und wenn ja, mit welchen Mitteln will die Bundesregierung dieses Ziel erreichen? Nach § 1 des KWKG soll der KWK-Anteil auf 25 Prozent bis 2020 ausgebaut werden. Gegenwärtig wird eine Potenzial- und Kosten-Nutzenanalyse zur Zukunft der KWK im zukünftigen Strom- und Wärmemarkt sowie eine Evaluierung des KWKG erstellt. Im Lichte der Ergebnisse dieser Analysen werden die Rahmenbedingungen für KWK überprüft. Ergebnisse werden im Herbst 2014 vorliegen. 12. Welche konkreten Änderungen am Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG) wären nach Informationen der Bundesregierung notwendig, damit das Ziel von 25 Prozent KWK im Jahr 2020 trotz der von der Bundesregierung geplanten Belastung des Eigenstromverbrauchs mit der EEG-Umlage erreicht wird, und welche konkreten Änderungen an den KWK-Zuschlägen plant die Bundesregierung vorzunehmen, wenn eine Belastung des Eigenstromverbrauchs mit der EEG-Umlage eingeführt wird (bitte nach Größenklassen aufschlüsseln)? Im Rahmen der Evaluierung des KWKG wird das bestehende Förderinstrumentarium des KWKG überprüft. Hierzu zählt auch eine Betrachtung der Wirtschaftlichkeit des Betriebs von KWK-Anlagen. Ob und wieweit eine Anpassung der Zuschläge erfolgen soll, ist im Lichte der Ergebnisse der Analysen zu entscheiden . Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/1119 13. Wie sieht der konkrete Zeitplan der Bundesregierung für die nach § 12 KWKG vorgesehene Zwischenüberprüfung des KWKG aus, und welche Aufträge für wissenschaftliche Gutachten wurden für diese Zwischenüberprüfung bereits vergeben (bitte nach Auftragnehmer, Budget und Zeitplan aufschlüsseln)? Die Grundlagen für die Zwischenüberprüfung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie nach § 12 KWKG werden gemeinsam mit der KWKPotenzial - und Kosten-Nutzen-Analyse erstellt. Das vorbereitende Gutachten wurde an die Bietergemeinschaft der Unternehmen Prognos AG, FraunhoferInstitut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung (IFAM), Institut für Ressourceneffizienz und Energiestrategien (IREES GmbH ) sowie BHKW-Consult vergeben. Aussagen zum Auftragsvolumen unterliegen dem Betriebs- und Geschäftsgeheimnis. Die Ergebnisse der Studie werden im Herbst vorliegen. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333