Deutscher Bundestag Drucksache 18/1122 18. Wahlperiode 10.04.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Halina Wawzyniak, Jan Korte, Herbert Behrens, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/923 – Beschäftigtendatenschutz in sozialen Netzwerken Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Bereits im Dezember 2013 wurde die Problematik, die soziale Netzwerke für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber darstellen können, thematisiert (Bundestagsdrucksache 18/117). Wie in der Vorbemerkung dieser Kleinen Anfrage bereits ausgeführt, werden immer häufiger Kündigungen wegen Äußerungen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in Internetforen oder sozialen Netzwerken ausgesprochen, was zu einer zunehmenden, aber nicht einheitlichen Rechtsprechung führt. Dabei sind vor allem die Fragen relevant, inwieweit das Recht auf freie Meinungsäußerung greift und ab wann Beiträge noch als privat oder als öffentlich anzusehen sind. Ist die Frage nach der freien Meinungsäußerung noch recht einfach mit den anerkannten Schranken zu klären (z. B. Beleidigung, Schmähkritik, falsche Tatsachenbehauptung), gibt es in Bezug auf die Öffentlichkeit eines Posts unterschiedliche Ansichten und verschiedene Urteile diverser Gerichte. Dies liegt zum einen an einer fehlenden gesetzlichen Regelung, hängt zum anderen aber auch damit zusammen, dass sich das Verständnis von Privatheit bei Internetnutzerinnen und -nutzern gewandelt hat. So werden nichtöffentliche Posts bei Facebook auch dann noch als privat empfunden, wenn sie sich an einen größeren Freundeskreis richten. Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) liegt noch nicht vor, mithin gibt es keine Rechtssicherheit für Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Zunehmend beliebter wird die Arbeitssuche in sozialen Netzwerken. Besonders Arbeitgeber suchen vermehrt in sozialen Netzwerken nach potentiellen Arbeitnehmern (www.heise.de/ix/meldung/Studie-Job-Vermittlung-via-SocialNetwork -bei-Arbeitgebern-beliebter-als-bei-Arbeitnehmern-2053341.html). Doch in welchen sozialen Netzwerken Arbeitgeber nichtöffentliche Daten (also Daten, die nicht über eine Suchmaschinenanfrage zu erheben sind) von Arbeitnehmern erheben dürfen, ist rechtlich nicht abschließend geklärt. Die Auffassungen , ob Arbeitgeber nur in berufsorientierten sozialen Netzwerken Daten Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 9. April 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. erheben können oder auch in freizeitorientierten, gehen auseinander. Dass Daten von berufsorientierten sozialen Netzwerken erhoben werden dürfen, erscheint noch nachvollziehbar; schließlich sind diese sozialen Netzwerke darauf ausgelegt, sich potentiellen Arbeitgebern vorzustellen. Entsprechend sorgfältig Drucksache 18/1122 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode werden Mitglieder ihre Daten dort einstellen. Anders sieht dies bei freizeitorientierten sozialen Netzwerken aus. Diese werden hauptsächlich privat genutzt . Dementsprechend offener werden Mitglieder mit ihren Daten umgehen. In ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage (Bundestagsdrucksache 18/161) verwies die Bundesregierung auf die Frage, ob sie einen Regelungsbedarf bei der Vertraulichkeit von Posts und Internetforen sieht, auf die EU-DatenschutzGrundverordnung , die derzeit noch in Verhandlung ist. Zwar hat das Europäische Parlament den Entwurf der Verordnung am 12. März 2014 beschlossen . Doch die Verhandlungen im Ministerrat stocken. Die Innenministerkonferenz vom 23. bis 24. Januar 2014 hat gezeigt, dass mit weiteren Verzögerungen zu rechnen ist. Es ist sogar die Rede davon, dass damit erst in drei bis vier Jahren zu rechnen sei (www.tagesspiegel.de/politik/aufgeschobene-reformneue -eu-datenschutzregeln-kommen-erst-nach-europawahl/9377498.html). Es steht also zu befürchten, dass die Rechtsunsicherheit auch in den nächsten Jahren bestehen bleibt. Hinzu kommt, dass die Novellierung des Beschäftigtendatenschutzes in der letzten Legislaturperiode jedoch trotz eines bestehenden Gesetzentwurfs nicht vollzogen wurde. 1. In welchen sozialen Netzwerken dürfen Arbeitgeber nach Ansicht der Bundesregierung vor dem Eintritt in ein Beschäftigungsverhältnis Daten von Bewerbern erheben? 2. Sieht die Bundesregierung Bedarf, rechtlich verbindlich zu regeln, in welchen sozialen Netzwerken Arbeitgeber vor dem Eintritt in ein Beschäftigungsverhältnis Daten von Bewerbern erheben dürfen? Wenn ja, gibt es konkrete Pläne? 3. Welche konkreten Daten von Bewerbern dürfen Arbeitgeber nach Ansicht der Bundesregierung vor dem Eintritt in ein Beschäftigungsverhältnis in sozialen Netzwerken erheben? 4. Sieht die Bundesregierung Bedarf, gesetzlich zu regeln, welche konkreten Daten von Bewerbern Arbeitgeber vor dem Eintritt in ein Beschäftigungsverhältnis in sozialen Netzwerken erheben dürfen? Wenn ja, gibt es konkrete Pläne? Die Fragen 1 bis 4 werden gemeinsam beantwortet. Gemäß § 32 Absatz 1 Satz 1 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) dürfen Arbeitgeber personenbezogene Daten von Bewerbern oder Beschäftigten erheben , verarbeiten oder nutzen, wenn dies für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder nach Begründung des Beschäftigungsverhältnisses für dessen Durchführung oder Beendigung erforderlich ist. Die Zulässigkeit dieser Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung setzt voraus, dass sie nach Art und Ausmaß in Anbetracht der verfolgten Zwecke angemessen ist. Diese Vorgaben gelten auch für die Erhebung von Daten in sozialen Netzwerken und Internetforen. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 14 verwiesen. 5. Sind Voraussetzungen für die Datenerhebung von Bewerbern durch Arbeitgeber in sozialen Netzwerken vor dem Eintritt in ein Beschäftigungsverhältnis Gegenstand der Verhandlungen zur EU-Datenschutz-Grundverordnung ? Wenn ja, welche Position vertritt die Bundesregierung hierbei? Nach Artikel 82 Absatz 1 des Entwurfs der Kommission für eine DatenschutzGrundverordnung vom 25. Januar 2012 können die Mitgliedstaaten beschäftig- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/1122 tendatenschutzrechtliche Fragen in den Grenzen der Verordnung durch Gesetz regeln. Hierzu gehört die Verarbeitung personenbezogener Arbeitnehmerdaten im Beschäftigungskontext für Zwecke der Einstellung und der Erfüllung des Arbeitsvertrags. Das weitere Gesetzgebungsverfahren auf EU-Ebene bleibt abzuwarten. 6. In welchen sozialen Netzwerken dürfen Arbeitgeber nach Ansicht der Bundesregierung innerhalb eines Beschäftigungsverhältnisses Daten von Arbeitnehmern erheben? 7. Sieht die Bundesregierung Bedarf, rechtlich verbindlich zu regeln, in welchen sozialen Netzwerken Arbeitgeber innerhalb eines Beschäftigungsverhältnisses Daten von Arbeitnehmern erheben dürfen? Wenn ja, gibt es konkrete Pläne? 8. Welche konkreten Daten von Arbeitnehmern in sozialen Netzwerken dürfen Arbeitgeber nach Ansicht der Bundesregierung innerhalb eines Beschäftigungsverhältnisses erheben? 9. Sieht die Bundesregierung Bedarf, gesetzlich zu regeln, welche konkreten Daten von Arbeitnehmern in sozialen Netzwerken Arbeitgeber innerhalb eines Beschäftigungsverhältnisses erheben dürfen? Die Fragen 6 bis 9 werden gemeinsam beantwortet. Es wird auf die Antwort zu den Fragen 1 bis 4 verwiesen. 10. Sind Voraussetzungen für die Datenerhebung von Arbeitnehmern in sozialen Netzwerken durch Arbeitgeber innerhalb eines Beschäftigungsverhältnisses Gegenstand der Verhandlungen zur EU-Datenschutz-Grundverordnung ? Wenn ja, welche Position vertritt die Bundesregierung hierbei? Es wird auf die Antwort zu Frage 5 verwiesen. 11. Unter welchen Voraussetzungen hält die Bundesregierung Unterhaltungen in sozialen Netzwerken und Internetforen für privat und unter welchen Voraussetzungen für öffentlich (bitte begründen)? Die Abgrenzung zwischen öffentlicher und privater Kommunikation in sozialen Netzwerken und Internetforen ist Gegenstand einer noch nicht abgeschlossenen, auf mehreren Ebenen geführten Diskussion. Kriterien für die Abgrenzung sind unter anderem in der jüngeren Rechtsprechung entwickelt worden (vgl. Verwaltungsgerichtshof München, Beschluss vom 29. Februar 2012 – 12 C 12.264; Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 10. Oktober 2011 – 3 Sa 644/12.). Eine Unterhaltung in sozialen Netzwerken oder Internetforen ist zumeist dann eine öffentliche Kommunikation, wenn eine allgemeine Zugänglichkeit zu diesen Kommunikationsplattformen besteht. Die allgemeine Zugänglichkeit ist nicht immer bereits dadurch ausgeschlossen, dass eine Registrierung erforderlich ist. Eine Beurteilung kann im Übrigen nur anhand des konkreten Einzelfalls erfolgen . Die Größe des Empfängerkreises, das Ziel und der Zweck des Kommunikationsforums oder die soziale Akzeptanz und Ortsüblichkeit stellen weitere Kriterien für die Beurteilung dar. Drucksache 18/1122 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 12. Sind die Voraussetzungen von arbeitsrechtlichen Maßnahmen aufgrund einer Äußerung eines Arbeitnehmers in einem sozialen Netzwerk oder einem Internetforum Gegenstand der Verhandlungen zur EU-Datenschutz -Grundverordnung? Wenn ja, welche Position vertritt die Bundesregierung dabei? Die Zulässigkeit arbeitsrechtlichen Maßnahmen richtet sich nach den allgemeinen arbeitsrechtlichen Vorschriften (vgl. Antwort der Bundesregierung zu den Fragen 6 bis 9 der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 18/161). Allgemeine arbeitsrechtliche Vorschriften sind nicht Gegenstand der Verhandlungen zur EU-Datenschutz-Grundverordnung. 13. Wann werden nach Kenntnis der Bundesregierung die Verhandlungen zur EU-Datenschutz-Grundverordnung beendet sein, und bis wann rechnet die Bundesregierung mit ihrer Verabschiedung? Die Bundesregierung setzt sich dafür ein, dass die Verhandlungen über die Datenschutz-Grundverordnung entschieden vorangehen. Gegenwärtig sind trotz intensiver Arbeiten für eine große Anzahl von Mitgliedstaaten noch wichtige Fragen offen. Vor diesem Hintergrund begrüßt die Bundesregierung den Beschluss des Europäischen Rates, wonach die rechtzeitige Verabschiedung eines soliden EU-Datenschutzrahmens für die Vollendung des Digitalen Binnenmarktes bis zum Jahr 2015 als von entscheidender Bedeutung bezeichnet wird. 14. Plant die Bundesregierung, den Beschäftigtendatenschutz zu novellieren? Wenn ja, bis wann soll dies geschehen? Entsprechend den Vorgaben des Koalitionsvertrages zwischen CDU, CSU und SPD für die 18. Legislaturperiode verfolgt die Bundesregierung die Verhandlungen zur Europäischen Datenschutz-Grundverordnung mit dem Ziel, das in Deutschland bestehende Datenschutzniveau – auch bei der grenzüberschreitenden Datenverarbeitung – zu erhalten und über das europäische Niveau hinausgehende Standards zu ermöglichen. Sollte mit einem Abschluss der Verhandlungen über die Europäische Datenschutz-Grundverordnung nicht in angemessener Zeit gerechnet werden können, soll eine nationale Regelung zum Beschäftigtendatenschutz geschaffen werden. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333